Ferruccio Busoni an Ludwig Rubiner arrow_backarrow_forward

London · 6. November 1919

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Mus.ep. F. Busoni 809 (Busoni-Nachl. B I)
Mus.Nachl. F. Busoni B I, 1015
[1]
West Wing – Outer Circle, –
Regent’s Park. London, NW. – 6. Nov. 1919.

Lieber Rubiner, Ich höre, man
könne von hier
aus geradenwegs nach Deutschland
schreiben. Also benütze ich gern die
Konjuktur um Ihnen – endlich – zu
schreiben antworten. Busoni hatte sich am 18. September 1919 aus Zürich auf eine Tournee nach England begeben (Rückkehr nach Zürich am 11. Dezember; vgl. Schnapp 1935, S. 371). – Ich möchte gerne den
Doktor Faust nun bald in Buchform
herausgeben – Das gut 50-seitige Textbuch zu Doktor Faust erschien 1920 bei Kiepenheuer; bereits 1918 war ein Textabdruck in den Weißen Blättern erschienen. vorläufig müsste der
Verlag
seine Rechte auf den Text
in Beziehung zur Musik nicht in
den Vertrag mit einschließen – womit
die Möglichkeit noch offen blieeibet,
dass er selbst den Musikverlag seiner-
-zeit überneähme. Ist das klar? Gerda hat denas druckfertigen M.S. bereit.

– In diesem Augenblick scheint
mir die Abmachung über die Par-
titur
verfrüht, zunächst weil
sie noch “im Geiste ihres Schöpfers” steht,
ferner weil da so Manches zu regeln
u. zu bestimmen ist, das mit den
übrigen Opern
zusammenhängt.
Ich habe einen Plan von vier Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin

West Wing – Outer Circle
Regent’s Park. London, NW. – 6. Nov. 1919.

Lieber Rubiner,

ich höre, man könne von hier aus geradenwegs nach Deutschland schreiben. Also benütze ich gern die Konjuktur, um Ihnen – endlich – zu antworten. Busoni hatte sich am 18. September 1919 aus Zürich auf eine Tournee nach England begeben (Rückkehr nach Zürich am 11. Dezember; vgl. Schnapp 1935, S. 371). – Ich möchte gerne den Doktor Faust nun bald in Buchform herausgeben – Das gut 50-seitige Textbuch zu Doktor Faust erschien 1920 bei Kiepenheuer; bereits 1918 war ein Textabdruck in den Weißen Blättern erschienen. vorläufig müsste der Verlag seine Rechte auf den Text in Beziehung zur Musik nicht in den Vertrag mit einschließen – womit die Möglichkeit noch offenbleibe, dass er selbst den Musikverlag seinerzeit übernähme. Ist das klar? Gerda hat das druckfertige M.S. bereit.

In diesem Augenblick scheint mir die Abmachung über die Partitur verfrüht, zunächst weil sie noch „im Geiste ihres Schöpfers“ steht, ferner weil da so manches zu regeln und zu bestimmen ist, das mit den übrigen Opern zusammenhängt. Ich habe einen Plan von vier Theaterabenden ersonnen, der durch verschiedene Verlagshäuser greift, was – z.B. die Zusammenstellung eines Zyklus – schon zur Genüge erschwert. – Machen Sie es mir leichter, nicht schwerer: Ich habe, bei Gott, durch allerlei Schwierigkeiten zu waten – –

Wie sieht es aus in Berlin? (Das ist keine müßige Brieffrage).

Wie fühlen Sie sich selber darin und wie geht es Ihnen? – Versuchen auch Sie an mich direkt zu schreiben, es ist doch möglich, daß wir so schneller zur Verständigung kommen.

Vor wenigen Tagen besuchte mich Bernard Shaw. Er ist 63 Jahre, und nicht wenig geschwätzig. Er sprudelt – aber nicht immer chemisch-reines Wasser. Er ist gescheit – ohne Frage – und lebhaft im Denken. Nun, ich kenne auch andere ihm darin Ebenbürtige. Zum Beispiel den, den ich jetzt herzlich umarme

als sein ergebener

F. Busoni

                                                                
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2Diplomatische Umschrift
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B I, 1015
[2]
TheaterAbenden ersonnen, der
durch verschiedene Verlagshäuser
greift, was – z.B. die Zusammen-
stellung eines Zyklus – schon zur
Genüge erschwert. – Machen Sie es
mir leichter, nicht schwerer: ich
habe, bei Gott, durch allerlei Schwie-
rigkeiten zu waten – –

Wie sieht es auchs in Berlin?
(Das ist keine müssige Brieffrage).

Wie fühlen Sie sich selber darin
u. wie geht es Ihnen? – Versuchen
auch Sie an mich direkt zu schreiben,
es ist doch möglich, dass wir so schneller
zur Verstaendigung kommen.

Vor wenigen Tagen besuchte
mirch Bernard Shaw. Er ist 63
Jahre, und nicht wenig geschwätzig.
Er sprudelt – aber nicht immer
chemisch=reines Wasser. Er ist
gescheidt – ohne Frage – u. lebhaft
im Denken. Nun, ich kenne auch
Andere so ihm darin Ebenbürtige.
Zum Beispiel Den, den ich jetzt herzlich umarme

als sein ergebener

F. Busoni

                                                                
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6. Nov. 1919
                                                                
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5Diplomatische Umschrift
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Germany.
London W.I.
7. […] höchstens 1 Zeichen: wenig Tinte. 5 PM
6 NOV19[…] mindestens 1 Zeichen: unleserlich.
Herrn Ludwig Rubiner
Viktoria Luise Platz 11.
(bei Busoni)
Berlin W30
                                                                
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6Faksimile
6Diplomatische Umschrift
6XML
Dr. F. Busoni,
West Wing,
Regent’s Park
NW.
Nachlaß Busoni B I
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
Mus.ep. F. Busoni 809
Mus.Nachl. F. Busoni B I, 1015-Beil.
                                                                
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Dokument

doneStatus: zur Freigabe vorgeschlagen XML Faksimile Download / Zitation

Überlieferung
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B I, 1015 | olim: Mus.ep. F. Busoni 809 (Busoni-Nachl. B I) |

Nachweis Kalliope

Zustand
Der Brief ist gut erhalten; Umschlagaufriss oben, ohne erkennbaren Textverlust.
Umfang
2 Blatt, 2 beschriebene Seiten
Kollation
Nur die Vorderseiten sind beschrieben.
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift.
  • Hand des Archivars, der die Signaturen mit Bleistift eingetragen und eine Foliierung vorgenommen hat.
  • Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
  • Bibliotheksstempel (blaue Tinte)
  • Poststempel (schwarze Tinte)
  • Hand Gerda Busonis, die mit Bleistift auf der Rückseite des zweiten Blatts das Datum notiert hat.
Bildquelle
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 123456

Zusammenfassung
Busoni plant eine Buchausgabe des Librettos zu Doktor Faust und dessen zyklische Aufführung mit den übrigen Opern an vier Abenden; beschreibt nach einem Treffen mit George Bernard Shaw diesen als „lebhaft im Denken“ und „nicht wenig geschwätzig“.
Incipit
ich höre, man könne von hier aus geradenwegs

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
Stand
8. Mai 2023: zur Freigabe vorgeschlagen (Auszeichnungen überprüft, korrekturgelesen)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition