Max Reger an Ferruccio Busoni arrow_backarrow_forward

Weiden · 6. September 1895

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Mus. ep. Max Reger 89 (Busoni-Nachl. B II)
Mus. Nachl. F. Busoni B II, 4053
rend="align(right) space-below">Weiden, 6. Sept. 95.

Mein bester hochverehrtester Herr!


Ihr so liebenswürdiger, mich so sehr erfreuender Brief traf
gestern ein. Und so soll es heute mein Erstes sein, Ihnen vor allem besten Dank dafür zusagen. Ich werde Ihren liebenswürdigen Brief genau beantworten u. fange gleich mit dem Rubinsteinpreis an.
Verzeihen Sie also meine Offenheit, wenn ich ganz meiner Überzeugung nach schreibe – also nicht zürnen,
bitte, bitte. Ich habe eine unüberwindliche Abneigung gegen alle Preiskonkurrenzen; Diese Abneigung, die er ein Leben lang beibehielt, tat Reger auch in späteren Briefen an Busoni kund. Vgl. Regers Brief an Busoni vom 21. Oktober 1895. den Grund
dafür sehe ich darin, daß es ganz unmöglich [ist] von mehreren Werken – u. es sind bei Preiskonkurrenzen
doch im̅er eine ganz erkleckliche Zahl – einfach eines als das beste zu bezeichnen, besonders
wen̅ die Kompositionen von jüngeren Tonsetzern herrühren – u. dann wird gerade durch
Preiskonkurrenzen, weniger der Wetteifer als der Neid, die Mißgunst gefördert, welche
zwei schönen Eigenschaften gerade unter den Dienern – „halt Rosenthal schreibt „Heroen““ –
der edlen Musiker wieder sehr verbreitet sind. Meiner ganz u. gar unmaßgeblichen Ansicht
nach wäre es viel besser, man nähme das Geld u. errichtete jungen Komponisten
vor Allem Gelegenheiten ihre Werke aufgeführt zu sehen u. zu hören – u. daraus kön̅te
vielleicht viel Ersprießliches entspringen. Ferner mache ich gerade bei der Bewerbung
um den Rubinsteinpreis unseren Musikzeitungen den Vorwurf, daß sie viel zu spät

rend="align(right) space-below">Weiden, 6. Sept. 95.

Mein bester hochverehrtester Herr!

Ihr so liebenswürdiger, mich so sehr erfreuender Brief traf gestern ein. Und so soll es heute mein Erstes sein, Ihnen vor allem besten Dank dafür zusagen. Ich werde Ihren liebenswürdigen Brief genau beantworten und fange gleich mit dem Rubinsteinpreis an. Verzeihen Sie also meine Offenheit, wenn ich ganz meiner Überzeugung nach schreibe – also nicht zürnen, bitte, bitte. Ich habe eine unüberwindliche Abneigung gegen alle Preiskonkurrenzen; Diese Abneigung, die er ein Leben lang beibehielt, tat Reger auch in späteren Briefen an Busoni kund. Vgl. Regers Brief an Busoni vom 21. Oktober 1895. den Grund dafür sehe ich darin, dass es ganz unmöglich [ist] von mehreren Werken – und es sind bei Preiskonkurrenzen doch immer eine ganz erkleckliche Zahl – einfach eines als das beste zu bezeichnen, besonders wenn die Kompositionen von jüngeren Tonsetzern herrühren – und dann wird gerade durch Preiskonkurrenzen, weniger der Wetteifer als der Neid, die Missgunst gefördert, welche zwei schönen Eigenschaften gerade unter den Dienern – „halt Rosenthal schreibt „Heroen““ – der edlen Musiker wieder sehr verbreitet sind. Meiner ganz und gar unmaßgeblichen Ansicht nach wäre es viel besser, man nähme das Geld und errichtete jungen Komponisten vor Allem Gelegenheiten , ihre Werke aufgeführt zu sehen und zu hören – und daraus könnte vielleicht viel Ersprießliches entspringen. Ferner mache ich gerade bei der Bewerbung um den Rubinsteinpreis unseren Musikzeitungen den Vorwurf, dass sie viel zu spät darauf hingewiesen! Der Anton Rubinstein-Preis für Komposition war ein mit 5.000 Mark dotierter Kompositionspreis, der zwischen 1890 und 1910 alle fünf Jahre vergeben wurde. Der Kompositionspreis war Teil des Anton-Rubinstein-Wettbewerbs mit den Kategorien Klavierspiel und Komposition. Im Jahr 1890 hatte Busoni den Preis für sein Konzertstück op. 31a erhalten. Zwar schreibt Reger in seinem Brief an Busoni, er habe nicht rechtzeitig von der Preisausschreibung erfahren und sich deshalb nicht beworben, jedoch misstraute Reger der Institution Wettbewerb im Allgemeinen. Auch Regers Vater, Joseph Reger, wollte, dass sich dieser auf den Kompositionspreis bewirbt, weshalb es bereits im Sommer 1895 zu Unstimmigkeiten zwischen Vater und Sohn gekommen war. Joseph Reger hatte diesbezüglich sogar den damaligen Lehrer von Max Reger am Konservatorium, Hugo Riemann, kontaktiert.Vgl. (Popp 2015, S. 94). mich noch ein Umstand geltend; Sie wissen, ich habe Kontrakt mit Augener; hätte ich den Preis nun nicht gewonnen, so wäre das nun eine entsetzliche Blamage für mich Augener gegenüber gewesen. Und ich hätte auch das verlangte Kammermusikwerk nicht mehr bis zu der Zeit fertig stellen können. Also zürnen Sie mir nicht, bitte; bitte.

Was Sie mir betr. meiner Erstlingswerke geschrieben, ehrt mich ja so ungemein; ich schrieb Ihnen ja, dass der größte Teil davon noch vor meinem 20. Lebensjahre geschrieben ist – und dass man in diesem Alter noch nicht künstlerisch gereift sein kann und sich notgedrungen anlehnt, liegt auf der Hand! Glauben Sie mir, ich wünschte nichts sehnlicher, als manches meiner leider schon erschienen[en] Werke wäre nicht geschrieben. In den letzten 2 Jahren habe ich hauptsächlich studiert – und zwar alles, sogar Fr. Liszt, dem ja Dr. Riemann jede schöpferische Begabung abspricht, welchen Glauben und welche Ansicht ich nie und nie geteilt habe und auch nie teilen werde. Jetzt werde ich noch mehr mich in größeren Rahmen d.h. größeren Formen [ein]arbeiten.

Daß der Horizont der Fantasie besonders wenn man wie ich in Brahmsschen Geleise fährt im Anfange, also ein ziemlich eingeengter ist, habe ich schon länger auch empfunden - und glaube ich durch mein wirklich eifriges Studium der Meister in den letzten Jahren jetzt die Einflüsse Brahms schon mehr zurückgedrängt zu haben.

Was Sie aber in Bezug auf Ihre Werke selbst schreiben, ist so sehr zu bescheiden, als dass ich nicht dagegen opponieren müßte. Ich bin in die meisten Sachen geradezu verliebt, besonders

in die Variationen über das Thema von Chopin. Oder was soll ich Ihnen denn über Ihr Quartett (Finale) schreiben! Oder wer wäre im Stande eine derartige hochgeniale Bearbeitung der Bach’schen Chaconne zu schaffen wie Sie! Gerade diese Bearbeitung, welche für die dilettantischen Spieler, wie sie hier am Orte sind, fehlt noch technisch am ehesten zu bewältigen ist -( für die graziösen, huschenden Balletscenen fehlt den Leuten der Anschlag) werde auch hier nach Kräften empfehlen.

Und für die Widmung der Klavierstücke danke ich Ihnen herzlichst und aufrichtigst mit dem Versprechen , Sie mit einem größeren Originalwerke (2. Klavierkonzert) zu überraschen. Diese Bacharrangements sind ja doch nur Bearbeitungen und ist es also doppelt liebenswürdig von Ihnen dann gleich mit einem Originalwerke zu antworten. Also machen Sie sich nur gefaßt auf die Widmung des 2. Klavierkonzertes. Die Veröffentlichung eines zweiten Klavierkonzertes blieb aus und somit auch die versprochene Widmung. Max Reger veröffentlichte zeitlebens nur ein Klavierkonzert, namentlich das Klavierkonzert in F-Moll, op. 114, welches er der Pianistin der Uraufführung, Frieda Kwast-Hopapp, widmete. Dann habe ich auch eine große Bitte an Sie, senden Sie mir auch Ihr Bild; es würde mich unendlich freuen.

Nun zürnen Sie mir nicht wegen meiner Offenheit betr. der Rubinsteinpreisbewerbung und haben Sie für Alles und besonders für die Widmung nochmals herzlichsten Dank.

Sie werden nächsten Winter doch in Wiesbadenoder Frankfurt a/M spielen, bitte mich dann nur mit Postkarte benachrichtigen zu wollen und ich freue mich schon sehr darauf , Sie persönlich kennenzu lernen.

Ihnen beste Erholung von den Anstrengungen der letzten 3 Wochen wünschend , mit ganz vorzüglichster Hochachtung und Dankbarkeit Ihr stets aufrichtigst und freundschaftlichst ergebenster,

Max Reger,

Weiden bayerische Oberpfalz. rend="rotate(45)Vom 17. Sept. ab Wiesbaden Bleichstr. 39 II
                                                                
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2Diplomatische Umschrift
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darauf hingewiesen! Der Anton Rubinstein-Preis für Komposition war ein mit 5.000 Mark dotierter Kompositionspreis, der zwischen 1890 und 1910 alle fünf Jahre vergeben wurde. Der Kompositionspreis war Teil des Anton-Rubinstein-Wettbewerbs mit den Kategorien Klavierspiel und Komposition. Im Jahr 1890 hatte Busoni den Preis für sein Konzertstück op. 31a erhalten. Zwar schreibt Reger in seinem Brief an Busoni, er habe nicht rechtzeitig von der Preisausschreibung erfahren und sich deshalb nicht beworben, jedoch misstraute Reger der Institution Wettbewerb im Allgemeinen. Auch Regers Vater, Joseph Reger, wollte, dass sich dieser auf den Kompositionspreis bewirbt, weshalb es bereits im Sommer 1895 zu Unstimmigkeiten zwischen Vater und Sohn gekommen war. Joseph Reger hatte diesbezüglich sogar den damaligen Lehrer von Max Reger am Konservatorium, Hugo Riemann, kontaktiert.Vgl. (Popp 2015, S. 94).
mich noch ein Umstand geltend; Sie wissen, ich habe Kontrakt mit Augener; hätte ich den
Preis nun nicht gewon̅en, so wäre das nun eine entsetzliche Blamage für mich Augener
gegenüber gewesen. Und ich hätte auch das verlangte Kam̅ermusikwerk nicht mehr
bis zu der Zeit fertig stellen kön̅en. Also zürnen Sie mir nicht, bitte; bitte.

Was Sie mir betr. meiner Erstlingswerke geschrieben, ehrt mich ja so ungemein; ich
schrieb Ihnen ja, daß der größte Teil davon noch vor meinem 20. Lebensjahre geschrieben
ist – u. daß man in diesem Alter noch nicht künstlerisch gereift sein kann u. sich notge-
drungen anlehnt, liegt auf der Hand! Glauben Sie mir, ich wünschte nichts sehnlicher,
als manches meiner leider schon erschienen[en] Werke wäre nicht geschrieben. In den
letzten 2 Jahren habe ich hauptsächlich studiert – u. zwar alles, sogar Fr. Liszt, dem
ja Dr. Riemann jede schöpferische Begabung abspricht, welchen Glauben u. welche
Ansicht ich nie u. nie geteilt habe u. auch nie teilen werde. Jetzt werde ich
noch mehr mich in größeren Rahmen d.h. größeren Formen [ein]arbeiten.

Daß der Horizont der Fantasie besonders wenn man wie ich in
Brahmsschen Geleise fährt im Anfange, also ein ziemlich eingeengter ist,
habe ich schon länger auch empfunden - u. glaube ich durch mein wirklich
eifriges Studium der Meister in den letzten Jahren jetzt die Einflüsse
Brahms schon mehr zurückgedrängt zu haben.

Was Sie aber in Bezug auf Ihre Werke selbst schreiben, ist
so sehr zu bescheiden, als daß ich nicht dagegen opponieren müßte.
Ich bin in die meisten Sachen geradezu verliebt, besonders

                                                                
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in die Variationen über das Thema von Chopin. Oder was soll ich Ihnen
denn über Ihr Quartett (Finale) schreiben! Oder wer wäre im
Stande eine derartige hochgeniale Bearbeitung der Bach’schen
Chaconne
zu schaffen wie Sie! Gerade diese Bearbeitung, welche
für die dilettantischen Spieler, wie sie hier am Orte sind, fehlt noch
technisch am ehesten zu bewältigen ist -( für die graziösen, huschenden Balletscenen
fehlt den Leuten der Anschlag) werde auch hier nach
Kräften empfehlen.

Und für die Widmung der Klavierstücke danke ich Ihnen herzlichst
u. aufrichtigst mit dem Versprechen Sie mit einem größeren
Originalwerke (2. Klavierconcert) zu überraschen. Diese Bach-
arrangements sind ja doch nur Bearbeitungen u. ist es also
doppelt liebenswürdig von Ihnen dann gleich mit einem Original-
werke zu antworten. Also machen Sie sich nur gefaßt auf die
Widmung des 2. Klavierkonzertes. Die Veröffentlichung eines zweiten Klavierkonzertes blieb aus und somit auch die versprochene Widmung. Max Reger veröffentlichte zeitlebens nur ein Klavierkonzert, namentlich das Klavierkonzert in F-Moll, op. 114, welches er der Pianistin der Uraufführung, Frieda Kwast-Hopapp, widmete. Dann habe ich auch eine
große Bitte an Sie, senden Sie mir auch Ihr Bild; es würde
mich unendlich freuen.

Nun zürnen Sie mir nicht wegen meiner Offenheit betr. der
Rubinsteinpreisbewerbung u. haben Sie für Alles u. besonders
für die Widmung nochmals herzlichsten Dank.

                                                                
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Sie werden nächsten Winter doch in Wiesbadenod. Frankfurt a/M
spielen, bitte mich dann nur mit Postkarte benachrichtigen zu
wollen u. ich freue mich schon sehr darauf Sie persönlich ken̅enzu
lernen.

Ihnen beste Erholung von den Anstrengungen der letzten 3 Wochen
wünschend mit ganz vorzüglichster Hochachtung u. Dankbarkeit
Ihr
stets aufrichtigst u. freundschaftlichst
ergebenster,

Max Reger,


Weiden bayerische Oberpfalz.
rend="rotate(45)Vom 17. Sept. ab
Wiesbaden
Bleichstr. 39 II.
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
Nachlaß Busoni
                                                                
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[…] unknown : Papier fehlt.
Herrn Benv.Ferruccio Busoni
Tonkünstler, Komponist
7.)


Tauenzienstr. 10

                                                                

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6Faksimile
6Diplomatische Umschrift
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M. Reger, Weiden, Oberpfalz, Bayern

Mus.Nachl. F. Busoni B II, 4047-Beil.
Bestellt
vom
Postamte 50
7/9.95
91/4-10V2V
rend="rotate(-90) align(center)">Mus. Nachl. F. Busoni
Mus.ep. M. Reger 89 B II 4053 - Beil.
Nachlaß Busoni B II
6. Sept. 1895
o. Marke
[Bleistiftzeichnung einer gothischen Kirche.]

                                                                

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Überlieferung
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B II, 4053+4053a | olim: Mus.ep. M. Reger 89+89a |

Nachweis Kalliope

Zustand
Brief und Umschlag sind gut erhalten.Poststempel oben links ausgerissen.
Umfang
3 Bögen, 4 beschriebene Seiten
Kollation
1, 2, 3, 4, 5, 6
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Max Reger, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen, eine Foliierung vorgenommen und das Briefdatum ergänzt hat
  • Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
  • Poststempel (schwarze Tinte)
Bildquelle
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 123456

Zusammenfassung
Reger beschwert sich über den Rubinsteinpreis und schlägt vor, die Werke junger Komponisten lieber durch Aufführungen, als durch Preise zu würdigen; erklärt, weshalb er sich nicht auf den Rubinsteinpreis beworben hat, und bedankt sich für Busonis Lob betreffs seines Erstlingswerkes; lobt dessen Kompositionen, insbesondere die Neun Variationen über ein Präludium von Chopin (BV 213); bedankt sich für die Widmung der Klavierstücke und verspricht Busoni eine Widmung eines größeren Originalwerkes.
Incipit
Ihr so liebenswürdiger, mich so sehr erfreuender Brief traf gestern ein.

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
Stand
13. Oktober 2025: in Korrekturphase (Transkription abgeschlossen, Auszeichnungen codiert, zur Korrekturlesung freigegeben)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition