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Diplomatische Umschrift
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24/8.1909 1
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
Sehr verehrter Herr Busoni, ich muss mich
vor Allem entschuldigen für etwas, woran ich
nur theilweise schuld bin und nur auf eine
Art schuld bin, die Nachsicht zulässt. Ich
hatte schon
Bei Theurich 1977 (173) und Theurich 1979 (163) mit folgendem Komma.
als ich die erste Hälfte des vorigen Briefes
schrieb vor, Sie um Ihre Bearbeitung zu ersuchen,
vergaß aber daran. Dann nahm ich michr vor
es in der Nachschrift zu thun und vergaß wieder.
Schließlich wollte ich diesem langen Brief
Mus.Nachl. F. Busoni B II, 4550
noch eine Postkarte folgen lassen – aber ich
vergaß zum drittenmal. Haben Sie Nachsicht
mit Vergesslichkeit? Ich bin |sehr| ∿ |auf die| se
Bei Theurich 1977 (173) und Theurich 1979 (163) ist die offenbar beabsichtigte Umstellung von „sehr auf die“ zu „auf die sehr“ (vgl. das Einweisungszeichen und die begonnene, dann gestrichene Wiederholung von „sehr“) nicht berücksichtigt.
ange⸗ wiesen, da sie mich stets in Konflikte bringt.
Ich hoffe Sie nehmen diese Sache nunmehr
nur von dieser Seite und Ihre Verstimmung
ist aus diesem Grunde ist aus der Welt geschafft.
Nun aber bitte ich Sie recht sehr, b mir
Mus.ep. A. Schönberg 11 (Busoni-Nachl. B II)
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24.8.1909
Sehr verehrter Herr Busoni,
ich muss mich
vor allem entschuldigen für etwas, woran ich
nur teilweise schuld bin und nur auf eine
Art schuld bin, die Nachsicht zulässt. Ich
hatte schon,
als ich die erste Hälfte des vorigen Briefes
schrieb, vor, Sie um Ihre Bearbeitung zu ersuchen,
vergaß aber daran. Dann nahm ich mir vor
es in der Nachschrift zu tun, und vergaß wieder.
Schließlich wollte ich diesem langen Brief
noch eine Postkarte folgen lassen – aber ich
vergaß zum dritten Mal. Haben Sie Nachsicht
mit Vergesslichkeit? Ich bin auf die sehr
angewiesen, da sie mich stets in Konflikte bringt.
Ich hoffe, Sie nehmen diese Sache nunmehr
nur von dieser Seite, und Ihre Verstimmung
aus diesem Grunde ist aus der Welt geschafft.
Nun aber bitte ich Sie recht sehr, mir
Ihre Transkription so bald wie möglich zu
schicken; ich bin wirklich begierig, den
„Motivenbericht“ zu Ihrem Verbesserungs-Antrag kennen zu lernen.
Ferner muss ich Ihnen sehr danken für
Ihren in Anbetracht Ihrer berechtigten Verstimmung
wirklich großherzigen Antrag, das eine Stück
und Ihre Paraphrase davon abzudrucken. Aber da
sind so viele
Schwierigkeiten, dass ich wirklich
nicht weiß, ob wir uns werden einigen können.
Zunächst, rein materiell, müsste der Abdruck so
geschehen, dass das mein Recht, das Stück noch einmal
herauszugeben, nicht tangierte,
weil mir sonst ein „Opus“ zerrissen würde.
Dazu hätte ich außerdem die Zustimmung
meines Verlegers nötig, die ich ja allerdings
leicht bekommen könnte. Dann bedrückt
es mich, das ganze Honorar anzunehmen,
wo ja Ihre Bearbeitung ebenfalls Ansprüche
geltend machen sollte.
Aber das Wichtigste und Entscheidendste
für mich ist doch die künstlerische Frage
dabei. Und ob wir da einen Ausweg finden werden …?…?
Sie müssen sich Folgendes vorhalten:
Ich kann doch unmöglich mein Stück herausgeben
und daneben eine Bearbeitung, die zeigt, wie
ich es hätte besser machen sollen. Die also zeigt,
dass meine Komposition unvollkommen ist.
Und ich kann doch unmöglich derjenigen Öffentlichkeit, der ich den Glauben beibringen
will, mein Stück sei gut, gleichzeitig
zeigen,
dass es schlecht ist.
Ich dürfte das – aus Selbsterhaltungstrieb –
nicht einmal, wenn ich es selbst glaubte.
In diesem Fall müsste ich mein Stück entweder vernichten oder es selbst umarbeiten.
Nun aber – Sie verzeihen meine
rückhaltslose Offenheit, wie ich Ihnen die
ihre nicht übelnehme – ich glaube es absolut
nicht. Ich bin fest überzeugt, dass Sie diesen
Stücken Unrecht tun. Ich bin fest überzeugt, dass
Sie denselben Fehler begehen, den jeder phantasievolle Kritiker begeht: Sie wollen nicht sich
auf den Standpunkt des Autors stellen, sondern
wollen im Werke eines andern
sich selbst, durchaus
sich selbst finden. Und das geht eben nicht. Es gibt
keine Kunst, die ganz der Eine ist, der sie geschaffen,
und gleichzeitig ganz
der Andere, der sie genießt. Einer
muss nachgeben, und ich glaube, es muss das der
Genießer sein.
Und Ihre Motivierung scheint mir auch
ganz unrichtig, wenn Sie meinen, dass ich, unnützerweise
auf schon Errungenes Verzicht leistend,
anders, aber nicht reicher werde.
Ich glaube nicht an den neuen Wein, den
man in alte Schläuche füllt. Ich habe in der
Kunstgeschichte die entgegengesetzte Beobachtung
gemacht:
Die kontrapunktische Kunst Bachs ist verloren,
wenn Beethovens melodische Homophonie beginnt.
Die Formenkunst Beethovens wird verlassen,
wenn Wagners Ausdruckskunst beginnt.
Die Einheit der Zeichnung, die Reinheit
des Kolorits, die saubere
Durcharbeitung jedes
Details, das sorgfältige Herausmodellieren,
das Untermalen und das Lasurieren, das
Komponieren im Raum und alles andere, was
die ältere Malkunst ausmacht, hört einfach
auf, wenn die Impressionisten anfangen,
die Dinge so zu malen, wie sie scheinen,
und nicht so, wie sie sind.
Jawohl, wenn eine neue Kunst neue
Ausdrucksmittel sucht und findet, dann
geht zunächst immer fast alles schon Errungene zum Teufel: scheinbar wenigstens;
denn in der Tat ist es doch drin; aber
auf eine andere Art.
(Das auseinanderzusetzen würde zu weit führen.)
Und nun: ich muss sagen, ich habe eigentlich auf mehr verzichtet als auf einen Klavierklang, als ich begann, meiner Natur ganz
zu folgen und solche Musik zu schreiben.
Ich finde, wenn man verzichtet auf eine
Formenkunst, eine Architektur der Oberstimme, eine Kunst der motivischen Polyphonie
von einer Höhe der Vollendung, wie sie in
den letzten Jahrzehnten von Brahms, Wagner
und anderen auch Modernen erreicht wurde – dann
kommt einem das bisschen
Klavierklang
sogar als recht wenig vor. Und ich behaupte:
Man muss die geheimnisvollen Wunder
unserer tonalen Harmonik, ihre unerhört fein
ausgewogenen architektonischen Werte und
ihre kabbalistischen mathematischen so begriffen
und bewundert, angestaunt haben wie ich,
um, wenn man auf sie Verzicht leistet,
zu fühlen, dass man, ihrer nicht mehr bedürfend,
anderen Mitteln gebietet. Dagegen erscheinen
klangliche Fragen, deren Reiz kaum im
selbem Maße der Ewigkeit angehört,
als Kleinigkeiten.
Trotzdem aber stehe ich auch in dieser
Frage auf einem Standpunkt, der es absolut nicht nötig hat, für den eines
Verzichtenden, Verlierenden angesehen
zu werden. Sähen Sie meine neuen
Orchestersachen, so könnten Sie auch an
denen bemerken, wie ich mich deutlich abwende
von dem vollen „Götter- und Übermenschen-Klang“ des Wagner’schen Orchesters. Wie alles
zarter, dünner wird. Wie gebrochene
Farbentöne
stehen, wo sonst helle, leuchtende
waren. Wie meine ganze Orchestertechnik
einen Weg geht, der geradezu das Gegenteil
von dem zu werden scheint, der vorher beschritten wurde. Das ist, finde ich, die
natürliche Reaktion. Wir haben die
vollen, weichen Klänge Wagners
satt, zum Überdruss: „Nun lasst uns
andere Töne anstimmen …“
Der von Schönberg evozierte Textbeginn des Finales von Beethovens 9. Symphonie lautet im Original: „O Freunde, nicht diese Töne, sondern lasst uns angenehmere anstimmen“.
Und nun kommt dazu, dass ich (ich
muss das wiederholen) mich für berechtigt
halte zu glauben, mein Klaviersatz
brächte Neues. So belehrt mich nicht
nur meine Empfindung. Auch Urteile
von Freunden und Schülern drücken
das aus, die meinen, dass mein
Klaviersatz klanglich absolut Neues bringe.
Die Sache steht also für mich so:
Ich glaube, mein Klaviersatz ist nicht
das Ergebnis eines Unvermögens, sondern
der Ausdruck eines festen Willens, bestimmter
Neigungen, greifbar deutlicher Empfindungen.
Was er nicht tut, ist nicht: was
er nicht kann, sondern: was er nicht will.
Was er tut: ist nicht, was auch anders geschehen
könnte, sondern was er tun muss.
Er hat also Eigenart, Stil und ist
organisch. —
Eine Transkription dagegen erweckt
in mir die Befürchtung, dass sie entweder
- hineinträgt, was ich grundsätzlich, oder
meinen Neigungen folgend, vermeide;
- hinzufügt, was ich – in den Grenzen meiner
Persönlichkeit – nie hätte finden können, was
mir also fremd oder unerreichbar ist;
- auslässt, was mir notwendig scheint,
- verbessert, worin ich unvollkommen
bin und unvollkommen bleiben muss.
Eine Transkription tut mir also unbedingt Gewalt an: ob sie meinem Werk
nun nützt oder schadet.
Sie schreiben auch über Transkription
in Ihrer Broschüre,
Vgl. in Busonis Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst den Abschnitt über Notation und Transkription (S. 17–19 der Erstausgabe).
die mir außerordentlich
gefällt und die wirklich beweist, wie dieselben
Ideen in derselben Zeit, gleichzeitig in verschiedenen Köpfen auftauchen. Ich bin insbesondere mit Ihrer Konstatierung sehr einverstanden, dass schon jede Notation überhaupt
Transkription ist. Ich habe schon vor Jahren
ähnlich argumentiert, als die Öffentlichkeit
Mahler angriff, wegen seiner Instrumentations-Änderungen bei Beethoven.
Mahler hat insbesondere die Instrumentation von Beethovens 7. und 9. Symphonie retuschiert.
Aber das ist doch auch noch eine andere
Sache: ob man Beethovens zweifellos veraltete Instrumentenbehandlung und Instrumentation verbessert
auf Grund zweifellos besserer neuerer
Instrumentations-Erfahrungen, und ob
man meinen neuen Klavierstil verbessert
durch ältere Technik oder eine, deren bessere
Geeignetheit zumindest heute noch nicht so
absolut festgestellt ist, so über jeden Zweifel
erhaben ist.
Ich kann das wohl, da ich ja Ihre
Transkription noch nicht kenne, gegenwärtig sagen, ohne dass Sie es als eine
allzu scharfe Kritik ansehen dürfen.
Denn Ihre Bearbeitung kann mich ja
noch immer eines Anderen belehren. Aber
auch abgesehen davon bin ich sicher, dass
Sie mir die Schärfe nicht übelnehmen,
bin dessen sicher, weil Sie ja sonst selbst wohl
nicht so scharf und hart über meine Werke
urteilten.
Und nun finde ich noch etwas, das mir
als Einwand gegen Sie geeignet scheint.
Halten Sie denn wirklich so unendlich
viel von der Vollkommenheit? Halten
Sie denn wirklich diese für erreichbar? Meinen
Sie wirklich, dass Kunstwerke vollkommen
sind oder sein müssen?
Ich finde das nicht. Ich finde sogar
Gottes Kunstwerke, die der Natur
höchst unvollkommen.
Aber für vollkommen finde ich
mir
die Werke der Drechsler, Gärtner,
Zuckerbäcker und Friseure. Nur die
haben jene Glätte, jenes Ebenmaß, das
ich so oft zum Teufel gewünscht habe. Nur
sie genügen so allen Anforderungen, die
man an sie stellen kann, und sonst nichts
Menschliches, Gottähnliches auf der Welt.
Und wenn:
Notation
= Transkription = Unvollkommenheit,
so ist doch auch:
Transkription
= Notation = Unvollkommenheit.
Denn wenn a = b und b = c, so ist auch
a = c.
Wozu also die eine Unvollkommenheit
durch die andere ersetzen.
Wozu jene eliminieren, die
vielleicht
den Reiz eines Werkes ausmacht, und diese dafür
substituieren, die ihm einen ihm fremden
gibt.
Gehören
nicht zum Eigentümlichen
einer Persönlichkeit auch deren Fehler
dazu? Wirken diese, wenn schon nicht
als schön, so doch wenigstens als Kontraste,
als die Grundfarbe, von der sich die
anderen Farben deutlich abheben?
Ich habe oft daran gedacht, dass man
Schumanns Symphonien (den Sie, wie ich meine,
sehr unterschätzen
Vgl. in Busonis Entwurf einer neuen Ästhektik der Tonkunst den Passus zu „Vorspielen und Übergängen“ als der bis dato einzig wahren und freien Musik (Ausgabe 1907, S. 9): „Selbst einen so viel kleineren Schumann ergreift, an solchen Stellen Etwas von dem Unbegrenzten dieser Pan-Kunst“. An anderer Stelle heißt es: „Im Übrigen muten die meisten Klavier-Kompositionen Beethovens wie Transcriptionen vom Orchester an; die meisten Schumann’schen Orchesterwerke wie Übertragungen vom Klavier – und sind’s in gewisser Weise auch.“ (ibid., S. 18).
und den ich heute weit über
Brahms stelle) auf die Beine helfen sollte,
indem man ihre
Instrumentation verbesserte.
Ich war mir auch um alles Theoretische daran ganz
klar. Heuer im Sommer habe ich mich ein
wenig selbst damit befasst und – habe
den Mut dazu verloren. Denn ich sehe zu
genau, dass stets mit dem, was misslungen
ist, etwas sehr Eigenartiges gemeint war,
und ich habe nicht den Mut, einen nicht ganz
zur Wirklichkeit gelangenden interessanten
Einfall durch einen „sicheren“ Klang zu
ersetzen. Und mehr kann die Phantasie
eines Andern
an einem wirklichen Kunstwerk
nicht leisten! —
Rein technisch-musikalisch möchte ich
Sie nun nur noch fragen, ob Sie nicht
vielleicht ein zu langsames Tempo genommen
haben. Das könnte ja viel ausmachen. Oder
zu wenig
Rubato. Ich bleibe niemals im
Takt! Niemals im Tempo! —
Ihr „Entwurf einer neuen Ästhetik der
Tonkunst“ gefällt mir vor allem durch seine
Kühnheit außerordentlich. Insbesondere im Anfange stehen da ein paar kräftige Sätze,
von zwingender Logik und hervorragender Schärfe
der Beobachtung. Über Ihre Ideen mit
den Dritteltönen
Vgl. Busonis Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst (S. 28 f. der Erstausgabe): „Der Drittelton pocht schon seit einiger Zeit an die Pforte, und wir überhören noch immer seine Meldung.“ Im Nachlass Busonis finden sich Skizzen zur dieser Thematik, die Busoni nach eigenen Angaben seit ca. 1906 beschäftigte (vgl. Busoni 1922 (Weindel 2006), S. 118), möglicherweise auch schon sehr viel früher (siehe z. B. seine Versuche über Dritteltöne und neue Skalen, D-B, Mus.Nachl. F. Busoni C I,82).
habe ich, allerdings auf
andere Weise, auch schon viel nachgedacht. Ich
dachte aber mehr an Vierteltöne, bin aber jetzt
der Ansicht, dass diese Sache auf einem anderen
Wege als auf dem der Konstruktion kommen
wird. Überdies hat ein Schüler von mir
Zum Folgenden vgl. den in Schönbergs Harmonielehre (S. 23) frei zitierten Brief Robert Neumanns; er datiert vom 1. März 1911, bezieht sich aber auf offenkundig bereits früher Besprochenes (vgl. Eintrag und Digitalisate in der Briefdatenbank des Arnold-Schönberg-Centers, Wien).
auf meine Anregung hin ausgerechnet, dass
die nächste Teilung der Oktave, die ähnliche
Verhältnisse haben würde wie unsere zwölfteilige,
53stel-Töne
einführen müsste. Wenn Sie
nun 18 Dritteltöne annähmen, käme
das dem einigermaßen nahe, denn 3 × 18 = 54.
Da entfielen dann allerdings die Halbtöne ganz.
Hier liegt ein Verständnisfehler Schönbergs vor: Busonis unternimmt nicht nur eine Einteilung der Oktave in 18 Dritteltöne, sondern, um dabei nicht auf Halbtöne (und damit auf die kleine Terz und die reine Quinte) verzichten zu müssen, auch in eine zweite Dritteltonreihe, die zur ersten um einen Halbton verschoben ist, sodass sich ein Sechsteltonsystem mit 36 Tönen ergibt. Vgl. den entsprechenden Passus in Busonis Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst (S. 29 der Erstausgabe) sowie Busoni 1922 (Weindel 2006), S. 118.
Für die Vierteltöne hatte ich mir seinerzeit folgende Notation erdacht:
Größer- und Kleiner-Zeichen
aus der Mathematik
Ich glaube aber, dass derartige Notierungsversuche kaum werden durchdringen; denn
ich hoffe mit viel Zuversicht, dass unsere
zukünftige Notenschrift eine – wie soll
ich sagen: „drahtlosere“
sein wird.
Auch über die Tonarten
Busoni konstatiert eine Verbrauchtheit des Dur-Moll-Systems und errechnet durch neue Kombinationen der Reihenfolgen von Halbtönen und Ganztönen 113 neue Skalen (vgl. Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst, S. 27 f. der Erstausgabe). Schönberg wird 1911 in seiner Harmonielehre erwidern: „die Plage, Hunderte von Skalen auszurechnen, könnte er sich ersparen. Ich habe mir mit Müh’ und Not die Namen der sieben Kirchentonarten gemerkt; und das waren ‚erst die Namen!‘ Ich werde mir nicht fünf von seinen Tonarten merken können. Wie soll ich dann aber komponieren – wenn ich sie gar nicht vor mir habe.“ (Schönberg 1911, S. 747)
bin ich anderer
Meinung – das bezeugt ja meine Musik.
Ich glaube: Alles das, was man mit 113 Tonarten
machen kann, könnte man auch mit zwei oder drei
oder vier: Dur = Moll,
Ganzton und Chromatische.
Jedenfalls bin ich seit langem dahinter her,
die Fesseln der Tonarten ganz abzustreifen.
Und meine Harmonik kennt keine an Tonarten
erinnernden Akkorde oder Melodien mehr.
Nun zur Beantwortung Ihrer Fragen.
Wie weit ich diese Absichten verwirkliche?
Nicht so weit, als ich gerne möchte. Ganz
genügt mir noch kein Stück. Ich möchte noch
bunter werden an Motiven und melodieunähnlichen
Gestaltungen; ich möchte noch freier
und ungezwungener sein im Rhythmus,
in den
Taktarten; freier von Motivwiederholungen
und melodieartigem Fortspinnen eines
Gedankens. Das schwebt mir vor: so phantasiere ich Musik, bevor ich sie notiere =
transkribiere. Und dazu kann ich mich
nicht zwingen; da muss ich warten, bis
mir ein Stück ganz von selbst so gelingt,
wie es mir vorschwebt.
Im Gegensatz zu dieser ganz auf Intuition setzenden Kompositionstechnik steht Busonis intellektuelles, berechnendes Vorgehen, dass er als Kompositionsvorgang in drei Phasen beschreibt: „Zuerst kommt die Idee, dann entsteht oder man sucht den Einfall, dann folgt die Ausführung.“ (Busoni 1907 (Weindel 2006), S. 33). Schönbergs Arbeitsweise bezeichnete Busoni als anarchisch (vgl. Busoni 1911 (Weindel 2006), S. 58 und Busoni/Galston/Weindel 1999, S. 29 ff. sowie S. 126).
Und damit bin ich auch zur Beantwortung
Ihrer anderen Frage gelangt: wie viel Absichtliches
und wie viel Empfundenes dabei sei.
Meine einzige Absicht ist:
keine Absicht zu haben!
Keine formelle, keine architektonische,
keine sonstige artistische (als etwa die
Stimmung eines Gedichtes zu treffen),
keine ästhetische – überhaupt keine;
oder höchstens die:
dem Strom meiner unbewussten
Empfindungen nichts Hemmendes in den
Weg zu legen. Nichts da hineingeraten
zu lassen, was durch die Intelligenz oder
durch das Bewusstsein hervorgerufen ist.
Kennten Sie meine Entwickelung,
so würden Sie an dem nicht zweifeln.
Aber ich habe mich ja auch auf diese Frage
gefasst gemacht, und so kann ich sie
beantworten. Ich habe gewusst, dass man
an der Natürlichkeit meiner Absichten zweifeln
wird, eben weil sie natürlich sind.
Dass man sie konstruiert finden wird,
eben weil ich alles Konstruktionsmäßige
vermeide.
Aber, wenn man sieht, wie ich mich
stufenweise entwickelt habe, wie ich
längst einer Ausdrucksform nahe war,
zu der ich mich heute klar und rückhaltslos bekenne, wird man verstehen, dass da
nichts Unorganisches, nichts „Verschmockt-Ästhetisches“
vor sich
geht, sondern
dass ein
Müssen dieses Resultat hervorgebracht hat.
Dass ich mir heute darüber auch theoretisch
ziemlich klar bin, kann mir nur der
übelnehmen, der sich den unbewusst-schaffenden Künstler nur als eine Art
Halb-Kretin vorstellen kann; und
der sich keinen Begriff davon macht, dass
nach dem Unbewusst-geschaffenen die
Zeit des ruhigen klaren
Schauens kommt,
in der man sich Rechenschaft gibt über
seine Zustände.
Was das dritte Stück anbelangt, das
Ihnen, wie mich Ihre herbe Kritik vermuten
lässt, vorläufig gar nicht gefällt, so
meine ich, dass es schon wesentlich über das
hinausgeht, was den beiden anderen gelingt.
Mindestens was die früher erwähnte Buntheit anbelangt. Aber auch im „Harmonischen“
– wenn man hier so architektonisch reden
darf – scheint mir manches anders darin.
Insbesondere: manches dünnere, zweistimmigere.
Aber ich halte es auch für ungerecht zu verlangen, dass man in drei kleinen Klavierstücken die Musik dreimal auf verschiedene Arten revolutioniert. Schiene
es nicht berechtigt, wenn man sich so weit außerhalb des Herkömmlichen gestellt hat, nun
einen Augenblick zu verschnaufen, neue
Kräfte zu sammeln, ehe man weiterstürmt?
Und ist es nicht unrecht, das Lakonische als
Manieriertheit zu bezeichnen? Ist das Architektonische
nicht ebenso Manier wie das Pointillistische
und das Impressionistische? Oder ist es ein
Fehler, nicht lang zu werden, wenn
man mit kurz vollkommen auskommt?
Muss denn gebaut werden? Ist die Musik
denn eine Sparkasse? Wird es unbedingt
mehr, wenn es länger ist?
Sollte das ein Fehler sein, dass
ich dort so kurz bin, dann macht dieser
Brief ihn wett! Aber es gab da doch
einige Dinge, die ich sagen wollte –
dass ich es nicht kürzer konnte, liegt
wohl an meiner technischen Unbeholfenheit.
Und nun zum Schluss: Ich hoffe,
Sie sind nicht bös
über meine Offenheit
und bewahren mir Ihr Interesse.
Vielleicht finden Sie einen Ausweg,
eine Erklärung, die es mir möglich
macht, mein Stück in Ihren Heften zu
veröffentlichen.
Keines von Schönbergs Drei Klavierstücken op. 11 wurde in Busonis An die Jugend veröffentlicht. Sie erschienen ein Jahr später bei der Universal-Edition, wo zwei bis drei Wochen danach Busoni seine Bearbeitung von op. 11 Nr. 2 veröffentlichte. Schönberg nahm dies kritisch zur Kenntnis, war sich jedoch zugleich bewusst, „was es heißt, von einem bedeutenden Pianisten so ernst genommen zu werden“ (Ermen 1996, S. 74). Busoni schrieb zu seiner Bearbeitung: „Diese Komposition fordert vom Spieler die verfeinertste Anschlags- und Pedalkunst; einen intimen, improvisierten, ‚schwebenden‘ Vortrag; ein liebevolles Sichversenken in seinen Inhalt, dessen Interpret – rein als Klaviersetzer – hiermit sein zu dürfen, sich zu künstlerischer Ehre rechnet.“ (Busoni/Weindel 2006, S. 125)
Oder aber: vielleicht
bringen Sie alle
drei und die Paraphrase, mit einer
Erklärung, ein andermal??
Jedenfalls hoffe ich, Ihr Wohlwollen
nicht zu verlieren, wenn ich Sie nun
auch bitte, mir mitzuteilen, ob Sie
die Stücke auch spielen wollen. Denn
daran liegt mir selbstverständlich auch
enorm viel.
„Arnold Schönberg, den er intensiv zur Kenntnis nimmt, hat er öffentlich nie gespielt.“ (Ermen 1996, S. 43). Das einzige Werk, das Busoni von Schönberg zur Aufführung brachte, waren Heinrich Schenkers Syrische Tänze, die Schönberg 1903 für Orchester uminstrumentiert hatte; vgl. hierzu den Beginn des Briefwechsels.
Noch etwas Eigentümliches zum Schluss:
Ehe ich diese Klavierstücke komponiert
hatte, wollte ich mich an Sie wenden
– ich kannte Ihre Vorliebe zu Transkriptionen –
mit der Frage, ob Sie nicht eines meiner
Kammer- oder Orchesterwerke als Transkription für Klavier allein in Ihre Konzerte
aufnehmen wollten.
Eigentümlich: Nun treffen wir wieder
bei einer Transkription zusammen!
War das eine von mir missverstandene Nachricht
meines unbewussten Ahnungsvermögens,
die mich an Sie im Zusammenhang
mit einer Transkription denken hieß.
Das fiel mir neulich erst ein!
Ich hoffe, bald eine freundliche Antwort zu erhalten, und empfehle mich bis
dahin mit vollster Hochachtung und
Wertschätzung
Ihr ergebener
Arnold Schönberg
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2Diplomatische Umschrift
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Ihre Transkription so bald wie möglich zu
schicken; ich bin wirklich begiegrig den
„Motivenbericht“ zu Ihrem Verbesserungs=An⸗ trag kennen zu lernen.
Ferner muss ich Ihnen sehr danken für
Ihren in Anbetracht Ihrer berechtigten Verstimmung
Bei Theurich 1977 (173) und Theurich 1979 (163) wird der Oberstrich dem „m“ zugeordnet (als Verdopplungsstrich), nicht dem „u“ (vgl. aber etwa die Zuordnung bei demselben Wort auf der vorherigen Seite).
wirklich großherzigen Antrag eine
Transkription unsicher:
durchgestrichen.
das eine Stück
und Ihre Paraphrase davon abzudrucken. Aber da
sind soviele
Theurich 1977 (173), Theurich 1979 (163) und Beaumont 1987 (392) fälschlich: „frische“ (bzw. „new“).
Schwierigkeiten, dass ich wirklich
nicht weiß, ob wir uns werden einigen können.
Zunächst, rein materiell, müsste der Abdruck so
geschehen, dass das meine Rechte, das Stück noch einmal
heraus zu geben dadurch nicht tangierte,wären
Transkription unsicher:
durchgestrichen.
.
weil mir sonst ein „Opus“ zerrissen würde.
Dazu hätte ich außerdem die Zustimmung
meines Verlegers nötig, die ich ja allerdings
leicht bekommen könnte. Dann bedrückt
es mich, das ganze Honorar anzunehmen,
wo ja Ihre Bearbeitung ebenfalls Ansprüche
geltend machen sollte.
Aber das Wichtigste und Entscheidendste
für mich ist doch die Künstlerische Frage2
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<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split">
<rs key="E0400032">Ihre Transkription</rs> so bald wie möglich zu
<lb/>schicken; ich bin wirklich begie<subst><del rend="overwritten">g</del><add place="across">r</add></subst>ig<reg>,</reg> den
<lb/><soCalled rend="dq-du">Motivenbericht</soCalled> zu Ihrem Verbesserungs<pc>=</pc>An
<lb break="no"/>trag kennen zu lernen.</p>
<p rend="indent-first">Ferner muss ich Ihnen sehr danken für
<lb/>Ihren in Anbetracht Ihrer berechtigten Verstimmung
<note type="commentary" subtype="ed_diff_minor" resp="#E0300314">Bei <bibl><ref target="#E0800004"/> (173)</bibl> und <bibl><ref target="#E0800005"/> (163)</bibl> wird der Oberstrich dem <mentioned>m</mentioned> zugeordnet (als Verdopplungsstrich), nicht dem <mentioned>u</mentioned> (vgl. aber etwa die Zuordnung bei demselben Wort auf der vorherigen Seite).</note>
<lb/>wirklich großherzigen Antrag<reg>,</reg> <del rend="strikethrough"><unclear reason="strikethrough" cert="high">eine</unclear></del> <rs key="E0400113">das eine Stück</rs>
<lb/>und <rs key="E0400032">Ihre Paraphrase davon</rs> abzudrucken. Aber da
<lb/>sind so<reg> </reg>viele
<note type="commentary" subtype="ed_diff_major" resp="#E0300314"><bibl><ref target="#E0800004"/> (173)</bibl>, <bibl><ref target="#E0800005"/> (163)</bibl> und <bibl><ref target="#E0800060"/> (392)</bibl> fälschlich: <q>frische</q> (bzw. <q>new</q>).</note>
Schwierigkeiten, dass ich wirklich
<lb/>nicht weiß, ob wir uns werden einigen können.
<lb/>Zunächst, rein materiell, müsste der Abdruck so
<lb/>geschehen, dass <add place="above">das</add> mein<del rend="strikethrough">e</del> Recht<del rend="strikethrough">e</del>, <rs key="E0400113">das Stück</rs> noch einmal
<lb/>heraus<orig> </orig>zu<orig> </orig>geben<reg>,</reg> <del rend="strikethrough">dadurch</del> nicht tangiert<subst><add place="inline">e,</add><del rend="strikethrough"><unclear reason="strikethrough" cert="high">wären</unclear>.</del></subst>
<lb/>weil mir sonst ein <soCalled rend="dq-du"><rs key="E0400019">Opus</rs></soCalled> zerrissen würde.
<lb/>Dazu hätte ich außerdem die Zustimmung
<lb/><persName key="E0300044">meines Verlegers</persName> nötig, die ich ja allerdings
<lb/>leicht bekommen könnte. Dann bedrückt
<lb/>es mich, das ganze Honorar anzunehmen,
<lb/>wo ja Ihre Bearbeitung ebenfalls Ansprüche
<lb/>geltend machen sollte.</p>
<p type="pre-split" rend="indent-first">Aber das Wichtigste und Entscheidendste
<lb/>für mich ist doch die <choice><orig>K</orig><reg>k</reg></choice>ünstlerische Frage
<note type="foliation" place="bottom-left" resp="#archive">2</note>
</p></div>
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3Faksimile
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3Diplomatische Umschrift
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3XML
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dabei. Und ob wir da einen Aus[…]
1 Zeichen: überschrieben.
weg fin⸗ den werden ….?..?
Sie müssen doch sich folgendes vorhalten:
Ich kann doch unmöglich mein Stück herausgeben
und daneben eine Bearbeitung, die zeigt, wie
ich es hätte besser machen sollen. Die also zeigt,
dass meine Komposition unvollkommen ist.
Und ich kann doch unmöglich, derjenigen Öffent⸗ lichkeit, der ich den Glauben beiz
Transkription unsicher:
überschrieben.
bringen
will, mein Stück sei gut, gleichzeitig
Bei Theurich 1977 (173) und Theurich 1979 (163) „gleichzeitig“ ohne Hervorhebung.
zeigen
dass es schlecht ist.
Ich dürfte das – aus Selbsterhaltungstrieb –
nicht einmal, wenn ich es selbst glaubte.
In diesem Fall müsste ich mein Stück ent⸗ weder vernichten, oder es selbst umarbeiten.
Nun aber – Sie verzeihen meine
rückhaltslose Offenheit, wie ich Ihnen die
Ihre nicht übelnehme – ich glaube es absolut
nicht. Ich bin fest überzeugt, dass Sie diesemn
Stücken Unrecht thun. Ich bin fest überzeugt, dass
Sie denselben Fehler begehen, den jeder phantasie⸗ volle Kritiker begeht: Sie wollen nicht sich
auf den Standpunkt des Autors stellen, sondern3
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<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split">
dabei. Und ob wir da einen Aus<del rend="overwritten"><gap reason="overwritten" extent="1" unit="char"/></del>weg fin
<lb break="no"/>den werden …<orig>.</orig>?<choice><orig>..</orig><reg>…</reg></choice>?</p>
<p rend="indent-first">Sie müssen <del rend="strikethrough">doch</del> sich <choice><orig>f</orig><reg>F</reg></choice>olgendes vorhalten:
<lb/>Ich kann doch unmöglich <rs key="E0400113">mein Stück</rs> herausgeben
<lb/>und daneben <rs key="E0400032">eine Bearbeitung</rs>, die zeigt, wie
<lb/>ich es hätte <hi rend="underline">besser</hi> machen sollen. Die also zeigt,
<lb/>dass <rs key="E0400113">meine Komposition</rs> <hi rend="underline">unvollkommen</hi> ist.
<lb/>Und ich kann doch unmöglich<orig>,</orig> derjenigen Öffent
<lb break="no"/>lichkeit, der ich den Glauben bei<subst><del rend="overwritten"><unclear cert="high" reason="overwritten">z</unclear></del><add place="across">b</add></subst>ringen
<lb/>will, <rs key="E0400113">mein Stück</rs> sei <hi rend="underline">gut</hi>, <hi rend="underline">gleichzeitig</hi>
<note type="commentary" subtype="ed_diff_minor" resp="#E0300314">Bei <bibl><ref target="#E0800004"/> (173)</bibl> und <bibl><ref target="#E0800005"/> (163)</bibl> <q>gleichzeitig</q> ohne Hervorhebung.</note>
zeigen<reg>,</reg>
<lb/>dass es <hi rend="underline">schlecht</hi> ist.</p>
<p rend="indent-first">Ich dürfte das – aus Selbsterhaltungstrieb –
<lb/>nicht einmal, wenn ich es selbst glaubte.
<lb/>In diesem Fall müsste ich <rs key="E0400113">mein Stück</rs> ent
<lb break="no"/>weder vernichten<orig>,</orig> oder es <hi rend="underline">selbst umarbeiten</hi>.</p>
<p type="pre-split" rend="indent-first">Nun aber – Sie verzeihen meine
<lb/>rückhaltslose Offenheit, wie ich Ihnen die
<lb/><choice><orig>I</orig><reg>i</reg></choice>hre nicht übelnehme – <hi rend="underline">ich glaube es absolut</hi>
<lb/><hi rend="underline">nicht</hi>. Ich bin fest überzeugt, dass Sie <rs key="E0400019">diese<subst><del rend="overwritten">m</del><add place="across">n</add></subst>
<lb/>Stück<add place="inline">en</add></rs> Unrecht t<orig>h</orig>un. Ich bin fest überzeugt, dass
<lb/>Sie denselben Fehler begehen, den <hi rend="underline">jeder</hi> <hi rend="underline">phantasie
<lb break="no"/>volle</hi> Kritiker begeht: Sie wollen nicht sich
<lb/>auf den Standpunkt des Autors stellen, sondern
<note type="foliation" place="bottom-right" resp="#archive">3</note>
</p></div>
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4Faksimile
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4Diplomatische Umschrift
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wollen im Werke eines andern
Theurich 1977 (174) und Theurich 1979 (164): „anderen“.
sich selbst, durchaus
sich selbst finden. Und das geht eben nicht. Es giebt
keine Kunst, die ganz der Eine ist der sie geschaffen
und gleichzeitig ganz
Bei Theurich 1977 (174) und Theurich 1979 (164) „ganz“ ohne Hervorhebung.
der Andere der sie genießt. Einer
muss nachgeben und ich glaube, es muss das der
Genießer sein.
Und Ihre Motivierung scheint mir auch
ganz unrichtig, wenn Sie meinen dass ich, unnützer⸗ weise
Theurich 1979 (164): „unützerweise“.
auf schon Errungenes Verzicht leistend,
anders aber nicht reicher werde.
Ich glaube nicht an den neuen Wein, den
man in alte Schläuche füllt. Ich habe in der
Kunstgeschichte die entgegengesetzte Beobachtung
gemacht:
Die Kontrapunktische Kunst Bachs ist verloren,
wenn Beethovens melodische Homophonie beginnt.
Die Formenkunst Beethovens wird verlassen,
wenn Wagners Ausdrucks=Kunst beginnt.
Die Einheit der Zeichnung, die Reinheit
Theurich 1977 (174), Theurich 1979 (164) und Beaumont 1987 (392): „Reichheit“ (bzw. „richness“).
des Colorits, die saubere
Theurich 1977 (174), Theurich 1979 (164) fälschlich: „frühere“; bei Beaumont 1987 (392) ausgelassen („working out of minutest details“).
Durcharbeitung jedes
Details, das sorgfältige Herausmodellieren,
das Untermalen und das Lasurieren, das
Komponieren im Raum und alles Andere was
die ältere Malkunst ausmacht hört einfach4
|
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split">
wollen im Werke eines andern
<note type="commentary" subtype="ed_diff_minor" resp="#E0300314"><bibl><ref target="#E0800004"/> (174)</bibl> und <bibl><ref target="#E0800005"/> (164)</bibl>: <q>anderen</q>.</note>
sich selbst, <hi rend="underline">durchaus
<lb/>sich selbst</hi> finden. Und das geht eben nicht. Es gi<orig>e</orig>bt
<lb/>keine Kunst, die ganz der Eine <choice><orig>ist</orig><reg>ist,</reg></choice> der sie geschaffen<reg>,</reg>
<lb/>und gleichzeitig <add place="above"><hi rend="underline">ganz</hi></add>
<note type="commentary" subtype="ed_diff_minor" resp="#E0300314">Bei <bibl><ref target="#E0800004"/> (174)</bibl> und <bibl><ref target="#E0800005"/> (164)</bibl> <q>ganz</q> ohne Hervorhebung.</note>
der Andere<reg>,</reg> der sie genießt. Einer
<lb/>muss nachgeben<reg>,</reg> und ich glaube, es muss das der
<lb/>Genießer sein.</p>
<p rend="indent-first">Und Ihre Motivierung scheint mir auch
<lb/>ganz unrichtig, wenn Sie meinen<reg>,</reg> dass ich, unnützer
<lb break="no"/>weise
<note type="commentary" subtype="ed_diff_minor" resp="#E0300314"><bibl><ref target="#E0800005"/> (164)</bibl>: <q>unützerweise</q>.</note>
auf schon Errungenes Verzicht leistend,
<lb/>anders<reg>,</reg> aber nicht reicher werde.</p>
<p rend="indent-first">Ich glaube nicht an den <hi rend="underline">neuen Wein</hi>, den
<lb/>man in alte Schläuche füllt. Ich habe in der
<lb/>Kunstgeschichte die entgegengesetzte Beobachtung
<lb/>gemacht:</p>
<p rend="indent-first">Die <choice><orig>K</orig><reg>k</reg></choice>ontrapunktische Kunst <persName key="E0300012">Bachs</persName> ist verloren,
<lb/>wenn <persName key="E0300001">Beethovens</persName> melodische Homophonie beginnt.</p>
<p rend="indent-first">Die Formenkunst <persName key="E0300001">Beethovens</persName> wird verlassen,
<lb/>wenn <persName key="E0300006">Wagners</persName> Ausdrucks<choice><orig><pc>=</pc>K</orig><reg>k</reg></choice>unst beginnt.</p>
<p type="pre-split" rend="indent-first">Die Einheit der Zeichnung, die Reinheit
<note type="commentary" subtype="ed_diff_major" resp="#E0300314"><bibl><ref target="#E0800004"/> (174)</bibl>, <bibl><ref target="#E0800005"/> (164)</bibl> und <bibl><ref target="#E0800060"/> (392)</bibl>: <q>Reichheit</q> (bzw. <q>richness</q>).</note>
<lb/>des <choice><orig>C</orig><reg>K</reg></choice>olorits, die saubere
<note type="commentary" subtype="ed_diff_major" resp="#E0300314"><bibl><ref target="#E0800004"/> (174)</bibl>, <bibl><ref target="#E0800005"/> (164)</bibl> fälschlich: <q>frühere</q>; bei <bibl><ref target="#E0800060"/> (392)</bibl> ausgelassen (<q>working out of minutest details</q>).</note>
Durcharbeitung jedes
<lb/>Details, das sorgfältige Herausmodellieren,
<lb/>das Untermalen und das Lasurieren, das
<lb/>Komponieren im Raum und alles <choice><orig>A</orig><reg>a</reg></choice>ndere<reg>,</reg> was
<lb/>die ältere Malkunst ausmacht<reg>,</reg> hört einfach
<note type="foliation" place="bottom-left" resp="#archive">4</note>
</p></div>
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2
auf wenn die Impressionisten anfangen
die Dinge so zu malen, wie sie scheinen
und nicht so wie sie sind.
Jawohl, wenn eine neue Kunst neue
Ausdrucksmittel sucht und findet, dann
geht zunächst immer fast alles schon Errun⸗ gene zum Teufel: scheinbar wenigstens;
denn ich in der Tat ist es doch no
Transkription unsicher:
überschrieben.
drin; aber
auf eine A […]
1 Zeichen: überschrieben.
andere Art.ist es doch drin
(Das auseinanderzusetzen würde zu weit⸗ führen)
Und nun: ich muss sagen, ich habe eigent⸗ lich auf mehr verzichtet, als auf einen Klavier⸗ klang, als ich begann meiner Natur ganz
zu folgen und solche Musik zu schreiben.
Ich finde, wenn man eineverzichtet auf eine
Formenkunst, eine Architektur der Ober⸗ stimme, eine Kunst der motivischen Polyphonie
von einer Höhe desr Könnens Vollendung, wie sie in
den letzten Jahrzehnten von Brahms, Wagner
und anderen auch Modernen erreicht wurde – dann
kommt Einem das bischen
Theurich 1977 (174) und Theurich 1979 (164): „bißchen“.
Klavierklang
sogar als recht wenig vor. Und ich behaupte:5
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<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split">
<note type="foliation" place="top-right" resp="#major_hand"><hi rend="encircled">2</hi></note>
auf<reg>,</reg> wenn die Impressionisten anfangen<reg>,</reg>
<lb/>die Dinge so zu malen, wie sie <hi rend="underline">scheinen</hi><reg>,</reg>
<lb/>und nicht so<reg>,</reg> wie sie <hi rend="underline">sind</hi>.</p>
<p rend="indent-first">Jawohl, wenn eine neue Kunst neue
<lb/>Ausdrucksmittel sucht und findet, dann
<lb/>geht zunächst immer fast alles schon Errun
<lb break="no"/>gene zum Teufel: scheinbar wenigstens;
<lb/>denn <del rend="strikethrough">ich</del> in der Tat ist es doch <subst><del rend="overwritten"><unclear reason="overwritten" cert="high">no</unclear></del><add place="across">dr</add></subst>in; aber
<lb/>auf eine <del rend="strikethrough">A</del> <subst><del rend="overwritten"><gap reason="overwritten" unit="char" extent="1"/></del><add place="across">a</add></subst>ndere Art<subst><add place="inline">.</add><del rend="strikethrough">ist es doch drin</del></subst>
<lb/>(Das auseinanderzusetzen würde zu weit<choice><orig><lb break="no"/></orig><reg> </reg></choice>führen<reg>.</reg>)</p>
<p type="pre-split" rend="indent-first">Und nun: ich muss sagen, ich habe eigent
<lb break="no"/>lich auf mehr verzichtet<orig>,</orig> als auf einen Klavier
<lb break="no"/>klang, als ich begann<reg>,</reg> meiner Natur ganz
<lb/>zu folgen und <hi rend="underline">solche</hi> Musik zu schreiben.
<lb/>Ich finde, wenn man <subst><del rend="overwritten">eine</del><add place="across">verz</add></subst>ichtet auf eine
<lb/><hi rend="underline">Formenkunst</hi>, eine Architektur der Ober
<lb break="no"/>stimme, eine Kunst der motivischen Polyphonie
<lb/>von einer Höhe de<del rend="strikethrough">s</del><add place="above">r</add> <del rend="strikethrough">Könnens</del> Vollendung, wie sie in
<lb/>den letzten Jahrzehnten von <persName key="E0300009">Brahms</persName>, <persName key="E0300006">Wagner</persName>
<lb/>und anderen auch Modernen erreicht wurde – dann
<lb/>kommt <choice><orig>E</orig><reg>e</reg></choice>inem das bis<reg>s</reg>chen
<note type="commentary" subtype="ed_diff_minor" resp="#E0300314"><bibl><ref target="#E0800004"/> (174)</bibl> und <bibl><ref target="#E0800005"/> (164)</bibl>: <q>bißchen</q>.</note>
Klavierklang
<lb/>sogar als recht wenig vor. Und ich behaupte:
<note type="foliation" place="bottom-right" resp="#archive">5</note>
</p></div>
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6Diplomatische Umschrift
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Man muss die geheimnisvollen […]
1 Zeichen: überschrieben.
Wunder
unser[er] tonalen Harmonik, dieihre unerhörten fein
ausgewogenen architektonischen Werte und
ihre Kabbalistischen mathematischen so begriffen
und bewundert, angestaunt haben, wie ich
um, wenn man auf Ssie Verzicht leistet,
zu fühlen, dass man, ihrer nicht mehr bedürfend,
anderen Mitteln gebietet. Dagegen erscheinen
klangliche Fragen, deren Reiz kaum im
selbem Maße der Ewigkeit angehörent,
als Kleinigkeiten.
Trotzdem aber stehe ich auch in dieser
Frage auf einem […]
höchstens 2 Zeichen: überschrieben.
Standpunkt, der es ab⸗ solut nicht nötig hat für den eines
Verzichtenden, Verlierenden angesehen
zu werden. Sähen Sie meine neuen
Orchestersachen, s[…]
1 Zeichen: überschrieben.
o könnten Sie auch an
denen sehenbemerken, wie ich mich deutlich abwende
von dem vollen „Götter= und Uebermenschen= Klang“ des Wagnerschen Orchesters. Wie alles
zarter dünner wird. Wie gebrochene
Farbentöne
Theurich 1977 (174): „Farbtöne“.
stehen, wo sonst helle, leuchtende6
|
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split">
Man muss die geheimnisvollen <subst><del rend="overwritten"><gap reason="overwritten" unit="char" extent="1"/></del><add place="across">W</add></subst>under
<lb/>unser<supplied reason="omitted">er</supplied> tonalen Harmonik, <subst><del rend="overwritten">die</del><add place="across">ihre</add></subst> unerhört<subst><del rend="overwritten">en</del><add place="across"> fe</add></subst>in
<lb/>ausgewogenen architektonischen Werte und
<lb/>ihre <choice><orig>K</orig><reg>k</reg></choice>abbalistischen mathematischen so begriffen
<lb/>und bewundert, angestaunt haben<orig>,</orig> wie <hi rend="underline">ich</hi><reg>,</reg>
<lb/>um, wenn man auf <del rend="strikethrough">S</del>sie Verzicht leistet,
<lb/>zu fühlen, dass man, ihrer nicht mehr bedürfend,
<lb/>anderen Mitteln gebietet. Dagegen erscheinen
<lb/>klangliche Fragen, deren Reiz kaum im
<lb/>selbem Maße der Ewigkeit angehör<subst><del rend="strikethrough">en</del><add place="across">t</add></subst>,
<lb/>als Kleinigkeiten.</p>
<p type="pre-split" rend="indent-first">Trotzdem aber stehe ich auch in dieser
<lb/>Frage auf einem <subst><del rend="overwritten"><gap reason="overwritten" atMost="2" unit="char"/></del><add place="across">St</add></subst>andpunkt, der es ab
<lb break="no"/>solut nicht nötig hat<reg>,</reg> für den eines
<lb/>Verzichtenden, Verlierenden angesehen
<lb/>zu werden. Sähen Sie <rs key="E0400020">meine neuen
<lb/>Orchestersachen</rs>, s<subst><del rend="overwritten"><gap reason="overwritten" extent="1" unit="char"/></del><add place="across">o</add></subst> könnten Sie auch an
<lb/>denen <subst><del rend="strikethrough">sehen</del><add place="above">bemerken</add></subst>, wie ich mich deutlich abwende
<lb/>von dem vollen <soCalled rend="dq-du">Götter<pc>=</pc> und <choice><orig>Ue</orig><reg>Ü</reg></choice>bermenschen<pc>=</pc>
<lb break="no"/>Klang</soCalled> des <persName key="E0300006">Wagner</persName><reg>’</reg>schen Orchesters. Wie alles
<lb/>zarter<reg>,</reg> dünner wird. Wie gebrochene
<lb/>Farbentöne
<note type="commentary" subtype="ed_diff_minor" resp="#E0300314"><bibl><ref target="#E0800004"/> (174)</bibl>: <q>Farbtöne</q>.</note>
stehen, wo sonst helle, leuchtende
<note type="foliation" place="bottom-left" resp="#archive">6</note>
</p></div>
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7Faksimile
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7Diplomatische Umschrift
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B II, 4550
waren. Wie meine ganze Orchestertechnik
einen Weg geht, der geradezu das Gegentheil
von dem zu werden scheint, […]
höchstens 2 Zeichen: überschrieben.
der vorher be⸗ schritten wurde. Das ist, finde ich, die
natürliche Reaktion. Wir haben die
vollen, W weichen Klänge Wagners
satt, zum Ueberdruss: „Nun lasst uns
andere Töne anstimmen …“
Der von Schönberg evozierte Textbeginn des Finales von Beethovens 9. Symphonie lautet im Original: „O Freunde, nicht diese Töne, sondern lasst uns angenehmere anstimmen“.
Und nun kommt dazu, dass ich (ich
muss das wiederholen) mich für berechtigt
halte zu glauben, mein Claviersatz
brächte Neues. So belehrt mich nicht
nur meine Empfindung. Auch Urteile
Theurich 1977 (174) und Theurich 1979 (165): „Urtheile“.
von Freunden und Schülern drücken
das […]
1 Zeichen: durchgestrichen.
aus, die meinen, da[s]s mein
Klaviersatz […]
höchstens 3 Zeichen: überschrieben.
klanglich absolut Neues bringe.
Die Sache steht also für mich so:
Ich glaube:, mein Klaviersatz ist nicht
das Ergebnis eines Unvermögens, sondern
der Ausdruck eines festen Willens, bestimmter
Neigungen, greifbar deutlicher Empfindungen.
Was er […]
1 Zeichen: durchgestrichen.
nicht thut, ist nicht: was
er […]
1 Zeichen: durchgestrichen.
nicht kann, sondern: was er nicht will. 7
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<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split">
<note type="shelfmark" place="top" resp="#archive">B II, 4550</note>
waren. Wie meine ganze Orchestertechnik
<lb/>einen Weg geht, der geradezu das Gegent<orig>h</orig>eil
<lb/>von dem zu werden scheint, <subst><del rend="overwritten"><gap reason="overwritten" atMost="2" unit="char"/></del><add place="across">de</add></subst>r vorher be
<lb break="no"/>schritten wurde. Das ist, finde ich, die
<lb/>natürliche Reaktion. Wir haben die
<lb/>vollen, <del rend="strikethrough">W</del> weichen Klänge <persName key="E0300006">Wagners</persName>
<lb/>satt, zum <choice><orig>Ue</orig><reg>Ü</reg></choice>berdruss: <q source="#E0400001" rend="dq-du">Nun lasst uns
<lb/>andere Töne anstimmen …</q>
<note type="commentary" resp="#E0300313">Der von <persName key="E0300023">Schönberg</persName> evozierte Textbeginn des Finales von <persName key="E0300001">Beethovens</persName> <title key="E0400001">9. Symphonie</title> lautet im Original: <q>O Freunde, nicht diese Töne, sondern lasst uns angenehmere anstimmen</q>.</note>
</p>
<p rend="indent-first">Und nun kommt dazu, dass ich (ich
<lb/>muss das wiederholen) mich für berechtigt
<lb/>halte zu glauben, mein <choice><orig>C</orig><reg>K</reg></choice>laviersatz
<lb/>brächte <hi rend="underline">Neues</hi>. So belehrt mich nicht
<lb/>nur meine Empfindung. Auch Urteile
<note type="commentary" subtype="ed_diff_minor" resp="#E0300314"><bibl><ref target="#E0800004"/> (174)</bibl> und <bibl><ref target="#E0800005"/> (165)</bibl>: <q>Urtheile</q>.</note>
<lb/>von Freunden und Schülern drücken
<lb/>das <del rend="strikethrough"><gap reason="strikethrough" extent="1" unit="char"/></del> aus, die meinen, da<supplied reason="omitted">s</supplied>s mein
<lb/>Klaviersatz <subst><del rend="overwritten"><gap reason="overwritten" atMost="3" unit="char"/></del><add place="across">kla</add></subst>nglich absolut Neues bringe.</p>
<p rend="align(center)">Die Sache steht also für mich so:
<lb/>Ich glaube<subst><del rend="overwritten">:</del><add place="across">,</add></subst> mein Klaviersatz ist nicht
<lb/>das Ergebnis eines Unvermögens, sondern
<lb/>der Ausdruck eines <hi rend="underline">festen Willens</hi>, <hi rend="underline">bestimmter
<lb/>Neigungen</hi>, <hi rend="underline">greifbar deutlicher Empfindungen.</hi>
<lb/>Was er <del rend="strikethrough"><gap reason="strikethrough" extent="1" unit="char"/></del><hi rend="underline">nicht t<orig>h</orig>ut</hi>, ist nicht: was
<lb/>er <del rend="strikethrough"><gap reason="strikethrough" extent="1" unit="char"/></del><hi rend="underline">nicht kann</hi>, sondern: was er <hi rend="underline">nicht</hi> will.</p>
<note type="foliation" place="bottom-right" resp="#archive">7</note>
</div>
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8Faksimile
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8Diplomatische Umschrift
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8XML
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Was er thut: ist nicht was auch andersbesser geschehen
könnte, sondern was er thun muss.
Er hat also Eigen[…]
höchstens 2 Zeichen: überschrieben.
art, Stil und ist
organisch. —
Ein[e] Transkription dagegen erweckt
in mir die Befürchtung, dass sie entweder
- hineinträgt, was ich grundsätzlich, oder
meinen Neigungen folgend vermeide;
Bei Theurich 1977 (175) und Theurich 1979 (166) „vermeide“ ohne Hervorhebung.
- hinzufügt, was ich – in den Grenzen meiner
Persönlichkeit – nie hätte finden können, was
mir also fremd, oder unerreichbar ist;
- auslässt was mir nothwendig scheint,
- verbessert, worin ich unvollkommen
bin und unvollkommen bleiben muss.
Eine Transkription thut mir also un⸗ bedingt Gewalt an: ob Sie meinem Werk
nun nützt oder schadet.
Deutsche Staatsbibliothek Berlin
Sie schreiben auch über Transkription
in Ihrer Brochure,
Theurich 1977 (173) und Theurich 1979 (166): „Broschüre“.
Vgl. in Busonis Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst den Abschnitt über Notation und Transkription (S. 17–19 der Erstausgabe).
die mir außerordentlich
gefällt und die wirklich beweist, wie dieselben
Ideen in derselben Zeit, gleichzeitig in ver⸗ schiedenen Köpfen auftauchen. Ich bin insbe⸗8
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<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split">
<p rend="indent-first">Was er t<orig>h</orig>ut: ist nicht<reg>,</reg> was auch <subst><add place="above">anders</add><del rend="strikethrough">besser</del></subst> geschehen
<lb/>könnte, sondern was er t<orig>h</orig>un <hi rend="underline">muss</hi>.
<lb/>Er hat also Eigen<subst><del rend="overwritten"><gap reason="overwritten" unit="char" atMost="2"/></del><add place="across">a</add></subst>rt, Stil und ist
<lb/>organisch. —</p>
<p rend="indent-first">Ein<supplied reason="omitted">e</supplied> Transkription dagegen erweckt
<lb/>in mir die Befürchtung, dass sie entweder
<list rend="indent-first">
<item><hi rend="underline">hineinträgt, was ich</hi> grundsätzlich, oder
<lb/>meinen Neigungen folgend<reg>,</reg> <hi rend="underline">vermeide</hi>;
<note type="commentary" subtype="ed_diff_minor" resp="#E0300314">Bei <bibl><ref target="#E0800004"/> (175)</bibl> und <bibl><ref target="#E0800005"/> (166)</bibl> <q>vermeide</q> ohne Hervorhebung.</note>
</item>
<item><hi rend="underline">hinzufügt</hi>, was ich – in den Grenzen meiner
<lb/>Persönlichkeit – nie hätte finden können, was
<lb/>mir also fremd<orig>,</orig> oder unerreichbar ist;</item>
<item><hi rend="underline">auslässt</hi><reg>,</reg> was mir not<orig>h</orig>wendig scheint,</item>
<item><hi rend="underline">verbessert</hi>, worin ich unvollkommen
<lb/>bin und unvollkommen bleiben muss.</item>
</list>
</p>
<p rend="indent-first">Eine Transkription t<orig>h</orig>ut mir also un
<lb break="no"/>bedingt Gewalt an: ob <choice><orig>Sie</orig><reg>sie</reg></choice> meinem Werk
<lb/>nun nützt oder schadet.
<note type="stamp" place="inline" resp="#dsb_st_red">
<stamp rend="round border align(center) small">Deutsche<lb/>Staatsbibliothek<lb/><placeName key="E0500029"><hi rend="spaced-out">Berlin</hi></placeName></stamp>
</note>
</p>
<p type="pre-split" rend="indent-first">Sie schreiben auch über Transkription
<lb/>in <rs type="works" key="E0400043 E0800315">Ihrer Bro<reg>s</reg>ch<choice><orig>u</orig><reg>ü</reg></choice>re</rs>,
<note type="commentary" subtype="ed_diff_minor" resp="#E0300314"><bibl><ref target="#E0800004"/> (173)</bibl> und <bibl><ref target="#E0800005"/> (166)</bibl>: <q>Broschüre</q>.</note>
<note type="commentary" resp="#E0300314">Vgl. in <persName key="E0300017">Busonis</persName> <title key="E0400043">Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst</title> den <ref target="#D0200001" n="17">Abschnitt über Notation und Transkription</ref> (<ref target="#D0200001" n="17">S. 17–19 der Erstausgabe</ref>).</note>
die mir außerordentlich
<lb/>gefällt und die wirklich beweist, wie dieselben
<lb/>Ideen in derselben Zeit, gleichzeitig in ver
<lb break="no"/>schiedenen Köpfen auftauchen. Ich bin insbe
<note type="foliation" place="bottom-left" resp="#archive">8</note>
</p></div>
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9Faksimile
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9Diplomatische Umschrift
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sondere mit Ihrer Konstatierung sehr einver⸗ standen, dass schon jede Notation überhaupt
Transkription ist. Ich habe schon vor Jahren
ähnlich argumentiert, als die Öffentlichkeit
Mahler angriff, wegen seiner Instrumen⸗ tations=Änderungen bei Beethoven.
Mahler hat insbesondere die Instrumentation von Beethovens 7. und 9. Symphonie retuschiert.
Aber das ist doch auch noch eine andere
Sache: ob man Beethovens zweifellos veraltete Instrumente[n]⸗ behandlung und Instrumentation verbessert
auf Grundlage neu
Transkription unsicher:
überschrieben.
zweifellos besserer neuerer
Instrumentations=Erfahrungen, als
Transkription unsicher:
überschrieben.
und ob
man meinen neuen Klavierstyl verbessert
durch ältere Technik oder eine deren bessere
Geeignetheit zumindest heute noch nicht so
absolut festgestellt ist, so über jeden Zweifel
erhaben ist.
Ich kann das wohl, da ich ja Ihre
Transkription noch nicht kenne, gegen⸗ wärtig sagen, ohne dass Sie es als eine
allzu scharfe Kritik ansehen dürfen.
Denn Ihre Bearbeitung kann mich ja9
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<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split">
<note type="foliation" place="top-right" resp="#major_hand"><hi rend="encircled">3</hi></note>
sondere mit Ihrer Konstatierung sehr einver
<lb break="no"/>standen, dass schon jede Notation überhaupt
<lb/>Transkription ist. Ich habe schon vor Jahren
<lb/>ähnlich argumentiert, als die Öffentlichkeit
<lb/><persName key="E0300047">Mahler</persName> angriff, wegen seiner Instrumen
<lb break="no"/>tations<pc>=</pc>Änderungen bei <persName key="E0300001">Beethoven</persName>.
<note type="commentary" resp="#E0300313"><persName key="E0300047">Mahler</persName> hat insbesondere die Instrumentation von <persName key="E0300001">Beethovens</persName> <title key="E0400309">7.</title> und <title key="E0400001">9. Symphonie</title> retuschiert.</note>
<lb/>Aber das ist doch auch noch eine andere
<lb/>Sache: ob man <persName key="E0300001">Beethovens</persName> <add place="above">zweifellos</add> <hi rend="underline">veraltete</hi> Instrumente<supplied reason="omitted">n</supplied>
<lb break="no"/>behandlung und Instrumentation verbessert
<lb/>auf Grund<del rend="strikethrough">lage</del> <subst><del rend="overwritten"><unclear reason="overwritten" cert="high">neu</unclear></del><add place="across">zwe</add></subst>ifellos besserer <hi rend="underline">neuerer</hi>
<lb/>Instrumentations<pc>=</pc>Erfahrungen, <subst><del rend="overwritten"><unclear reason="overwritten" cert="high">als</unclear></del><add place="across">un</add></subst>d ob
<lb/>man meinen neuen Klavierst<choice><orig>y</orig><reg>i</reg></choice>l verbessert
<lb/>durch ältere Technik oder eine<reg>,</reg> deren bessere
<lb/>Geeignetheit zumindest heute noch nicht so
<lb/>absolut festgestellt ist, so über jeden Zweifel
<lb/>erhaben ist.</p>
<p type="pre-split" rend="indent-first">Ich kann das wohl, da ich ja <rs key="E0400032">Ihre
<lb/>Transkription</rs> noch nicht kenne, gegen
<lb break="no"/>wärtig sagen, ohne dass Sie es als eine
<lb/>allzu scharfe Kritik ansehen dürfen.
<lb/>Denn Ihre Bearbeitung kann mich ja
<note type="foliation" place="bottom-right" resp="#archive">9</note>
</p></div>
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noch immer eines Anderen belehren. Aber
auch abgesehen, davon, bin ich sicher, dass
Sie mir die Schärfe nicht übelnehmen,
bin dessen sicher, weil Sie ja sonst selbst wohl
nicht so scharf und hart über meine Werke
urteilten.
Und nun finde ich noch etwas, das mir
als Einwand gegen Sie geeignet scheinet.
Halten Sie denn wirklich so unendlich
viel f von der Vollkommenheit? Halten
Sie denn wirklich diese für erreichbar? Meinen
Sie wirklich, dass Kunstwerke vollkommen
sind oder sein müssen?
Ich finde das nicht. Ich finde sogar
Gottes Kunstwerke, die der Natur
höchst unvollkommen.
Aber für vollkommen finde ich
mir
Transkription unsicher:
unleserlich.
Alternative Lesart:
nur
Theurich 1977 (175), Theurich 1979 (167) und Beaumont 1987 (394): „nur“ (bzw. „only“).
die Werke der Drechsler, Gärtner,
Zuckerbäcker und Friseure. Nur die
haben jene Glätte, jenes Ebenmass, das
ich sooft zum Teufel gewünscht habe. Nur
sie genügen so allen Anforderungen, die10
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<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split">
noch immer eines Anderen belehren. Aber
<lb/>auch abgesehen<subst><del rend="overwritten">, </del><add place="across"> d</add></subst>avon<orig>,</orig> bin ich sicher, dass
<lb/>Sie mir die Schärfe nicht übelnehmen,
<lb/>bin <add place="above">dessen</add> sicher, weil Sie ja sonst selbst wohl
<lb/>nicht so scharf und hart über meine Werke
<lb/>urteilten.</p>
<p rend="indent-first">Und nun finde ich noch etwas, das mir
<lb/>als Einwand gegen Sie geeignet schein<subst><del rend="overwritten">e</del><add place="across">t</add></subst>.</p>
<p rend="indent-first">Halten Sie denn wirklich so unendlich
<lb/>viel <del rend="strikethrough">f</del> von der Vollkommenheit? Halten
<lb/>Sie denn wirklich diese <add place="above">für</add> erreichbar? Meinen
<lb/>Sie wirklich, dass Kunstwerke vollkommen
<lb/>sind oder sein müssen?</p>
<p rend="indent-first">Ich finde das nicht. Ich finde sogar
<lb/>Gottes Kunstwerke, die der Natur
<lb/>höchst unvollkommen.</p>
<p type="pre-split" rend="indent-first">Aber für vollkommen finde ich
<lb/><choice><unclear reason="illegible" cert="high">mir</unclear><unclear reason="illegible" cert="low">nur</unclear></choice>
<note type="commentary" subtype="ed_diff_minor" resp="#E0300314"><bibl><ref target="#E0800004"/> (175)</bibl>, <bibl><ref target="#E0800005"/> (167)</bibl> und <bibl><ref target="#E0800060"/> (394)</bibl>: <q>nur</q> (bzw. <q>only</q>).</note>
die Werke der <hi rend="underline">Drechsler</hi>, <hi rend="underline">Gärtner,</hi>
<lb/><hi rend="underline">Zuckerbäcker</hi> und <hi rend="underline">Friseure</hi>. Nur die
<lb/>haben jene Glätte, jenes Ebenma<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>, das
<lb/>ich so<reg> </reg>oft zum Teufel gewünscht habe. Nur
<lb/>sie genügen so allen Anforderungen, die
<note type="foliation" place="bottom-left" resp="#archive">10</note>
</p></div>
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B II, 4550
man an sie stellen kann und sonst nichts
Menschliches, Gottähnliches auf der Welt.
Und wenn:
Notation
Theurich 1977 (175), Theurich 1979 (167) und Beaumont 1987 (394): „Notation“ ohne Hervorhebung.
= Transkription = Unvollkommenheit
so ist doch auch:
Transkription
Theurich 1977 (175), Theurich 1979 (167) und Beaumont 1987 (394): „Transkription“ ohne Hervorhebung.
= Notation = Unvollkom̅enheit.
Denn wenn a = b und b = c so ist auch
a = c.
Deutsche Staatsbibliothek Berlin
Wozu also die eine Unvollkommenheit
durch die andere ersetzen.
Wozu […]
1 Zeichen: überschrieben.
jene eliminieren die
Transkription unsicher.
Alternative Lesart:
–
Theurich 1977 (175) und Theurich 1979 (167): „–“
vielleicht
ihrenden Reiz eines Werkes ausmacht, und diese dafür
substituieren, die ihrm einen ihrm fremden
giebt.
Gehörten
Theurich 1977 (175) und Theurich 1979 (167): „Gehörten“.
nicht zum Eigenthümlichen
einer Persönlichkeit auch deren Fehler
dazu? Wirken diese, wenn schon nicht
als schön, so doch wenigstens als Konstraste,
als die Grundfarbe, von der sich die
anderen Farben deutlich abheben?
Ich habe oft daran gedacht, dass man
Schumanns Symphonien (den Sie wie ich meine
sehr unterschätzen
Vgl. in Busonis Entwurf einer neuen Ästhektik der Tonkunst den Passus zu „Vorspielen und Übergängen“ als der bis dato einzig wahren und freien Musik (Ausgabe 1907, S. 9): „Selbst einen so viel kleineren Schumann ergreift, an solchen Stellen Etwas von dem Unbegrenzten dieser Pan-Kunst“. An anderer Stelle heißt es: „Im Übrigen muten die meisten Klavier-Kompositionen Beethovens wie Transcriptionen vom Orchester an; die meisten Schumann’schen Orchesterwerke wie Übertragungen vom Klavier – und sind’s in gewisser Weise auch.“ (ibid., S. 18).
und den ich heute weit über11
|
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split">
<note type="shelfmark" place="top" resp="#archive">B II, 4550</note>
man an sie stellen kann<reg>,</reg> und sonst nichts
<lb/>Menschliches, Gottähnliches auf der Welt.</p>
<p rend="indent-first">Und wenn:
<lb/><hi rend="underline">Notation</hi>
<note resp="#E0300317" type="commentary" subtype="ed_diff_major"><bibl><ref target="#E0800004"/> (175)</bibl>, <bibl><ref target="#E0800005"/> (167)</bibl> und <bibl><ref target="#E0800060"/> (394)</bibl>: <q>Notation</q> ohne Hervorhebung.</note>
= Transkription = <hi rend="underline">Unvollkommenheit</hi><reg>,</reg>
<lb/><seg rend="align(center)">so ist doch auch:</seg>
<lb/><hi rend="underline">Transkription</hi>
<note resp="#E0300317" type="commentary" subtype="ed_diff_major"><bibl><ref target="#E0800004"/> (175)</bibl>, <bibl><ref target="#E0800005"/> (167)</bibl> und <bibl><ref target="#E0800060"/> (394)</bibl>: <q>Transkription</q> ohne Hervorhebung.</note>
= Notation = <hi rend="underline">Unvollko<choice><abbr>m̅</abbr><expan>mm</expan></choice>enheit</hi>.
<lb/>Denn wenn a = b und b = c<reg>,</reg> so ist auch
<lb/>a = c.
<note type="stamp" place="center" resp="#dsb_st_red">
<stamp rend="round border align(center) small">Deutsche<lb/>Staatsbibliothek<lb/><placeName key="E0500029"><hi rend="spaced-out">Berlin</hi></placeName></stamp>
</note>
</p>
<p rend="indent-first">Wozu also die eine Unvollkommenheit
<lb/>durch die andere ersetzen.</p>
<p rend="indent-first">Wozu <subst><del rend="overwritten"><gap extent="1" unit="char" reason="overwritten"/></del><add place="across">je</add></subst>ne eliminieren<reg>,</reg> die <choice><unclear cert="high"/><unclear cert="low">–</unclear></choice>
<note resp="#E0300314" type="commentary" subtype="ed_diff_minor"><bibl><ref target="#E0800004"/> (175)</bibl> und <bibl><ref target="#E0800005"/> (167)</bibl>: <q>–</q></note>
vielleicht
<lb/><subst><del rend="strikethrough">ihren</del><add place="above">den</add></subst> Reiz <add place="above">eines Werkes</add> ausmacht, und diese dafür
<lb/>substituieren, die ih<subst><del rend="overwritten">r</del><add place="across">m</add></subst> einen ih<subst><del rend="overwritten">r</del><add place="across">m</add></subst> fremden
<lb/>gi<orig>e</orig>bt.</p>
<p rend="indent-first">Gehör<subst><del rend="strikethrough">t</del><add place="across">en</add></subst>
<note resp="#E0300314" type="commentary" subtype="ed_diff_minor"><bibl><ref target="#E0800004"/> (175)</bibl> und <bibl><ref target="#E0800005"/> (167)</bibl>: <q>Gehörten</q>.</note>
nicht zum Eigent<orig>h</orig>ümlichen
<lb/>einer Persönlichkeit auch deren Fehler
<lb/>dazu? Wirken diese, wenn schon nicht
<lb/>als schön, so doch wenigstens als Kon<subst><del rend="overwritten">s</del><add place="across">t</add></subst>raste,
<lb/>als die Grundfarbe, von der sich die
<lb/>anderen Farben deutlich abheben?</p>
<p type="pre-split" rend="indent-first">Ich habe oft daran gedacht, dass man
<lb/><persName key="E0300008">Schumanns</persName> Symphonien (den Sie<reg>,</reg> wie ich meine<reg>,</reg>
<lb/>sehr unterschätzen
<note type="commentary" resp="#E0300317">Vgl. in <persName key="E0300017">Busonis</persName> <title key="E0400043">Entwurf einer neuen Ästhektik der Tonkunst</title> den Passus zu <q>Vorspielen und Übergängen</q> als der bis dato einzig wahren und freien Musik (<bibl><ref target="#D0200001" n="9">Ausgabe 1907</ref>, S. 9</bibl>): <q>Selbst einen so viel kleineren <persName key="E0300008">Schumann</persName> ergreift, an solchen Stellen Etwas von dem Unbegrenzten dieser Pan-Kunst</q>. An anderer Stelle heißt es: <q>Im Übrigen muten die meisten Klavier-Kompositionen <persName key="E0300001">Beethovens</persName> wie Transcriptionen vom Orchester an; die meisten <persName key="E0300008">Schumann’schen</persName> Orchesterwerke wie Übertragungen vom Klavier – und sind’s in gewisser Weise auch.</q> (<bibl><ref target="#D0200001" n="18"/>, S. 18</bibl>).</note>
und den ich heute <hi rend="underline">weit über</hi>
<note type="foliation" place="bottom-right" resp="#archive">11</note>
</p></div>
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12Faksimile
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12Diplomatische Umschrift
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Brahms stelle) auf die Beine helfen sollte
indem man ihre
Theurich 1977 (176): „Ihre“.
Instrumentenation verbesserte.
Ich war mir auch um alles Theoretische daran ganz
klar. Heuer im Sommer habe ich mich ein
wenig selbst damit befasst und – habe
den Mut dazu verloren. Denn ich sehe zu
genau, dass stets mit dem was […]
1 Zeichen: durchgestrichen.
misslungen
ist, etwas sehr Eigenartiges gemeint war
und ich habe nicht den Mut einen nicht ganz
zur […]
höchstens 2 Zeichen: überschrieben.
Wirklichkeit gelangenden interessanten
Einfall durch einen „sicheren“ Klang zu
ersetzen. Und mehr kann die Phantasie
eines Andern
Theurich 1977 (176) und Theurich 1979 (168): „Anderen“.
an einem wirklichen Kunstwerk
nicht leisten! —
Rein technisch=musikalisch möchte ich
Sie nun nur noch fragen, ob Sie nicht
vielleicht ein zu langsames Tempo genom̅en
haben. Das könnte ja viel ausmachen. Oder
zu wenig
Theurich 1977 (176), Theurich 1979 (168) und Beaumont 1987 (395): „wenig“ (bzw. „little“) fälschlich mit Hervorhebung.
rubato. Ich bleibe niemals im
Takt! niemals im Tempo! —
Ihr „Entwurf einer neuen Aesthetik der
Tonkunst“ gefällt mir vor allem durch seine
Kühnheit außerordentlich. Insbesondere im An⸗12
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<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split">
<persName key="E0300009">Brahms</persName> stelle) auf die Beine helfen sollte<reg>,</reg>
<lb/>indem man ihre
<note resp="#E0300317" type="commentary" subtype="ed_diff_minor"><bibl><ref target="#E0800004"/> (176)</bibl>: <q>Ihre</q>.</note>
Instrument<subst><del rend="overwritten">en</del><add place="across">at</add></subst>ion verbesserte.
<lb/>Ich war mir auch um alles Theoretische daran ganz
<lb/>klar. Heuer im Sommer habe ich mich ein
<lb/>wenig selbst damit befasst und – habe
<lb/>den Mut dazu verloren. Denn ich sehe zu
<lb/>genau, dass stets mit dem<reg>,</reg> was <del rend="strikethrough"><gap extent="1" unit="char" reason="strikethrough"/></del> misslungen
<lb/>ist, etwas sehr Eigenartiges gemeint war<reg>,</reg>
<lb/>und ich habe nicht den Mut<reg>,</reg> einen nicht ganz
<lb/>zur <subst><del rend="overwritten"><gap atMost="2" unit="char" reason="overwritten"/></del><add place="across">W</add></subst>irklichkeit gelangenden <hi rend="underline">interessanten</hi>
<lb/><hi rend="underline">Einfall</hi> durch einen <soCalled rend="dq-du"><hi rend="underline">sicheren</hi></soCalled> Klang zu
<lb/>ersetzen. Und mehr kann die Phantasie
<lb/>eines Andern
<note resp="#E0300317" type="commentary" subtype="ed_diff_minor"><bibl><ref target="#E0800004"/> (176)</bibl> und <bibl><ref target="#E0800005"/> (168)</bibl>: <q>Anderen</q>.</note>
an einem wirklichen Kunstwerk
<lb/>nicht leisten! —</p>
<p rend="indent-first">Rein technisch<pc>=</pc>musikalisch möchte ich
<lb/>Sie nun nur noch fragen, ob Sie nicht
<lb/>vielleicht ein zu langsames Tempo geno<choice><abbr>m̅</abbr><expan>mm</expan></choice>en
<lb/>haben. Das könnte ja viel ausmachen. Oder
<lb/>zu wenig
<note resp="#E0300317" type="commentary" subtype="ed_diff_minor"><bibl><ref target="#E0800004"/> (176)</bibl>, <bibl><ref target="#E0800005"/> (168)</bibl> und <bibl><ref target="#E0800060"/> (395)</bibl>: <q>wenig</q> (bzw. <q>little</q>) fälschlich mit Hervorhebung.</note>
<choice><orig>r</orig><reg>R</reg></choice>ubato. Ich bleibe niemals im
<lb/>Takt! <choice><orig>n</orig><reg>N</reg></choice>iemals im Tempo! —</p>
<p type="pre-split" rend="indent-first">Ihr <title key="E0400043" rend="dq-du">Entwurf einer neuen <choice><orig>Ae</orig><reg>Ä</reg></choice>sthetik der
<lb/>Tonkunst</title> gefällt mir vor allem durch seine
<lb/>Kühnheit außerordentlich. Insbesondere im An
<note type="foliation" place="bottom-left" resp="#archive">12</note>
</p></div>
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4
fange stehen da ein paar kräftige Sätze,
von zwingender Logik und hervorragender Schärfe
der Beobachtung. Ueber Ihre Ideen mit
den Dritteltönen
Vgl. Busonis Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst (S. 28 f. der Erstausgabe): „Der Drittelton pocht schon seit einiger Zeit an die Pforte, und wir überhören noch immer seine Meldung.“ Im Nachlass Busonis finden sich Skizzen zur dieser Thematik, die Busoni nach eigenen Angaben seit ca. 1906 beschäftigte (vgl. Busoni 1922 (Weindel 2006), S. 118), möglicherweise auch schon sehr viel früher (siehe z. B. seine Versuche über Dritteltöne und neue Skalen, D-B, Mus.Nachl. F. Busoni C I,82).
habe ich, allerdings auf
andere Weise auch schon viel nachgedacht. Ich
dachte aber mehr an Vierteltöne, und bin aber […]
mindestens 1 Zeichen: überschrieben.
jetzt
der Ansicht, dass diese Sache auf einem anderen
Wege, als auf dem der Konstruktion, kommen
wird. Ueberdies hat ein Schüler von mir
Zum Folgenden vgl. den in Schönbergs Harmonielehre (S. 23) frei zitierten Brief Robert Neumanns; er datiert vom 1. März 1911, bezieht sich aber auf offenkundig bereits früher Besprochenes (vgl. Eintrag und Digitalisate in der Briefdatenbank des Arnold-Schönberg-Centers, Wien).
auf meine Anregung hin ausgerechnet, dass
die nächste Theilung der Oktave die ähnliche
Verhältnisse haben würde wie unsere 12theilige
53tel=Töne
Theurich 1977 (176) und Theurich 1979 (168): „ 53tel Töne“.
einführen müsste. Wenn Sie
nun 18 Drittel=Töne annähmen, käme
das dem einigermaßen Nnahe denn 3 × 18 = 54.
D[…]
höchstens 2 Zeichen: überschrieben.
a entfielen dann allerdings die Halb⸗ töne ganz.
Hier liegt ein Verständnisfehler Schönbergs vor: Busonis unternimmt nicht nur eine Einteilung der Oktave in 18 Dritteltöne, sondern, um dabei nicht auf Halbtöne (und damit auf die kleine Terz und die reine Quinte) verzichten zu müssen, auch in eine zweite Dritteltonreihe, die zur ersten um einen Halbton verschoben ist, sodass sich ein Sechsteltonsystem mit 36 Tönen ergibt. Vgl. den entsprechenden Passus in Busonis Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst (S. 29 der Erstausgabe) sowie Busoni 1922 (Weindel 2006), S. 118.
Für die Vierteltöne hatte ich mir seiner⸗ zeit folgende Notation erdacht:
< und > Zeichen
aus der Mathematik 13
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<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split">
<note type="foliation" place="top-right" resp="#major_hand"><hi rend="encircled">4</hi></note>
fange stehen da ein paar kräftige Sätze,
<lb/>von zwingender Logik und hervorragender Schärfe
<lb/>der Beobachtung. <choice><orig>Ue</orig><reg>Ü</reg></choice>ber Ihre Ideen mit
<lb/>den Dritteltönen
<note type="commentary" resp="#E0300317">Vgl. <persName key="E0300017">Busonis</persName> <title key="E0400043">Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst</title> <ref target="#D0200001" n="28">(S. 28 f.</ref> der <rs key="E0800315">Erstausgabe</rs>): <q>Der Drittelton pocht schon seit einiger Zeit an die Pforte, und wir überhören noch immer seine Meldung.</q> Im Nachlass <persName key="E0300017">Busonis</persName> finden sich Skizzen zur dieser Thematik, die <persName key="E0300017">Busoni</persName> nach eigenen Angaben seit ca. <date when-iso="1906">1906</date> beschäftigte <bibl>(vgl. <ref target="#E0800037"/>, S. 118)</bibl>, möglicherweise auch schon sehr viel früher (siehe z. B. seine <ref type="ext" target="http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB0001B16700000000">Versuche über Dritteltöne und neue Skalen, <idno>D-B, Mus.Nachl. F. Busoni C I,82</idno></ref>).</note>
habe ich, allerdings auf
<lb/>andere Weise<reg>,</reg> auch schon viel nachgedacht. Ich
<lb/>dachte aber mehr an Vierteltöne, <del rend="strikethrough">und</del> bin <add place="above">aber</add> <subst><del rend="overwritten"><gap atLeast="1" unit="char" reason="overwritten"/></del><add place="across">je</add></subst>tzt
<lb/><add place="above">der</add> Ansicht, dass diese Sache auf einem anderen
<lb/>Wege<orig>,</orig> als auf dem der Konstruktion<orig>,</orig> kommen
<lb/>wird. <choice><orig>Ue</orig><reg>Ü</reg></choice>berdies hat <rs key="E0300312">ein Schüler von mir</rs>
<note type="commentary" resp="#E0300317 #E0300314">Zum Folgenden vgl. den in <persName key="E0300023">Schönbergs</persName> <bibl><title key="E0800232">Harmonielehre</title> (S. 23)</bibl> frei zitierten Brief <persName key="E0300312">Robert Neumanns</persName>; er datiert vom <date when-iso="1911-03-01">1. März 1911</date>, bezieht sich aber auf offenkundig bereits früher Besprochenes (vgl. <ref type="ext" target="http://archive.schoenberg.at/letters/search_show_letter.php?ID_Number=21487">Eintrag und Digitalisate in der Briefdatenbank des <persName key="E0300023">Arnold-Schönberg</persName>-Centers, <placeName key="E0500002">Wien</placeName></ref>).</note>
<lb/>auf meine Anregung hin ausgerechnet, dass
<lb/>die nächste T<orig>h</orig>eilung der Oktave<reg>,</reg> die ähnliche
<lb/>Verhältnisse haben würde wie unsere <choice><orig>12</orig><reg>zwölf</reg></choice>t<orig>h</orig>eilige<reg>,</reg>
<lb/>53<hi rend="sup"><reg>s</reg>tel</hi><pc>=</pc>Töne
<note resp="#E0300317" type="commentary" subtype="ed_diff_minor"><bibl><ref target="#E0800004"/> (176)</bibl> und <bibl><ref target="#E0800005"/> (168)</bibl>: <q> 53<hi rend="underline2">tel</hi> Töne</q>.</note>
einführen müsste. Wenn Sie
<lb/>nun 18 Drittel<choice><orig><pc>=</pc>T</orig><reg>t</reg></choice>öne annähmen, käme
<lb/>das dem einigermaßen <subst><del rend="overwritten">N</del><add place="across">n</add></subst>ahe<reg>,</reg> denn 3 × 18 = 54.
<lb/>D<subst><del rend="overwritten"><gap reason="overwritten" atMost="2" unit="char"/></del><add place="across">a</add></subst> entfielen dann allerdings die Halb
<lb break="no"/>töne ganz.
<note type="commentary" resp="#E0300317">Hier liegt ein Verständnisfehler <persName key="E0300023">Schönbergs</persName> vor: <persName key="E0300017">Busonis</persName> unternimmt nicht nur eine Einteilung der Oktave in 18 Dritteltöne, sondern, um dabei nicht auf Halbtöne (und damit auf die kleine Terz und die reine Quinte) verzichten zu müssen, auch in eine zweite Dritteltonreihe, die zur ersten um einen Halbton verschoben ist, sodass sich ein Sechsteltonsystem mit 36 Tönen ergibt. Vgl. <ref target="#D0200001" n="29">den entsprechenden Passus</ref> in <persName key="E0300017">Busonis</persName> <title key="E0400043">Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst</title> (<ref target="#D0200001" n="29">S. 29</ref> der <rs key="E0800315">Erstausgabe</rs>) sowie <bibl><ref target="#E0800037"/>, S. 118</bibl>.</note>
</p>
<p rend="indent-first">Für die Vierteltöne hatte ich mir seiner
<lb break="no"/>zeit folgende Notation erdacht:</p>
<lb/><notatedMusic place="center">
<ptr target="nb/D0100014_13-nb1.xml"/>
<graphic width="149px" height="45px" url="D0100014_13_ex_1.png"/>
<desc>Vierteltonbezeichnung mit mathematischen, von den eigentlichen Notenköpfen ausgefüllten Größer-als- bzw. Kleiner-als-Zeichen.</desc>
</notatedMusic>
<ab type="caption" rend="align(right)"><choice><orig>< und > </orig><reg>Größer- und Kleiner-</reg></choice>Zeichen
<lb/>aus der Mathematik</ab>
<note type="foliation" place="bottom-right" resp="#archive">13</note>
</div>
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B II, 4550
Ich glaube, aber, dass derartige Notierungs⸗ versuche kaum werden durchdringen; denn
ich hoffe mit viel Zuversicht, dass unsere
zukünftige Notenschrift eine – wie soll
ich sagen: „drathlosere“
Theurich 1977 (176) und Theurich 1979 (169): „drahtlosere“.
sein wird.
Auch über die Tonarten
Busoni konstatiert eine Verbrauchtheit des Dur-Moll-Systems und errechnet durch neue Kombinationen der Reihenfolgen von Halbtönen und Ganztönen 113 neue Skalen (vgl. Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst, S. 27 f. der Erstausgabe). Schönberg wird 1911 in seiner Harmonielehre erwidern: „die Plage, Hunderte von Skalen auszurechnen, könnte er sich ersparen. Ich habe mir mit Müh’ und Not die Namen der sieben Kirchentonarten gemerkt; und das waren ‚erst die Namen!‘ Ich werde mir nicht fünf von seinen Tonarten merken können. Wie soll ich dann aber komponieren – wenn ich sie gar nicht vor mir habe.“ (Schönberg 1911, S. 747)
bin ich anderer
Meinung – das bezeugt ja meine Musik.
Ich glaube: alles das was man mit 113 Tonarten
machen kann, könnte man auch mit 2 oder 3
oder 4: Dur, = Moll,
Theurich 1977 (176) und Theurich 1979 (169): „Dur = Moll“.
Ganzton, und Chromatische.
Jedenfalls bin ich seit langem dahinter her
die Fesseln der Tonarten ganz abzustreifen.
Und meine Harmonik kennt keine an Tonarten
erinnernden Akkorde oder Melodien mehr.
Nun zur Beantwortung Ihrer Fragen.
Wieweit ich diese Absichten verwirkliche?
Nicht so weit als ich gerne möchte. Ganz
genügt mir noch kein Stück. Ich möchte noch
bunter werden an Motiven und melodieun⸗ ähnlichen
Theurich 1977 (176), Theurich 1979 (169) und Beaumont 1987 (395): „melodieunähnlichen“ (bzw. „without melodic character“) ohne Hervorhebung.
Gestaltungen; ich möchte noch freier
und ungezwungener sein im Rythmus,
Theurich 1977 (176) und Theurich 1979 (169): „Rhythmus“.
in den14
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<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split">
<note type="shelfmark" place="top-right" resp="#archive" xml:id="middle_pos_id">B II, 4550</note>
<p>Ich glaube<subst><del rend="overwritten">,</del><add place="across"> a</add></subst>ber, dass derartige Notierungs
<lb break="no"/>versuche kaum werden durchdringen; denn
<lb/>ich hoffe mit viel Zuversicht, dass unsere
<lb/>zukünftige Notenschrift eine – wie soll
<lb/>ich sagen: <soCalled rend="dq-du">dra<choice><orig>th</orig><reg>ht</reg></choice>losere</soCalled>
<note resp="#E0300317" type="commentary" subtype="ed_diff_minor"><bibl><ref target="#E0800004"/> (176)</bibl> und <bibl><ref target="#E0800005"/> (169)</bibl>: <q>drahtlosere</q>.</note>
sein wird.</p>
<p rend="indent-first">Auch über die Tonarten
<note type="commentary" resp="#E0300317"><persName key="E0300017">Busoni</persName> konstatiert eine Verbrauchtheit des Dur-Moll-Systems und errechnet durch neue Kombinationen der Reihenfolgen von Halbtönen und Ganztönen 113 neue Skalen (vgl. <title key="E0400043">Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst</title>, <ref target="#D0200001" n="27">S. 27 f.</ref> der <rs key="E0800315">Erstausgabe</rs>). <persName key="E0300023">Schönberg</persName> wird <date when-iso="1911">1911</date> in seiner <title key="E0800232">Harmonielehre</title> erwidern: <q>die Plage, Hunderte von Skalen auszurechnen, könnte er sich ersparen. Ich habe mir mit Müh’ und Not die Namen der sieben Kirchentonarten gemerkt; und das waren <soCalled>erst die Namen!</soCalled> Ich werde mir nicht fünf von seinen Tonarten merken können. Wie soll ich dann aber komponieren – wenn ich sie gar nicht vor mir habe.</q> <bibl>(<ref target="#E0800232"/>, S. 747)</bibl></note>
bin ich anderer
<lb/>Meinung – das bezeugt ja meine Musik.
<lb/>Ich glaube: <choice><orig>a</orig><reg>A</reg></choice>lles das<reg>,</reg> was man mit 113 Tonarten
<lb/>machen kann, könnte man auch mit <choice><orig>2 oder 3
<lb/>oder 4</orig><reg>zwei oder drei
<lb/>oder vier</reg></choice>: Dur<orig>,</orig> = Moll,
<note resp="#E0300314" type="commentary" subtype="ed_diff_minor"><bibl><ref target="#E0800004"/> (176)</bibl> und <bibl><ref target="#E0800005"/> (169)</bibl>: <q>Dur = Moll</q>.</note>
Ganzton<orig>,</orig> und Chromatische.
<lb/>Jedenfalls bin ich seit langem dahinter her<reg>,</reg>
<lb/>die Fesseln der Tonarten ganz abzustreifen.
<lb/>Und meine Harmonik kennt keine an Tonarten
<lb/>erinnernden Akkorde oder Melodien mehr.</p>
<p rend="indent-first">Nun zur Beantwortung Ihrer Fragen.</p>
<p type="pre-split" rend="indent-first">Wie<reg> </reg>weit ich diese Absichten verwirkliche?
<lb/>Nicht so weit<reg>,</reg> als ich gerne möchte. Ganz
<lb/>genügt mir noch kein Stück. Ich möchte noch
<lb/>bunter werden an Motiven und melodie<hi rend="underline2">un</hi>
<lb break="no"/>ähnlichen
<note resp="#E0300317" type="commentary" subtype="ed_diff_minor"><bibl><ref target="#E0800004"/> (176)</bibl>, <bibl><ref target="#E0800005"/> (169)</bibl> und <bibl><ref target="#E0800060"/> (395)</bibl>: <q>melodieunähnlichen</q> (bzw. <q>without melodic character</q>) ohne Hervorhebung.</note>
Gestaltungen; ich möchte noch freier
<lb/>und ungezwungener sein im R<reg>h</reg>ythmus,
<note resp="#E0300317" type="commentary" subtype="ed_diff_minor"><bibl><ref target="#E0800004"/> (176)</bibl> und <bibl><ref target="#E0800005"/> (169)</bibl>: <q>Rhythmus</q>.</note>
in den
<note type="foliation" place="bottom-left" resp="#archive">14</note>
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B II, 4550
Taktarten; freier von Motivwiederholungen
und melodie=artigem Fortspinnen eines
Gedankens. Das schwebt mir vor: so phanta⸗ siere ich […]
1 Zeichen: überschrieben.
Musik, bevor […]
mindestens 2 Zeichen: durchgestrichen.
ich sie notiere =
transkribiere. Und dazu kann ich mich
nicht zwingen; da muss ich warten bis
mir ein Stück ganz von selbst so gelingt,
wie es mir vorschwebt.
Im Gegensatz zu dieser ganz auf Intuition setzenden Kompositionstechnik steht Busonis intellektuelles, berechnendes Vorgehen, dass er als Kompositionsvorgang in drei Phasen beschreibt: „Zuerst kommt die Idee, dann entsteht oder man sucht den Einfall, dann folgt die Ausführung.“ (Busoni 1907 (Weindel 2006), S. 33). Schönbergs Arbeitsweise bezeichnete Busoni als anarchisch (vgl. Busoni 1911 (Weindel 2006), S. 58 und Busoni/Galston/Weindel 1999, S. 29 ff. sowie S. 126).
Und damit bin ich auch zur Beantwortung
Ihrer anderen Frage gelangt: wieviel Absichtliches
und wieviel Empfundenes dabei sei.
Meine einzige Absicht ist:
keine Absicht zu haben!
Keine formelle, keine architektonische,
keine sonstige artistische, (als etwa die
Stimmung eines Gedichtes zu treffen)
keine ästhetische – überhaupt keine;
oder höchstens die:
dem Strom meiner unbewussten
Empfindungen nichts Hemmendes in den
Weg zu legen. Nichts da hinein geraten
zu lassen, was durch die Intelligenz oder15
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<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split">
<note type="shelfmark" place="top" resp="#archive" sameAs="#middle_pos_id">B II, 4550</note>
Taktarten; freier von Motivwiederholungen
<lb/>und melodie<orig><pc>=</pc></orig>artigem Fortspinnen eines
<lb/>Gedankens. Das schwebt mir vor: so phanta
<lb break="no"/>siere ich <subst><del rend="overwritten"><gap unit="char" extent="1" reason="overwritten"/></del><add place="across">M</add></subst>usik, bevor <del rend="strikethrough"><gap atLeast="2" unit="char" reason="strikethrough"/></del> ich sie notiere =
<lb/>transkribiere. Und dazu kann ich mich
<lb/>nicht zwingen; da muss ich warten<reg>,</reg> bis
<lb/>mir ein Stück ganz von selbst so gelingt,
<lb/>wie es mir vorschwebt.
<note type="commentary" resp="#E0300317">Im Gegensatz zu dieser ganz auf Intuition setzenden Kompositionstechnik steht <persName key="E0300017">Busonis</persName> intellektuelles, berechnendes Vorgehen, dass er als Kompositionsvorgang in drei Phasen beschreibt: <q>Zuerst kommt die Idee, dann entsteht oder man sucht den Einfall, dann folgt die Ausführung.</q> <bibl>(<ref target="#E0800040"/>, S. 33)</bibl>. <persName key="E0300023">Schönbergs</persName> Arbeitsweise bezeichnete <persName key="E0300017">Busoni</persName> als anarchisch <bibl>(vgl. <ref target="#E0800041"/>, S. 58</bibl> und <bibl><ref target="#E0800020"/>, S. 29 ff. sowie S. 126</bibl>).</note>
</p>
<p rend="indent-first">Und damit bin ich auch zur Beantwortung
<lb/>Ihrer anderen Frage gelangt: wie<reg> </reg>viel Absichtliches
<lb/>und wie<reg> </reg>viel Empfundenes dabei sei.</p>
<p rend="indent-first">Meine einzige Absicht ist:
<lb/><hi rend="align(center)"><hi rend="underline2">keine</hi> Absicht zu haben!</hi>
<lb/>Keine formelle, keine architektonische,
<lb/>keine sonstige artistische<choice><orig>, (</orig><reg> (</reg></choice>als etwa die
<lb/>Stimmung eines Gedichtes zu treffen)<reg>,</reg>
<lb/>keine ästhetische – überhaupt keine;
<lb/>oder höchstens die:</p>
<p type="pre-split" rend="indent-first">dem Strom meiner unbewussten
<lb/>Empfindungen nichts Hemmendes in den
<lb/>Weg zu legen. Nichts da hinein<orig> </orig>geraten
<lb/>zu lassen, was durch die Intelligenz oder
<note type="foliation" place="bottom-right" resp="#archive">15</note>
</p></div>
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durch das Bewusstsein hervorgerufen ist.
Kennten Sie meine Entwickelung,
Theurich 1977 (177) und Theurich 1979 (170): „Entwicklung“.
so würden Sie amn dem nicht zweifeln.
Aber ich habe mich ja auch auf diese Frage
gefasst gemacht und so kann ich sie
beantworten. Ich habe gewusst, dass man
an der Natürlichkeit meiner Absichten zweifeln
wird, eben weil sie natürlich sind.
Dass man sie construiert finden f wird,
eben weil ich alles Konstruktions=Mäßige
Deutsche Staatsbibliothek Berlin
vermeide.
Aber, wenn man sieht, wie ich mich
stufenweise entwickelt habe, wie ich
längst einer Ausdrucksform nahe war
zu der ich mich heute klar und rückhalts⸗ los bekenne, wird man verstehen, dass da
nichts Unorganisches, […]
mindestens 2 Zeichen: durchgestrichen.
nichts „Verschmockt= Asthetisches“
Theurich 1977 (177) und Theurich 1979 (170): „Ästhetisches“.
vorsich
Theurich 1977 (177) und Theurich 1979 (170): „vor sich“.
geht, sondern,
Theurich 1977 (177) und Theurich 1979 (170) ohne Komma.
dass ein
Müssen ein
Transkription unsicher:
überschrieben.
dieses Resultat hervorgebracht hat.
Dass ich mir heute […]
1 Zeichen: überschrieben.
darüber auch theoretisch
ziemlich klar bin, kann mir nur der
Uebel nehmen, der sich den unbewußt=16
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<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split">
durch das Bewusstsein hervorgerufen ist.</p>
<p rend="indent-first">Kennten Sie meine Entwickelung,
<note resp="#E0300314" type="commentary" subtype="ed_diff_minor"><bibl><ref target="#E0800004"/> (177)</bibl> und <bibl><ref target="#E0800005"/> (170)</bibl>: <q>Entwicklung</q>.</note>
<lb/>so würden Sie a<subst><del rend="strikethrough-part">m</del><add place="remainder">n</add></subst> dem nicht zweifeln.
<lb/>Aber ich habe mich ja auch auf diese Frage
<lb/>gefasst gemacht<reg>,</reg> und so kann ich sie
<lb/>beantworten. Ich habe gewusst, dass man
<lb/>an der Natürlichkeit meiner Absichten zweifeln
<lb/>wird, eben weil sie natürlich sind.
<lb/>Dass man sie <choice><orig>c</orig><reg>k</reg></choice>onstruiert finden <del rend="strikethrough">f</del> wird,
<lb/>eben weil ich alles Konstruktions<choice><orig><pc>=</pc>M</orig><reg>m</reg></choice>äßige
<note type="stamp" place="margin-right" resp="#dsb_st_red">
<stamp rend="round border align(center) small">Deutsche<lb/>Staatsbibliothek<lb/><placeName key="E0500029"><hi rend="spaced-out">Berlin</hi></placeName></stamp>
</note>
<lb/>vermeide.</p>
<p rend="indent-first">Aber, wenn man sieht, wie ich mich
<lb/>stufenweise entwickelt habe, wie ich
<lb/>längst einer Ausdrucksform nahe war<reg>,</reg>
<lb/>zu der ich mich heute klar und rückhalts
<lb break="no"/>los bekenne, wird man verstehen, dass da
<lb/>nichts Unorganisches, <del rend="strikethrough"><gap atLeast="2" unit="char" reason="strikethrough"/></del> nichts <soCalled rend="dq-du">Verschmockt<pc>=</pc>
<lb break="no"/><choice><sic>A</sic><corr>Ä</corr></choice>sthetisches</soCalled>
<note resp="#E0300317" type="commentary" subtype="ed_diff_minor"><bibl><ref target="#E0800004"/> (177)</bibl> und <bibl><ref target="#E0800005"/> (170)</bibl>: <q>Ästhetisches</q>.</note>
vor<reg> </reg>sich
<note resp="#E0300317" type="commentary" subtype="ed_diff_minor"><bibl><ref target="#E0800004"/> (177)</bibl> und <bibl><ref target="#E0800005"/> (170)</bibl>: <q>vor sich</q>.</note>
geht, sondern<orig>,</orig>
<note resp="#E0300317" type="commentary" subtype="ed_diff_minor"><bibl><ref target="#E0800004"/> (177)</bibl> und <bibl><ref target="#E0800005"/> (170)</bibl> ohne Komma.</note>
dass ein
<lb/><hi rend="underline">Müssen</hi> <subst><del rend="overwritten"><unclear reason="overwritten" cert="high">ein</unclear></del><add place="across">die</add></subst>ses Resultat hervorgebracht hat.</p>
<p type="pre-split" rend="indent-first">Dass ich mir heute <subst><del rend="overwritten"><gap reason="overwritten" extent="1" unit="char"/></del><add place="across">d</add></subst>arüber auch theoretisch
<lb/>ziemlich klar bin, kann mir nur der
<lb/><choice><orig>Uebel </orig><reg>übel</reg></choice>nehmen, der sich den unbewu<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice>t<pc>=</pc>
<note type="foliation" place="bottom-left" resp="#archive">16</note>
</p></div>
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17Diplomatische Umschrift
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schaffenden Künstler nur als eine Art
Halb=Kretin vorstellen kann; und
der sich keinen Begriff davon macht, dass
nach dem unbewusst=geschaffenen die
Zeit rdes ruhigen Klaren
Theurich 1977 (177) und Theurich 1979 (170): „klaren“.
Schauens kommt
in der man sich Rechenschaft giebt über
seine Zustände.
Was das dritte Stück anbelangt, das
Ihnen, wie mich Ihre herbe Kritik vermuten
lässt, vorläufig gar nicht gefällt, so
meine ich dass es schon wesentlich über das
hinaus geht, was demn beiden anderen gelingt.
Mindestens was die früher erwähnte Bunt⸗ heit anbelangt. Aber auch im „Harmonischen“
– wenn man hier so architektonisch reden
darf – scheint mir manches anders darin.
Inſsbesondere: manches dünnere, zweistim̅igere.
Aber ich halte es auch für ungerecht zu ver⸗ langen, dass man in 3 Kleinen Klavier⸗ stücken die Musik dreimal auf ver⸗ schiedene Arten revolutioniert. Schiene17
|
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split">
<note type="foliation" place="top-right" resp="#major_hand"><hi rend="encircled">5</hi></note>
schaffenden Künstler nur als eine Art
<lb/>Halb<pc>=</pc>Kretin vorstellen kann; und
<lb/>der sich keinen Begriff davon macht, dass
<lb/>nach dem <choice><orig>u</orig><reg>U</reg></choice>nbewusst<pc>=</pc>geschaffenen die
<lb/>Zeit <subst><del rend="overwritten">r</del><add place="across">d</add></subst>es <hi rend="underline">ruhigen <choice><orig>K</orig><reg>k</reg></choice>laren
<note resp="#E0300317" type="commentary" subtype="ed_diff_minor"><bibl><ref target="#E0800004"/> (177)</bibl> und <bibl><ref target="#E0800005"/> (170)</bibl>: <q>klaren</q>.</note>
Schauens</hi> kommt<reg>,</reg>
<lb/>in der man sich Rechenschaft gi<orig>e</orig>bt über
<lb/>seine Zustände.</p>
<p type="pre-split" rend="indent-first">Was das <rs key="E0400114">dritte Stück</rs> anbelangt, das
<lb/>Ihnen, wie mich Ihre herbe Kritik vermuten
<lb/>lässt, vorläufig gar nicht gefällt, so
<lb/>meine ich<reg>,</reg> dass es schon wesentlich über das
<lb/>hinaus<orig> </orig>geht, was <rs type="works" key="E0400112 E0400113">de<subst><del rend="strikethrough-part">m</del><add place="remainder">n</add></subst> beiden anderen</rs> gelingt.
<lb/>Mindestens was die früher erwähnte Bunt
<lb break="no"/>heit anbelangt. Aber auch im <soCalled rend="dq-du">Harmonischen</soCalled>
<lb/>– wenn man <add place="above">hier</add> so architektonisch reden
<lb/>darf – scheint mir manches anders darin.
<lb/>In<subst><del rend="overwritten">ſ</del><add place="across">s</add></subst>besondere: manches dünnere, zweisti<choice><abbr>m̅</abbr><expan>mm</expan></choice>igere.
<lb/>Aber ich halte es auch für ungerecht zu ver
<lb break="no"/>langen, dass man in <rs key="E0400019"><choice><orig>3</orig><reg>drei</reg></choice> <choice><orig>K</orig><reg>k</reg></choice>leinen Klavier
<lb break="no"/>stücken</rs> die Musik dreimal auf <hi rend="underline">ver
<lb break="no"/>schiedene</hi> Arten revolutioniert. Schiene
<note type="foliation" place="bottom-right" resp="#archive">17</note>
</p></div>
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18Diplomatische Umschrift
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es nicht berechtigt, wenn man sich so weit außer⸗ halb des Herkömmlichen gestellt hat, nun
einen Augenblick zu verschnaufen, neue
Kräfte zu sammeln, ehe man weiter stürmt?
Und ist es nicht unrecht das Lakonische als
Mani[e]riertheit zu bezeichnen? Ist das Architektonische
nicht ebenso Manier, wie das Pointil[l]istische
und das Impressionistische? Oder ist es ein
Fehler […]
mindestens 1 Zeichen: durchgestrichen.
nicht lang zu werden, wenn
man mit kurz vollkommen auskommt?
Muss denn gebaut werden? Ist die Musik
denn eine Sparkasse? Wird es unbedingt
mehr, wenn es länger ist?
Sollte das ein Fehler sein, dass
ich dort so kurz bin, dann macht dieser
Brief ihn wett! Aber es gab da doch
einige Dinge, die ich sagen wollte –
dass ich es nicht kürzer konnte liegt
wohl an meiner technischen Unbeholfen⸗ heit.
Und nun zum Schluss: Ich hoffe18
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<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split">
es nicht berechtigt, wenn man sich so weit außer
<lb break="no"/>halb des Herkömmlichen gestellt hat, nun
<lb/>einen Augenblick zu verschnaufen, neue
<lb/>Kräfte zu sammeln, ehe man weiter<orig> </orig>stürmt?
<lb/>Und ist es nicht unrecht<reg>,</reg> das Lakonische als
<lb/>Mani<supplied reason="omitted">e</supplied>riertheit zu bezeichnen? Ist das Architektonische
<lb/>nicht ebenso Manier<orig>,</orig> wie das Pointil<supplied reason="omitted">l</supplied>istische
<lb/>und das Impressionistische? Oder ist es ein
<lb/>Fehler<reg>,</reg> <del rend="strikethrough"><gap atLeast="1" unit="char" reason="strikethrough"/></del> nicht <hi rend="underline">lang</hi> zu werden, wenn
<lb/>man <add place="above">mit</add> <hi rend="underline">kurz</hi> vollkommen auskommt?
<lb/>Muss denn gebaut werden? Ist die Musik
<lb/>denn eine Sparkasse? Wird es unbedingt
<lb/>mehr, wenn es länger ist?</p>
<p rend="indent-first">Sollte das ein Fehler sein, dass
<lb/>ich <hi rend="underline">dort</hi> so kurz bin, dann macht dieser
<lb/><hi rend="underline">Brief</hi> ihn <hi rend="underline">wett</hi>! Aber es gab da doch
<lb/>einige Dinge, die ich sagen wollte –
<lb/>dass ich es nicht kürzer konnte<reg>,</reg> liegt
<lb/>wohl an meiner technischen Unbeholfen
<lb break="no"/>heit.</p>
<p type="pre-split" rend="indent-first">Und nun zum Schluss: Ich hoffe<reg>,</reg>
<note type="foliation" place="bottom-left" resp="#archive">18</note>
</p></div>
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Sie sind nicht bös
Theurich 1977 (177) und Theurich 1979 (171): „sind mir nicht bös“.
über meine Offenheit
und bewahren mir Ihr Interesse.
Vielleicht finden Sie einen Ausweg,
eine Erklärung, die es mir möglich
macht mein Stück, in Ihren Heften zu
veröffentlichen.
Keines von Schönbergs Drei Klavierstücken op. 11 wurde in Busonis An die Jugend veröffentlicht. Sie erschienen ein Jahr später bei der Universal-Edition, wo zwei bis drei Wochen danach Busoni seine Bearbeitung von op. 11 Nr. 2 veröffentlichte. Schönberg nahm dies kritisch zur Kenntnis, war sich jedoch zugleich bewusst, „was es heißt, von einem bedeutenden Pianisten so ernst genommen zu werden“ (Ermen 1996, S. 74). Busoni schrieb zu seiner Bearbeitung: „Diese Komposition fordert vom Spieler die verfeinertste Anschlags- und Pedalkunst; einen intimen, improvisierten, ‚schwebenden‘ Vortrag; ein liebevolles Sichversenken in seinen Inhalt, dessen Interpret – rein als Klaviersetzer – hiermit sein zu dürfen, sich zu künstlerischer Ehre rechnet.“ (Busoni/Weindel 2006, S. 125)
Oder aber: vielleicht
Theurich 1977 (177) und Theurich 1979 (171): „Vielleicht“.
bringen Sie alle
drei und die Paraphrase, mit einer
Erklärung ein ander mal??
Jedenfalls hoffe ich Ihr Wolwollen
Theurich 1977 (177) und Theurich 1979 (171): „Wohlwollen“.
nicht zu verlieren, wenn ich Sie nun
auch bitte mir mitzuteilen, ob Sie
die Stücke auch spielen wollen. Denn
daran liegt mir selbstverständlich auch
enorm viel.
„Arnold Schönberg, den er intensiv zur Kenntnis nimmt, hat er öffentlich nie gespielt.“ (Ermen 1996, S. 43). Das einzige Werk, das Busoni von Schönberg zur Aufführung brachte, waren Heinrich Schenkers Syrische Tänze, die Schönberg 1903 für Orchester uminstrumentiert hatte; vgl. hierzu den Beginn des Briefwechsels.
Noch etwas Eigentümliches zum Schluss:
Ehe ich diese Klavierstücke komponiert
hatte, wollte ich mich an Sie wenden
– ich kannte Ihre Vorliebe zu Transkriptionen –
mit der Frage, ob Sie nicht eines meiner
Kammer- oder Orchesterwerke als Trans⸗19
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<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split">
<note type="shelfmark" place="top" resp="#archive" rend="indent">B II, 4550</note>
Sie sind nicht bös
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über meine Offenheit
<lb/>und bewahren mir Ihr Interesse.</p>
<p rend="indent-first">Vielleicht finden Sie einen Ausweg,
<lb/>eine Erklärung, die es mir möglich
<lb/>macht<reg>,</reg> <rs key="E0400113">mein Stück</rs><orig>,</orig> in <rs key="E0400429">Ihren Heften</rs> zu
<lb/>veröffentlichen.
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<p type="pre-split" rend="indent-first">Noch etwas Eigentümliches zum Schluss:
<lb/>Ehe ich <rs key="E0400019">diese Klavierstücke</rs> komponiert
<lb/>hatte, wollte ich mich an Sie wenden
<lb/>– ich kannte Ihre Vorliebe zu Transkriptionen –
<lb/>mit der Frage, ob Sie nicht eines meiner
<lb/>Kammer- oder Orchesterwerke als Trans
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</p></div>
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20Faksimile
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20Diplomatische Umschrift
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kription für Klavier allein, in Ihre Konzerte
aufnehmen wollten.
Eigentümlich: Nun treffen wir wieder
bei einer Transkription zusammen!
War das eine von mir missverstande[ne] Nachricht
meines unbewussten Ahnungsvermögens,
die mich an Sie im Zusammenhang
mit einer Transkription denken hieß.
Das fiel mir neulich erst ein!
Ichr hoffe bald eine freundliche Ant⸗ wort zu erhalten und empfehle mich bis
dahin mit vollster Hochachtung und
Wertschätzung Ihr ergebener Arnold Schönberg
Deutsche Staatsbibliothek Berlin
20
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kription für Klavier allein<orig>,</orig> in Ihre Konzerte
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22Faksimile
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22Diplomatische Umschrift
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Mus.Nachl. F. Busoni B II, 4550-Beil.Mus.ep. A. Schönberg 11
Nachlaß Busoni B II
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