|
56.8. Juli 1917
Lieber, Verehrter,
es scheint mir eine so lange
Zeit, dass ich Nichts von Ihnen erfahre,
dass ich Ihnen schreiben muss; wenn- -gleich die erste Bedingung eines
Briefes, eine Mittheilung zu enthalten,
bei diesem nicht den ersten Beweg- grund bildet. Eigentlich bin ich es,
der diezur Mittheilung auffordert,
da ich gerne erführe wie es Ihnen
geht und wo Sie sind. Nach dem
triomphalen Saison-Schluss durch
Ihre siebente Symphonie, haben
Sie wohl noch Schule u. Sitzungen
treiben mrüssen. Und nun ruhen Sie
aus, und finden muthmaaslich
in eigener […]
1 word: illegible.
Arbeit die noth- -wendige Erholung, die Einkehr,
das Wiederfinden Seiner-Selbst. Ist
es so, und geht dieses in Vitznau
vor sich? – Oder Sie sammeln Kräfte
zu neuem Anlauf und geniessen
das Land und dessen Produkte!
|
Lieber, Verehrter,
es scheint mir eine so lange
Zeit, dass ich nichts von Ihnen erfahre,
dass ich Ihnen schreiben muss; wenngleich die erste Bedingung eines
Briefes, eine Mitteilung zu enthalten,
bei diesem nicht den ersten Beweggrund bildet. Eigentlich bin ich es,
der zur Mitteilung auffordert,
da ich gerne erführe, wie es Ihnen
geht und wo Sie sind. Nach dem
triomphalen Saison-Schluss durch
Ihre siebente Symphonie haben
Sie wohl noch Schule und Sitzungen
treiben mrüßen. Und nun ruhen Sie
aus und finden mutmaßlich
in eigener Arbeit die notwendige Erholung, die Einkehr,
das Wiederfinden Seiner-Selbst. Ist
es so, und geht dieses in Vitznau
vor sich? – Oder Sie sammeln Kräfte
zu neuem Anlauf und genießen
das Land und dessen Produkte!
Nach den anstrengenden Theaterwochen ließen bei mir die Energie und
die Fantasie ein wenig nach. –
Einige Zusätze und Retouchen zu den
Opern sind entstanden, eine „große
kritisch-instruktive“ Ausgabe der
Liszt’schen Don-Juan-Fantasie, ein
Textbuch zu einer Pantomime (das
Freund darnach sich wünschte),
eine kleinere Bach-Arbeit (die noch
eine Fortsetzung im Sinne einer
“Nachdichtung” verspricht) – c’est tout.
Aber ich fühle, dass mein
„großes“ kommendes Werk heranreift, und das stärkt mich gegen
manche Widerwärtigkeit, die
mich in den letzten Tagen betroffen
und mit deren Beschreibung ich
Sie nicht betrüben will.
So steht der Augenblick. Die
Zukunft erblicke ich nur in mir
selber, und Gott gebe, dass die
Kraft zu so ungeheuerem Tun
ausreiche. –
Alles Herzliche,
Verehrungsvolle
|
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split">
<note type="numbering" place="top-right" resp="#archive">56.</note>
<note type="dating" resp="#archive" place="right" xml:id="arch_date">8. Juli 1917</note>
<opener>
<salute rend="indent space-below">Lieber, Verehrter,</salute>
</opener>
<p rend="indent-first">es scheint mir eine so lange
<lb/>Zeit, dass ich <choice><orig>N</orig><reg>n</reg></choice>ichts von Ihnen erfahre,
<lb/>dass ich Ihnen schreiben muss; wenn
<lb break="no" rend="after:-"/>gleich die erste Bedingung eines
<lb/>Briefes, eine Mitt<orig>h</orig>eilung zu enthalten,
<lb/>bei diesem nicht den ersten Beweg
<lb break="no"/>grund bildet. Eigentlich bin <hi rend="underline">ich</hi> es,
<lb/>der <subst><del rend="strikethrough">die</del><add place="above">zur</add></subst> Mitt<orig>h</orig>eilung auffordert,
<lb/>da ich gerne erführe<reg>,</reg> wie es Ihnen
<lb/>geht und wo Sie sind. Nach dem
<lb/>triomphalen Saison-Schluss durch
<lb/>Ihre <rs key="E0400142">siebente Symphonie</rs><orig>,</orig> haben
<lb/>Sie wohl noch Schule <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> Sitzungen
<lb/>treiben mrü<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>en. Und nun ruhen Sie
<lb/>aus<orig>,</orig> und finden mut<orig>h</orig>ma<choice><orig>as</orig><reg>ß</reg></choice>lich
<lb/>in <hi rend="underline">eigener</hi> <del rend="strikethrough"><gap extent="1" unit="word" reason="illegible"/></del> Arbeit die not<orig>h</orig>
<lb break="no" rend="after:-"/>wendige Erholung, die Einkehr,
<lb/>das Wiederfinden Seiner-Selbst. Ist
<lb/>es so, und geht dieses in <placeName key="E0500200">Vitznau</placeName>
<lb/>vor sich? – Oder Sie sammeln Kräfte
<lb/>zu neuem Anlauf und genie<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>en
<lb/>das Land und dessen Produkte!</p>
</div>
|
2Facsimile
|
2Diplomatic transcription
|
2XML
|
|
(2)
Nach den anstrengenden Theater Wochen, liessen bei mir die Energie u.
die Fantasie ein wenig nach. –
Einige Zusätze u. Retouchen zu den
Opern sind entstanden, eine “grosse
kritisch-instruktive” Ausgabe der
Liszt’schen Don Juan Fantasie, ein
Textbuch zu einer Pantomime, (das
Freund darnach sich wünschte),
eine kleinere Bach-Arbeit (die noch
eine Fortsetzung im Sinne einer
“Nachdichtung” verspricht) – c’est tout.
Aber ich fühle, dass mein
“grosses” kommendes Werk heran- reift, u. das stärkt mich gegen
manche Widerwärtigkeit, die
mich in den letzten Tagen betroffen,
u. mit deren Beschreibung ich
Sie nicht betrüben will.
So steht der Augenblick. Die
Zukunft erblicke ich nur in mir
selber u. Gott gebe, dass die
Kraft zu so ungeheuerem Thun
ausreiche. – Alles Herzliche
Verehrungsvolle
|
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split">
<note type="foliation" place="top-right" resp="#archive">(2)</note>
<p rend="indent-first">Nach den anstrengenden Theater<choice><orig><lb/>W</orig><reg><lb break="no"/>w</reg></choice>ochen<orig>,</orig> lie<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice><add place="inline">en</add> bei mir die Energie <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice>
<lb/>die Fantasie ein wenig nach. –
<lb/>Einige Zusätze <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> Retouchen zu <rs type="works" key="E0400133 E0400153">den
<lb/>Opern</rs> sind entstanden, eine <rs><q rend="dq-uu">gro<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>e
<lb/>kritisch-instruktive</q> Ausgabe</rs> der
<lb/><persName key="E0300013">Liszt</persName>’schen <title key="E0400154">Don<choice><orig> </orig><reg>-</reg></choice>Juan<choice><orig> </orig><reg>-</reg></choice>Fantasie</title>, ein
<lb/><rs>Textbuch zu einer Pantomime</rs><orig>,</orig> (das
<lb/><persName key="E0300208">Freund</persName> darnach sich wünschte),
<lb/><rs>eine kleinere <persName key="E0300012">Bach</persName>-Arbeit</rs> (die noch
<lb/>eine Fortsetzung im Sinne einer
<lb/>“Nachdichtung” verspricht) – <foreign xml:lang="fr">c’est tout</foreign>.</p>
<p rend="indent-first">Aber ich fühle, dass <rs key="E0400218">mein
<lb/><soCalled rend="dq-uu">gro<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>es</soCalled> kommendes Werk</rs> heran
<lb break="no"/>reift, <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> das stärkt mich gegen
<lb/>manche Widerwärtigkeit, die
<lb/>mich in den letzten Tagen betroffen<orig>,</orig>
<lb/><choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> mit deren Beschreibung ich
<lb/>Sie nicht betrüben will.</p>
<p rend="indent-first">So steht der Augenblick. Die
<lb/>Zukunft erblicke ich nur in mir
<lb/>selber<reg>,</reg> <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> Gott gebe, dass die
<lb/>Kraft zu so ungeheuerem T<orig>h</orig>un
<lb/>ausreiche. – <seg type="closer" subtype="salute">Alles Herzliche<reg>,</reg>
<lb/><seg rend="align(right)">Verehrungsvolle</seg></seg></p>
<closer>
<signed rend="align(right)">Ihr <persName key="E0300017">F. Busoni</persName></signed>
<dateline><date when-iso="1917-07-08">8. Juli 1917</date>.</dateline>
</closer>
</div>
|
3Facsimile
|
3Diplomatic transcription
|
3XML
|
|
[Rückseite von Textseite 1, vacat]
|
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split">
<note type="objdesc" resp="#E0300314">[Rückseite von Textseite 1, vacat]</note>
</div>
|
4Facsimile
|
4Diplomatic transcription
|
4XML
|
|
[Rückseite von Textseite 2, vacat]
|
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split">
<note type="objdesc" resp="#E0300314">[Rückseite von Textseite 2, vacat]</note>
</div>
|