Philipp Jarnach an Ferruccio Busoni arrow_backarrow_forward

Zürich · 2. November 1918

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N.Mus.Nachl. 30, 106
2.11.18
2. November 1918Samstag 9 Uhr abends

Mein lieber, verehrter Meister!

Ich schreibe in der Eile diese Zeilen, damit sie noch
heute abends auf die Post getragen werden. Entschuldigen Sie,
bitte, dass wir heute nicht zu Fräulein Gohl gekommen
sind. Durch einen lächerlichen, höchst dummen Vorfall,
muss ich auf das schöne Erlebnis, worüber ich mich im
Voraus so gefreut, Ihre Faustdichtung von Ihnen selbst zu
hören, verzichten.

Vor ¾ Stunden, als wir eben gehen wollten, klingelte
ein betrunkener Kerl an unserer Wohnungstür, und
versuchte hereinzudringen. Zwar jagte ihn meine Frau,
ohne meine Hilfe abzuwarten, sogleich tapfer hinaus. – Aber
unsere alte Dienerin, die einen Schreck kriegte, hat nicht
mehr allein mit dem Kinde bleiben wollen. Aus der
daraus entstandenen Diskussion, Rede u. Gegenrede, ob
ich allein gehen sollte oder nicht u.s.w. kam ich ich […] mindestens 2 Zeichen: unleserlich. in
eine Stimmung, die es mir unmöglich erscheinen lässt,
Ihnen heute abends ein würdiger Zuhörer zu sein.

Bitte zürnen Sie mir nicht, ich bin eher zu beklagen.
Gebe aber doch die Hoffnung nicht auf, dass Sie die
Vorlesung Ihres Werkes bei für mich günstigerer Gelegen-
heit wiederholen werden.

Ihr in treuer Verehrung ergebener

PHJ. Transkription unsicher. Alternative Lesart:
PRJ.
Alternative Lesart des mittleren Buchstaben: „R“ für Jarnachs zweiten Vornamen Raphael (so bei Weiss 1996, S. 376).


[am linken Rand, längs:]

P.S. Ich versuchte an Fräulein Gohl zu telephonieren.
Sie figuriert aber nicht im Telephonbuch!

2. November 1918Samstag, 9 Uhr abends

Mein lieber, verehrter Meister!

Ich schreibe in der Eile diese Zeilen, damit sie noch heute abends auf die Post getragen werden. Entschuldigen Sie, bitte, dass wir nicht zu Fräulein Gohl gekommen sind. Durch einen lächerlichen, höchst dummen Vorfall muss ich auf das schöne Erlebnis, worüber ich mich im Voraus so gefreut, Ihre Faustdichtung von Ihnen selbst zu hören, verzichten.

Vor ¾ Stunden, als wir eben gehen wollten, klingelte ein betrunkener Kerl an unserer Wohnungstür und versuchte hereinzudringen. Zwar jagte ihn meine Frau, ohne meine Hilfe abzuwarten, sogleich tapfer hinaus. – Aber unsere alte Dienerin, die einen Schreck kriegte, hat nicht mehr allein mit dem Kinde bleiben wollen. Aus der daraus entstandenen Diskussion, Rede und Gegenrede, ob ich allein gehen sollte oder nicht usw., kam ich in eine Stimmung, die es mir unmöglich erscheinen lässt, Ihnen heute abends ein würdiger Zuhörer zu sein.

Bitte zürnen Sie mir nicht, ich bin eher zu beklagen. Gebe aber doch die Hoffnung nicht auf, dass Sie die Vorlesung Ihres Werkes bei für mich günstigerer Gelegenheit wiederholen werden.

Ihr in treuer Verehrung ergebener

PHJ. Alternative Lesart des mittleren Buchstaben: „R“ für Jarnachs zweiten Vornamen Raphael (so bei Weiss 1996, S. 376).

PS Ich versuchte, an Fräulein Gohl zu telephonieren. Sie figuriert aber nicht im Telephonbuch!

                                                                
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zu N.Mus.Nachl. 30, 106
                                                                
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Dokument

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Überlieferung
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | N.Mus.Nachl. 30,106 |

Nachweis Kalliope

Zustand
Brief und Umschlag sind gut erhalten.
Umfang
1 Blatt, 1 beschriebene Seite
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Philipp Jarnach, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen und das Briefdatum ergänzt hat
  • Poststempel (schwarze Tinte)

Zusammenfassung
Jarnach entschuldigt sich, dass er, verstimmt durch „einen lächerlichen, höchst dummen Vorfall“, nicht am Abend zu Busonis Lesung von dessen Libretto zu Doktor Faust bei Fräulein Gohl erscheinen kann.
Incipit
Ich schreibe in der Eile diese Zeilen

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
Stand
13. Februar 2022: zur Freigabe vorgeschlagen (Auszeichnungen überprüft, korrekturgelesen)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition