Jella Oppenheimer to Ferruccio Busoni arrow_backarrow_forward

September 1, 1909

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den 1.9.1909
Liebster Freund

Ich benütze die ersten ruhigen Stunden
um Ihnen aus ganzem Herzen meinen
Gruß zu senden und für Ihre lieben
Worte zu danken. Ich hatte mich
sehr gefreut von Ihnen zu hören
und wäre gerne, wenn auch nur
im Flug bei Ihnen erschienen; giebt

den 1.9.1909
Liebster Freund

Ich benütze die ersten ruhigen Stunden um Ihnen aus ganzem Herzen meinen Gruß zu senden und für Ihre lieben Worte zu danken. Ich hatte mich sehr gefreut von Ihnen zu hören und wäre gerne, wenn auch nur im Flug bei Ihnen erschienen; gibt doch eine halbe Stunde mündlicher Aussprache mehr als alle Briefe!

In und zwischen Ihren Zeilen lese ich, dass Sie auch in diesen letzten Monaten viel durchlebt haben und rastlos weiter streben, der Reichtum Ihrer Seele, Ihres Schaffens Sie fieberhaft treibt; oft bangt mir, dass es an Ihrer Gesundheit zehrt. Und doch verstehe ich so ganz, dass sich keine Grenzen ziehen lassen und das Missverhältnis der kurzen Lebensspanne, die uns Menschen gegeben ist – fest anscheinend wirkt, ungeteiltes Ihre Unendlichkeit und allem Herrlichen, das wir um- fassen möchten. Ich selbst bin davon so ganz erfüllt, empfinde es oft schmerzlich, als ob ich gejagt würde und das Konstante doch nimmer noch haben kann.

In den letzten Wochen war ich ein müder Wanderer, nach einigen guten Monaten, in welchen ich ausschließlich und mit intensiviender Freude den Moment gelebt habe, konnte ich mich in letzter Zeit zu nichts aufraffen, indem wir alles, selbst der Verkehr mit lieben Menschen, schattenhaft erschienen ist. Ich hoffe es ist vorüber und ich komme wieder zu dem Bewusstsein vollen, lebendigen Lebens. Äußerlich hat es davon nicht gefehlt, da ich das Haus voll Gäste hatte und es von Menschen wimmelt.

Der ewig graue Himmel und Regen sind auch Ursache, dass ich mich nicht recht wohl fühle und wenn es etwas gibt, das mich dafür tröstet, dass wieder ein Sommer um ist, ohne, dass ich Sie unter meinem Dach sehe, so ist es, dass Sie dies Jahr kaum meinen Sonnenblick gehabt hätten.

Hält es noch weiters vor, so bleibe ich wohl auch nicht lange und gehe vielleicht nach südwärts. Indeß steht es nicht fest und ich erbitte ein Wort wie Ihre Pläne, Reisen sein werden, vor allem auch, welche Zeit Sie in Berlin verbringen, ob Sie im Oktober dort sind oder ob es bei England bleibt und wann. Ich bin so froh zu hören, dass ein weiterer Schritt getan ist, damit die „Brautwahl“ zur Aufführung kommt, das war ein glücklicher Gedanke.

Nun Lebewohl, lieber Freund und sagen Sie Frau Gerda sehr viel Liebes und mein Gruß Turczynski, falls er bei Ihnen. Was macht Benni? Dessen volle, ankliche Bekanntschaft möchte ich gerne machen.

In warmer Freundschaft Ihre Jella Oppenheimer

Nachschrift Soeben komme Ihre letzten lieben Zeilen, ich gratuliere, freue mich inniglich und sehen mich Ihren Schöpfung zu können.

Alles liebe und Herzliche von Ihrer

Jella Oppenheimer

                                                                
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doch eine halbe Stunde mündlicher
Aussprache mehr als alle Briefe!

In und zwischen Ihren Zeilen lese ich,
daß Sie auch in diesen letzten Monaten
viel durchlebt haben und rastlos weiter
streben, der Reichtum Ihrer Seele,
Ihres Schaffens Sie fieberhaft treibt;
oft bangt mir, daß es an Ihrer
Gesundheit zehrt. Und doch verstehe
ich so ganz, daß sich keine Grenzen
ziehen lassen und das Mißverhältnis

                                                                
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Menschen gegeben ist – fest anscheinend
wirkt, ungeteiltes Ihre Unendlichkeit
und allem Herrlichen, das wir um-
fassen möchten. Ich selbst bin davon
so ganz erfüllt, empfinde es oft schmerzlich,
als ob ich gejagt würde und das Konstante
doch nimmer noch haben kann.

In den letzten Wochen war ich ein
müder Wanderer, nach einigen guten
Monaten, in welchen ich ausschließlich
und mit intensiviender Freude den Moment

                                                                
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gelebt habe, konnte ich mich in letzter
Zeit zu nichts aufraffen, indem wir
alles, selbst der Verkehr mit lieben
Menschen, schattenhaft erschienen ist.
Ich hoffe es ist vorüber und ich
komme wieder zu dem Bewusstsein
vollen, lebendigen Lebens. Äußerlich
hat es davon nicht gefehlt, da ich
das Haus voll Gäste hatte und es
von Menschen wimmelt.

Der ewig graue Himmel und Regen

                                                                
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sind auch Ursache, daß ich mich
nicht recht wohl fühle und wenn
es etwas giebt, das mich dafür tröstet,
daß wieder ein Sommer um ist,
ohne, daß ich Sie unter meinem
Dach sehe, so ist es, daß Sie dies
Jahr kaum meinen Sonnenblick
gehabt hätten.

                                                                
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Hält es noch weiters vor, so bleibe
ich wohl auch nicht lange und gehe
vielleicht nach südwärts. Indeß
steht es nicht fest und ich erbitte
ein Wort wie Ihre Pläne, Reisen
sein werden, vor allem auch welche
Zeit Sie in Berlin verbringen, ob
Sie im Oktober dort sind oder ob

                                                                
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es bei England bleibt und wann.
Ich bin so froh zu hören, daß ein
weiterer Schritt getan ist, damit die
Brautwahl“ zur Aufführung kommt,
das war ein glücklicher Gedanke.

Nun Lebewohl, lieber Freund und
sagen Sie Frau Gerda sehr viel
Liebes und mein Gruß Tuczinsky,
falls er bei Ihnen. Was macht
Benni? Dessen volle, ankliche

                                                                
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Bekanntschaft möchte ich gerne
machen.

In warmer Freundschaft
Ihre Jella Oppenheimer

Nachschrift
Soeben komme Ihre letzten
lieben Zeilen, ich gratuliere, freue
mich inniglich und sehen mich Ihren
Schöpfung zu können.

Alles liebe und Herzliche
von Ihrer
Jella Oppenheimer

                                                                
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Provenance
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B II, 3440 | olim: Mus.ep. J. Oppenheimer 9 |

proof Kalliope

Condition
Brief und Umschlag sind gut erhalten.
Extent
4 Blatt, 8 beschriebene Seiten
Hands/Stamps
  • Hand des Absenders Jella Oppenheimer, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen, eine Foliierung vorgenommen und das Briefdatum ergänzt hat
  • Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
  • Poststempel (schwarze Tinte)

Incipit
Ich benütze die ersten ruhigen Stunden

Editors in charge
Christian Schaper Ullrich Scheideler
prepared by
Revision
July 16, 2024: todo (to be processed (file created by initial script))
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