Jella Oppenheimer an Ferruccio Busoni arrow_backarrow_forward

Wien · 26. Februar 1908

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Mus.Nachl. F. Busoni B II, 5471
den 26.2.1908

Liebster Freund,

Soeben lese ich im Abendblatt Meldung „Busoni und das Wiener Konservatorium“ in der Neuen Freien Presse, 16.2.1908 (Abendblatt), S. 3f.
was sich zugetragen hat und bin
empört über das Vorgehen der
Direktion des Konservatorium’s.
Ich habe keinen Ausdruck dafür
und bin für Wien von Scham
erfüllt. Wenn man mit so
hochstehenden Künstlern in solcher

den 26.2.1908

Liebster Freund,

soeben lese ich im Abendblatt, Meldung „Busoni und das Wiener Konservatorium“ in der Neuen Freien Presse, 16.2.1908 (Abendblatt), S. 3f. was sich zugetragen hat, und bin empört über das Vorgehen der Direktion des Konservatoriums. Ich habe keinen Ausdruck dafür und bin für Wien von Scham erfüllt. Wenn man mit so hochstehenden Künstlern in dieser unqualifizierbaren Art umgeht, dann ist man wirklich wert, dass man nur schuhlederne Schulmeister gewinnt, die selbst vertrocknet alles verdorren lassen. In meine Entrüstung mischt sich tiefer Schmerz, Sie zu verlieren, und auch Sorge, da ich lese, dass Sie krank gewesen sind.

Bitte um ein Wort, wie es Ihnen geht, wenn Sie nicht Zeit haben, ist Ihre liebe Frau, die ich innig grüße, gewiss so gut, mir zu schreiben. Ich ahne nicht, wo Sie sind, wünsche, dass diese Zeilen, wo es auch sein möge, Sie gesund antreffen und Sie keinen Ärger, keine Aufregung empfinden. Wenn so armselige Kerle hier regieren und so kunstlos wirtschaften, dann wäre es Sünde gewesen, Sie hier zu halten. Sie verlieren nichts, im Gegenteil; für uns aber ist der Verlust unendlich, und niemand kann denselben stärker fühlen wie ich.

Ihre Schüler werden Ihnen nachziehen, des bin ich sicher; wie heißt nur der eine, von dem Sie gesprochen, der so begabt ist, und wie ist seine Adresse? Es war ein polnischer Name. Ist Aussicht, dass wir uns dieses Frühjahr sehen? Wie sind Ihre Pläne? Nochmals viel Liebes an Frau Gerda und die besten Grüße.

In alter Freundschaft

Jella Oppenheimer

                                                                
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umgeht, dann ist man wirklich
wert, dass man nur schuhlederne
Schulmeister gewinnt, die selbst
vertrocknet alles verdorren lassen[.]
In meine Entrüstung mischt sich
tiefer Schmerz Sie zu verlieren
und auch Sorge, da ich lese, dass
Sie krank gewesen sind.

Bitte um ein Wort wie es Ihnen
geht, wenn Sie nicht Zeit haben

                                                                
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gewiß so gut mir zu schreiben.
Ich ahne nicht wo Sie sind, wünsche,
dass diese Zeilen, wo es auch sein
möge, Sie gesund antreffen und
Sie keinen Ärger, keine Aufregung
empfinden. Wenn so armselige
Kerle hier regieren und so
kunstlos wirtschaften, dann wäre
es Sünde gewesen Sie hier zu
halten. Sie verlieren nichts, im
Gegenteil; für uns aber ist

                                                                
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der Verlust unendlich und
niemand kann denselben stärker
fühlen wie ich.

Ihre Schüler werden Ihnen
nachziehen, des bin ich sicher; wie heißt
nur der Eine von dem Sie
gesprochen, der so begabt ist und
wie ist seine Adreße? Es war ein polnischer
Name. Ist Aussicht, dass wir uns
dieses Frühjahr sehen? Wie sind Ihre
Pläne? Nochmals viel Liebes an
Frau Gerda und die besten Grüße. In
alter Freundschaft
Jella Oppenheimer

                                                                
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Überlieferung
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B II, 5471 |

Nachweis Kalliope

Zustand
Brief und Umschlag sind gut erhalten.
Umfang
2 Bogen, 6 beschriebene Seiten
Kollation
Seitenfolge: 1 bis 4, 5, 8
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Jella Oppenheimer, Brieftext in lilafarbener Tinte, in deutscher Kurrentschrift
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen hat
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
  • Poststempel (schwarze Tinte)
  • unbekannte Hand, die auf dem Umschlag die ein Nummer mit schwarzem Stift notiert hat
  • unbekannte Hand, die auf dem Umschlag die ein Nummer mit blau-grauem Stift notiert hat

Zusammenfassung
Oppenheimer hat von Busonis Entlassung am Wiener Konservatorium aus der Presse erfahren, ist entrüstet und beschämt; erkundigt sich nach der Adresse eines der Meisterklassen-Schüler.
Incipit
soeben lese ich im Abendblatt,

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
Stand
7. Mai 2024: in Bearbeitung (in der Erfassungs-/Codierungsphase)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition