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Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
Hochverehrter
Herr u. Freund. –
Dass sich in einem Menschen
Intelligenz u. Güte und Bildung
vereinen ist nicht verwunderlich,
Iinsofern als ich die Existenz
oder den Werth einer dieser
Eigenschaften ohne die beiden
anderen bezweifle; erfreulich
und wohlttuend ist es jedoch,
wenn man ihnen doch vereint
begegnet und noch dazu in einer
so harmonischen Innigkeitwie
es bei Ihnen, werther Freund, zutrifft.
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Hochverehrter
Herr und Freund. –
Dass sich in einem Menschen
Intelligenz und Güte und Bildung
vereinen, ist nicht verwunderlich,
Iinsofern als ich die Existenz
oder den Wert einer dieser
Eigenschaften ohne die beiden
anderen bezweifle; erfreulich
und wohltuend ist es jedoch,
wenn man ihnen doch vereint
begegnet und noch dazu in einer
so harmonischen Innigkeit,wie
es bei Ihnen, werter Freund, zutrifft.
Ihr freundlicher Briefe und
Ihre Sendungen, die mich ebenso überraschten als wahrhaft
erfreuten, verdienten eine
ausführliche Erwiederung, die
musikalische Sendung eine
sachliche Besprechung: – durch
meine eiligen Reisen und zusammengehauften Tätigkeiten,konnte
ich aber dieser Forderung nicht
gerecht werden, kann es auch
heute kaum – schon deshalb,
weil das Huber’sche Konzert
Gemeint ist hier höchst wahrscheinlich Hans Hubers Klavierkonzert Nr. 3 in D-Dur aus dem Jahre 1899 (op. 113).
nicht vor mir aufliegt; – doch
darf ich auch nicht länger
säumen, ohne meine
Gewissensunruhe anwachsen
zu lassen und durch den Vorwurf
Unhöflichkeit und Undankbarkeit zu verfallen.
Haben Sie also vor Allem
herzlichsten Dank. Ich erhielt
Ihren Brief , Huber’s Konzert und
die magnanime Weinsendung
die ich höchlich zu würdigen weiß.
Ob ich das Klavierkonzert Ihres
Freundes und hochgeschätzten
Komponisten Huber nach verdientem
Maß zu würdigen verstehe, ist
weniger feststehend. Der Name
des Meisters ist die Tatsache,
dass Sie, verehrter Freund, für
das Stück eintreten, bürgen für
den Wert – der unleugbar ist –,
lassen aber allzuviel erhoffen,
das sich nicht unwiederlegbar
das einstellt. Die bezwingende
Macht des Genialen, welches
über die kleineren Mängel
hinwegbefiehlt und die Kritik
zu Boden drückt, scheint mir vor
Allem zu fehlen... Sodann
ist im Klaviersatze ein Schwanken
zwischen musikalischem und
Virtuosen, das dem ersten
zwar nicht schadet, dem zweiten
aber etwas zu hindern scheint.
Bei der nicht unerschöpflichen
Fantasie des Autors war es aber
ein entschiedener Fehler,
(es scheint mir der Hervorragenste)
die Komposition mit einem
Variationswerke zu eröffnen. Huber scheint darin alle Rhythmen
und Figuren, die ihm zur Verfügung
fanden, angewandt zu haben,
mit ... ohne ökonomischen
Bedacht auf das Folgende zu
nehmen. Wie ein Familienvater, der durch Vorschüsse in
der ersten Hälfte des Jahres
sein ganzes Jahreseinkommen
aufgezehrt hat, so hat Huber
in diesem – immerhin
bedeutenden und Achtungerzwingenden Variationensatz –
sich stark verausgabt. Sie
müssen zugeben, dass Scherzo
und Finale nicht sonderlich
Neues aufweisen, auch unter
einander bedenklich gleichartig
sind. – Anders gestaltet hätte sich
die Folgenschwere der Variationenform, wenn sie am Ende
des Werkes aufgetreten wäre.
Die Wiederholung bereits vorher
erschienener Rhythmen
und Figuren hätte sodann einen
epilogischen Charakter angenommen,
der mir befriedigend gewirkt
hätte. Schließlich mag das
Verfehlte nun darin liegen,
dass die Variationen zu vielseitig
angelegt sind, anstatt dass sie
sich auf die Erschöpfung eines
Stimmung[s]gehaltes beschränken, wie
es in Beethovens As dur Sonate,
in der Appassionata, in der
Kreuzer Sonate der Fall ist;
während Variation[s]sätze
universeller Gestaltigkeit am
Schlusse erscheinen, wie in der
Eroica, in Brahm’s vierter
Symphonie, in Beethovens’
Sonate op 109 und – last not least –
in der Neunten!
Um die guten Eindrücke, die
mir das Werk hinterließ, nicht
zu verschweigen, so erlaube ich
mir zu erwähnen, dass es eine
große musikalische Tüchtigkeit,
Formgewandheit in der
Satzführung, Vornehmheit,
Ernst und einen erfreulichen
Mangel an Extravaganz
zeigt; – alles mir persönliche
Eindrücke – nach dem ersten
Durchspielen, dazu noch aus der Erinnerung
niedergeschrieben und ohne
jeden Anspruch, sie für eine
endgültige Kritik ausgeben zu wollen.
Sollte ich in irgend einem
Ausdruck hierbei voreilig,
erweisbar ungerecht oder
flüchtig gewesen sein so bitte
ich zu verzeihen und die
Tatsache auf Rechnung der
Umstände zu schreiben.
Ich bin zerstreut, übermüdet
und wirklich nicht im Vollbesitze
meiner Klarheit des Denkens.
—
Es wird Sie interessieren,
dass ich in Strassburg – bei
einem Trödler –
sechs Hefte der ersten
Ausgaben Liszt’scher
Rhapsodien fand; ein
siebentes Heft in Stuttgart;
die Numerirung dieser
Heft[e] geht bis zur Zahl
acht, so dass mir gewiss
ein Heft fehlt, vielleicht
aber auch noch ein neuntes
oder zehntes existiren kann.
Von der 6. Rhapsodie besitze
ich jetzt drei verschiedene ältere
Fassungen, und doch erinnere ich
mich einer vierten noch,
die ich als Knabe besass
und durchspielte und
von den erwähnten drei
noch etwas abwich. –
Ich wurde hier in Pesth
von Ihren Lieben auf das
Herzlichste empfangen.
Wir sind ausgezeichnete und
wie ich glaube unveränderliche
Freunde geworden; auch Ihren
Herrn Bruder lernte ich
kennen, für den ich sofort
Sympathie gefasst. Aber
es will mir scheinen, dass es
die Bekanntschaft mit Ihnen
gewesen, die unserer Verbindung
den Siegel aufdrückte und
den Bund beschloss. Wie froh und
dankbar ich Ihnen und dem Schicksal
[weiter am linken Seitenrand:] bin, kann ich nicht ohne Ergriffenheit denken.
Ich grüße Sie mit vollster
Hochachtung und Herzlichkeit.
Meine Frau, die zugegen ist, sendet Ihnen alles Schöne. Ihr
sehr ergebener
Ferruccio Busoni
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<lb/><hi rend="strikethrough">I</hi>insofern als ich die Existenz
<lb/>oder den Wert<orig>h</orig> einer dieser
<lb/>Eigenschaften ohne die beiden
<lb/>anderen bezweifle; erfreulich
<lb/>und wohlt<orig>t</orig>uend ist es jedoch,
<lb/>wenn man ihnen doch vereint
<lb/>begegnet und noch dazu in einer
<lb/>so harmonischen Innigkeit<reg>,</reg>wie
<lb/>es bei Ihnen, wert<orig>h</orig>er Freund, zutrifft.</p>
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[2]
Ihr freundlicher Briefe und
Ihre Sendungen, die mich eben- so überraschten als wahrhaft
erfreuten, verdienten eine
ausführliche Erwiederung, die
musikalische Sendung eine
sachliche Besprechung: – durch
meine eiligen Reisen und zusammen- gehauften Tätigkeitenkonnte
ich aber dieser Forderung nicht
gerecht werden, kann es auch
heute kaum – schon deshalb,
weil das Huber’sche Concert
Gemeint ist hier höchst wahrscheinlich Hans Hubers Klavierkonzert Nr. 3 in D-Dur aus dem Jahre 1899 (op. 113).
nicht vor mir aufliegt; – doch
darf ich auch nicht laenger
saumen, ohne meine
Gewissensunruhe anwachsen
zu lassen und durch den Vorwurf
Unhöflichkeit und Undank- barkeit zu verfallen.
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
Nachlaß Busoni
Haben Sie also vor Allem
herzlichsten Dank. Ich erhielt
Ihren Brief , Huber’s Concert und
die magnanime Weinsendung
|
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<p>Ihr freundlicher Brief<hi rend="strikethrough">e</hi> und
<lb/>Ihre Sendungen, die mich eben
<lb break="no"/>so überraschten als wahrhaft
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<lb/>meine <add place="above">eiligen</add> Reisen und zusammen
<lb break="no"/>gehauften Tätigkeiten<reg>,</reg>konnte
<lb/>ich aber dieser Forderung nicht
<lb/>gerecht werden, kann es auch
<lb/>heute kaum – schon deshalb,
<lb/>weil das <persName key="E0300125">Huber’sche</persName> <choice><orig>C</orig><reg>K</reg></choice>on<choice><orig>c</orig><reg>z</reg></choice>ert<note type="commentary" resp="#E0300417">Gemeint ist hier höchst wahrscheinlich <persName key="E0300125"><persName key="E0300125">Hans Huber</persName>s</persName> <title key="E0400231">Klavierkonzert Nr. 3</title> in D-Dur aus dem Jahre 1899 (op. 113).</note>
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<lb/>s<choice><orig>a</orig><reg>ä</reg></choice>umen, ohne meine
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<lb/>Unhöflichkeit und Undank
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<p rend="indent-first">Haben Sie also vor Allem
<lb/>herzlichsten Dank. Ich erhielt
<lb/>Ihren Brief , <persName key="E0300125">Huber’s</persName> <choice><orig>C</orig><reg>K</reg></choice>on<choice><orig>c</orig><reg>z</reg></choice>ert und
<lb/>die magnanime Weinsendung</p>
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3)
die ich höchlich zu würdigen weiss.
Ob ich das Clavierconcert Ihres
Freundes und hochgeschätzten
Componisten Huber nach verdientem
Maass zu würdigen verstehe, ist
weniger feststehend. Der Name
des Meisters ist die Tatsache,
dass Sie, verehrter Freund, für
das Stück eintreten bürgen für
den Werth – der unleugbar ist –
lassen aber allzuviel erhoffen,
das sich nicht unwiederlegbar
das einstellt. Die bezwingende
Macht des Genialen, welches
über die kleineren Mängel
hinwegbefiehlt und die Kritik
zu Boden drückt, scheint mir vor
Allem zu fehlen.. Sodann
ist im Claviersatze ein Schwanken
zwischen musikalischem und
Virtuosen, das dem ersten
zwar nicht schadet, dem zweiten
aber etwas zu hindern scheint.
|
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split">
<note type="foliation" place="top-left" rend="indent-first-neg" resp="#archive">3)</note>
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<lb/>des Meisters ist die Tatsache,
<lb/>dass <hi rend="underline">Sie</hi>, verehrter Freund, für
<lb/>das Stück eintreten<reg>,</reg> bürgen für
<lb/>den Wert<orig>h</orig> – der unleugbar ist –<reg>,</reg>
<lb/>lassen aber allzuviel erhoffen,
<lb/>das sich nicht unwiederlegbar
<lb/><hi rend="strikethrough">das</hi> einstellt. Die bezwingende
<lb/>Macht des Genialen, welches
<lb/>über die kleineren Mängel
<lb/>hinwegbefiehlt und die Kritik
<lb/>zu Boden drückt, scheint mir vor
<lb/>Allem zu fehlen..<reg>.</reg> Sodann
<lb/>ist im <choice><orig>C</orig><reg>K</reg></choice>laviersatze ein Schwanken
<lb/>zwischen musikalischem und
<lb/>Virtuosen, das dem ersten
<lb/>zwar nicht schadet, dem zweiten
<lb/>aber etwas zu hindern scheint.</p>
</div>
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(4
Bei der nicht unerschöpflichen
Fantasie des Autors war es aber
ein entschiedener Fehler, –
(es scheint mir der Hervorragenste)
die Composition mit einem
Variationswerke zu eröffnen. Hu- ber scheint darin alle Rhythmen
und Figuren, die ihm zur Verfügung
fanden, angewandt zu haben,
mit ... ohne ökonomischen
Bedacht auf das Folgende zu
nehmen. Wie ein Familien- vater der durch Vorschüsse, in
der ersten Hälfte des Jahres
sein ganzes Jahreseinkommen
aufgezehrt hat, so hat Huber
in diesem – immerhin
bedeutenden und Achtung- erzwingenden Variationensatz –
sich stark verausgabt. Sie
müßen zugeben, dass Scherzo
und Finale nicht sonderlich
Neues aufweisen, auch unter
einander bedenklich gleichartig
|
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split">
<note type="foliation" place="top-right" resp="#archive">(4</note>
<p type="pre-split" rend="align(left)">Bei der nicht unerschöpflichen
<lb/>Fantasie des Autors war es aber
<lb/>ein entschiedener Fehler, <orig>–</orig>
<lb/>(es scheint mir der Hervorragenste)
<lb/>die <choice><orig>C</orig><reg>K</reg></choice>omposition mit einem
<lb/><choice><orig>Vari<hi rend="underline">ationswerke</hi></orig><reg><hi rend="underline">Variationswerke</hi></reg></choice> zu eröffnen. <persName key="E0300125">Hu
<lb break="no"/>ber</persName> scheint darin alle Rhythmen
<lb/>und Figuren, die ihm zur Verfügung
<lb/>fanden, angewandt zu haben,
<lb/><hi rend="strikethrough">mit ...</hi><add place="above"> ohne</add> ökonomischen
<lb/>Bedacht auf das Folgende zu
<lb/>nehmen. Wie ein Familien
<lb break="no"/>vater<reg>,</reg> der durch Vorschüsse<orig>,</orig> in
<lb/>der ersten Hälfte des Jahres
<lb/>sein ganzes Jahreseinkommen
<lb/>aufgezehrt hat, so hat <persName key="E0300125">Huber</persName>
<lb/>in diesem – immerhin
<lb/><hi rend="underline">bedeutenden</hi> und Achtung
<lb break="no"/>erzwingenden Variationensatz –
<lb/>sich stark verausgabt. Sie
<lb/>mü<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice>en zugeben, dass Scherzo
<lb/>und Finale nicht sonderlich
<lb/>Neues aufweisen, auch <hi rend="underline">unter
<lb/>einander</hi> bedenklich gleichartig
</p></div>
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sind. – Anders gestaltet hätte sich
die Folgenschwere der Variationen- form, wenn sie am Ende
des Werkes aufgetreten waere.
Die Wiederholung bereits vorher
dagew erschienener Rhythmen
u. Figuren hätte sodann einen
epilogischen Charakter angenommen, und
der mir befriedigend gewirkt
hätte. Schließlich mag das
Verfehlte nun darin liegen,
dass die Variationen zu vielseitig
angelegt sind, anstatt dass sie
sich auf die Erschöpfung eines
Stimmung[s]gehaltes beschränken, wie
|
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="align(left)" type="split">
sind. – Anders gestaltet hätte sich
<lb/>die Folgenschwere der Variationen
<lb break="no"/>form, wenn sie am <hi rend="underline">Ende</hi>
<lb/>des Werkes aufgetreten w<choice><orig>ae</orig><reg>ä</reg></choice>re.
<lb/>Die Wiederholung bereits vorher
<lb/><del rend="strikethrough">dagew</del> erschienener Rhythmen
<lb/><choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> Figuren hätte sodann einen
<lb/><hi rend="underline">epilogischen</hi> Charakter <add place="above">angenommen</add>, <del rend="strikethrough">und</del>
<lb/>der mir befriedigend gewirkt
<lb/>hätte. Schließlich mag das
<lb/>Verfehlte nun darin liegen,
<lb/>dass die Variationen zu <hi rend="underline">vielseitig</hi>
<lb/>angelegt sind, anstatt dass sie
<lb/>sich auf die Erschöpfung <hi rend="underline">eines</hi>
<lb/>Stimmung[s]gehaltes beschränken, wie
</p></div>
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es in Beethovens As dur Sonate,
in der Appassionata, in der
Kreuzer Sonate der Fall ist;
während Variation[s]sätze
universeller Gestaltigkeit am
Schlusse erscheinen, wie in der
Eroica, in Brahm’s vierter
Symphonie, in Beethovens’
Sonate op 109. und – last not least –
in der Neunten!
Um die guten Eindrücke, die
mir das Werk hinterließ, nicht
zu verschweigen, so erlaube ich
mir zu erwähnen, dass es eine
große musikalische Tüchtigkeit,
Formgewandheit in der
Satzführung, Vornehmheit,
Ernst und einen erfreulichen
Mangel an Extravaganz
zeigt; – alles mir persönliche
Eindrücke – nach dem ersten
Durchspielen, dazu noch aus der Erinnerung
niedergeschrieben und ohne
jeden Anspruch, sie für eine
endgültige Kritik ausgeben zu wollen.
|
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="align(left)" type="split">
es in <persName key="E0300001">Beethovens</persName> As dur Sonate,
<lb/>in der Appassionata, in der
<lb/>Kreuzer Sonate der Fall ist;
<lb/>während Variation[s]sätze
<lb/><hi rend="underline">universeller</hi> Gestaltigkeit am
<lb/><hi rend="underline2">Schlusse</hi> erscheinen, wie in der
<lb/>Eroica, in <persName key="E0300287" type="automated" nymRef="Otto Brahm">Brahm’s</persName> vierter
<lb/>Symphonie, in <persName key="E0300001">Beethovens’</persName>
<lb/>Sonate op 109<subst><del rend="overwritten">.</del><add place="across"> und – <foreign xml:lang="en">last not least</foreign> –
<lb/>in der Neunten!</add></subst></p>
<p type="pre-split">Um die guten Eindrücke, die
<lb/>mir das Werk hinterließ, nicht
<lb/>zu verschweigen, so erlaube ich
<lb/>mir zu erwähnen, dass es eine
<lb/><hi rend="underline">große</hi> musikalische Tüchtigkeit,
<lb/>Formgewandheit in der
<lb/>Satzführung, Vornehmheit,
<lb/>Ernst und einen erfreulichen
<lb/>Mangel an Extravaganz
<lb/>zeigt; – alles mir <hi rend="underline">persönliche</hi>
<lb/>Eindrücke – nach dem ersten
<lb/>Durchspielen, <add place="above">dazu noch</add> aus der Erinnerung
<lb/>niedergeschrieben und ohne
<lb/>jeden Anspruch, sie für eine
<lb/>endgültige Kritik ausgeben zu wollen.
</p></div>
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7Diplomatic transcription
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Sollte ich in irgend einem
Ausdruck hierbei voreilig,
erweisbar ungerecht oder
flüchtig gewesen sein so bitte
ich zu verzeihen und die
Thatsache auf Rechnung der
Umstaende zu schreiben.
Ich bin zerstreut, übermüdet
und wirklich nicht im Vollbesitze
meiner Klarheit des Denkens.
—
Es wird Sie interessiren,
dass ich in Strassburg – bei
einem Trödler – sieben
sechs Hefte der ersten
Ausgaben Liszt’scher
Rhapsodien fand; ein
siebentes Heft in Stuttgart;
die Numerirung dieser
Heft[e] geht bis zur Zahl
acht, so dass mir gewiss
ein Heft fehlt, vielleicht
|
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p type="split">
Sollte ich in irgend einem
<lb/>Ausdruck hierbei voreilig,
<lb/>erweisbar ungerecht oder
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<lb/>ich zu verzeihen und die
<lb/>T<orig>h</orig>atsache auf Rechnung der
<lb/>Umst<choice><orig>ae</orig><reg>ä</reg></choice>nde zu schreiben.
<lb/>Ich bin zerstreut, übermüdet
<lb/>und wirklich nicht im Vollbesitze
<lb/>meiner Klarheit des Denkens.</p>
<milestone unit="section" style="—" rend="align(center)"/>
<p type="pre-split">Es wird Sie interessi<reg>e</reg>ren,
<lb/>dass ich in Strassburg – bei
<lb/>einem Trödler – <del rend="strikethrough">sieben</del>
<lb/>sechs Hefte der ersten
<lb/>Ausgaben <persName key="E0300013">Liszt’s</persName>cher
<lb/>Rhapsodien fand; ein
<lb/>siebentes Heft in Stuttgart;
<lb/>die Numerirung dieser
<lb/>Heft[e] geht bis zur Zahl
<lb/><hi rend="underline">acht</hi>, so dass mir <hi rend="underline">gewiss</hi>
<lb/><hi rend="underline">ein </hi>Heft fehlt, <hi rend="underline">vielleicht</hi>
</p></div>
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8Diplomatic transcription
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aber auch noch ein neuntes
oder zehntes existiren kann.
Von der 6. Rhapsodie besitze
ich jetzt drei verschiedene ältere
Fassungen, und doch erinnere ich
mich einer vierten noch,
die ich als Knabe besass
und durchspielte und auch
von den erwähnten drei
noch etwas abwich. –
Ich wurde hier in Pesth
von Ihren Lieben auf das
Herzlichste empfangen.
Wir sind ausgezeichnete und
wie ich glaube unveränderliche
Freunde geworden; auch Ihren
Herrn Bruder lernte ich
kennen, für den ich sofort
Sympathie gefasst. Aber
es will mir scheinen, dass es
die Bekanntschaft mit Ihnen
gewesen, die unserer Verbindung
den Siegel aufdrückte und
den Bund beschloss. Wie froh und
dankbar ich Ihnen u. dem Schicksal
[weiter am linken Seitenrand:] bin, kann ich nicht ohne Ergriffenheit denken.
Ich grüße Sie mit vollster
Hochachtung u. Herzlichkeit.
Meine Frau, die zugegen ist, sendet Ihnen alles Schöne. Ihr
sehr ergebener
Ferruccio Busoni
|
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p type="split">
aber auch noch ein neuntes
<lb/>oder zehntes existiren kann.
<lb/>Von der 6. Rhapsodie besitze
<lb/>ich <add place="above">jetzt</add> drei verschiedene ältere
<lb/>Fassung<add place="inline">en</add>, <add place="above">und</add> doch erinnere ich
<lb/>mich einer <hi rend="underline">vierten</hi> noch,
<lb/>die ich als Knabe besass
<lb/>und durchspielte und <del rend="strikethrough">auch</del>
<lb/>von den erwähnten drei
<lb/>noch etwas abwich. –</p>
<p>Ich wurde hier in Pesth
<lb/>von Ihren Lieben auf das
<lb/>Herzlichste empfangen.
<lb/>Wir sind ausgezeichnete und
<lb/>wie ich glaube unveränderliche
<lb/>Freunde geworden; auch Ihren
<lb/>Herrn Bruder lernte ich
<lb/>kennen, für den ich sofort
<lb/>Sympathie gefasst. Aber
<lb/>es will mir scheinen, dass es
<lb/>die Bekanntschaft mit <hi rend="underline">Ihnen</hi>
<lb/>gewesen, die unserer Verbindung
<lb/>den Siegel aufdrückte und
<lb/>den Bund beschloss. Wie froh und
<lb/>dankbar ich Ihnen <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> dem Schicksal
<lb/>[weiter am linken Seitenrand:] bin, kann ich nicht ohne Ergriffenheit denken.</p>
<closer>
<salute>Ich grüße Sie mit vollster
<lb/>Hochachtung <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> Herzlichkeit.
<lb/>Meine Frau, die zugegen ist, sendet Ihnen alles Schöne. Ihr
<seg rend="align(center)">sehr ergebener</seg></salute>
<signed rend="align(right)"><persName key="E0300017">Ferruccio Busoni</persName></signed>
</closer>
</div>
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