|
19.
Verehrtester Freund,
ich lese soeben Ihren Aufsatz
Konzertankündigung zur Indianischen Fantasie, erscheinen in den Basler Nachrichten am 26.4.1916 (Auszüge bei Refardt 1939, S. 16).
in den B. N.
u. sende ihn gleich zu
Br. & H.,
womit der Werth ausgedrückt sein soll, den ich
jenem beilege. Seien Sie dafür bedankt! –
Über „Tiefe“ hatte ich einen
Abschnitt für die neue Ausgabe meines “Entwurfes”
abgefasst, dessen Sinn darin gipfelt, dass
mit Tiefe (in
d. Musik) nur das völlige
Ausschöpfen einer Stimmung gemeint sein
kann, sei es auch eine leichtfertige:
als wie z. B. in der sogenannten Champagner
Arie. Sich in diese Stimmung ganz
versenken
(also “tief” in sie hineindringen) bedeute Tiefe.
Was die Innerlichkeit anlangt, so habe
ich auch diesem Begriffe
einen
neuen Abschnitt
gewidmet. –
Der gemeinte Abschnitt ist insofern nicht ohne Weiteres ersichtlich, als von „Innerlichkeit“ in keiner Fassung des Entwurfs die Rede ist; vermutlich bezieht sich Busoni auf den für die zweite Ausgabe hinzugefügten Abschnitt „Gefühl ist eine moralische Ehrensache“.
Aristokratisch ausgedrückt aber
behaupte ich mit Stolz:, meine Innerlichkeit
steht über der des Durchschnittes; deswegen
erscheint sie ihm fremd, oder gar nicht als solche.
Aber das Schreiben hilft nicht, das
Publikum betrachtet es als Lektüre u. nicht
als Lehre. – Ich freue mich Kindlich, Sie
wiederzusehen. Ihr verehrungsvoll u. herzlich
ergebener F. B.
|
Verehrtester Freund,
ich lese soeben Ihren Aufsatz
Konzertankündigung zur Indianischen Fantasie, erscheinen in den Basler Nachrichten am 26.4.1916 (Auszüge bei Refardt 1939, S. 16).
in den Basler Nachrichten
und sende ihn gleich zu
Breitkopf & Härtel,
womit der Wert ausgedrückt sein soll, den ich
jenem beilege. Seien Sie dafür bedankt! –
Über „Tiefe“ hatte ich einen
Abschnitt für die neue Ausgabe meines „Entwurfes“
abgefasst, dessen Sinn darin gipfelt, dass
mit Tiefe (in
der Musik) nur das völlige
Ausschöpfen einer Stimmung gemeint sein
kann, sei es auch eine leichtfertige:
als wie z. B. in der sogenannten Champagner-Arie. Sich in diese Stimmung ganz
versenken
(also „tief“ in sie hineindringen) bedeute Tiefe.
Was die Innerlichkeit anlangt, so habe
ich auch diesem Begriffe
einen
neuen Abschnitt
gewidmet. –
Der gemeinte Abschnitt ist insofern nicht ohne Weiteres ersichtlich, als von „Innerlichkeit“ in keiner Fassung des Entwurfs die Rede ist; vermutlich bezieht sich Busoni auf den für die zweite Ausgabe hinzugefügten Abschnitt „Gefühl ist eine moralische Ehrensache“.
Aristokratisch ausgedrückt aber
behaupte ich mit Stolz: meine Innerlichkeit
steht über der des Durchschnittes; deswegen
erscheint sie ihm fremd, oder gar nicht als solche.
Aber das Schreiben hilft nicht, das
Publikum betrachtet es als Lektüre und nicht
als Lehre. – Ich freue mich kindlich, Sie
wiederzusehen.
Ihr verehrungsvoll und herzlich
ergebener
Ferruccio Busoni
|
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split">
<note type="numbering" resp="#archive" place="top-right">19.</note>
<opener>
<dateline rend="align(right)">
<placeName key="E0500132">Zürich</placeName><reg>,</reg> den
<date when-iso="1916-04-27">27<choice><orig> <abbr>A</abbr></orig><reg>. <expan>April</expan></reg></choice> 1916</date>
</dateline>
<salute rend="indent">Verehrtester Freund,</salute>
</opener>
<p rend="indent-first">ich lese soeben Ihren Aufsatz
<note type="commentary" resp="#E0300324">Konzertankündigung zur <title key="E0400120">Indianischen Fantasie</title>, erscheinen in den <orgName key="E0600019"><placeName key="E0500097">Basler</placeName> Nachrichten</orgName> am <date when-iso="1916-04-26">26.4.1916</date> <bibl>(Auszüge bei <ref target="#E0800047"/>, S. 16)</bibl>.</note>
<lb/>in den <orgName key="E0600019"><choice><abbr>B. N.</abbr><expan><placeName key="E0500097">Basler</placeName> Nachrichten</expan></choice></orgName>
<choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> sende ihn gleich zu
<orgName key="E0600002"><choice><abbr>Br. & H.</abbr><expan>Breitkopf & Härtel</expan></choice>,</orgName>
<lb/>womit der Wert<orig>h</orig> ausgedrückt sein soll, den ich
<lb/>jenem beilege. Seien Sie dafür bedankt! –</p>
<p rend="indent-first">Über <mentioned rend="dq-du">Tiefe</mentioned> hatte ich <ref type="E010004" target="#D0200002" n="29">einen
<lb/>Abschnitt</ref> für die <rs key="E0800326">neue Ausgabe</rs> meines <title rend="dq-uu" key="E0400043">Entwurfes</title>
<lb/>abgefasst, dessen Sinn darin gipfelt, dass
<lb/>mit <hi rend="underline">Tiefe</hi> (in
<choice><abbr>d.</abbr><expan>der</expan></choice> Musik) nur das völlige
<lb/>Ausschöpfen einer Stimmung gemeint sein
<lb/>kann, sei es auch eine leichtfertige:
<lb/>als wie z. B. in der sogenannten <rs key="E0400151">Champagner<choice><orig>
<lb/>Arie</orig><reg>-<lb break="no"/>Arie</reg></choice></rs>. Sich in diese Stimmung ganz
<lb/><hi rend="align(center)">versenken</hi>
<lb/>(also <soCalled rend="dq-uu">tief</soCalled> in sie hineindringen) bedeute Tiefe.
<lb/>Was die Innerlichkeit anlangt, so habe
<lb/>ich auch diesem Begriffe
<ref type="E010004" target="#D0200002" n="27">einen
neuen Abschnitt</ref>
<lb/>gewidmet. –
<note type="commentary" resp="#E0300314">Der gemeinte Abschnitt ist insofern nicht ohne Weiteres ersichtlich, als von <soCalled>Innerlichkeit</soCalled> in keiner Fassung des <title key="E0400043">Entwurfs</title> die Rede ist; vermutlich bezieht sich <persName key="E0300017">Busoni</persName> auf den für die <rs key="E0800326">zweite Ausgabe</rs> hinzugefügten <ref target="#D0200002" n="27">Abschnitt <q source="#entwurf1916">Gefühl ist eine moralische Ehrensache</q></ref>.</note>
Aristokratisch ausgedrückt aber
<lb/>behaupte ich mit Stolz<subst><add place="inline">:</add><del rend="strikethrough">,</del></subst> meine Innerlichkeit
<lb/>steht über der des Durchschnittes; deswegen
<lb/>erscheint sie ihm fremd, oder gar nicht als solche.</p>
<p rend="indent-first">Aber das Schreiben hilft nicht, das
<lb/>Publikum betrachtet es als Lektüre <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> nicht
<lb/>als Lehre. – Ich freue mich <choice><orig>K</orig><reg>k</reg></choice>indlich, Sie
<lb/>wiederzusehen. <seg rend="align(right)"><seg type="closer" subtype="salute">Ihr verehrungsvoll <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> herzlich
<lb/>ergebener</seg> <seg type="closer" subtype="signed"><persName key="E0300017"><choice><abbr>F. B.</abbr><expan>Ferruccio Busoni</expan></choice></persName></seg></seg></p>
</div>
|
2Facsimile
|
2Diplomatic transcription
|
2XML
|
|
[Rückseite]
Frau Speiser
Mittwoch keine
Stunde
|
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split">
<note type="objdesc" resp="#E0300324">[Rückseite]</note>
<note type="annotation" resp="#recipient" place="bottom-left" rend="rotate(90)">
<persName key="E0300157">Frau Speiser</persName>
<lb/>Mittwoch keine
<lb/>Stunde
</note>
</div>
|