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Mus.ep. M. Wegelius 38 (Busoni-Nachl. B II)Mus.Nachl. F. Busoni B II, 5351
Lieber, Guter, Getreuer!
In einem Brief an Gerda habe ich
Verschiedenes erzählt und ausgeschüt⸗ tet. Hier Einiges an und für Dich.
Unsere gewesene Schülerin Frl. Gräs⸗ beck, die diesen Winter in Rom bei
der Falchi studirte, erzählte mig
Transkription unsicher.
mir, dass Frl. Takanen, von der ich
dir im August d. v. J. erzählte, deinen
Konserten in Rom mit Entzücken
beigewohnt hatte, und schliesslich
soviel Muth bekam, Dich in Ge⸗ sellschaft der Gr. aufzusuchen.
Da waren die beiden Zugvögel[1]
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Vikan, den 15. Juni 1902.
Lieber, Guter, Getreuer!
In einem Brief an Gerda habe ich
Verschiedenes erzählt und ausgeschüttet. Hier Einiges an und für Dich.
Unsere gewesene Schülerin Frl. Gräsbeck, die diesen Winter in Rom bei
der Falchi studierte, erzählte
mir, dass Frl. Takanen, von der ich
dir im August des vorigen Jahres erzählte, deinen
Konzerten in Rom mit Entzücken
beigewohnt hatte, und schließlich
soviel Mut bekam, Dich in Gesellschaft der Gr. aufzusuchen.
Da waren die beiden Zugvögel
Busoni einen Moment vorher
weggeflogen. Nun muss ich also
die vorige Frage noch einmal
tun: nimmst Du irgendwann
in diesem Jahre Schüler,
respektive Schülerinnen an, und unter welchen Bedingungen?
Wenn nicht in diesem Jahre, vielleicht im nächsten? Und willst
Du sie annehmen? Sie wird
jetzt Mitte Juli ihren Konservatoriumskursus beendigen;
dann ist sie frei, so frei wie
die Armut sein kann, frei
wie die fertige Schülerin, die
nicht weiß, wie sie anfangen
soll, Künstlerin zu werden,
und in Mangel daran zwischen
„Lehrerin“ und „Offiziersfrau“ zu
wählen hat.❊ Ich wäre herzlich
froh, wenn ich dieser sympathischen Künstlerfamilie eine fröhliche
Botschaft von Dir senden könnte.
Du verzeihst mir, nicht wahr?
Nun zu etwas anderem. Habe ich
Dir das Jubiläumsheft (Oktober 1901)
der „Finsk Tidskrift“ gesandt
oder nicht? Da hatte ich einen
Aufsatz mit Titel: „Ur det nutida
Italiens musiklif.“ Nun finde
ich denselben mit dem Titel
„Die Musikrenässance des gegenwärtigen Italiens“ in „der Gesellschaft“,
1902 no 6, von dem angeblichen
Verfasser „Anton Weis-Ulmenried“, der mich ganz gut übersetzt hat, Verschiedenes (vor
allem rein persönliche Erlebnisse,
Anekdoten usw.) vorsichtigerweise weggelassen, und einen
einzigen Zusatz gemacht hat:
„Ob es der jetzige Director, S.
Falchi, anders treiben wird“ (+
einer Fußnote). Auf ein paar
Stellen hat er nicht ganz richtig übersetzt. Diesen Aufsatz
nun (von A. Weis-Ulmenried) wird
hie und da referiert, von „der
Musik“ mit dem Prädikat „schön“,
von der Riviste kurz und freundlich. Finsk Tidskrift wird natürlich in dem Juli-Heft den
Diebstahl konstatieren – das
dringt aber nicht mit. Wegen
meiner italienischen Freunde
möchte ich doch zu meinem
Recht kommen. Oder
werde ich davon mehr Ärger
als Nutzen haben? Und wie
sollte ich es anfangen? (Ich
habe das Heft – ich glaube im
Februar – an Bossi gesandt;
Der schrieb mir, dass er schon einen Übersetzer finden würde.) Sobald ich die beiden Hefte von
der Red. der F. T. zurückbekommen habe, werde ich sie Dir
schicken. Vielleicht gibst Du
mir einen guten Rat.
Ich habe diesen Winter zwei
Chorlieder komponiert und singen lassen, wo es mir gelungen
ist, das zu sagen, was ich wollte – (meine ich wenigstens) – was
mir selten passiert ist. [Die werden jetzt gedruckt und dann sofort
an Dich gesandt.] Deshalb habe
ich an den Dings meine Freude
gehabt, einige andere auch. Ich
hoffe, Du hältst mich doch zu
gescheit, als dass ich auf meine
winzige Komponistentätigkeit
etwas hielte. Ich weiß
ganz genau, dass mir nur ein
äußerst kleines Bruchstück echte
Musik angeboren ist – vielleicht
auch das nicht ganz echt – was
kaum der Rede wert ist. Ich
freue mich aber doch – jetzt noch
– wenn ich dann und wann Etwas loslassen kann, wegen meiner Freunde, die mich oder mein Innerstes dadurch besser kennen lernen, als sonst
der Fall wäre.
Dann ist es mir gelungen,
drei alt-italienische Madrigale
mit meinem kleinen Chor so auszuführen,
dass das Publikum in helle Begeisterung geriet. Darüber bin
ich wirklich stolz.
Ich werde Dir übrigens die
Programme für dieses Jahr schicken. Wie Du sehen wirst, sind wir
einigermaßen aufgeweckt und
nicht faul gewesen.
Über die Knorring werde ich
Dir später schreiben; die bleibt
nun wohl ein Jahr noch. Die
letzte, 3te, Prüfung war glänzend.
Ich erschrecke beinahe, wenn ich
sehe, wie dieser Brief schon wieder
aussieht, schlampig und undeutlich, dass es Deinen Augen weh
tun wird. Verzeihe mir das, und
bleibe, wie immer, gewogen
Die Hanna grüßt tausendmal.
❊ Eine kleine russische Schülerin der Anna Ingman erklärte in der
Stunde weinend aber bestimmt, dass Fräulein zu streng war; sie wolle doch absolut nicht Lehrerin, sondern Offiziersfrau werden!
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Busoni einen Moment vorher
weggeflogen. Nun muss ich also×) Eine kleine russische Schülerin der Anna Ingman erklärte in der
Stunde weinend aber bestimmt, dass Fräulein zu streng war; sie wolle doch ab
solut nicht Lehrerin, sondern Officiersfrau werden!
die vorige Frage noch einmal
thun: nimmst Du irgendwann
in diesem Jahre Schüler, an
resp. Schülerinnen an, und un⸗ ter welchen Bedingungen?
Wenn nicht in diesem Jahre, viel⸗ leicht im nächsten? Und willst
Du sie annehmen? Sie wird
jetzt Mitte Juli ihren Conser⸗ vatoriumscursus beendigen;
dann ist sie frei, so frei wie
die Armuth sein kann, frei
wie die fertige Schülerin, die
nicht weiss wie sie anfangen
soll Künstlerin zu werden,
und in Mangel daran zwischen
“Lehrerin” und “Officiersfrau” zu
wählen hat.×) Ich wäre herzlich
froh, wenn ich dieser sympathi⸗
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
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schen Künstlerfamilie eine fröhliche
Botschaft von Dir senden könnte.
Du verzeihst mir, nicht wahr?
Nun zu etwas Anderem. Habe ich
Dir das Jubileumsheft (Oktober 1901)
der “Finsk Tidskrift” gesandt
oder nicht? Da hatte ich einen
Aufsatz mit Titel: “Ur det nutida
Italiens musiklif.” Nun finde
ich denselben unter mit dem Titel
“Die Musikrenässance des gegenwär⸗ tigen Italiens” in “der Gesellschaft”,
1902 no 6, von dem angeblichen
Verfasser “Anton Weis-Ulmen⸗ ried”, der mich ganz gut über⸗ setzt hat, Verschiedenes (vor
Allem rein persönliche Erlebnisse,
Anekdoten u. s. w.) vorsichtiger- weise weggelassen, und einen
einzigen Zusatz gemacht hat:
“Ob es der jetzige Director, S.
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
[2]
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schen Künstlerfamilie eine fröhliche
<lb/>Botschaft von Dir senden könnte.
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<lb/>oder nicht? Da hatte ich einen
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<lb/>ich <hi rend="underline">denselben</hi> <del rend="strikethrough">unter</del> mit dem Titel
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<lb break="no"/>tigen <placeName key="E0500013">Italiens</placeName></mentioned> in <mentioned rend="dq-uu">der Gesellschaft</mentioned>,
<lb/><date when-iso="1902">1902</date> n<hi rend="sup">o</hi> 6, von dem angeblichen
<lb/>Verfasser <mentioned rend="dq-uu-co">Anton Weis-Ulmen
<lb break="no"/>ried</mentioned>, der mich ganz gut über
<lb break="no"/>setzt hat, Verschiedenes (vor
<lb/><choice><orig>A</orig><reg>a</reg></choice>llem rein persönliche Erlebnisse,
<lb/>Anekdoten <choice><orig>u. s. w.</orig><reg>usw.</reg></choice>) vorsichtiger
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Falchi, anders treiben wird” (+
einer Fussnote). Auf ein Paar
Stellen hat er nicht ganz rich⸗ tig übersetzt. Diesen Aufsatz
nun (von A. Weis-Ulmenried) wird
hie und da referirt, von “der
Musik” mit dem Prädicat “schön”,
von der Riviste kurz und freund⸗ lich. Finsk Tidskrift wird na⸗ türlich in dem Juli-Heft den
Diebstahl konstatiren – das
dringt aber nicht mit. Wegen
meiner italienischen Freunde
möchte ich doch zu meinem
Reh Recht kommen. Oder
werde ich davon mehr Ärger
als Nutzen haben? Und wie
sollte ich es anfangen? (Ich
habe das Heft – ich glaube im
Februar – an Bossi gesandt;Wegelius
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B II, 5351
Der schrieb mir, dass er schon ei⸗ nen Übersetzer finden würde). So
bald ich die beiden Hefte von
der Red. der F. T. zurückbekom⸗ men habe, werde ich sie Dir
schicken. Vielleicht giebst Du
mir einen guten Rath.
Ich habe diesen Winter zwei
Chorlieder komponirt und sin⸗ gen lassen, wo es mir gelungen
ist das zu sagen, was ich woll⸗ te – (meine ich wenigstens) – was
mir selten passirt ist. [Die wer⸗ den jetzt gedruckt und dann sofort
an Dich gesandt]. Desshalb habe
ich an den Dings meine Freude
gehabt, einige Andere auch. Ich
hoffe, Du hältst mich doch zu
gescheidt, als dass ich auf meine
winzige Komponistenthätigkeit[3]
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<lb/>Der schrieb mir, dass er schon ei
<lb break="no"/>nen Übersetzer finden würde<choice><orig>).</orig><reg>.)</reg></choice> So<orig>
<lb/></orig>bald ich die beiden Hefte von
<lb/>der Red. der <orgName key="E0600239">F. T.</orgName> zurückbekom
<lb break="no"/>men habe, werde ich sie Dir
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<lb/>ist<reg>,</reg> <hi rend="underline">das</hi> zu sagen, was ich <hi rend="underline">woll
<lb break="no"/>te</hi> – (meine ich wenigstens) – was
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<lb break="no"/>den jetzt gedruckt und dann sofort
<lb/>an Dich gesandt<choice><orig>].</orig><reg>.]</reg></choice> Des<orig>s</orig>halb habe
<lb/>ich an den Dings meine Freude
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<lb/>winzige Komponistent<orig>h</orig>ätigkeit
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etwas einbil hielte. Ich weiss
ganz genau, dass mir nur ein
ganzäusserst kleines Bruchstück echte
Musik angeboren ist – vielleicht
auch das nicht ganz echt – was
kaum der Rede werth ist. Ich
freue mich aber doch – jetzt noch
– wenn ich dann und wann Et⸗ was loslassen kann, wegen mei⸗ ner Freunde, die mich oder mein Innerstes dadurch bes⸗ ser kennen lernen als sonst
der Fall wäre.
Dann ist es mir gelungen
drei alt-italienische Madrigale
mit meinem kleinen Chor so auszuführen,
dass das Publicum in helle Be⸗ geisterung gerieth. Darüber bin
ich wirklich stolz.
Ich werde Dir übrigens die
Programme für dieses Jahr schic⸗
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
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<lb/>Musik angeboren ist – vielleicht
<lb/>auch das nicht ganz echt – was
<lb/>kaum der Rede wert<orig>h</orig> ist. Ich
<lb/>freue mich aber doch – jetzt noch
<lb/>– wenn ich dann und wann Et
<lb break="no"/>was loslassen kann, wegen mei
<lb break="no"/>ner Freunde, die mich <add place="above">oder mein Innerstes</add> dadurch bes
<lb break="no"/>ser kennen lernen<reg>,</reg> als sonst
<lb/>der Fall wäre.</p>
<p>Dann ist es mir gelungen<reg>,</reg>
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<lb break="no"/>geisterung geriet<orig>h</orig>. Darüber bin
<lb/>ich wirklich stolz.</p>
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ken. Wie Du sehen wirst, sind wir
einigermassen aufgeweckt und
nicht faul gewesen.
Über die Knorring werde ich
Dir später schreiben; die bleibt
nun wohl ein Jahr noch. Die
letzte, 3te, Prüfung war glänzend.
Ich erschrecke beinahe, wenn ich
sehe, wie dieser Brief schon wieder
aussieht, schlampig und undeut⸗ lich, dass es Deinen Augen Wehe
thun wird. Verzeihe mir das, und
bleibe, mir wie immer, gewogen
Die Hanna grüsst tausendmal.
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
[4]
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ken. Wie Du sehen wirst, sind wir
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<p rend="indent-first">Ich erschrecke beinahe, wenn ich
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<lb/>aussieht, schlampig und undeut
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[Seite 4 des Bogens, vacat]
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