Hochgeehrter Herr!
            
            
            Im Auftrag der Direktion des Musikvereins in Helsingfors habe ich hiermit
                die Ehre, Ihnen die Stellung anzubieten, zu der Sie sich vor 8 Tagen gemeldet haben. Für Ihre diesbezügliche Drahtdepesche danke ich freundlichst;
                                                                Hugo Riemann hatte sich im Juni 1888 mit einem Brief an Busoni gewandt und diesen auf eine Stelle als Klavierlehrer am Musikinstitut Helsinki (seit 1939 „Sibelius-Akademie“) aufmerksam gemacht. Wegelius – Gründer und Direktor des Musikinstituts – kannte Riemann von einer Deutschlandreise im Sommer 1886, auf welcher er den Unterricht an deutschen Konservatorien studierte (vgl. Flodin 1922, S. 418). Wegelius hatte sich höchstwahrscheinlich im Frühjahr mit der Bitte an Riemann gewandt, ihm einen geeigneten Nachfolger vorzuschlagen. Weder eine Korrespondenz zwischen Wegelius und Riemann noch das hier erwähnte Telegramm Busonis scheinen überliefert zu sein.
               
               ich konnte Ihnen keine Antwort senden, ehe
                die Direktion die Sache entschieden
                hatte, und die Sitzung konnte erst gestern stattfinden. Übrigens traf das
                Schreiben meines Freundes Riemann,
                das uns über die Sache aufklärte,
                erst mehrere Tage später ein.
            
            Aus dem beigelegten Kontrakt werden
                Sie die Bedingungen ersehen. Die darin
               
               
               
               zitierten Ordnungsregeln und Statuten sind ganz allgemeiner Natur und
                können Sie in keiner Weise genieren;
                gehen übrigens mehr die Schüler als
                die Lehrer an.
            
            Die Weihnachtsferien dauern einen Monat, die Osterferien 6–10 Tage.
                Den Sommer (1. Juni – 15. September) ist
                frei.
            
            Bei den 14 Musikabenden beteiligen sich sowohl Lehrer als Schüler.
            
            Als Mitspieler werden Sie einen
                vorzüglichen Geiger, Herrn Csillag,
                und einen sehr gewandten Cellisten,
                Herrn Renck, vorfinden. Zweiter
                Klavierlehrer ist Herr Heinrich Wefing,
                Schüler von Scharwenka.
            
            Im Institut sind alle gewöhnlichen Fächer vertreten, außer Holzbläser und Kontrabass. Letztgenanntes Instrument wird vielleicht schon
               
               
               
               im Herbst eingeführt.
                                                                Kontrabass wurde als Unterrichtsfach erst 1911 eingeführt (vgl. Dahlström 1982, S. 336).
            
            
            
            Über unsere Schülerinnen und
                Schüler kann ich in der Hauptsache
                nur Gutes sagen; es herrscht in
                der Anstalt ein guter Geist; es wird
                ernstlich gearbeitet, das Verhältnis
                zwischen Lehrer und Schüler ist immer ein freundliches und zwangloses gewesen; Talente kommen nicht
                selten vor.
            
            Für Privatstunden bekam der
                erste Pianist bis jetzt gewöhnlich
                8 mf (1 Mark = 1 Franc) zu Hause, bei
                dem Schüler 9–10 mf.
                                                                Obwohl die offizielle Währung des Großfürstentums Finnland als Teil des Russischen Reiches der Rubel war, wurde 1860 auch die finnische Markka (Finnmark) zugelassen, die einem viertel Rubel oder einem Franc entsprach (vgl. Hjelm/Maude 2021, S. 79 f.). Statt den gebräuchlichen Abkürzungen „mk“ oder „FIM“ benutzt Wegelius neben „mf“ auch „Fm“ oder „Fmark“.
               
            
            
            Die meisten gebildeten Leute bei
                uns sprechen entweder deutsch
                oder französisch; für Deutschsprechende ist übrigens die schwedische Sprache leicht zu erlernen.
                                                                Schwedisch war durch die jahrhundertelange Zugehörigkeit Finnlands zu Schweden bis zur Unabhängigkeit im Jahr 1917 alleinige Amtssprache und Bildungssprache Finnlands (vgl. von Bonsdorff 2019, S. 48).
                                                            
            
            Einen genialen Spieler wird unser
                Publikum immer dankbar finden.
                
               
               
               
               Als junger Mann und Junggeselle
                werden Sie sich leicht assimilieren;
                als hervorragender Künstler werden
                Sie in die besten Gesellschaften überall
                Zutritt finden. Dass Sie Italiener
                sind, wird die Sache nicht schlechter
                machen, im Gegenteil!
            
            Die Zeit drängt, und ich muss für
                heute schließen. Später werde ich
                Ihnen mit  eingehenderen Nachrichten dienen können; fragen Sie
                nur, so bekommen Sie gleich Antwort.
                Sobald Sie den von Ihnen unterzeichneten Kontrakt retourniert haben, wird
                Ihnen ein zweites Exemplar mit
                den Unterschriften der Direktion zugesandt. Bitte den Kontrakt ebenso
                wie Briefe sicherheitshalber einschreiben zu lassen. Jetzt auf Wiedersehen! Seien Sie uns herzlichst willkommen, Herr Benvenuto Busoni. Ich
                bin überzeugt, dass wir uns gut verstehen werden. 
                                                            Hochachtungsvoll und ergebenst