Ferruccio Busoni to Hugo Leichtentritt arrow_backarrow_forward

Zürich · July 19, 1916

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Mein lieber & verehrter Doktor,

ich sandte Ihnen eine 2.
Korrkt. des Verzeichnisses zurück
u. versichere Sie, dass ich an
allem Übrigen nichts rühren
will, also dass die Bögen nicht
zur wandern brauchen. Es handelt sich hierbei offenbar um Korrekturbogen des der Biographie beigefügten Werkverzeichnisses, das Informationen über Busonis Kompositionen, Bearbeitungen, Essays und literatische Arbeiten enthält (vgl. Leichtentritt 1916, S. 91–101).

Ich bin mit dem Ein--
Akter
vollauf beschäftigt u.
möchte gerne es, vor seiner
Beendigung, nicht ×mehr unterbrechen.

Es gibt genug unver-
meidliche Ablenkungen u. der
Gedanke schweift zuweilen,
wie unbewacht, ab u. zu was
Anderem. – So betrachtete ich
mir heute die Druckbögen
einer Fant. & Fge. A moll von
Bach, die die Studie über
das Urmotiv
abgeben wird,
so Ihnen zugedacht ist. Diese Leichtentritt gewidmete Arbeit „bezieht sich […] auf die Aufdeckung sogen. kontrapunktischer Urmotive bei Bach und ihre Verarbeitung in dieser Komposition.“ (Kindermann 1980, S. 431).

* The * Library * of * Congress *

Mein lieber und verehrter Doktor,

ich sandte Ihnen eine zweite Korrektur des Verzeichnisses zurück und versichere Sie, dass ich an allem Übrigen nicht rühren will, also dass die Bögen nicht zu wandern brauchen. Es handelt sich hierbei offenbar um Korrekturbogen des der Biographie beigefügten Werkverzeichnisses, das Informationen über Busonis Kompositionen, Bearbeitungen, Essays und literatische Arbeiten enthält (vgl. Leichtentritt 1916, S. 91–101).

Ich bin mit dem Einakter vollauf beschäftigt und möchte gerne es, vor seiner Beendigung, nicht mehr unterbrechen.

Es gibt genug unvermeidliche Ablenkungen, und der Gedanke schweift zuweilen, wie unbewacht, ab und zu was anderem. – So betrachtete ich mir heute die Druckbögen einer Fantasie und Fuge a-Moll von Bach, die die Studie über das Urmotiv abgeben wird, so Ihnen zugedacht ist. Diese Leichtentritt gewidmete Arbeit „bezieht sich […] auf die Aufdeckung sogen. kontrapunktischer Urmotive bei Bach und ihre Verarbeitung in dieser Komposition.“ (Kindermann 1980, S. 431).

Es wird ein Ergänzungsbändchen zu meiner „gesammelten“ Bach-Ausgabe noch nötig werden, das zu allen Rubriken der sechs Hauptbände etwas nachtragen wird.

Petri arbeitet gut, wie ich glaube; und wir können auf seinen Beitrag zur instruktiven Ausgabe des „Klavier-Bachs erwartungsvoll uns freuen. Busoni hatte die zu bearbeitenden Werke Bachs in einem Brief an Petri vom 7. Januar 1916 unter ihnen aufgeteilt. Im Verlaufe der Jahre 1915 und 1916 erkundigte sich Busoni immer wieder nach dem aktuellen Stand der Bearbeitungen: „Willst Du nicht auch Dir und uns die Sache ‚vom Halse schaffen?‘ Dass wir wenigstens nach dieser Seite Frieden haben? – Es kann nicht mehr viel übrig bleiben, nach meiner Aufstellung. Ich finde doch, dass es eine gute und dauernde That bedeutet, zu der Du nicht zum wenigsten beigetragen hast!“ (Busoni/Weindel 1999a, S. 251 bzw. 257).

Zu meinem Bach-Werk plane ich ein Seitenstück – mit Liszt. Dieses sollte, außer meinen sämtlichen Bearbeitungen, noch etwas Pianistisch-Wichtiges bringen: nämlich die Aufzeichnung aller Zurechtlegungen, Änderungen (und des damit Zusammenhängenden), die ich im Verlaufe meines 25-jährigen Studiums und öffentlichen Vortrages Liszt’scher Klavierstücke an diesen angebracht habe. Da die Schutzfrist für Liszts Werke 1917 endete, planten Breitkopf & Härtel frühzeitig eine gesammelte Liszt-Ausgabe. Busoni schlug ihnen hierzu im Januar 1916 Bearbeitungen der ehemaligen Schüler Liszts vor. In seinem Brief vom 17.7.1916 thematisierte er jedoch die Herausgabe einer Liszt Busoni Gesammelten Ausgabe‘, der Bach’schen gleich gestaltet“ (vgl. Busoni / Breitkopf & Härtel / Hanau 2012, Bd. 2, S. 95, 98 und 154).

Diese Dinger zunächst.

Dann kommt mein nächstes Bühnenwerk; diesmal ein abendfüllendes, anders ausholendes.

Genug zu tun, und die Jahre gehen, und der Krieg dauert fort …! Bellum longum, vita brevis. Lat.: Der Krieg ist lang, das Leben ist kurz. Schon aus dem letzteren Grunde ist es weise, diesen Brief in seinem biographisch-prophetischen Rollen zu „stoppen“. (Sollte man eine „prä-historische“ Epistel benennen.)

Ich danke Ihnen wieder herzlichst und grüße Sie freundschaftlich

als Ihr ergebener

F. Busoni

Zürich, 19. Juli 1916.
                                                                
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Es wird ein Ergänzungs-bändchen
zu meiner “gesammelten” Bach Ausg.
noch nöthig werden, das zu
allen Rubriken der 6[…] 1 char: illegible. Haupt-
baende Etwas nachtragen wird.

Petri arbeitet gut, wie ich glaube;
u. wir können auf seinen Beitrag
zur instruktiven Ausgabe des
“Klavier Bachs erwartungsvoll uns
freuen. – Busoni hatte die zu bearbeitenden Werke Bachs in einem Brief an Petri vom 7. Januar 1916 unter ihnen aufgeteilt. Im Verlaufe der Jahre 1915 und 1916 erkundigte sich Busoni immer wieder nach dem aktuellen Stand der Bearbeitungen: „Willst Du nicht auch Dir und uns die Sache ‚vom Halse schaffen?‘ Dass wir wenigstens nach dieser Seite Frieden haben? – Es kann nicht mehr viel übrig bleiben, nach meiner Aufstellung. Ich finde doch, dass es eine gute und dauernde That bedeutet, zu der Du nicht zum wenigsten beigetragen hast!“ (Busoni/Weindel 1999a, S. 251 bzw. 257).

Zu meinem Bach Werk plane
ich ein Seitenstück – mit Liszt.
Dieses sollte, ausser meinen
säm̅tlichen Bearbeitungen, noch
Etwas pianistisch=wichtiges bringen:
nämlich die Aufzeichnung aller
Zurechtlegungen, Aenderungen
(u. ×des damit Zusammenhängendesn)
die ich im Verlaufe meines 25-
jährigen Studiums u. öffentlichen
Vortrages Liszt’scher Klavier Stücke,
an diesen angebracht habe. Da die Schutzfrist für Liszts Werke 1917 endete, planten Breitkopf & Härtel frühzeitig eine gesammelte Liszt-Ausgabe. Busoni schlug ihnen hierzu im Januar 1916 Bearbeitungen der ehemaligen Schüler Liszts vor. In seinem Brief vom 17.7.1916 thematisierte er jedoch die Herausgabe einer Liszt Busoni Gesammelten Ausgabe‘, der Bach’schen gleich gestaltet“ (vgl. Busoni / Breitkopf & Härtel / Hanau 2012, Bd. 2, S. 95, 98 und 154).

* The * Library * of * Congress *
                                                                
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Diese Dinger zunächst.

Dann kommt meine
nächstes Bühnen Werk; diesmal
ein abendfüllendes, anders
ausholendes.

Genug zu thun, und
die Jahre gehen und der
Krieg dauert fort …!
Bellum longum, vita brevis. Lat.: Der Krieg ist lang, das Leben ist kurz.
Schon aus dem letzteren
Grunde ist es weise,
diesen Brief mitin seinem
biographisch=prophetischen
Rollen zu “stoppen”. (Sollte
man eine “prä-historische”
Epistel benennen.)

Ich danke Ihnen
wieder herzlichst u. grüsse
Sie freundschaftlich

als Ihr ergebener

F. Busoni

Zür. 19. J.li. 1916.
                                                                
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offener Brief
Z[ür]ich 3
19.[VII.]16.-6
[Bahnhof ]
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Provenance
USA | Washington, D.C. | Library of Congress | Ferruccio Busoni Papers Additions, 1866–1924 | ML95 .B94
Condition
Blatt 2 rechts mit kleinem Ausriss (offenbar ohne Textverlust); ansonsten sind Brief und Umschlag gut erhalten.
Extent
3 Blatt, 3 beschriebene Seiten
Collation
Nur die Vorderseiten sind beschrieben.
Hands/Stamps
  • Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift.
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte).
  • Poststempel (schwarze Tinte).

Summary
Busoni sendet finale Korrektur des Biographie-Werkverzeichnisses an Leichtentritt; befindet sich in der End-Bearbeitungsphase von Arlecchino; hat die Druckbogen seiner Ausgabe von Bachs Fantasie und Fuge a-Moll erhalten; ist mit Egon Petris Arbeit an der instruktiven Bach-Ausgabe zufrieden; kündigt einen Ergänzungsband zur Bach-Busoni-Gesamtausgabe an; plant eine entsprechende Liszt-Ausgabe mit eigenen aufführungspraktischen „Zurechtlegungen“, sodann „ein abendfüllendes, anders ausholendes“ Bühnenwerk.
Incipit
ich sandte Ihnen eine zweite Korrektur des Verzeichnisses

Editors in charge
Christian Schaper Ullrich Scheideler
prepared by
Revision
November 25, 2022: candidate (coding checked, proofread)
Direct context
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