Ferruccio Busoni to Hans Huber arrow_backarrow_forward

Zürich · December 11, 1915

Facsimile
Diplomatic transcription
Reading version
XML
11. 11. Dez. 1915

Verehrlicher Maestro,

Erst nachtraeglich emp-
fange ich das Heft Etuden,
(war es immer bei Peters?)
auf dessen Titelblatt ich
mit frohem Bewusstsein
meinen Namen lese. Huber widmete Busoni die zweite Auflage (bereits die erste war bei Peters erschienen).

So werthvoll jede einzelne
[…] at least 1 char: cancelled. ist, so wird doch beim
Publikum immer die Valse-
Impromptu den Trumpf aus-
spielen. Mir selbst erscheint die
Stelle „alla Svizzera“ sehr
glücklich inspiriert, und dem
Pianisten verschafft transcription uncertain: cancelled. erweckt das Stück
die gute Spielfreudigkeit.

Von welchen Stücken
kann man heute so viel
sagen? – Vollendete Lyrik
verkörpert sich indie der Romanze.

Verehrlicher Maestro,

erst nachträglich empfange ich das Heft Etüden (war es immer bei Peters?), auf dessen Titelblatt ich mit frohem Bewusstsein meinen Namen lese. Huber widmete Busoni die zweite Auflage (bereits die erste war bei Peters erschienen).

So wertvoll jede einzelne ist, so wird doch beim Publikum immer die Valse-Impromptu den Trumpf ausspielen. Mir selbst erscheint die Stelle „alla Svizzera“ sehr glücklich inspiriert, und dem Pianisten erweckt das Stück die gute Spielfreudigkeit.

Von welchen Stücken kann man heute so viel sagen? – Vollendete Lyrik verkörpert die Romanze. (Diese beiden hörte ich mit Genuss – und trefflich wiedergegeben – vom jungen Levy.) – Lassen Sie noch ähnliche (und doch verschiedene) Sechs folgen. Das Klavier hat viele Möglichkeiten, und Ihre Fantasie nicht weniger. –

– Ich will mir den Kessler op. 100 ansehen.

Ich fühle die Pflicht, etwas Zusammenfassendes über Klavierspiel niederzulegen, konnte aber bisher nicht das richtige Ende des Fadens dazu ergreifen. An ein paar Hundert Liszt’schen Stücken hab’ ich, im Verlaufe meiner Studien und Vorträge, Varianten ersonnen, die schon der Mitteilung wert wären. Vieles steckt in meinem Bachwerk. –

Kurz ist das Leben, und es wird Einem fortwährend verkürzt durch Nebensächliches.

Darum nahm ich mir den Mut, Ihnen neulich die kleine Ansprache „wahrscheinlich nach einem der Klavierabende im Konservatorium.“ (Refardt 1939, S. 12). zu halten, die teils aus Erfahrung, teils aus Verehrung (aus Egoismus und Altruismus) entsprang. – Ich sah, Sie nahmen sie nachsichtig auf.

Haben Sie Dank für alles (und lassen Sie sich durch keinen Arzt einschüchtern) und schaffen Sie noch mehr Dankenswertes, zur Freude Vieler,

darunter Ihres

herzlichst ergebenen

Ferruccio Busoni

Zürich 11. Dezember 1915
                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"> <note type="numbering" place="top-right" resp="#archive">11.</note> <note type="dating" place="top-right" resp="#archive"> <date when-iso="1915-12-11">11. Dez. 1915</date> </note> <opener> <salute>Verehrlicher Maestro,</salute> </opener> <p><choice><orig>Erst nachtraeglich</orig><reg>erst nachträglich</reg></choice> emp <lb break="no"/>fange ich das Heft <rs key="E0400128"><choice><orig>Etuden,</orig><reg>Etüden</reg></choice></rs> <lb/>(war es immer bei <orgName key="E0600023">Peters</orgName>?)<reg>,</reg> <lb/>auf dessen Titelblatt ich <lb/>mit frohem Bewusstsein <lb/>meinen Namen lese.<note type="commentary" resp="#E0300327"><persName key="E0300125">Huber</persName> widmete <persName key="E0300017">Busoni</persName> die zweite Auflage (bereits die erste war bei <orgName key="E0600023">Peters</orgName> erschienen).</note> </p> <p rend="indent-first">So <choice><orig>werthvoll</orig><reg>wertvoll</reg></choice> jede einzelne <lb/><del rend="strikethrough"><gap atLeast="1" unit="char" reason="strikethrough"/></del> ist, so wird doch beim <lb/>Publikum immer die Valse- <lb break="no"/>Impromptu den Trumpf aus <lb break="no"/>spielen. Mir selbst erscheint die <lb/>Stelle <soCalled rend="dq-du">alla Svizzera</soCalled> sehr <lb/>glücklich inspiriert, und dem <lb/>Pianisten <subst><del rend="strikethrough"><unclear reason="strikethrough" cert="high">verschafft</unclear></del><add place="below">erweckt</add></subst> das Stück <lb/>die gute Spielfreudigkeit.</p> <p type="pre-split" rend="indent-first">Von welchen Stücken <lb/>kann man heute so viel <lb/>sagen? – Vollendete Lyrik <lb/>verkörpert <del rend="strikethrough">sich</del> <subst><del rend="overwritten">in</del><add place="across">die</add></subst> <del rend="strikethrough">der</del> Romanze. </p></div>
2Facsimile
2Diplomatic transcription
2XML

(2) (Diese beiden hörte ich
mit Genuss – und trefflich
wiedergegeben – vom jungen
Levy.) – Lassen Sie noch
aehnliche (u. doch verschiedene)
Sechs folgen. Das Klavier hat
viele Möglichkeiten und Ihre
Fantasie nicht weniger. –

– Ich will mir den Kessler
op. 100 ansehen.

Ich fühle die Pflicht,
Etwas Zusammenfassendes
über Klavierspiel niederzu-
legen, konnte aber bisher
nicht das richtige Ende des
Fadens dazu ergreifen.
An ein Paar Hundert Liszt’-
schen Stücken hab’ ich, im
Verlaufe meiner Studien u.
Vorträge, Varianten ersonnen
die schon der Mittheilung
werth wären. Vieles steckt
in meinem Bachwerk. –

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split"> <note type="foliation" place="top-right" resp="#archive">(2)</note> (Diese beiden hörte ich <lb/>mit Genuss – und trefflich <lb/>wiedergegeben – vom jungen <lb/><persName key="E0300138">Levy</persName>.) – Lassen Sie noch <lb/><choice><orig>aehnliche</orig><reg>ähnliche</reg></choice> (<choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> doch verschiedene) <lb/>Sechs folgen. Das Klavier hat <lb/>viele Möglichkeiten<reg>,</reg> und Ihre <lb/>Fantasie nicht weniger. –</p> <p>– Ich will mir den <persName key="E0300128">Kessler</persName> <lb/><title key="E0400117">op. 100</title> ansehen.</p> <p rend="indent-first">Ich fühle die Pflicht, <lb/><choice><orig>Etwas</orig><reg>etwas</reg></choice> Zusammenfassendes <lb/>über Klavierspiel niederzu <lb break="no"/>legen, konnte aber bisher <lb/>nicht das richtige Ende des <lb/>Fadens dazu ergreifen. <lb/>An ein <choice><orig>P</orig><reg>p</reg></choice>aar Hundert <persName key="E0300013">Liszt</persName>’ <lb break="no"/>schen Stücken hab’ ich, im <lb/>Verlaufe meiner Studien <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> <lb/>Vorträge, <hi rend="underline">Varianten</hi> ersonnen<reg>,</reg> <lb/>die schon der <choice><orig>Mittheilung</orig><reg>Mitteilung</reg></choice> <lb/><choice><orig>werth</orig><reg>wert</reg></choice> wären. Vieles steckt <lb/>in meinem <persName key="E0300012">Bach</persName>werk. –<!--gemeint ist vermutlich die Bach-Busoni-Gesamtausgabe, 1916 bei Breitkopf erschienen--> </p> </div>
3Facsimile
3Diplomatic transcription
3XML
(3)

Kurz ist das Leben u. es
wird Einem fortwährend
verkürzt durch Nebensächliches.

Darum nahm ich mir
den Muth, Ihnen neulich
die kleine Ansprache „wahrscheinlich nach einem der Klavierabende im Konservatorium.“ (Refardt 1939, S. 12). zu
halten, die theils aus Er-
fahrung, theils aus Verehrung,
(aus Egoismus u. Altruismus)
entsprang. – Ich sah, Sie
nahmen sie nachsichtig auf.

Haben Sie Dank für Alles,
(u. lassen Sie sich durch
keinen Arzt einschüchtern)
u. u. schaffen Sie noch mehr
Dankenswerthes, zur Freude
Vieler,

darunter Ihres

herzlichst ergebenen

Ferruccio Busoni

Zürich 11 Dezember 1915
                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"> <note type="foliation" place="top-right" resp="#archive">(3)</note> <p>Kurz ist das Leben<reg>,</reg> <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> es <lb/>wird Einem fortwährend <lb/>verkürzt durch Nebensächliches.</p> <p rend="indent-first">Darum nahm ich mir <lb/>den <choice><orig>Muth</orig><reg>Mut</reg></choice>, Ihnen neulich <lb/>die kleine Ansprache <note type="commentary" resp="#E0300327"><cit><q source="#E0800047">wahrscheinlich nach einem der Klavierabende im <orgName key="E0600020">Konservatorium</orgName>.</q><bibl> (<ref target="#E0800047"/>, S. 12).</bibl></cit></note> zu <lb/>halten, die <choice><orig>theils</orig><reg>teils</reg></choice> aus Er <lb break="no"/>fahrung, <choice><orig>theils</orig><reg>teils</reg></choice> aus Verehrung<orig>,</orig> <lb/>(aus Egoismus <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> Altruismus) <lb/>entsprang. – Ich sah, Sie <lb/>nahmen sie nachsichtig auf.</p> <p rend="indent-first">Haben Sie Dank für <choice><orig>Alles,</orig><reg>alles</reg></choice> <lb/>(<choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> lassen Sie sich durch <lb/>keinen Arzt einschüchtern) <lb/><del rend="strikethrough">u.</del> <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> schaffen Sie noch mehr <lb/><choice><orig>Dankenswerthes</orig><reg>Dankenswertes</reg></choice>, zur Freude <lb/>Vieler,</p> <closer rend="indent-first">darunter Ihres <salute rend="align(right)">herzlichst ergebenen</salute> <signed rend="align(right)"><persName key="E0300017">Ferruccio Busoni</persName></signed> <dateline rend="no-indent-first"> <placeName key="E0500132">Zürich</placeName> <date when-iso="1915-12-11">11<reg>.</reg> Dezember 1915</date> </dateline> </closer> </div>
4Facsimile
4Diplomatic transcription
4XML
[Rückseite von Textseite 1, vacat]
                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"> <note type="objdesc" resp="#E0300327">[Rückseite von Textseite 1, vacat]</note> </div>
5Facsimile
5Diplomatic transcription
5XML
[Rückseite von Textseite 2, vacat]
                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"> <note type="objdesc" resp="#E0300327">[Rückseite von Textseite 2, vacat]</note> </div>
6Facsimile
6Diplomatic transcription
6XML
[Rückseite von Textseite 3, vacat]
                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"> <note type="objdesc" resp="#E0300327">[Rückseite von Textseite 3, vacat]</note> </div>

Document

doneStatus: candidate XML Facsimile Download / Cite

Provenance
Schweiz | Basel | Universitätsbibliothek | NL 30 : 22:A-H:16
Condition
Der Brief ist gut erhalten.
Extent
3 Blatt, 3 beschriebene Seiten
Hands/Stamps
  • Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift.
  • Hand des Archivars, der die Foliierung und Datierung des Briefs mit Bleistift vorgenommen hat.

Summary
Busoni spricht Huber seine Wertschätzung für dessen ihm gewidmete Etüden aus.
Incipit
Erst nachtraeglich empfange ich das Heft Etüden

Editors in charge
Christian Schaper Ullrich Scheideler
prepared by
Revision
March 6, 2017: candidate (coding checked, proofread)
Direct context
Preceding Following
Near in this edition
Previous editions
Refardt 1939, S. 12