Heinrich Schenker an Ferruccio Busoni arrow_backarrow_forward

Wien · zwischen 11. September und 25. September 1897

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Diplomatische Umschrift
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Mus.Nachl.
F. Busoni B II, 4418
Mus.ep. H. Schenker 6
(Busoni-Nachl. B II)

Verehrtester, bester Herr!

Ihre Güte ist ausserordentlich.
Ich besitze noch ein Manuscript
der künftigen „Fantasie“ u. mache mich
sofort an die Arbeit. Eines muss
doch gelingen: entweder mit Ihrer
Hilfe oder mit dem Geld des Freundes Konnte nicht ermittelt werden. Vgl. die Briefe Schenkers von Ende August 1897 und vom 4. September 1897.
das Haus Br. & H. zu erobern! Schenker stand bereits seit Anfang 1894 mit Breitkopf & Härtel in Kontakt, wobei es zunächst um Einsichtnahme in Werke ging, über welche Schenker Artikel veröffentlichte (vgl. Briefwechsel zwischen Schenker und Breitkopf & Härtel, US-RIVu, OJ 9/20). Schenker hatte schon 1895 um Veröffentlichung seiner 5 Stücke für Klavier op. 4 gebeten, was der Verlag jedoch abgelehnt hatte: „Wir haben es uns deshalb zur Pflicht machen müssen, für einige Zeit von allem abzusehen, was nicht unabmisslich nöthig ist. Wir bedauern lebhaft, daß wir unter solchen Verhältnissen genöthigt sind, auch Ihnen die Handschrift wieder zuzustellen, danken Ihnen aber jedenfalls bestens für das in uns gesetzte Vertrauen“ (Brief von Breitkopf & Härtel an Schenker vom 16. Oktober 1895, US-RIVu, OJ 9/20). 1896 riet d’Albert Schenker noch davon ab, sich an Breitkopf & Härtel zu wenden: Breitkopf & Härtel sind etwas schwerfällig, – daran ist nicht zu denken“ (zit. nach Federhofer 1985, S. 60). Nach Busonis Zuspruch für den Verlag gab d’Albert 1897 offenbar trotzdem bei Breitkopf & Härtel für Schenkers Werk eine Empfehlung ab, mit Erfolg: „Wir empfingen mit Dank Ihre 5 Klavierstücke, die wir, wenn wir uns recht entsinnen, früher schon ein Mal gesehen haben. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen, bei der Menge noch durchzuführender Arbeiten, ist es uns freilich nicht leicht an neue Unternehmungen heranzutreten. Da Sie sich jedoch in liebenswürdiger Weise bereit erklären, für die erstmaligen Herstellungskosten einzutreten, so wollen wir uns Ihren Wünschen nicht entziehen, zumal Herr d’Albert in freundl. Weise für Ihre Werke eintritt“ (Brief von Breikopf & Härtel an Schenker vom 3. Mai 1898
, US-RIVu, OJ 9/20).

Ich bin sehr neugierig, ob d’Albert
heuer (u. wo?) sein in letzter
Zeit wieder so freundschaftlich
bekräftigtes Wort einlösen wird? Schenker und d’Albert korrespondierten seit 1894; die Briefe Schenkers sind verschollen, überliefert sind jedoch die Antwortschreiben d’Alberts. 1894 schrieb Schenker ein Porträt über d’Albert, für welches er in dessen Werke Einsicht nehmen wollte (vgl. Federhofer 1985, S. 55). Zu diesem Zeitpunkt äußert er sich noch euphorisch über das Spiel des Pianisten, welcher „die Sprache von Brahms spreche, „aber so schön, so vollkommen, daß man schwören möchte, es führe Brahms selbst das Wort. Nirgends spürt man den Fluch, den nachahmenden Naturen selbst die entliehene Begeisterung noch beklemmt, – Alles klingt so frei, sicher, eigen, als wäre d’Albert gar Brahms’ Doppelgänger“ (Schenker 1894, zit. nach Federhofer 1990, S. 119). Während Schenker sich über die ersten Opern d’Alberts (Der Rubin, Ghismonda) noch anerkennend äußert, lassen sich bereits ab 1897 deutlich kritischere Bemerkungen finden: d’Albert spielt die Variation meiner Fantasie à vista (Hotel Bristol). Der Künstler selbst eine unvollendete Persönlichkeit: es fehlt ihm zum großen Künstler, zum großen Menschen …“ (Tagebucheintrag vom 7. Februar 1897; vgl. auch die Einträge vom 4.2.1907, 8.2.1907, 8.2.1912, 15.11.1912 und 5.12.1913). Nichtsdestotrotz beförderten d’Alberts Empfehlungen nicht nur 1897 die Veröffentlichung der 5 kleinen Klavierstücke, welche zudem d’Albert gewidmet sind, sondern auch 1905 die von Schenkers zweitem theoretischen Werk, der Harmonielehre (vgl. Federhofer 1985, S. 22 f.).

Dass Sie einmal von mir was
spielen werden, höre ich aus Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
[1]

Verehrtester, bester Herr!

Ihre Güte ist außerordentlich. Ich besitze noch ein Manuskript der künftigen „Fantasie“ und mache mich sofort an die Arbeit. Eines muss doch gelingen: entweder mit Ihrer Hilfe oder mit dem Geld des Freundes Konnte nicht ermittelt werden. Vgl. die Briefe Schenkers von Ende August 1897 und vom 4. September 1897. das Haus Breitkopf & Härtel zu erobern! Schenker stand bereits seit Anfang 1894 mit Breitkopf & Härtel in Kontakt, wobei es zunächst um Einsichtnahme in Werke ging, über welche Schenker Artikel veröffentlichte (vgl. Briefwechsel zwischen Schenker und Breitkopf & Härtel, US-RIVu, OJ 9/20). Schenker hatte schon 1895 um Veröffentlichung seiner 5 Stücke für Klavier op. 4 gebeten, was der Verlag jedoch abgelehnt hatte: „Wir haben es uns deshalb zur Pflicht machen müssen, für einige Zeit von allem abzusehen, was nicht unabmisslich nöthig ist. Wir bedauern lebhaft, daß wir unter solchen Verhältnissen genöthigt sind, auch Ihnen die Handschrift wieder zuzustellen, danken Ihnen aber jedenfalls bestens für das in uns gesetzte Vertrauen“ (Brief von Breitkopf & Härtel an Schenker vom 16. Oktober 1895, US-RIVu, OJ 9/20). 1896 riet d’Albert Schenker noch davon ab, sich an Breitkopf & Härtel zu wenden: Breitkopf & Härtel sind etwas schwerfällig, – daran ist nicht zu denken“ (zit. nach Federhofer 1985, S. 60). Nach Busonis Zuspruch für den Verlag gab d’Albert 1897 offenbar trotzdem bei Breitkopf & Härtel für Schenkers Werk eine Empfehlung ab, mit Erfolg: „Wir empfingen mit Dank Ihre 5 Klavierstücke, die wir, wenn wir uns recht entsinnen, früher schon ein Mal gesehen haben. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen, bei der Menge noch durchzuführender Arbeiten, ist es uns freilich nicht leicht an neue Unternehmungen heranzutreten. Da Sie sich jedoch in liebenswürdiger Weise bereit erklären, für die erstmaligen Herstellungskosten einzutreten, so wollen wir uns Ihren Wünschen nicht entziehen, zumal Herr d’Albert in freundl. Weise für Ihre Werke eintritt“ (Brief von Breikopf & Härtel an Schenker vom 3. Mai 1898
, US-RIVu, OJ 9/20).

Ich bin sehr neugierig, ob d’Albert heuer (und wo?) sein in letzter Zeit wieder so freundschaftlich bekräftigtes Wort einlösen wird? Schenker und d’Albert korrespondierten seit 1894; die Briefe Schenkers sind verschollen, überliefert sind jedoch die Antwortschreiben d’Alberts. 1894 schrieb Schenker ein Porträt über d’Albert, für welches er in dessen Werke Einsicht nehmen wollte (vgl. Federhofer 1985, S. 55). Zu diesem Zeitpunkt äußert er sich noch euphorisch über das Spiel des Pianisten, welcher „die Sprache von Brahms spreche, „aber so schön, so vollkommen, daß man schwören möchte, es führe Brahms selbst das Wort. Nirgends spürt man den Fluch, den nachahmenden Naturen selbst die entliehene Begeisterung noch beklemmt, – Alles klingt so frei, sicher, eigen, als wäre d’Albert gar Brahms’ Doppelgänger“ (Schenker 1894, zit. nach Federhofer 1990, S. 119). Während Schenker sich über die ersten Opern d’Alberts (Der Rubin, Ghismonda) noch anerkennend äußert, lassen sich bereits ab 1897 deutlich kritischere Bemerkungen finden: d’Albert spielt die Variation meiner Fantasie à vista (Hotel Bristol). Der Künstler selbst eine unvollendete Persönlichkeit: es fehlt ihm zum großen Künstler, zum großen Menschen …“ (Tagebucheintrag vom 7. Februar 1897; vgl. auch die Einträge vom 4.2.1907, 8.2.1907, 8.2.1912, 15.11.1912 und 5.12.1913). Nichtsdestotrotz beförderten d’Alberts Empfehlungen nicht nur 1897 die Veröffentlichung der 5 kleinen Klavierstücke, welche zudem d’Albert gewidmet sind, sondern auch 1905 die von Schenkers zweitem theoretischen Werk, der Harmonielehre (vgl. Federhofer 1985, S. 22 f.).

Dass Sie einmal von mir was spielen werden, höre ich aus Ihren teilnahmsvollen, gütigen Briefen deutlich heraus. Busonis einzige nachgewiesene Aufführung eines Werkes von Schenker fand am 5. November 1903 im Beethoven-Saal in Berlin statt, wo er die Syrischen Tänze in der von Schönberg orchestrierten Version dirigierte (vgl. u. a. den Brief Busonis an Schenker vom 3. September 1903 sowie seinen Brief an Schönberg vom 14. Oktober 1903). Schenker war wegen der „zu schnelle[n] Tempi im Vortrage Busonis mit der Aufführung offenbar wenig zufrieden (Tagebucheintrag Schenkers vom 4. November 1903). Ich wollte schon, es käme für mich die Stunde.

Ich werde mir schließlich erlauben, die fertige Fantasie Ihnen anzuzeigen, damit die Gerechtigkeit ihren Lauf nehme.

Mit besten, herzlichsten Grüßen

Ihr H. Schenker

III Richardgasse 11.
                                                                
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Ihren theilnahmsvollen, gütigen
Briefen […] 1 Zeichen: überschrieben. deutlich heraus. Busonis einzige nachgewiesene Aufführung eines Werkes von Schenker fand am 5. November 1903 im Beethoven-Saal in Berlin statt, wo er die Syrischen Tänze in der von Schönberg orchestrierten Version dirigierte (vgl. u. a. den Brief Busonis an Schenker vom 3. September 1903 sowie seinen Brief an Schönberg vom 14. Oktober 1903). Schenker war wegen der „zu schnelle[n] Tempi im Vortrage Busonis mit der Aufführung offenbar wenig zufrieden (Tagebucheintrag Schenkers vom 4. November 1903). Ich
wollte schon, es käme für mich
die Stunde.

Ich werde mir schliesslich
erlauben, die fertige Fantasie
Ihnen anzuzeigen, damit
die Gerechtigkeit ihren Lauf
nehme.

Mit besten, herzlichsten Grüssen

Ihr
H Schenker

III Richardg. 1̇1̇.
Nachlaß Busoni
                                                                
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3Diplomatische Umschrift
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[Seite 3 des Bogens]
[2]
                                                                
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4Faksimile
4Diplomatische Umschrift
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[Seite 4 des Bogens, vacat]
                                                                
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5Faksimile
5Diplomatische Umschrift
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Herrn
Ferrucio Busoni
Componist
Berlin.
W. Tauenzienstr. 1̇0
[Wien]
a […] Papier fehlt.
1898
                                                                
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6Faksimile
6Diplomatische Umschrift
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Mus.Nachl. F. Busoni B II, 4418-Beil.
Schenker
Mus.ep. H. Schenker 6
Nachlaß Busoni B II
o. Marke
                                                                <note xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="shelfmark" place="bottom-center" resp="#arch_black_2">
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Dokument

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Überlieferung
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B II, 4418 | olim: Mus.ep. H. Schenker 6 (Busoni-Nachl. B II) |

Nachweis Kalliope

Zustand
Der Brief ist gut erhalten; vom Briefumschlag wurde die Briefmarke entfernt.
Umfang
1 Bogen, 2 beschriebene Seiten
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Heinrich Schenker, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift.
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
  • Bibliotheksstempel (blaue Tinte)
  • Hand des Archivars, der die Foliierung mit Bleistift vorgenommen hat.
  • Hand des Archivars, der die ursprüngliche Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Bleistift vorgenommen hat.
  • Hand des Archivars, der die erneute Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Bleistift vorgenommen hat.
  • Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat.
  • Unbekannte Hand, die eine Jahreszahl auf dem Umschlag vermerkt hat.
  • Unbekannte Hand, die den Namen des Absenders auf dem Umschlag vermerkt hat.
  • Poststempel auf der Vorderseite des Umschlags (schwarze Tinte)
Foliierungen
  • Foliierung durch das Archiv, mit Bleistift unten rechts auf den Vorderseiten.
Bildquelle
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 123456

Zusammenfassung
Schenker will mit dem Zusammenbau der Fantasie beginnen; hofft, dass d’Albert und Busoni bald etwas von ihm spielen.
Incipit
Ihre Güte ist außerordentlich. Ich besitze

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler Theresa Menard Maximilian Furthmüller
bearbeitet von
Stand
29. Dezember 2018: zur Freigabe vorgeschlagen (Auszeichnungen überprüft, korrekturgelesen)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition
Frühere Ausgaben
Bent/Bretherton/Drabkin 2014, S. 15