Mus. ep.
Max Reger 89 (
Busoni-Nachl. B II) | [1]
Mus. Nachl.
F. Busoni B II, 4053
Weiden, 6. Sept. 95.
Mein bester hochverehrtester Herr!
Ihr so liebenswürdiger, mich so sehr erfreuender Brief traf
gestern ein. Und so soll es heute mein erster sein, Ihnen vor allem besten Dank dafür zusagen. Ich werde Ihren liebenswürdigen Brief genau beantworten und frage gleich mit dem Rubinsteinkreis an.
Verzeihen Sie also meine Offenheit, wenn ich ganz meiner Überzeugung nach schreibe – also nicht zürnen,
bitte, bitte. Ich habe eine unüberwindliche Abneigung gegen alle Preiskonkurrenzen; den Grund
dafür sehe ich darin, dass es ganz unmöglich von mehreren Werken – und es sind bei Preiskonkurrenzen
doch immer eine ganz erkeckliche Zahl – einfach eines als das Beste zu bezeichnen, besonders
wenn die Kompositionen von jüngeren Tonsetzern herrühren – und dann wird gerade durch
Preiskonkurrenzen, weniger der Wetteifer als der Neid, die Missgunst gefördert, welche
zwei schönen Eigenschaften gerade unter den Dienern – „halt Rosenthal schreibt „Herren““ –
der edlen Musiker wieder sehr verbreitet sind. Meiner ganz und gar unmaßgeblichen Ansicht
nach wäre es viel besser, man nähme das Geld und errichtete jungen Komponisten
vor Allem Gelegenheiten , ihre Werke aufgeführt zu sehen und zu hören – und daraus könnte
vielleicht viel Ersprießliches entspringen. Ferner mache ich gerade bei der Bewerbung
um den Rubinsteinpreis unseren Musikzeitungen den Vorwurf, dass sie viel zu spät
darauf hingewiesen! Die erste Nachricht davon las ich Mitte Juni. Und dann war für
mich noch ein Umstand geltend; Sie wissen, ich habe Kontrakt mit Augener; hätte ich den
Preis nun nicht gewonnen, so wäre das nun eine entsetzliche Blamage für mich Augener
gegenüber gewesen. Und ich hätte auch das verlangte Kammermusikwerk nicht mehr
bis zu der Zeit fertig stellen können. Also zürnen Sie mir nicht, bitte; bitte.
Was Sie mir betr. meiner Erstlingswerke geschrieben, ehrt mich ja so ungemein; ich
schrieb Ihnen ja, dass der größte Teil daran noch vor meinen 20. Lebensjahre geschrieben
ist – und dass man in diesem Alter noch nicht künstlerisch gereift sein kann und sich notgedrungen erlehnt, liegt auf der Hand! Glauben Sie mir, ich wünschte nichts sehnlicher [?],
als manches meiner leider schon erschienen Werke wäre nicht geschrieben. In den
letzten 2 Jahren habe ich hauptsächlich studiert – und zwar alles, sogar Fr. Liszt, den
hier [?] Dr. Riemann jede schöpferische Begabung abspricht, welchen Glauben [?] d. welche
Ansicht ich sein und ein geteilt habe und auch ein teilen werde. Jetzt werde ich
noch mehr mich in größeren Rahmen d.h. größeren Fermeninfarkeiten.
Daß der Horizont der Fantasie besonders wenn man wie ich in
Brahmschen Geleise führt im Anfange, also ein ziemlich eingeengter ist,
habe ich schon länger auch empfunden - und glaube ich durch mein wirklich
eifriges Studium das Muster in den letzten Jahren jetzt die Einflüsse
Brahms schon mehr zurückgedrängt zu haben.
Was Sie aber in Bezug auf Ihre Werke selbst schreiben, ist
so sehr zu bescheiden, als dass ich nicht dagegen apparieren müßte.
Ich bin in die meisten Sachen geradezu verliebt, besonders
in die Variationen über das/der Thema von Chopin. Wer __ soll ich Ihnen
Denn über Ihr Quartett (Finale) schreiben! Wer __ wäre im
Stande eine derartige hochgeniale Bearbeitung der Bach’schen
Chaconne zu schaffen wie Sie! Gerade diese Bearbeitung, welche
für die dilettantischen Spieler, wie sie hier im Orte sind, [durchgestrichen:] habe | auch
technisch am ehesten zu bewältigen ist -( für die __ __
___ fehlt den Leuten der Anschlag) werde auch hier aus
Kräften empfehlen.
Und für die Widmung der Klavierstücke danke ich Ihnen herzlichst
und aufrichtigst mit dem Versprechen , Sie mit einem größeren
Originalwerke (2. Klavierkonzert) zu überraschen. Diese Bacharrangements sind ja doch[D?] nur Bearbeitungen und ist es also
doppelt liebenswürdig von Ihnen __ gleich mit einem Originalwerke zu __. Also machen Sie sich nur gefaßt auf die
Widmung des 2. Klavierkonzertes. Dann habe ich auch eine
große Bitte an Sie, senden Sie mir auch Ihr Bild; es würde
mich unendlich freuen.
Nun zürnen Sie mir nicht wegen meiner Offenheit betr der
Rubinsteinpreis Bewerbung und haben Sie für Alles und besonders
für die Widmung nochmals herzlichen Dank.
Sie werden nächsten Winter doch in Wiesbadenoder Frankfurt a/M
spielen, bitte mich Dann nur mit Postkarte benachrichtigen zu
__ und ich freue mich schon sehr darauf , Sie persönlich kennenzu
lernen.
Ihnen beste Erholung von den Anstrengungen der letzten 3 Wochen
wünschend mit ganz herrlichsterhochachtung und Dankbarkeit
Ihr
Stets aufrichtigst und freundschaftlichst
ergebenster,
Max Reger,
Weiden
bayerische Oberpfalz.
__ 17. Sept. ab.
Wiesbaden
Bleichstr. 391,
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
Nachlaß
Busoni
Herrn Benv.
Ferruccio Busoni
Tonkünstler Komponist [Bleistift:] 7)
Berlin W.
Tauenzienstr 10.
für [?]
[...]
M. Reger, Weiden, Oberpfalz,
Bayern
NOMEN COCIS
MOTUS
DEDIT
NU[?]
Bestellt vom Postamte 50
7/9.95
7V4-8[...]V.
[links:] 7
[große Zeichnung über die untere Hälfte des Umschlags]
[rechts, um 90 Grad gedreht:]
Mus. Nachl.
F. Busoni
[durchgestrichen:] Mus. ep.
M. Reger 89 | B II. 4053 – Beil.
[durchgestrichen:] Nachlaß
Busoni B II
6. Sept. 1895 (o. Marke)