L PDoktor, in diesem
Augenblick –
es ist der 15. August und
drei Uhr Nachmittag ×eines Sonntage,s,
beende ich die Revision der
nun vollstaendigen ersten
Korrektur von des wohltemp.
Clavieres zweitem Theile. Es
sind ganze Sieben Monate,
seit ich die Arbeit auf dem
Dampfer “Rotterdam” vornahm,
und seit di jenem 15. Januar
hat sie mich ziemlich jeden
Tag beschäftigt, den Monat
Mai ausgenommen, als wann
das fertige M.S. auf seinen
Einzug in die Stecherei wartete.
Die Prozedur des Stechens
beanspruchte 2 ½ Monate
mit drei Stechern am Werke.
Ferruccio Busoni an Hugo Leichtentritt arrow_backarrow_forward
New York · 15. August 1915
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August 1915
New York 1915
* The * Library * of * Congress *
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New York 1915
L Doktor, in diesem
Augenblick –
es ist der 15. August und
drei Uhr Nachmittag eines Sonntages,
beende ich die Revision der
nun vollständigen ersten
Korrektur von des Wohltemperierten
Klavieres zweitem Teile. Es
sind ganze sieben Monate,
seit ich die Arbeit auf dem
Dampfer „Rotterdam“ vornahm,
Der Band repräsentiert also die Tätigkeit von vier Männern im Verlaufe von sechs Monaten.
Ich tat für meinen Teil,
was ich vermochte, mit
Bedacht auf die Grenzen, die
ich mir ziehen musste. Die
Verarbeitung ist ‚preponderantemente contrappuntistica‘,
Damit glaube ich mein
Lebenswerk über Bach beschlossen zu haben!
Dass ich Ihnen nicht
begegnen kann, liegt ja
zum Teile an diesem
„blessed“ Bach, den ich
nicht unvollendet hier
zurücklassen durfte. Durch
ihn versäumte ich „den“
Zeitpunkt für eine Rückkehr.
Umso erfreulicher trat, für die versäumte Begegnung, Ihr Brief an den Geländen des Hudson auf, die mit malerischen Steinwürfeln (höher als breit) umsäumt sind.
(Vergleiche ich die Erdkugel
mit einem Menschenkopfe,
so liegt dessen Ausdruck im
Gesichte Europas, und diese Seite zeigt
den geschorenen Schädel und die abstehenden Ohren.)
Für Ihren sehr guten Brief muss ich herzlich danken. Zugleich erhielt ich einen von Mr. Dent aus Cambridge. Ohne andere Vergleiche aufstellen zu wollen, hatten die beiden Briefe Folgendes gemeinsam: Sie kamen von Freunden, brachten einen Hauch von Kultur, sprachen beide von Aufsätzen für Schirmers Musical Quarterly und stammen beide von Musikhistorikern. – Ihr Aufsatz ist noch nicht angekündigt; die Hefte werden auf halbe Jahre hinaus vorbereitet, und es lag noch älteres Material in der Redaktion. Einen Artikel Dents über den Einfluss des Klavieres auf die moderne Musik las ich aus den Korrekturbogen. Er ist sehr hübsch und anregend.
Mein sehr verehrter Doktor, nun
komme ich auf die Einzelheiten
Ihres Briefes. – Meine Jugendwerke
auf Ihrem Tische! Ich erröte.
Von meinem Bleiben in
Amerika ist ebenso wenig nun
die Rede als – wie ich befürchte –
von einem Einzug in Berlin.
Inzwischen schrieb ich
an die Vossische – Sie
müssten’s erfahren haben.
Ich beglückwünsche in Ihnen den Komponisten, der das Quintett mit Gelingen zu Tage brachte. Bei Ihrem „langsam vorrückenden“ Violinkonzert musste ich (ganz alberner Weise) an Lipinskys Concerto militaire denken; und das umso mehr, als von „Angriff“ und sonstigen strategischen Terminis technicis, mit Beziehung auf Ihr entstehendes Werk, zu lesen stand. – Doch die Geige ist eine wenig streitbare Waffe, und die Geigenfamilie mit Tante Viola, Onkel Tschello und dem brummigen Großvater hat mehr Iffländisches an sich als irgendwas Tönendes und bildet eine rührende Portrait-Gruppe. Denkt man aber an Beethovens „130er“, dann entdeckt man in der Familie Gemüt und Bildung edelster Art. – Von dieser Seite angezogen, wenden wir uns auch immer wieder zu den „Gentlemen“ unter den Instrumenten, nämlich den Streichern; als zu einem erwünschbaren vornehmen Umgange. Schaffen Sie denn Edles und Warmes und Schwingendes, und sei es mir vergönnt, bald das Geschaffene zu hören! Für Ihre äußerst freundschaftlichen Ausdrücke, die ich dankbarst annehme, dankt Ihnen noch einmal und von Herzen Ihr ganz ergebener |
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Der Band repraesentiert
Ich that für meinen Theil
Damit glaube ich mein
Dass ich Ihnen nicht
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zum Theile an diesem
Um so erfreulicher trat,
(Vergleiche ich die Erdkugel
— Für Ihren sehr guten
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Ohne andere Vergleiche
Einen Artikel Dent’s
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Mein sehr verehrter Doktor, nun
Von meinem Bleiben in
Inzwischen schrieb ich
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Ich beglückwünsche
Bei Ihrem “langsam
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Denkt man aber an
Schaffen Sie denn Edles
Für Ihre äußerst freund- Ihr ganz ergebener
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Dokument
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Quelle
- Überlieferung
- USA | Washington, D.C. | Library of Congress | Ferruccio Busoni Papers Additions, 1866–1924 | ML95 .B94
- Zustand
- Der Brief ist gut erhalten.
- Umfang
- 7 Blatt, 7 beschriebene Seiten
- Kollation
- Nur die Vorderseiten sind beschrieben.
- Hände/Stempel
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- Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift.
- Bibliotheksstempel (rote Tinte).
- Hand des Archivars, der mit Bleistift die Foliierung vorgenommen und auf der ersten Seite das Datum vermerkt hat.
- Foliierungen
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- Foliierung durch das Archiv, mit Bleistift oben rechts auf den Vorderseiten.
Inhalt
- Zusammenfassung
- Busoni hat nach den langwierigen Sticharbeiten die Korrekturen seiner Bearbeitung des Wohltemperierten Klaviers II beendet; meint, damit sein „Lebenswerk über Bach beschlossen zu haben“; sehnt sich angesichts der Hässlichkeit Amerikas nach Berlin; befindet einen Aufsatz Edward Dents für „hübsch“; sieht seine frühe Entwicklung als Komponist durch die des Pianisten unterbrochen; hat einen Brief an die Vossische Zeitung geschrieben; räsoniert anlässlich von Leichtentritts Violinkonzert über die Streicherfamilie als die „‚Gentlemen‘ unter den Instrumenten“.
- Incipit
- „in diesem Augenblick – es ist der 15. August“
Edition
- Inhaltlich Verantwortliche
- Christian Schaper Ullrich Scheideler
- bearbeitet von
- Stand
- 25. November 2022: zur Freigabe vorgeschlagen (Auszeichnungen überprüft, korrekturgelesen)
- Stellung in diesem Briefwechsel
- Vorausgehend Folgend
- Benachbart in der Gesamtedition
-
Vorausgehend Folgend
- Frühere Ausgaben
- Beaumont 1987, S. 209–211
Erwähnte Entitäten
- Personen
- Institutionen
- Werke
- Orte