Philipp Jarnach an Ferruccio Busoni arrow_backarrow_forward

Zürich · 5. Juni 1920

Faksimile
Diplomatische Umschrift
Lesefassung
XML
N.Mus.Nachl. 30, 115

Lieber, verehrter Meister und Freund!

Verzeihen Sie daß ich, bevor ich komme,
noch einmal schreibe. Ich kann Ihnen gar nicht
sagen, wie es mich betrübt und beschämt, daß
Sie sich, wegen Ihrer kritischen Auesserung am
letzten Montag, entschuldigen wollen. Wenn ich
gedacht hätte, daß mein Brief irgend etwas
enthielt, das Sie unangenehm berühren könnte,
so hätte ich ihn zehnmal lieber nicht geschickt;
ist dies aber doch der Fall gewesen, so ist es
an mir, mich zu entschuldigen! – Nein, so war
es wirklich nicht gemeint; wie käme ich dazu,
der ich von Ihnen so viel gelernt habe, Ihr
Urteil, wenn es mich trifft, abzulehnen?

Glauben Sie es mir, ich vergesse
nie, Wer Sie sind. Ihnen gegenüber wollte
ich auch die Symphonia brevis gar nicht
„verteidigen“, das war eine rein sachliche
Auseinandersetzung. Und wie sich aus
Ihrem Brief herausstellt, beurteilen Sie
das Stück nachsichtiger als ich …

Ich danke Ihnen für Ihre lieben Worte,

Lieber, verehrter Meister und Freund!

Verzeihen Sie, dass ich, bevor ich komme, noch einmal schreibe. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie es mich betrübt und beschämt, dass Sie sich wegen Ihrer kritischen Äußerung am letzten Montag entschuldigen wollen. Wenn ich gedacht hätte, dass mein Brief irgendetwas enthielt, das Sie unangenehm berühren könnte, so hätte ich ihn zehnmal lieber nicht geschickt; ist dies aber doch der Fall gewesen, so ist es an mir, mich zu entschuldigen! – Nein, so war es wirklich nicht gemeint; wie käme ich dazu, der ich von Ihnen so viel gelernt habe, Ihr Urteil, wenn es mich trifft, abzulehnen?

Glauben Sie es mir, ich vergesse nie, Wer Sie sind. Ihnen gegenüber wollte ich auch die Symphonia brevis gar nicht „verteidigen“, das war eine rein sachliche Auseinandersetzung. Und wie sich aus Ihrem Brief herausstellt, beurteilen Sie das Stück nachsichtiger als ich …

Ich danke Ihnen für Ihre lieben Worte, Ihr Vertrauen.

Empfangen Sie, bitte, die herzlichsten Grüße von Amalie und Ihrem

Philipp Jarnach

PS Ich wollte heute kommen, aber meine Schwägerin telegraphiert aus München, dass sie heute in Zürich ankommen wird. – Wenn es Sie nicht stört, erscheine ich also erst morgen, Sonntag, nach dem Mittagessen und bringe die Faust-Symphonie nebst einigem andren mit. Unter den am 6. Juni zu Busoni mitgebrachten Musikalien befand sich das schon im Brief zuvor angekündigte Streichquartett von Otto Luening sowie ein Klavierauszug von Berlioz’ Oper Les Troyens (vgl. den folgenden Brief).

PHJ. Alternative Lesart des mittleren Buchstaben: „R“ für Jarnachs zweiten Vornamen Raphael (so bei Weiss 1996, S. 376).

Samstag, den 5. Juni 1920.
                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"> <note type="shelfmark" place="top-left" resp="#archive">N.Mus.Nachl. 30, 115</note><lb/> <opener> <salute rend="indent-first space-above">Lieber, verehrter Meister und Freund!</salute> </opener> <p rend="indent-2-first space-above">Verzeihen Sie<reg>,</reg> da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> ich, bevor ich komme, <lb/>noch einmal schreibe. Ich kann Ihnen gar nicht <lb/>sagen, wie es mich betrübt und beschämt, da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> <lb/>Sie sich<orig>,</orig> wegen Ihrer kritischen <choice><orig>Auess</orig><reg>Äuß</reg></choice>erung am <lb/>letzten Montag<orig>,</orig> entschuldigen wollen. Wenn ich <lb/>gedacht hätte, da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> <ref target="#D0101733">mein Brief</ref> irgend<orig> </orig>etwas <lb/>enthielt, das Sie unangenehm berühren könnte, <lb/>so hätte ich ihn zehnmal lieber nicht geschickt; <lb/>ist dies aber doch der Fall gewesen, so ist es <lb/><hi rend="underline">an mir</hi>, mich zu entschuldigen! – Nein, so war <lb/>es wirklich nicht gemeint; wie käme ich dazu, <lb/>der ich von Ihnen so viel gelernt habe, Ihr <lb/>Urteil, wenn es mich trifft, abzulehnen?</p> <p rend="indent-2-first">Glauben Sie es mir, ich vergesse <lb/>nie, <hi rend="first-cap">Wer</hi> Sie sind. Ihnen gegenüber wollte <lb/>ich auch die <title key="E0400534">Symphonia brevis</title> gar nicht <lb/><soCalled rend="dq-du">verteidigen</soCalled>, das war eine rein sachliche <lb/>Auseinandersetzung. Und wie sich aus <lb/><ref target="#D0101688">Ihrem Brief</ref> herausstellt, beurteilen Sie <lb/>das Stück nachsichtiger als ich …</p> <p type="pre-split" rend="space-above">Ich danke Ihnen für Ihre lieben Worte, </p></div>
2Faksimile
2Diplomatische Umschrift
2XML

Ihr Vertrauen.

Empfangen Sie, bitte, die herzlichsten
Grüsse von Amalie und Ihrem

Philipp Jarnach

P.S. – Ich wollte heute kommen,
aber meine Schwägerin telegraphiert
aus München, daß sie heute in
Zürich ankommen wird. – Wenn es
Sie nicht stört erscheine ich also
erst morgen Sonntag nach dem
Mittagessen und bringe die Faust-
Symphonie
, nebst einigem andren
mit. Unter den am 6. Juni zu Busoni mitgebrachten Musikalien befand sich das schon im Brief zuvor angekündigte Streichquartett von Otto Luening sowie ein Klavierauszug von Berlioz’ Oper Les Troyens (vgl. den folgenden Brief).

PHJ. Transkription unsicher. Alternative Lesart:
PRJ.
Alternative Lesart des mittleren Buchstaben: „R“ für Jarnachs zweiten Vornamen Raphael (so bei Weiss 1996, S. 376).

Samstag den 5 Juni 1920.
Preußischer
Staats-
bibliothek
zu Berlin
Kulturbesitz
                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="space-above" type="split"> Ihr Vertrauen.</p> <closer> <salute rend="indent-2-first">Empfangen Sie, bitte, die herzlichsten <lb/>Grü<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>e von <persName key="E0300664">Amalie</persName> und Ihrem</salute> <signed rend="align(center)"><persName key="E0300376">Philipp Jarnach</persName></signed> </closer> <postscript> <p rend="indent space-above">P<orig>.</orig>S<orig>. –</orig> Ich wollte heute kommen, <lb/>aber <rs>meine Schwägerin</rs> telegraphiert <lb/>aus <placeName key="E0500034">München</placeName>, da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> sie heute in <lb/><placeName key="E0500132">Zürich</placeName> ankommen wird. – Wenn es <lb/>Sie nicht stört<reg>,</reg> erscheine ich also <lb/>erst <date when-iso="1920-06-06">morgen<reg>,</reg> Sonntag</date><reg>,</reg> nach dem <lb/>Mittagessen und bringe die <title key="E0400385"><title key="E0400431">Faust</title>- <lb break="no"/>Symphonie</title><orig>,</orig> nebst einigem andren <lb/>mit. <note type="commentary" resp="#E0300616">Unter den am <date when-iso="1920-06-06">6. Juni</date> zu <persName key="E0300017">Busoni</persName> mitgebrachten Musikalien befand sich das schon <ref target="#D0101733">im Brief zuvor</ref> angekündigte <rs key="E0400542">Streichquartett</rs> von <persName key="E0300703">Otto Luening</persName> sowie ein Klavierauszug von <persName key="E0300005">Berlioz’</persName> Oper <title key="E0400520">Les Troyens</title> <bibl>(vgl. <ref target="#D0101690">den folgenden Brief</ref>)</bibl>.</note> </p> <closer rend="space-below"> <signed rend="indent-2-first monogram"><persName key="E0300376"><abbr><choice><unclear cert="high">PHJ.</unclear><unclear cert="low">PRJ.</unclear></choice></abbr></persName> <note type="commentary" resp="#E0300314">Alternative Lesart des mittleren Buchstaben: <q>R</q> für <persName key="E0300376">Jarnachs</persName> zweiten Vornamen Raphael <bibl>(so bei <ref target="#E0800350"/>, S. 376)</bibl>.</note> </signed> <dateline rend="space-above">Samstag<reg>,</reg> den <date when-iso="1920-06-05">5<reg>.</reg> Juni 1920.</date></dateline> </closer> <note type="stamp" place="bottom-center" resp="#sbb_st_red"> <stamp rend="round border align(center) majuscule tiny">Preußischer <lb/>Staats <lb break="no"/>bibliothek <lb/>zu <placeName key="E0500029">Berlin</placeName> <lb/>Kulturbesitz </stamp> </note> </postscript> </div>

Dokument

doneStatus: zur Freigabe vorgeschlagen XML Faksimile Download / Zitation

Überlieferung
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | N.Mus.Nachl. 30,115 |

Nachweis Kalliope

Zustand
Der Brief ist gut erhalten.
Umfang
1 Blatt, 2 beschriebene Seiten
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Philipp Jarnach, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen hat
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)

Zusammenfassung
Jarnach entschuldigt sich für den zuvor geäußerten Unmut über Busonis öffentliche Kritik an der Sinfonia brevis.
Incipit
Verzeihen Sie, dass ich, bevor ich komme, noch einmal schreibe

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
Stand
22. Dezember 2021: zur Freigabe vorgeschlagen (Auszeichnungen überprüft, korrekturgelesen)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition