Ferruccio Busoni to Hans Huber arrow_backarrow_forward

Zürich · October 27, 1915

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8.27 Okt.1915

Hochverehrter Maestro,

ich kann nicht gut mich
dazu verstehen, in einem
Klavierzyklus, Beethoven
zu eliminieren; wenn ich
sowohl von den Höhepunkten
der Klavierliteratur, als
auch von meinem eigenen
Pianismus ein Beispiel auf-
stelle. Finden Sie im Grunde
nicht auch? – Denn: Refardt 1939 (10): „Dann“. welche
Gelegenheit bietet ein
SymphonieAbend dem Klavier-
spieler, Beethoven zu entfalten! Refardt 1939 (10): „entfalten?“
Man kann, hoch-gegriffen, das
Es dur Konzert vortragen, bei
dem die schönsten Stellen dem Or-
chester zufallen.

Man könnte in einem
Beethoven

Hochverehrter Maestro,

ich kann nicht gut mich dazu verstehen, in einem Klavierzyklus Beethoven zu eliminieren; wenn ich sowohl von den Höhepunkten der Klavierliteratur als auch von meinem eigenen Pianismus ein Beispiel aufstelle. Finden Sie im Grunde nicht auch? – Denn: welche Gelegenheit bietet ein Symphonieabend dem Klavierspieler, Beethoven zu entfalten! Man kann, hoch gegriffen, das Es-Dur-Konzert vortragen, bei dem die schönsten Stellen dem Orchester zufallen.

Sollte der Zyklus – und davor der Liszt-Abend – besonderen Anklang finden, so würde vielleicht ein nachträglicher zweiter Liszt-Abend nicht unangebracht sein.

Für Ihre wohlwollende Kritik meiner Handhabung der deutschen Sprache bin ich Ihnen dankbar. Ich habe mir selber letzthin ein Textbuch geschrieben, Vermutlich zu Doktor Faust (Dichtung im Dezember 1914); das Textbuch zu Arlecchino oder Die Fenster wurde bereits im Oktober 1914 beendet. worauf ich etwas halte. Kennen Sie übrigens jenes zu meiner Oper „Die Brautwahl“?

Wenn Sie sich wieder um eine Antwort bemühen wollen, dann nehmen Sie sich Zeit, ohne Gewissensbisse zu empfinden. – Die Bücher beglücken mich, ich erwarte sie mit freudiger Spannung.

Bei dieser Verschiebung meiner Existenz ist die Trennung von meiner Bibliothek eines der härtesten Momente. Vieles, vieles ist schwer, und ich komme nicht umhin zu wiederholen, wie tief ich es empfinde, dass die Schweizer es mir erleichtern. Arrivederci.

Ihr sehr herzlich ergebener

Ferruccio Busoni

Zürich, den 24. Oktober 1915
                                                                
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(2)

Sollte der Zyklus – und davor
der Liszt Abend – besondersen
Anklang finden, so würde
es vielleicht ein nachträglicher
zweiter LisztAbend nicht
unangebracht sein.

Für Ihre wohlwollende
Kritik meiner Handhabung
der deutschen Sprache bin ich
Ihnen dankbar. Ich habe
mir selber letzthin ein Text-
buch geschrieben, Vermutlich zu Doktor Faust (Dichtung im Dezember 1914); das Textbuch zu Arlecchino oder Die Fenster wurde bereits im Oktober 1914 beendet. worauf
ich Etwas halte. Kennen Sie
übrigens jenes zu meiner
Oper „die Brautwahl“.?

Wenn Sie sich wieder
um eine Antwort bemühen
wollen, dann nehmen Sie
sich Zeit, ohne Gewissensbisse
zu empfinden. – Die Bücher
beglücken mich, ich erwarte sie
mit freudiger Spannung.

                                                                
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(3)

Bei dieser Verschiebung
meiner Existenz, ist die
Trennung von meiner Bibliothek
eines der härtesten Momente.
Vieles, vieles ist schwer, und
ich komme nicht umhin zu
wiederholen, wie tief ich es
empfinde, dass die Schweizer
es mir erleichtern. Arrivederci.

Ihr sehr herzlich ergebener

Ferruccio Busoni

Zürich, den 24 Oktober 1915
                                                                
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Document

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Provenance
Schweiz | Basel | Universitätsbibliothek | NL 30 : 22:A-H:16
Condition
Der Brief ist gut erhalten.
Extent
3 Blatt, 3 beschriebene Seiten
Hands/Stamps
  • Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift.
  • Hand des Archivars, der die Nummerierung und Foliierung vorgenommen hat.
  • Hand des Archivars, der die Datierung mit Bleistift auf die erste Seite übertragen hat.

Summary
Busoni lehnt einen Klavierzyklus ohne Beethoven ab; bietet einen weiteren Liszt-Abend an; dankt für Hubers Lob seiner Sprachbehandlung, weist auf eigene Libretti hin; erwartet Bücherzusendung „mit freudiger Spannung“; nennt „die Trennung von meiner Bibliothek eines der härtesten Momente“.
Incipit
ich kann nicht gut mich dazu verstehen

Editors in charge
Christian Schaper Ullrich Scheideler
prepared by
Revision
June 25, 2017: candidate (coding checked, proofread)
Direct context
Preceding Following
Near in this edition
Previous editions
Refardt 1939, S. 10 f.