Sehr verehrter Freund.
Zwei Briefe liegen vor mir
von Ihrer werthen Hand,
und diese Tatsache
allein war mir eine
sehr erfreuliche und
dankenswerte.
Ich werde, sobald als
möglich zu Bechstein
gehen und Ihren Wunsch
dort erfüllen – ich
kenne jetzt diese
Klaviere und hoffe,
mich in der Wahl
nicht zu irren.
Welchen Komponisten
erfreut die Aufführung
seines Werkes nicht?
Ich würde mich verstellen,
wenn ich es nicht zugäbe.
Doch bin ich darin
Etwas asketischer als
der allgemeine Typus
meiner Gattung. Es
kommt dem Komponisten in erster Linie
darauf an, das eigene
Werk zu hören – und
das habe ich bereits
beim »Concerto« erreicht.
Jetzt kommt es darauf
an, dass den Zürichern,
und nicht mir, ein
Gefallen damit erwiesen
wird.
Wenn Andreae (und
wenn Sie) diese Überzeugung
haben, dann ist die
Aufführung erst recht
erfreulich – ich möchte
sagen: nur dann.
Herrn Andreae bitte ich
Sie für die freundliche Absicht meinen herzlichen
Dank zu sagen – nebst
freundlichstem Gruß.
Gern spiele ich den
Totentanz und auch
Etwas dazwischen; aber
Chopin? – Würde es
nicht, wie Hanslick
einmal schrieb, sich
ausnehmen »wie ein
Lamm zwischen zwei
Kannibalen«?
Und was brächte das
Programm außerdem?
Bedenken Sie dass das
Konzert – ohne die
Zwischenpausen – eine
genaue Stunde Musik
beträgt; mit den Intervallen
etwa eine Stunde, 10 Minuten.
10 Minuten muss man
dem Publikum darauf
zum »Ausschnaufen«
geben, so dass es, mit
dem Totentanz und der
Solonummer schon 2 Stunden
ausmachte!
Deswegen würde ich,
= gegen meine Gewohnheit =
diesmal einen unbescheidenen
Vorschlag machen und
proponieren: zwischen
meinem Stück und den
Totentanz das Dmoll
Konzert von Mozart
zu setzen, und so den
ganzen Abend mir
zu widmen. – ??
Mit herzlichstem Dank
und freundschaftlichsten
Grüßen, Ihr Sie hochachtender,
Ferruccio Busoni
10. Nov. 06.