Ferruccio Busoni to Hans Huber arrow_backarrow_forward

Zürich · June 15, 1917

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55.15. Juni 1917

Lieber, verehrter,

das finde ich viel, dass Sie sich
die Mühe machten, Ihre Kopisten-
Rechnungen aufzustöbern und
selbst zu kopieren! Das sind lang -
weilige augenblicke! Um so mehr
muss ich Ihnen dafür danken.

Inzwischen habe ich versucht
den Verlag nach “oben” u. nach
„unten“ zu theilen. Oben tele-
graphierte gleich wieder, aber so
unverstaendlich, dass man erst den
„Brief folgt“ abwarten muss. Von Unten
wird vor Ende Juni nichts zu
erfahren sein.

Am 14. Juni telegrafierte Breitkopf & Härtel: „Zum Verlagserwerb Ihrer Opern [Arlecchino und Turandot] bereit. Um Ihnen freie Bahn zu schaffen, sind wir einverstanden, mit Rücksicht auf bessere Zustände Aufführungen für die Kriegszeit in feindlichen Ländern unsererseits durch Sie als Autor zu vergeben. Brief folgt.“ (Busoni / Breitkopf & Härtel / Hanau 2012, S. 242) Der längere Brief wurde noch am selben Tag geschrieben, Busoni reagierte jedoch erst am 27. Juni darauf.

Mittlerweile sind auch die
“Signale” in die “Pfütze” getreten. In den Signalen für die musikalische Welt war am 13. Juni 1917 (Nr. 24, S. 455 f.) ein Bericht „Zur Münchener Pfitzner-Woche“ mit Vorankündigung von Pfitzners Palestrina erschienen; die Besprechung der Uraufführung folgte eine Woche darauf (Nr. 25, S. 467–473).
“Palestrina” ist erstanden, und
seine verstorbene Frau diktiert
ihm vom Himmel aus die schöne
Musik zur Missa Papae Marcelli.
(Eine hartnäckige Ehehälfte.)

Eine sehr knappe Zusammenfassung von Pfitzners Oper; die „Musikalische Legende“ über Giovanni da Palestrina gilt als sein bedeutendstes und auch erfolgreichstes Werk.

– Gestern schickte ich, druckfertig
ein ausführliches Vorwort zur
Don Juan Fantasie ab. Am 18. Juni in Leipzig eingetroffen. – Es ist eine

55.

Lieber, Verehrter,

das finde ich viel, dass Sie sich die Mühe machten, Ihre Kopistenrechnungen aufzustöbern und selbst zu kopieren! Das sind lang weilige Augenblicke! Umso mehr muss ich Ihnen dafür danken.

Inzwischen habe ich versucht, den Verlag nach „oben“ und nach „unten“ zu teilen. Oben telegrafierte gleich wieder, aber so unverständlich, dass man erst den „Brief folgt“ abwarten muss. Von Unten wird vor Ende Juni nichts zu erfahren sein.

Am 14. Juni telegrafierte Breitkopf & Härtel: „Zum Verlagserwerb Ihrer Opern [Arlecchino und Turandot] bereit. Um Ihnen freie Bahn zu schaffen, sind wir einverstanden, mit Rücksicht auf bessere Zustände Aufführungen für die Kriegszeit in feindlichen Ländern unsererseits durch Sie als Autor zu vergeben. Brief folgt.“ (Busoni / Breitkopf & Härtel / Hanau 2012, S. 242) Der längere Brief wurde noch am selben Tag geschrieben, Busoni reagierte jedoch erst am 27. Juni darauf.

Mittlerweile sind auch die „Signale“ in die „Pfütze“ getreten. In den Signalen für die musikalische Welt war am 13. Juni 1917 (Nr. 24, S. 455 f.) ein Bericht „Zur Münchener Pfitzner-Woche“ mit Vorankündigung von Pfitzners Palestrina erschienen; die Besprechung der Uraufführung folgte eine Woche darauf (Nr. 25, S. 467–473). „Palestrina“ ist erstanden, und seine verstorbene Frau diktiert ihm vom Himmel aus die schöne Musik zur Missa Papae Marcelli. (Eine hartnäckige Ehehälfte.)

Eine sehr knappe Zusammenfassung von Pfitzners Oper; die „Musikalische Legende“ über Giovanni da Palestrina gilt als sein bedeutendstes und auch erfolgreichstes Werk.

– Gestern schickte ich, druckfertig ein ausführliches Vorwort zur Don-Juan-Fantasie ab. Am 18. Juni in Leipzig eingetroffen. – Es ist eine fixe Idee der Historiker und deutschen Historiendeuter, zwischen Don Juan und Faust eine Beziehung herstellen zu wollen, die mir nicht einleuchtet. (Vielleicht belehren Sie mich darüber.) Hingegen ist der Versuch anregend, den Faust und den Buchdrucker Fust in eine Person zu gießen – wobei sie sich vom Don Juan eher noch entfernt.

– Vom Basler Abend blieb mir eine leuchtende Erinnerung. – Wie fanden Sie das Trio Laquais? Alles Übrige bleibt in der Dämmerung des Gedächtnisses: gerechterweise muss man jedoch sagen, dass an Schoeck die Aufrichtigkeit und vornehme Haltung versöhnen. (Merkwürdig, dass ein Mann, der ausschließlich Gesänge schreibt, nie von der Singstimme aus komponiert!)

Ich liebe und verehre Sie,

als Ihr treu und dankbar ergebener

F. Busoni

15. Juni 1917.
                                                                
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(2) fixe Idee der Historiker u. deutschen
Historiendeuter, zwischen Don Juan
u. Faust eine Beziehung herstellen
zu wollen, die mir nicht einleuchtet.
(Vielleicht belehren Sie mich darüber).
Hingegen ist der Versuch anregend,
den Faust u. den Buchdrucker Fust in
eine Person zu gießen – wobei sie
sich vom Don Juan eher noch entfernt.

– Vom Basler Abend blieb
mir eine leuchtende Erinnerung. –
Wie fanden Sie das Trio Laquai’s?
Alles Übrige bleibt in der Dämmerung
des Gedächtnisses: gerechterweise
muss man jedoch sagen dass an Schoeck
die Aufrichtigkeit u. vornehme
Haltung versöhnen. (Merkwürdig,
dass ein Mann, der ausschließlich
Gesänge schreibt, nie von der
Singstimme aus komponiert!)

Ich liebe und verehre Sie,

als Ihr treu u. dankbar
ergebener

F. Busoni

15 Juni 1917.
                                                                
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Breil Notiz wegen der
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David, Wetzel, jun.
Prof. Nef bestellen!
                                                                
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[Rückseite von Textseite 2, vacat]
                                                                
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Provenance
Schweiz | Basel | Universitätsbibliothek | NL 30 : 22:A-H:16
Condition
Der Brief ist gut erhalten.
Extent
2 Blätter, 2 beschriebene Seiten
Hands/Stamps
  • Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift.
  • Hand des Archivars, der die Datierung mit Bleistift vorgenommen hat.
  • Hand des Empfängers Hans Huber, Notizen mit Bleistift in deutscher Kurrentschrift.

Summary
Busoni dankt für Auskünfte zu Kopistenhonoraren, berichtet von den Verhandlungen mit Breitkopf & Härtel wegen Drucklegung von Arlecchino und Turandot; kommentiert die Berichterstattung zur Uraufführung von Hans Pfitzners Palestrina; hat das Vorwort zur Don-Juan-Fantasie abgeschickt; erinnert sich an einen kurz zuvor gemeinsam besuchten Konzertabend mit Werken von Laquai und Schoeck.
Incipit
Das finde ich viel

Editors in charge
Christian Schaper Ullrich Scheideler
prepared by
Revision
June 4, 2017: candidate (coding checked, proofread)
Direct context
Preceding Following
Near in this edition
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Refardt 1939, S. 32