Mus.ep. H. Huber 42 (Busoni-Nachl. B II) Mus.Nachl. F. Busoni B II, 2269
Mein lieber, verehrter Freund!
Für heute nur die
kurze Mittheilung, daß ich
wieder unter die Führung des
Krum̅stabes BaselGekrümmter Bischofsstab im Wappen der Stadt Basel („Baselstab“).
getreten
bin, für eine Zeitlang allen
freiheitlichen Gedanken Valete
gesagt habe & nur hoffe, durch
Sie hie & da einer beßeren
Welt entgegen geführt zu werden.
Allerdings, wenn Sie von einer
Zehnfingerkunst reden, klingt
es auch wie Prosa! Aber die
Kompetenten sagen Ihnen
viel zu selten, wie unendlich
groß Sie gerade in dieser
Mein lieber, verehrter Freund!
Für heute nur die
kurze Mitteilung, dass ich
wieder unter die Führung des
Krummstabes BaselGekrümmter Bischofsstab im Wappen der Stadt Basel („Baselstab“).
getreten
bin, für eine Zeitlang allen
freiheitlichen Gedanken Valete
gesagt habe und nur hoffe, durch
Sie hie und da einer besseren
Welt entgegen geführt zu werden.
Allerdings, wenn Sie von einer
Zehnfingerkunst reden, klingt
es auch wie Prosa! Aber die
Kompetenten sagen Ihnen
viel zu selten, wie unendlich
groß Sie gerade in dieser
Fingerkunst geworden sind,
dass Sie darin unerreicht
bleiben werden, dass Sie in
die Interpretation der Meister
etwas gebracht haben, was vorher
noch keiner recht begriff, ich
meine eine neue Klavierspielkultur,
wenn man es so nennen kann; –
ich finde gerade kein anderes
Wort! – Und deshalb sollten
Sie an diesem Handwerk nicht
verzweifeln – im Gegenteil –
mit größtem Heldenmute weiter
üben und weiter spielen. – In
meinen längst vergangenen
Notizen „d’autrefois“ lese ich
den Passus: „Il y a entre
l’intelligence et la douleur
un rapport tellement étroit que
les êtres les plus intelligents sont
ceux, qui sont capables de souffrir
le plus!“Das Zitat entstammt der Aufsatzsammlung L’homme et l’intelligence. Fragments de psychologie et de physiologie von Charles Rivet; Huber könnte es der Novelle Jocaste von Anatole France entnommen haben, wo genau diese Passage Rivets zitiert wird.
Wer den wahren Satzinhalt erfunden hat, weiß ich nicht,
aber beim Lesen tauchte Ihr Bild
am Schreibtisch vor mir auf!
Also mein Lieber, ich
bin in Basel und werde nun
an die Realisierierung der Klavierabende denken. Herr Dr. Stumm
wird nach seiner Rückkehr
aus Brissago das Geschäftliche übernehmen und mit Ihnen die Angelegenheit besprechen! –
Zum „Lebenswerk“ darf auch
die Stimmung des dritten Kriegsjahres
passen. Vergessen Sie nie,
dass einer Neunten die Achte
vorausging! Und nun Addio
Ihr herzlich grüßender,
die Veltlinerhalle bereits frequentierender
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2Facsimile
2Diplomatic transcription
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Fingerkunst geworden sind,
daß Sie darin unerreicht
bleiben werden, daß Sie in die Interpretation der Meister
etwas gebracht haben, was vorher
noch keiner recht begriff, ich
meine eine neue Klavierspielcultur,
wen̅ man es so nen̅en kan̅; –
ich finde gerade kein anderes
Wort! – Und deßhalb sollten
Sie an diesem Handwerk nicht
verzweifeln – im Gegentheil –
mit größtem Heldenmuthe weiter
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin üben & weiter spielen. – In
meinen längst vergangenen
Notizen „d’autrefois“ lese ich
den Paßus: „Il y a entre
l’intelligence et la douleur
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3Facsimile
3Diplomatic transcription
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[2] un rapport tellement étroit que
les êtres les plus intelligents sont
ceux, qui sont capables de souffrir le plus!“Das Zitat entstammt der Aufsatzsammlung L’homme et l’intelligence. Fragments de psychologie et de physiologie von Charles Rivet; Huber könnte es der Novelle Jocaste von Anatole France entnommen haben, wo genau diese Passage Rivets zitiert wird.
Wer den wahren Satzin⸗ halt erfunden hat, weiß ich nicht,
aber beim Lesen tauchte Ihr Bild
am Schreibtisch vor mir auf!
Also mein Lieber, ich
bin in Basel & werde nun
an die Realisirierung der Klavier⸗ abende denken. Herr Dr. Stumm wird nach seiner Rückkehr
aus Brissago das Geschäftliche über⸗ nehmen & mit Ihnen die Angelegen⸗ heit besprechen! –
Zum „Lebenswerk“ darf auch
die Stimmung des 3. Kriegsjahres
paßen. Vergessen Sie nie,
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4Diplomatic transcription
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daß einer Neunten die Achte vorausging! Und nun Addio
Ihr herzlich grüßender,
die Veltlinerhalle bereits frequentirender
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B II, 2269 | olim:
Mus.ep. H. Huber 42 (Busoni-Nachl. B II)
|
Huber, nach Basel zurückgekehrt, attestiert Busoni„eine neue Klavierspielkultur“ und wünscht, er möge „an diesem Handwerk nicht verzweifeln“; will sich nun um die Vorbereitung von BusonisBasler Klavierabenden kümmern, kündigt wegen des Honorars Rückmeldung von Hermann Stumm an; weist auf die Normalität wechselnder Phasen im „Lebenswerk“ hin.
Letter by Hans Huber to Ferruccio Busoni (Basel, 4 October 1916), prepared by Christian Schaper, in: Briefwechsel Ferruccio Busoni – Hans Huber, edited by Christian Schaper and Ullrich Scheideler, Berlin: Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, October 2017: Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, https://busoni-nachlass.org/D0100235 (November 18, 2017: proposed)
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<title xml:lang="de">Brief von Hans Huber an Ferruccio Busoni (Basel, 4. Oktober 1916)</title>
<title xml:lang="en">Letter by Hans Huber to Ferruccio Busoni (Basel, 4 October 1916)</title>
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<publisher>Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin</publisher>
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<title type="main">Ferruccio Busoni – Briefe und Schriften</title>
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<condition>Der Brief ist gut erhalten; Umschlagecke links unten fehlt infolge Aufriss (offenbar ohne Textverlust).</condition>
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<handNote xml:id="major_hand" scope="major" medium="black_ink" scribe="author" scribeRef="#E0300125">Hand des Absenders Hans Huber, Brieftext in schwarzer Tinte, in deutscher Kurrentschrift.</handNote>
<handNote xml:id="recipient" scope="minor" medium="pencil" scribe="recipient" scribeRef="#E0300017" cert="high">Vmtl. Hand des Empfängers Ferruccio Busoni, der auf dem Umschlag die Zuordnung <q>Huber</q> mit Bleistift notiert hat.</handNote>
<handNote xml:id="archive" scope="minor" medium="pencil" scribe="archivist">Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen und die Foliierung vorgenommen hat.</handNote>
<handNote xml:id="archive_red" scope="minor" medium="red_pen" scribe="archivist">Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat</handNote>
<handNote xml:id="dsb_st_red" scope="minor" medium="red_ink" scribe="archivist">Bibliotheksstempel (rote Tinte)</handNote>
<handNote xml:id="sbb_st_blue" scope="minor" medium="blue_ink" scribe="archivist">Bibliotheksstempel (blaue Tinte)</handNote>
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<p>Erfassung von Briefen und Schriften von Ferruccio Busoni, ausgehend von Busonis Nachlass in der Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz.</p>
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<p>Worttrennungen an Zeilenumbrüchen im Original mit Doppelbindestrichen (⸗).</p>
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<p>Alle im Text vorkommenden Interpunktionszeichen wurden beibehalten und werden in der diplomatischen Umschrift wiedergegeben. Bei Auszeichnung durch XML-Elemente wurden umgebende Satzzeichen nicht mit einbezogen.</p>
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<p>Anführungszeichen wurden i. d. R. nicht beibehalten; die Art der Zeichen wurde im Attribut <att>rend</att> der entsprechenden Elemente codiert.</p>
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<p>Die Übertragung folgt den Editionsrichtlinien des Projekts. <ptr target="http://www.busoni-nachlass.org/E1000003"/></p>
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<lb/>am Schreibtisch vor mir auf!</p>
<p rend="indent-first">Also mein Lieber, ich
<lb/>bin in <placeName key="E0500097">Basel</placeName> <choice><abbr>&</abbr><expan>und</expan></choice> werde nun
<lb/>an die Realisi<reg>e</reg>rierung der Klavier
<lb break="no"/>abende denken. <persName key="E0300213">Herr <hi rend="latin">Dr. Stumm</hi></persName>
<lb/>wird nach seiner Rückkehr
<lb/>aus <placeName key="E0500393">Brissago</placeName> das Geschäftliche über
<lb break="no"/>nehmen <choice><abbr>&</abbr><expan>und</expan></choice> mit Ihnen die Angelegen
<lb break="no"/>heit besprechen! –</p>
<p>Zum <soCalled rend="dq-du">Lebenswerk</soCalled> darf auch
<lb/>die Stimmung des <choice><orig>3.</orig><reg>dritten</reg></choice> Kriegsjahres
<lb/>pa<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice>en. Vergessen Sie nie,
<pb n="4"/>
da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> einer <rs key="E0400001">Neunten</rs> die <rs key="E0400289">Achte</rs>
<lb/>vorausging! Und nun <foreign xml:lang="it" rend="latin">Addio</foreign></p>
<closer>
<salute rend="indent-first">Ihr herzlich grüßender,
<lb/>die <placeName key="E0500365">Veltlinerhalle</placeName> bereits frequenti<reg>e</reg>render</salute>
<signed rend="align(right)"><persName key="E0300125">Huber</persName></signed>
</closer>
</div>
</body>
</text>
</TEI>