Martin Wegelius to Ferruccio Busoni arrow_backarrow_forward

Helsinki · June 9, 1896

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Mus.ep. M. Wegelius 19 (Busoni-Nachl. B II)Mus.Nachl. F. Busoni B II, 5332

Helsingfors d. 9 Juni 96.

Lieber, guter Freund!

Besten Dank für deinen Brief, Nicht überliefert. der einen
Tag nach Järnefelt, Sissi u. s. w. eintraf; Armas Järnefelt, Sigrid “Sissi“ Sundgren und Edith Aspelin waren am 4. Juni 1896 mit einem Dampfer aus Deutschland in Helsinki angekommen (vgl. Päiv 1896). Järnefelt machte laut diesem Zeitungsbericht nur für einen Monat Halt in Helsinki und kehrte im Juli nach Berlin zurück (vgl. den folgenden Brief). Sundgren und Aspelin nahmen seit 1894 in Berlin Klavierunterricht bei Busoni; Sundgren kehrte für ein weiteres Jahr dorthin zurück (vgl. die Kommentierung im Brief vom 12. September 1894). aller⸗
wärmsten Dank für Deine Bemühungen
um uns! Leider kam wieder ein “Nein”!
Ich telegraphirte an Bauer Der englische Pianist Harold Bauer stand 1896 noch am Beginn seiner Solistenkarriere. Nach ersten Erfolgten 1893 und 1894 in Paris und Russland hatte er im November 1895 in Berlin debütiert, wo Busoni ihn möglicherweise kennenlernte (vgl. Elste 1999, Sp. 308; Leßmann 1895, S. 611; Leßmann 1895a, S. 625). Eine Korrespondenz zwischen Bauer und Wegelius oder Busoni konnte nicht ermittelt werden. sehr aus⸗
führlich und bekam einen Tag später
die Antwort: “Regrette impossible accep⸗
ter proposition lettre suit”
Frz. in etwa: Bedauere, unmöglich das Angebot anzunehmen. Brief folgt. – was ich dir
auch sogleich telegrafisch meldete. Nicht überliefert. Es
scheint ja recht schwer zu werden!
Lieber, guter, schöner – ich hoffe dass
deine Ideen, die ja gleich persönliche
Form annehmen, noch nicht zu Ende
sind, denn sonst sitzen wir schmäh⸗[1]

Helsingfors, den 9. Juni 96.

Lieber, guter Freund!

Besten Dank für deinen Brief, Nicht überliefert. der einen Tag nach Järnefelt, Sissi usw. eintraf; Armas Järnefelt, Sigrid „Sissi“ Sundgren und Edith Aspelin waren am 4. Juni 1896 mit einem Dampfer aus Deutschland in Helsinki angekommen (vgl. Päiv 1896). Järnefelt machte laut diesem Zeitungsbericht nur für einen Monat Halt in Helsinki und kehrte im Juli nach Berlin zurück (vgl. den folgenden Brief). Sundgren und Aspelin nahmen seit 1894 in Berlin Klavierunterricht bei Busoni; Sundgren kehrte für ein weiteres Jahr dorthin zurück (vgl. die Kommentierung im Brief vom 12. September 1894). allerwärmsten Dank für Deine Bemühungen um uns! Leider kam wieder ein „Nein“! Ich telegraphierte an Bauer Der englische Pianist Harold Bauer stand 1896 noch am Beginn seiner Solistenkarriere. Nach ersten Erfolgten 1893 und 1894 in Paris und Russland hatte er im November 1895 in Berlin debütiert, wo Busoni ihn möglicherweise kennenlernte (vgl. Elste 1999, Sp. 308; Leßmann 1895, S. 611; Leßmann 1895a, S. 625). Eine Korrespondenz zwischen Bauer und Wegelius oder Busoni konnte nicht ermittelt werden. sehr ausführlich und bekam einen Tag später die Antwort: „Regrette impossible accepter proposition lettre suit“ Frz. in etwa: Bedauere, unmöglich das Angebot anzunehmen. Brief folgt. – was ich dir auch sogleich telegrafisch meldete. Nicht überliefert. Es scheint ja recht schwer zu werden! Lieber, Guter, Schöner – ich hoffe, dass deine Ideen, die ja gleich persönliche Form annehmen, noch nicht zu Ende sind, denn sonst sitzen wir schmählich da und können nicht mal auf allen (Kla-)vieren herumkriechen – sieh mal da, welche schlechten Witze die Not und die Hitze herauspressen! „Ich bin heruntergekommen, und weiß es selber nicht wie“
Da droben auf jenem Berge,
da steh’ ich tausendmal,
an meinem Stabe hingebogen,
und schaue hinab in das Thal.

Dann folg’ ich der weidenden Herde,
mein Hündchen bewahret mir sie;
ich bin herunter gekommen
und weiß doch selber nicht wie.
(Schäfers Klagelied, Johann Wolfgang von Goethe (Text), Franz Schubert (Musik), T. 1–19).
– wie Schubert mit Goethe so wahr und schön bekennt. (Schäfers Klagelied.) Ich muss aufs Land Siehe die Kommentierung im folgenden Brief. – morgen oder übermorgen – und werde von dort aus die Korrespondenz mit Dir fortsetzen. Die Hanna muss leider in der Stadt bleiben – ihre Mama ist krank – wohl ein paar Wochen noch. Ich bin ja nicht weiter weg, als dass ich, sogleich wenn es nötig ist, wieder in der Stadt sein kann. Meine Telegrafadresse ist dann: Fiskars. Express“, meine Brief-Adresse aber: Karis; Pojo.“

Sage mal: hast Du deine Fühlhörner noch gar nicht an Hutcheson ausgestreckt, d. h. ist es nur Vermutung von Dir, dass er nicht kommen würde? Ein Briefwechsel zwischen Busoni und Ernest Hutcheson konnte nicht ermittelt werden. Hast Du über Friedberger nähere Nachrichten, als dass er frei ist, d. h. ob er vorwärtsgegangen ist, oder nicht?

Ich erwarte mit großer, wohl begreiflicher Spannung deine nächste Mitteilung.

Schließlich ein paar Worte über die Geldgeschichte. Wegelius hatte am 7. Januar ein Darlehen von 1000 Reichsmark auf sechs Monate von Reinhold Felix von Willebrand für Busoni aufgenommen und Busoni den Wechsel mit dem Brief vom 7. Januar geschickt. Ich wurde sehr paff, als ich Deine Worte las. Ich hatte im Kopf, dass der 7. Juni der Bezahlungstag wäre. Der einzige, der die Sache aufklären könnte, Willebrand, weil er einen Schuldschein von mir hat (von Dir habe ich keinen bekommen), ist jetzt verreist und kommt erst am 14. Juni zurück. So viel weiß ich, dass dieser Schuldschein am 7. Januar datiert ist, ob aber auf fünf oder sechs Monate, wage ich nicht zu entscheiden. Wenn Du darüber ganz sicher und im Klaren bist, so ist ja alles gut. Ich hoffe, dass es so ist, musste aber doch Gewissens halber meinen Zweifel erwähnen, damit Du genau nachsiehst. Darüber sei mir nicht böse, lieber Alter!

Ich höre, dass Frau Gerda eine sehr schlimme Influenza gehabt hat und infolgedessen sehr angegriffen ist. Das schmerzt mich – (uns) – sehr. Wir grüßen sie allerherzlichst und hoffen, dass sie sich und ihrem wohl auch (von der Arbeit) angegriffenen Herrn Gemahl einige Wochen absoluter Erholung in Wald- oder Seeluft gönnen wird. Wenn sie aber nicht genug Verstand dazu hat, so habe Du es, lieber Ferruccio! Wenn Du meinst, dass dein Körper es nicht nötig hat, so verstehe wenigstens, dass dein Geist ein bisschen Ruhe braucht; ihn darfst Du wenigstens nicht misshandeln – denn so was rächt sich sehr. Ein bisschen Idiotenleben lohnt sich ganz herrlich und in kurzer Zeit. Ich war schon im vorigen Sommer unruhig für dich und deine Gesundheit, jetzt bin ich es noch mehr, und zwar für euch beide. Was das mich angeht? Es geht mir ganz verflucht viel an! Und jetzt schweige still, denn sonst setzt’s was!

Dein alter, dankbarer

M Wegelius

Meinem lieben, alten Freund Benni einen herzlichen Gruß und Puss! Schwed.: Kuss.

                                                                
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lich da, und können nicht mal auf
allen (Kla-)vieren herumkriechen – sieh
mal da, welche schlechte Witze die Noth
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heruntergekommen, und weiss es selber
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Da droben auf jenem Berge,
da steh’ ich tausendmal,
an meinem Stabe hingebogen,
und schaue hinab in das Thal.

Dann folg’ ich der weidenden Herde,
mein Hündchen bewahret mir sie;
ich bin herunter gekommen
und weiß doch selber nicht wie.
(Schäfers Klagelied, Johann Wolfgang von Goethe (Text), Franz Schubert (Musik), T. 1–19).
– wie Schubert mit Goethe
[…] 1 char: overwritten. so wahr und schön bekennt. (Schä⸗
fers Klagelied
). Ich muss auf’s Land Siehe die Kommentierung im folgenden Brief.
– morgen oder übermorgen – und
werde von dort aus die Korrespon⸗
denz mit Dir fortsetzen. Die Hanna
muss leider in der Stadt bleiben
– ihre Mama ist krank – wohl
ein Paar Wochen noch. Ich bin ja
nicht weiter weg, als dass ich, sogleich
wenn es nöthig ist, wieder in der
Stadt
sein kann. Meine Telegraf
adresse ist dann: Fiskars. Express,”
meine Brief-Adresse aber: Karis;
Pojo.”

Sage mal: hast Du deine Fühl⸗
hörner noch gar nicht an Hutcheson Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin

                                                                
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von Dir, dass er nicht kommen würde? Ein Briefwechsel zwischen Busoni und Ernest Hutcheson konnte nicht ermittelt werden.
Hast Du F über Friedberger nähere
Nachrichten, als dass er frei ist, d. h.
ob er vorwärtsgegangen ist, oder
nicht?

Ich erwarte mit grosser, wohl
begreiflicher Spannung deine näch⸗
ste Mittheilung.

Schliesslich ein Paar Worte über
die Geld[ge]schichte. Wegelius hatte am 7. Januar ein Darlehen von 1000 Reichsmark auf sechs Monate von Reinhold Felix von Willebrand für Busoni aufgenommen und Busoni den Wechsel mit dem Brief vom 7. Januar geschickt. Ich wurde sehr
paff, als ich Deine Worte las. Ich hat⸗
te im Kopf, dass der 7 Juni der Be⸗
zahlungstag wäre. Der einzige, der
die Sache aufklären könnte, Wille⸗
brand
, weil er einen Schuldschein
von mir hat (von Dir habe ich
keinen bekommen) ist jetzt verreist
und kommt erst am 14 Juni
zurück. So viel weiss ich dass die⸗
ser Schuldschein am 7 Januar da⸗ Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
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tirt ist, ob aber auf fünf oder sechs
Monate wage ich nicht zu entschei⸗
den. Wenn Wenn Du darüber ganz
sicher und im Klaren bist, so ist
ja Alles gut. Ich hoffe, dass es
so ist, musste aber doch Gewissens
halber meinen Zweifel erwähnen,
damit Du genau nachsiehst. Dar⸗
über sei mir nicht böse, lieber
Alter!

Ich höre zu meinem Leid dass
Frau Gerda eine sehr schlimme
Influenza gehabt hat und in Fol⸗
ge dessen sehr angegriffen ist.
Das schmerzt mich – (uns) – […] 1 char: overwritten. sehr. Wir
grüssen sie allerherzlichst und
hoffen, dass sie sich und ihrem
wohl auch (von der Arbeit) ag ange⸗
griffenen Herrn Gemahl einige Wo⸗
chen absoluter Erholung in Wald-
oder Seeluft gönnen wird. Wenn
sie aber nicht genug Verstand dazu

                                                                
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B II, 5332

hat, so habe Du es, lieber Ferruccio!
Wenn Du meinst, dass dein Körper
es nicht nöthig hat, so verstehe
wenigstens, dass dein Geist ein
Bischen Ruhe braucht; ihn darfst
Du wenigstens nicht misshandeln.
– denn so was rächt seh sich sehr.
S transcription uncertain: cancelled. Ein Bischen Idiotenlehleben lohnt
sich ganz herrlich und in kurzer
Zeit. Ich war schon im vorigen
Sommer unh unruhig für dig
dich und deine Gesundheit, jetzt
bin ich es noch mehr, und zwar
für Euch beide. Was das mich
angeht? Es geht mir ganz ver⸗
flucht viel an! Und jetzt schweige
still, denn sonst setzt’s was!

Dein alter dankbarer

Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
M Wegelius

Meinem lieben alten Freund Benni
einen herzlichen Gruss und Puss! Schwed.: Kuss.

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<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split"> <note type="shelfmark" resp="#archive" place="top-left" rend="indent-2-first">B II, 5332</note> <lb/>hat, so habe <hi rend="underline">Du</hi> es, lieber <persName key="E0300017">Ferruccio</persName>! <lb/>Wenn Du meinst, dass dein Körper <lb/>es nicht nöt<orig>h</orig>ig hat, so verstehe <lb/>wenigstens, dass dein <hi rend="underline">Geist</hi> ein <lb/><choice><orig>B</orig><reg>b</reg></choice>is<reg>s</reg>chen Ruhe braucht; <hi rend="underline">ihn</hi> darfst <lb/>Du wenigstens nicht misshandeln<orig>.</orig> <lb/>– denn so was rächt <del rend="strikethrough">seh</del> sich sehr. <lb/><del rend="strikethrough"><unclear reason="strikethrough" cert="high">S</unclear></del> Ein <choice><orig>B</orig><reg>b</reg></choice>is<reg>s</reg>chen Idioten<del rend="strikethrough">leh</del>leben lohnt <lb/>sich ganz herrlich und in kurzer <lb/>Zeit. Ich war schon im vorigen <lb/>Sommer <del rend="strikethrough">unh</del> unruhig für <del rend="strikethrough"><foreign xml:lang="sv">dig</foreign></del> <lb/>dich und deine Gesundheit, jetzt <lb/>bin ich es noch mehr, und zwar <lb/>für <rs type="persons" key="E0300017 E0300059"><choice><orig>E</orig><reg>e</reg></choice>uch beide</rs>. Was das mich <lb/>angeht? Es geht mir ganz ver <lb break="no"/>flucht viel an! Und jetzt schweige <lb/>still, denn sonst setzt’s was!</p> <closer rend="indent-2"> <salute>Dein alter<reg>,</reg> dankbarer</salute> <note type="stamp" place="inline" resp="#dsb_st_red"> <stamp rend="round border align(center) small">Deutsche <lb/>Staatsbibliothek <lb/> <placeName key="E0500029"> <hi rend="spaced-out">Berlin</hi> </placeName> </stamp> </note> <signed rend="inline"><persName key="E0300207">M Wegelius</persName></signed> </closer> <postscript> <p>Meinem lieben<reg>,</reg> alten Freund <persName key="E0300060">Benni</persName> <lb/>einen herzlichen Gru<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice> und <foreign xml:lang="sv">Puss</foreign>! <note type="commentary" resp="#E0300616">Schwed.: Kuss.</note> </p> </postscript> <note type="foliation" resp="#archive" place="bottom-right">[3]</note> </div>
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6Diplomatic transcription
6XML
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Provenance
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B II, 5332 | olim: Mus.ep. M. Wegelius 19 |

proof Kalliope

Condition
Die zweite Seite des Zweiten Bogens wurde abgetrennt (ohne Textverlust).
Extent
2 Bogen, 5 beschriebene Seiten
Hands/Stamps
  • Hand des Absenders Martin Wegelius, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen und eine Foliierung vorgenommen hat
  • Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
Image source
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 123456

Summary
Wegelius dankt für einen Brief mit Vorschlägen für die Stelle des Klavierlehrers, der kurz nach der Rückkehr von Armas Järnefelt, Sigrid Sundgren und Edith Aspelin von Berlin nach Helsinki ankam; hat eine Absage von Harold Bauer erhalten; erkundigt sich nach dem Verhandlungsstand mit Ernest Hutcheson und der künstlerischen Entwicklung von Jacques Friedberger; ist über das Fälligkeitsdatum des Darlehens von Reinhold von Willebrand unsicher, bittet Busoni um Überprüfung.
Incipit
Besten Dank für deinen Brief, der einen Tag nach Järnefelt

Editors in charge
Christian Schaper Ullrich Scheideler
prepared by
Revision
March 19, 2024: proposed (transcription and coding done, awaiting proofreading)
Direct context
Preceding Following
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