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Mus.ep. L. Rubiner 24
(Busoni Nach.
B II
)
Mus.Nachl. F. Busoni B II, 4284
[1]
29. Juli 1918
.
Lieber Herr Busoni!
Ihre Anna wollte offenbar durchaus nicht
begreifen, dass ich mit Fieber ins Bett gestiegen
war. (So erkläre ich mir auch einen Satz in
Ihrem Brief. Sie hat offenbar nicht einmal
diese Tatsache klar ausgerichtet. Sie läutete unten
an der [unverschlossenen] Strassentür des Hauses,
statt heraufzukommen; und als meine Frau herunter⸗ stieg u. die Türen aufliess, hörte ich, wie sie
ihr 3 mal auseinandersetzte, dass ich gerade
krank ins Bett gegangen war – ohne auf
offenbares Begreifen zu stossen. Was wiederum
ich nicht begriff.)
Es geht mir schon die längste Zeit sehr
erbärmlich, ohne dass ich wirklich durchgrei⸗ fend krank bin. Mal habe ich Fieber, /½
Tage später fehlt mir wieder nichts.
Dann wiederum befinde ich mich in einer
so entsetzlichen Skepsis wie seit meinem
18. Jahr nicht mehr. Bin äuersst Men⸗ schenfliehend, ziehe mich vor Wein zurück,
der mir momentan gar kein Vergnügen macht
und ich habe sogar nicht den geringsten
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29. Juli 1918
.
Lieber Herr Busoni!
Ihre Anna wollte offenbar durchaus nicht
begreifen, dass ich mit Fieber ins Bett gestiegen
war. (So erkläre ich mir auch einen Satz in
Ihrem Brief. Sie hat offenbar nicht einmal
diese Tatsache klar ausgerichtet. Sie läutete unten
an der [unverschlossenen] Strassentür des Hauses,
statt heraufzukommen; und als meine Frau herunterstieg und die Türen aufließ, hörte ich, wie sie
ihr 3 mal auseinandersetzte, dass ich gerade
krank ins Bett gegangen war – ohne auf
offenbares Begreifen zu stoßen. Was wiederum
ich nicht begriff.)
Es geht mir schon die längste Zeit sehr
erbärmlich, ohne dass ich wirklich durchgreifend krank bin. Mal habe ich Fieber, /½
Tage später fehlt mir wieder nichts.
Dann wiederum befinde ich mich in einer
so entsetzlichen Skepsis wie seit meinem
18. Jahr nicht mehr. Bin äuerßt Menschenfliehend, ziehe mich vor Wein zurück,
der mir momentan gar kein Vergnügen macht
und ich habe sogar nicht den geringsten
Spa ß an einer Zigarre.
Ich bin mit meiner Arbeit äußerst unzufrieden, und zwar nicht aus Stimmungsgründen sondern objektiv. Ich bitte Sie,
Ihr gütiges Interesse nicht aufzugeben, wenn
ich doch in einiger Zeit mit ihr vor Sie trete.
Meinem Zustande die Krone aufzusetzen, folgende Nachricht: Meine Freundin,Gräfin Reventlow,
jene Frau, die ihren Sohn aus dem Schützengraben holte und ihn im Boot über den
Bodensee brachte, unverwundet, während die
deutschen Kugeln hinter ihnen und rings um
sie her hagelten, ist plötzlich in Locarno gestorben. (Spaß. Grippe vermute ich.) Und dazu nun
das grosse Wagestück, das Abschneiden aller
Verbindungen mit
Deutschland, mit den Freunden, die
entsetzliche Einsamkeit nach einem mutigen und
z.t. sehr heiteren Leben (jedenfalls einem, das immer
auf die letzte Karte setzte!), um an einem Krankheitszufall in einem Jammernest zu sterben! –
Manchmal gehe ich auch fort, jedoch vermeide
ich es, Sie in einem traurigen und bedenklichen
Zustande aufzusuchen. Was aber alles
hoffentlich bald vorübergeht. Vermutlich
habe ich diese spagnolische Influenza schon
lange, mir mein kräftiger Körper wirft
sie immer wieder hinaus.
Manchmal mache ich einen Fluchtversuch
ins Nichts (oder wie anders wollen Sie
das abendliche Zürich benennen?) Gerade
da kommen Sie. Zweimal schon hatte ich
dieses Geschick, dass Sie kommen, ich nicht da war!
Ich bekomme in der letzten Zeit manche
Bücher und
Zeitschriften geschickt; einige aus
Deutschland. In gewissem steht es von mir
selbst; ich sehe die Dinge nicht einmal mehr
auf Druckfehler nach.
Vor nichts habe ich momentan mehr
Angst als vor der „Heiterkeit des munteren
Künstlervölkleins“. Ich sah gelegentlich einige
Macaques auf dem Wege zu Ihnen,
und beneidete diese Armen nicht um
ihre Naivität. Ich sehe entsetzliche
Jahre voraus. Wenn ich durch Zufall
irgendwo eine Stirn sehe, die einem
glatten Popo gleicht, packt mich die
namenlose Wut: Du, Du dummer Kerl,
Du Unbewusster, Du Dumpfer, Du Modetier,
Du, in Deiner ekelerregenden Haltung
von ahnungslosem Papagei à la 1914, Du
bist auch Schuld, wenn es weitergeht.
Du kümmerst Dich um nichts, jämmerlicher Hundejunge! Darum geht es über uns alle!
Tausendmal packt mich die Lust, in
ein kriegführendes Land zu gehen, auch
wenn es mir dort sehr übel gehen
wird! Einfach weil ich es nicht mehr
ertrage, Gesichter, die angeblich Menschen
angehören, von so ekelerregender Verantwortungslosigkeit, so niederträchtiger
Naivität zu sehen. Und damit meine ich
nicht etwa die Schweizer, sondern gerade die
internationalen Ausländer, die hier überall
Kurort spielen.
Meinen Sie, dass ich übrigens gro ße Angst vor
Gesprächen mit „Meinungen“ habe? Ich finde,
man soll die Leute suchen, mit denen man was
hat, oder allein bleiben. Aber „Meinungen“, das geht nicht gut aus.
Wenn ich nur eine einzige freundliche
Nachricht für Sie hätte... Aber ich habe keine.
Ja, doch. Zwei. Im „Mercure de France“ vom
1. Juli las ich Hauptstücke des Prozesses
Maud Allan
– Pemberton Billing.
In dem Artikel der oben genannten Zeitung geht es um die Verleumdung der Tänzerin Maud Allan von
Pemberton Billing.
Am 16. Februar 1918kommentierte Pemberton Billing in der vom ihm herausgegeben Zeitung den Auftritt von Allan als Salomé.
Er beschuldigte Allan eine Lesbe zu sein und ein "Black Book" zu besitzen, welches, nach seiner Behauptung, die 47.000 Namen von britischen Homosexuellen verbarg.
Danach geht
hervor, dass Herr Pemb. Billing, Zeitungsherausgeber, chauvinistisch – kriegshetzerischer Mucker,
die
Maud Allan
in seiner Zeitung der Unsittlichkeit mit Defaitismus beschuldigt hat; weil
sie den Salométanz vor einer Privatgesellschaft vom Perversen aufgeführt habe, und alle
Perversen im Dienste Deutschlands ständen.
Erschwerend für
Maud
Allan
, dass sie in Berlin
studiert habe. Offenbar ein Pro
zess mit
vielen Ekelhaftigkeiten. Maud
Allan
scheint
also der angegriffene, und unschuldig
angegriffene Teil zu sein, und der Skandal
soll sich wohl in Wahrheit gegen Asquith
richten. –
Margot Asquith,
die Ehefrau des damaligen britischen Premierministers, zählt zu den Namen, die Billingmit dem Vorwurf Unmoralität und Homosexualität öffentlich angegriffen hat.
Ferner las ich neulich einige amtliche
deutsche, überaus gemeine Angriffe gegen den
Dr.Bucher
Rubiner
meint sehr wahrscheinlich Pierre Bucher, der vom 1901-1914 als Direktor der Zeitrschrift
. Aus diesen überaus niedrigstehenden Artikeln der deutschen Generali
tät (die in der genannten deutschen Presse offi ziell, und in einem Teil der gekauften Schweizer
Presse offi ziös standen) ging für mich hervor:
Dass der Dr. Bucher ein über alle Maassen
anständiger, mutiger und gerader Mensch ist.
Dass er kein „Renegat“ ist, sondern dass
er seine heutige Haltung öffentlich seit seiner
frühesten Jugend gehabt hat; dass er seine
Meinung, die immer so war wie heute, seit vielen
Jahren in seiner „Revue alsacienne“ klar
geäu ßert hat; dass er –verfolgt! – nach
Frankreichging,
und zwar zum selben Kreis,
zu dem er öffentlich seit Jahren gehörte,
und sich der Sanität als Arzt zur
Verfügung stellte! Und dass er das alles mit
Aufgabe seiner Stellung, seines Ansehens,
seines Vermögens tat. Und wie scheint dieser
offenbar hochanständige Mensch verfolgt
worden zu sein!
Ich bin gewiss, dass er in politischen „Meinungen“ mein Totfeind wäre; aber davon
abgesehen halte ich diesen Mann für einen
sehr seltenen Charakter. Zuletzt kommt
es vielleicht darauf an. –
Ihnen, lieber Herr Busoni, geht
es offenbar gut, und das freut mich
recht sehr! Ihr Brief ist der Ausdruck wunderbarer Geistesfrische, während
ich mich momentan in einer rechten
schaurigen, gro ßen Welthöhle finde.
Ich bekam vor einigen Tagen ein
sehr merkwürdiges, kleines Buch, das vor
Jahren in Berlin erschien, eine Dichtung
von Alfred Mombert : Der Sonne Geist.
(Sonne ist nicht Genitiv sondern maskulinisch
wie im Romanischen gemeint. Sonne-Geist also ein Begriff).
Seltsamer Weise ist dieses Versbuch, wie ich in den
Zeitungen las, auch komponiert Klose. Nun ja.
—
Also, mit Ihrer Erlaubnis, bis ich aus meiner
Höhle emporsteige Herzlichst
Ihr Ludwig Rubiner
.
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<p>Ihre <persName key="E0300140">Anna</persName> wollte offenbar durchaus nicht
<lb/>begreifen, dass ich mit Fieber ins Bett gestiegen
<lb/>war. (So erkläre ich mir auch einen Satz in
<lb/>Ihrem Brief. Sie hat offenbar nicht einmal
<lb/>diese Tatsache klar ausgerichtet. Sie läutete unten
<lb/>an der [unverschlossenen] Strassentür des Hauses,
<lb/>statt heraufzukommen; und als meine Frau herunter
<lb break="no"/>stieg <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> die Türen auflie<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>, hörte ich, wie sie
<lb/>ihr 3 mal auseinandersetzte, dass ich gerade
<lb/>krank ins Bett gegangen war – ohne auf
<lb/>offenbares Begreifen zu sto<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>en. Was wiederum
<lb/>ich nicht begriff.)
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<p type="pre-split">Es geht mir schon die längste Zeit sehr
<lb/>erbärmlich, ohne dass ich wirklich durchgrei
<lb break="no"/>fend krank bin. Mal habe ich Fieber, /½
<lb/>Tage später fehlt mir wieder nichts.
<lb/>Dann wiederum befinde ich mich in einer
<lb/>so entsetzlichen Skepsis wie seit meinem
<lb/>18. Jahr nicht mehr. Bin äuer<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>t Men
<lb break="no"/>schenfliehend, ziehe mich vor Wein zurück,
<lb/>der mir momentan gar kein Vergnügen macht
<lb/>und ich habe sogar nicht den geringsten
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2Diplomatische Umschrift
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Spa ss an einer Cigarre.
Ich bin mit meiner Arbeit äusserst unzu⸗ frieden, und zwar nicht aus Stimmungs⸗ gründen sondern objektiv. Ich bitte Sie,
Ihr gütiges Interesse nicht aufzugeben, wenn
ich doch in einiger Zeit mit ihr vor Sie trete.
Meinem Zustande die Krone aufzusetzen, folgen⸗ de Nachricht: Meine Freundin,Gr. Reventlow,
jene Frau, die ihren Sohn aus dem Schützen⸗ graben holte und ihn im Boot über den
Bodensee brachte, unverwundet, während die
deutschen Kugeln hinter ihnen und rings um
sie her hagelten, ist plötzlich in Locarno ge⸗ storben. (Spass. Grippe vermute ich.) Und dazu nun
das grosse Wagestück, das Abschneiden aller
Verbindungen m.
Deutschland, mit den Freunden, die
entsetzliche Einsamkeit nach einem mutigen und
z.t. sehr heiteren Leben (jedenfalls einem, das immer
auf die letzte Karte setzte!), um an einem Krank⸗ heitszufall in einem Jammernest zu sterben! –
Manchmal gehe ich auch fort, jedoch vermeide
ich es, Sie in einem traurigen und bedenklichen
Zustande aufzusuchen. Was aber alles
hoffentlich bald vorübergeht. Vermutlich
habe ich diese spagnolische Influenza schon
lange, mir mein kräftiger Körper wirft
sie immer wieder hinaus.
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<lb break="no"/>gründen sondern objektiv. Ich bitte Sie,
<lb/>Ihr gütiges Interesse nicht aufzugeben, wenn
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<p>Meinem Zustande die Krone aufzusetzen, folgen
<lb break="no"/>de Nachricht: Meine Freundin,<choice><abbr>Gr.</abbr><expan>Gräfin</expan></choice> <persName key="E0300424">Reventlow</persName>,
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<lb/>entsetzliche Einsamkeit nach einem mutigen und
<lb/>z.t. sehr heiteren Leben (jedenfalls einem, das immer
<lb/>auf die letzte Karte setzte!), um an einem Krank
<lb break="no"/>heitszufall in einem Jammernest zu sterben! –</p>
<p type="pre-split">Manchmal gehe ich auch fort, jedoch vermeide
<lb/>ich es, Sie in einem traurigen und bedenklichen
<lb/>Zustande aufzusuchen. Was aber alles
<lb/>hoffentlich bald vorübergeht. Vermutlich
<lb/>habe ich diese spagnolische Influenza schon
<lb/>lange, mir mein kräftiger Körper wirft
<lb/>sie immer wieder hinaus.
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B II, 4284
Manchmal mache ich einen Fluchtversuch
ins Nichts (oder wie anders wollen Sie
das abendliche Zürich benennen?) Gerade
da kommen Sie. Zweimal schon hatte ich
dieses Geschick, dass Sie kommen, ich nicht da war!
Ich bekomme in der letzten Zeit manche
Bücher u.
Zeitschriften geschickt; einige aus
Deutschland. In gewissem steht es von mir
selbst; ich sehe die Dinge nicht einmal mehr
auf Druckfehler nach.
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
Vor nichts habe ich momentan mehr
Angst als vor der „Heiterkeit des munteren
Künstlervölkleins“. Ich sah gelegentlich einige
Macaques auf dem Wege zu Ihnen,
und beneidete diese Armen nicht um
ihre Naivität. Ich sehe entsetzliche
Jahre voraus. Wenn ich durch Zufall
irgendwo eine Stirn sehe, die einem
glatten Popo gleicht, packt mich die
namenlose Wut: Du, Du dummer Kerl,
Du Unbewusster, Du Dumpfer, Du Modetier,
Du, in Deiner ekelerregenden Haltung
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<lb/>und beneidete diese Armen nicht um
<lb/>ihre Naivität. Ich sehe entsetzliche
<lb/>Jahre voraus. Wenn ich durch Zufall
<lb/>irgendwo eine Stirn sehe, die einem
<lb/>glatten Popo gleicht, packt mich die
<lb/>namenlose Wut: Du, Du dummer Kerl,
<lb/>Du Unbewusster, Du Dumpfer, Du Modetier,
<lb/>Du, in Deiner ekelerregenden Haltung
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von ahnungslosem Papagei à la 1914, Du
bist auch Schuld, wenn es weitergeht.
Du kümmerst Dich um nichts, jämmer⸗ licher Hundejunge! darum geht es über uns alle!
Tausendmal packt mich die Lust, in
ein kriegführendes Land zu gehen, auch
wenn es mir dort sehr übel gehen
wird! einfach weil ich es nicht mehr
ertrage, Gesichter, die angeblich Menschen
angehören, von so ekelerregender Verant⸗ wortungslosigkeit, so niederträchtiger
Naivität zu sehen. Und damit meine ich
nicht etwa die Schweizer, sondern gerade die
internationalen Ausländer, die hier überall
Kurort spielen.
Meinen Sie, dass ich übrigens gro sse Angst vor
Gesprächen mit „Meinungen“ habe? Ich finde,
man soll die Leute suchen, mit denen man was
hat, oder allein bleiben. Aber „Meinungen“, das geht nicht gut aus.
Wenn ich nur eine einzige freundliche
Nachricht für Sie hätte... Aber ich habe keine.
Ja, doch. Zwei. Im „Mercure de France“ vom
1. Juli las ich Hauptstücke des Processes
Maud Allan
– Pemberton Billing.
In dem Artikel der oben genannten Zeitung geht es um die Verleumdung der Tänzerin Maud Allan von
Pemberton Billing.
Am 16. Februar 1918kommentierte Pemberton Billing in der vom ihm herausgegeben Zeitung den Auftritt von Allan als Salomé.
Er beschuldigte Allan eine Lesbe zu sein und ein "Black Book" zu besitzen, welches, nach seiner Behauptung, die 47.000 Namen von britischen Homosexuellen verbarg.
Danach geht
hervor, dass Herr Pemb. Billing, Zeitungsheraus⸗
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<lb/>angehören, von so ekelerregender Verant
<lb break="no"/>wortungslosigkeit, so niederträchtiger
<lb/>Naivität zu sehen. Und damit meine ich
<lb/>nicht etwa die Schweizer, sondern gerade die
<lb/>internationalen Ausländer, die hier überall
<lb/>Kurort spielen.</p>
<p>Meinen Sie, dass ich übrigens gro <choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>e Angst vor
<lb/>Gesprächen mit <soCalled rend="dq-du">Meinungen</soCalled> habe? Ich finde,
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Am <date when-iso="1918-02-16">16. Februar 1918</date>kommentierte <persName key="E0300426">Pemberton Billing</persName> in der vom ihm herausgegeben Zeitung den Auftritt von <persName key="E0300425">Allan</persName> als <title key="E0400348">Salomé</title>.
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B II, 4284
geber, chauvinistisch – kriegshetzerischer Mucker,
die
Maud A.
in seiner Zeitung der Unsittlich⸗ keit mit Defaitismus beschuldigt hat; weil
sie den Salometanz vor einer Privatgesell⸗ schaft vom Perversen aufgeführt habe, und alle
Perversen im Dienste Deutschlands ständen.
Erschwerend für
Maud
A.
, dass sie in Berlin
studiert habe. Offenbar ein Pro
cess mit
vielen Ekelhaftigkeiten. Maud
A.
scheint
also der angegriffene, u. unschuldig
angegriffene Teil zu sein, u. der Skandal
soll sich wohl in Wahrheit gegen Asquith
richten. –
Margot Asquith,
die Ehefrau des damaligen britischen Premierministers, zählt zu den Namen, die Billingmit dem Vorwurf Unmoralität und Homosexualität öffentlich angegriffen hat.
Ferner las ich neulich einige amtliche
deutsche, überaus gemeine Angriffe gegen den
Dr.Bucher
Rubiner
meint sehr wahrscheinlich Pierre Bucher, der vom 1901-1914 als Direktor der Zeitrschrift
. Aus diesen überaus niedrig⸗ stehenden Artikeln der deutschen Generali
tät (die in der genannten deutschen Presse offi⸗ ciell, u. in einem Teil der gekauften Schweizer
Presse offi ciös standen) ging für mich hervor:
Dass der Dr. Bucher ein über alle Maassen
anständiger, mutiger und gerader Mensch ist.
Dass er kein „Renegat“ ist, sondern dass
er seine heutige Haltung öffentlich seit seiner
frühesten Jugend gehabt hat; dass er dies seine
Meinung, die immer so war wie heute, seit vielen
Jahren in seiner „Revue alsacienne“ klar
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Frankreichging,
u. zwar zum selben Kreis,
zu dem er öffentlich seit Jahren gehörte,
und sich der Sanität als Arzt zur
Verfügung stellte! Und dass er das alles mit
Aufgabe seiner Stellung, seines Ansehens,
seines Vermögens tat. Und wie scheint dieser
offenbar hochanständige Mensch verfolgt
worden zu sein!
Ich bin gewiss, dass er in politischen „Meinun⸗ gen“ mein Totfeind wäre; aber davon
abgesehen halte ich diesen Mann für einen
sehr seltenen Charakter. Zuletzt kommt
es vielleicht darauf an. –
Ihnen, lieber Herr Busoni, geht
es offenbar gut, und das freut mich
recht sehr! Ihr Brief ist der Aus⸗ druck wunderbarer Geistesfrische, während
ich mich momentan in einer rechten
schaurigen, gro ssen Welthöhle finde.
Ich bekam vor einigen Tagen ein
sehr merkwürdiges, kleines Buch, das vor
Jahren in Berlin erschien, eine Dichtung
von Alfred Mombert : Der Sonne Geist.
(Sonne ist nicht Genitiv sondern maskulinisch
wie im Romanischen gemeint. Sonne-Geist also ein Begriff).
Seltsamer Weise ist dieses vers Buch, wie ich in den
Zeitungen las, auch komponiert Klose. Nun ja.
—
Also, mit Ihrer Erlaubnis, bis ich aus meiner
Höhle emporsteige Herzlichst
Ihr Ludwig Rubiner
.
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<choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> zwar zum selben Kreis,
<lb/>zu dem er öffentlich seit Jahren gehörte,
<lb/>und sich der Sanität als Arzt zur
<lb/>Verfügung stellte! Und dass er das alles mit
<lb/>Aufgabe seiner Stellung, seines Ansehens,
<lb/>seines Vermögens tat. Und wie scheint dieser
<lb/>offenbar hochanständige Mensch verfolgt
<lb/>worden zu sein!</p>
<p>Ich bin gewiss, dass er in politischen <soCalled rend="dq-du">Meinun
<lb break="no"/>gen</soCalled> mein Totfeind wäre; aber davon
<lb/>abgesehen halte ich diesen Mann für einen
<lb/>sehr seltenen Charakter. Zuletzt kommt
<lb/>es vielleicht darauf an. –</p>
<p rend="indent-first">Ihnen, lieber <persName key="E0300017">Herr Busoni</persName>, geht
<lb/>es offenbar gut, und das freut mich
<lb/>recht sehr! Ihr Brief ist der Aus
<lb break="no"/>druck wunderbarer Geistesfrische, während
<lb/>ich mich momentan in einer rechten
<lb/>schaurigen, gro <choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>en Welthöhle finde.</p>
<p rend="indent-first">Ich bekam vor einigen Tagen ein
<lb/>sehr merkwürdiges, kleines Buch, das vor
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<lb/>(Sonne ist nicht Genitiv sondern maskulinisch
<lb/>wie im Romanischen gemeint. Sonne-Geist also ein Begriff).
<lb/>Seltsamer Weise ist dieses <choice><sic>vers Buch</sic><corr>Versbuch</corr></choice>, wie ich in den
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7Faksimile
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7Diplomatische Umschrift
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Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
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<addrLine><placeName key="E0500189">Scheuchzerstr. 36</placeName></addrLine>
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8Faksimile
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8Diplomatische Umschrift
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8XML
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29 Juli 1918
Nachlaß Busoni
B II
Mus.ep. L. Rubiner 25
Mus.Nachl. F. Busoni B II,
4284-Beil.
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