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N.Mus.Nachl. 30, 127
Mein verehrter, lieber Meister. – Empfangen Sie
meinen herzlichsten Dank für Ihren lieben und, wie
immer, so anregenden Brief, ebenfalls für den Hinweis
auf Monteverdis Madrigale, den ich gewiss nicht un- beachtet lassen werde.
Der betreffende Brief Busonis befindet sich nicht im Nachlass; es bleibt unklar, ob sich Jarnach und Busoni auf bestimmte Madrigale von Monteverdi beziehen.
Ich hatte vor Jahren zum ersten
Male Gelegenheit an diesen grossen Meister des freien
Ausdrucks heranzutreten. Es war 1909 als Jane Bathori
eine konzertmässige Aufführung einer Oper Monte- verdis veranstaltete, deren Einstudierung ich besorgte.
Der Titel ist mir nicht genau erinnerlich, ich glaube
Poppee, oder Nero und Poppee;
Gemeint ist Monteverdis Oper „L’incoronazione di Poppea“.
jedenfalls war es eine
Liebestragödie aus der römischen Kaisergeschichte.
Ich war damals trotz meiner grossen Jugend und der
verständnislosen Gleichgültigkeit, die wir Achtzehnjäh- rige für die Vergangenheit der Kunst im allgemeinen
empfanden, von der unerhörten Ausdruckskraft
dieser schmucklosen Musik höchst frappiert. – Aber
von den Madrigalen wusste ich nichts. Ich freue mich
im voraus, sie zu lesen.
Den Einfall der beiden Abruzzen-Nibelungen
finde ich sehr ergötzlich, und es ist mir unmöglich
die Sache so ernst zu nehmen und Ihre Entrüstung
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Mein verehrter, lieber Meister.
Empfangen Sie
meinen herzlichsten Dank für Ihren lieben und, wie
immer, so anregenden Brief, ebenfalls für den Hinweis
auf Monteverdis Madrigale, den ich gewiss nicht unbeachtet lassen werde.
Der betreffende Brief Busonis befindet sich nicht im Nachlass; es bleibt unklar, ob sich Jarnach und Busoni auf bestimmte Madrigale von Monteverdi beziehen.
Ich hatte vor Jahren zum ersten
Male Gelegenheit, an diesen großen Meister des freien
Ausdrucks heranzutreten. Es war 1909, als Jane Bathori
eine konzertmäßige Aufführung einer Oper Monteverdis veranstaltete, deren Einstudierung ich besorgte.
Der Titel ist mir nicht genau erinnerlich, ich glaube
Poppee oder Nero und Poppee;
Gemeint ist Monteverdis Oper „L’incoronazione di Poppea“.
jedenfalls war es eine
Liebestragödie aus der römischen Kaisergeschichte.
Ich war damals trotz meiner großen Jugend und der
verständnislosen Gleichgültigkeit, die wir Achtzehnjährige für die Vergangenheit der Kunst im Allgemeinen
empfanden, von der unerhörten Ausdruckskraft
dieser schmucklosen Musik höchst frappiert. – Aber
von den Madrigalen wusste ich nichts. Ich freue mich
im Voraus, sie zu lesen.
Den Einfall der beiden Abruzzen-Nibelungen
finde ich sehr ergötzlich, und es ist mir unmöglich,
die Sache so ernst zu nehmen und Ihre Entrüstung
zu teilen. Ich hatte d’Annunzio immer in — seit einigen
Jahren sich als sehr begründet erweisendem — Verdacht,
ein Komödiant zu sein. Aber wenigstens sind diese
beiden sich treu geblieben: Seit „Amicas“ bauernhaft
grober Leitmotiverei wusste man, wo der dünne, aber
frische Talentansatz Mascagnis hinversickert war.
D’Annunzio, ich denke an „Il fuoco“ und „Vergine delle
rocce“, kommt mir so vor: Er ist der begabtere, dafür
aber auch unaufrichtigere der beiden wagnerischen Romanapostel der neunziger Jahre. Der andere wäre der
Sâr Péladan, der einst, als er wieder einmal eine fünfaktige „Wagneride“ an die Direktorin der „Comédie-Française“ geschickt hatte, diese hübsche Antwort von Claretie
erhielt: „Cher monsieur Péladan, chez nous l’art dramatique ne chevanche pas encore sur un cygne.“
Nun, spätere Zeiten rächten den armen Péladan, es kamen
ganze Schwadronen von Gänsereitern angewatschelt;
dem Sâr kam aber dies nicht mehr zustatten; sein
einstiger Privat-Wagner wurde an allen Straßenecken
feilgeboten, und kein Hahn krähte mehr nach ihm.
Pollinger Chronik. – Vorgestern machte ich ein Lied fertig.
Schelten Sie nicht: Es ist das erste seit zwei, das
dritte seit vier Jahren. Also nicht „schöckweise“. –
Gedicht von Stefan George. Kennen Sie den Mann, und
wenn, wie stellen Sie sich zu seinen Sachen? Ich finde ihn
nicht immer sympathisch; vor allem verlässt ihn manchmal die Klugheit, bei den Stoffen zu bleiben, die seiner
Ausdrucksart angepasst sind. Trotzdem will es mir scheinen,
als ob man ihn ebenso wenig, ja viel weniger übersehen
dürfte als beispielsweise Rilke. Letzterer ist im Grunde
ein Romantiker, während George mit der herb-feierlichen
Reinheit seiner Sprache symbolisch ist für den Willen
nach Klassizität, der heute die Besten erfüllt. Doch
übertreibt er oft, wenn er seinen Schlafrock in olympische Falten legt. Immerhin: hoch geblickt, und das
Licht blendet ihn nicht.
Ende des Monats sind die Aufführungen in Donaueschingen. Die Stuttgarter Neue Musik-Zeitung bringt
das Programm mit Bildern und Notizen. Es scheint
alles sehr schön vorbereitet zu sein. Ich freue mich
sehr auf die Aufführung, weniger auf die Reise, welche
von hier aus zehn Stunden dauert.
Apropos der neu komponierten Stelle in „Turandot“:
wenn es Ihnen irgendwie bequem sein kann, dass
ich den Klavierauszug davon mache, so stehe ich
augenblicklich zur Verfügung.
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<!-- sind Details zu dieser Tätigkeit oder zur Aufführung ermittelbar? -->
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<!-- es wäre zu überlegen, ob hier auch Nero und Poppea auch als Personen erfassen wären-->
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2Facsimile
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zu teilen. Ich hatte d’Annunzio immer in — seit einigen
Jahren sich als sehr begründet erweisenden — Verdacht,
ein Komödiant zu sein. Aber wenigstens sind diese
beiden sich treu geblieben: Seit „Amica’s“ bauernhaft
grober Leitmotiverei wusste man wo der dünne aber
frische Talentansatz Mascagnis hinversickert war.
D’Annunzio, ich denke an „Il fuoco“ und „Virgine delle
rocce“, kommt mir so vor: er ist der begabtere, dafür
aber auch unaufrichtigere der beiden wagnerischen Ro- manaposteln der neunziger Jahre. Der andere wäre der
Sâr Péladan, der einst, als er wieder einmal eine fünf- aktige „Wagneride“ an die Direktorin der „Comedie fran- çaise“ geschickt hatte, diese hübsche Antwort von Claretie
erhielt: „Cher monsieur Péladan, chez nous l’art dra- matique ne chevanche pas encore sur un cygne.“
Nun, spätere Zeiten rächten den armen Péladan, es kamen
ganze Schwadronen von Gänsereitern angewatschelt;
dem Sâr kam aber dies nicht mehr zustatten; sein
einstiger Privat- Wagner wurde an allen Strassenecken
feilgeboten, und kein Hahn krähte mehr nach ihm.
Pollinger Chronik. – Vorgestern machte ich ein Lied fertig.
Schelten Sie nicht: es ist das erste seit zwei, das
dritte seit vier Jahren. Also nicht „schöckweise“. –
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<lb/>Nun, spätere Zeiten rächten den armen <persName key="E0300716">Péladan</persName>, es kamen
<lb/>ganze Schwadronen von Gänsereitern angewatschelt;
<lb/>dem <persName key="E0300716">Sâr</persName> kam aber dies nicht mehr zustatten; sein
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N.Mus.Nachl. 30, 127
Gedicht von Stefan George. Kennen Sie den Mann, und
wenn, wie stellen Sie sich zu seinen Sachen? Ich finde ihn
nicht immer sympathisch; vor allem verlässt ihn manch- mal die Klugheit, bei den Stoffen zu bleiben, die seiner
Ausdrucksart angepasst sind. Trotzdem will es mir scheinen,
als ob man ihn ebensowenig, ja viel weniger übersehen
dürfte, als beispielsweise Rilke. Letzterer ist im Grunde
ein Romantiker, während George mit der herb-feierlichen
Reinheit seiner Sprache symbolisch ist für den Willen
nach Klassizität der heute die Besten erfüllt. Doch
übertreibt er oft, wenn er seinen Schlafrock in olym- pische Falten legt. Immerhin: hoch geblickt, und das
Licht blendet ihn nicht.
Ende des Monats sind die Aufführungen in Donau- eschingen. Die Stuttgarter Neue Musikzeitung bringt
das Programm mit Bildern und Notizen. Es scheint
alles sehr schön vorbereitet zu sein. Ich freue mich
sehr auf die Aufführung, weniger auf die Reise, welche
von hier aus zehn Stunden dauert.
A-propos der neu komponierten Stelle in „Turandot“:
wenn es Ihnen irgendwie bequem sein kann, dass
ich den Klavierauszug davon mache, so stehe ich
augenblicklich zur Verfügung.
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Gedicht von <persName key="E0300718">Stefan George</persName>. Kennen Sie den Mann, und
<lb/>wenn, wie stellen Sie sich zu seinen Sachen? Ich finde ihn
<lb/>nicht immer sympathisch; vor allem verlässt ihn manch
<lb break="no"/>mal die Klugheit, bei den Stoffen zu bleiben, die seiner
<lb/>Ausdrucksart angepasst sind. Trotzdem will es mir scheinen,
<lb/>als ob man ihn ebenso<reg> </reg>wenig, ja viel weniger übersehen
<lb/>dürfte<orig>,</orig> als beispielsweise <persName key="E0300086">Rilke</persName>. Letzterer ist im Grunde
<lb/>ein Romantiker, während <persName key="E0300718">George</persName> mit der herb-feierlichen
<lb/>Reinheit seiner Sprache symbolisch ist für den <hi rend="underline">Willen</hi>
<lb/>nach Klassizität<reg>,</reg> der heute die Besten erfüllt. Doch
<lb/>übertreibt er oft, wenn er seinen Schlafrock in olym
<lb break="no"/>pische Falten legt. Immerhin: hoch geblickt, und das
<lb/>Licht blendet ihn nicht.
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Ende des Monats sind die <rs key="E0600182">Aufführungen in <placeName key="E0500463">Donau
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<lb/>das Programm mit Bildern und Notizen. Es scheint
<!-- Ist die Nr. der Stuttgarter Publikation nachweisbar? -->
<!-- Termine der Aufführungen? was von Jarnach wird gespielt? -->
<lb/>alles sehr schön vorbereitet zu sein. Ich freue mich
<lb/>sehr auf die Aufführung, weniger auf die Reise, welche
<lb/>von hier aus zehn Stunden dauert.
</p>
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A<orig>-</orig>propos der neu komponierten Stelle in <title rend="dq-du" key="E0400153">Turandot</title>:
<!-- welche Stelle ist das? -->
<lb/>wenn es Ihnen irgendwie bequem sein kann, dass
<lb/>ich den Klavierauszug davon mache, so stehe ich
<lb/>augenblicklich zur Verfügung.
</p>
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<salute>Empfangen Sie, bitte, sowie <persName key="E0300059">Frau Busoni</persName> die aller
<lb break="no"/>herzlichsten Grü<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>e von <rs key="E0300664">meiner Frau</rs> <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> Ihrem</salute>
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