Arnold Schönberg an Ferruccio Busoni arrow_backarrow_forward

Carlshagen · 28. Juli 1912

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28/7.1912
Mus.ep. A. Schönberg 22 (Busoni-Nachl. B II)
zz. Carlshagen auf Usedom, Villa Concordia

Sehr verehrter Herr Busoni, Sie tun mir
und meiner Fantasie unrecht. Ich will nicht be⸗
streiten, daß sie sich schon gelegentlich für einen
Gegenstand entzündet hat, dessen tatsächlicher Wert
nur ihr Werk war. Vielleicht hat sie das, da sie
es ja von den Kunstwerken an deren Entstehen ich
ihr mitzuwirken gestattete, vielleicht hat sie, da sie
das von daher gewöhnt war, es immer nur so getan: selbst
die Gegenstände, ihren Wert und das feuer ge⸗
schaffen, aber hier liegt die Sache noch etwas
nüchterner.

Nämlich: Clark hat mir das, was ich Ihnen
schrieb, als Ihre Absicht mitgeteilt. Weiter nichts.
Ich habe gar nichts dazu getan! Wirklich
nichts! Denn die Dinge zu denen ich
etwas tue (oder gar dazutue, wobei also
schon etwas dagewesen sein muß) sind von
vornherein weiter! Sie verzeihen: aber ich
kann meiner Fantasie unmöglich unrecht
tun lassen. Denn meine Fantasie, das
bin ich selbst, bidenn ich bin selbst nur ein
Geschöpf dieser Fantasie. Und niemand Mus.Nachl. F. Busoni B II, 4561 Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
[1]

28/7.1912
zz. Carlshagen auf Usedom, Villa Concordia

Sehr verehrter Herr Busoni,

Sie tun mir und meiner Fantasie unrecht. Ich will nicht bestreiten, dass sie sich schon gelegentlich für einen Gegenstand entzündet hat, dessen tatsächlicher Wert nur ihr Werk war. Vielleicht hat sie das, da sie es ja von den Kunstwerken an deren Entstehen ich ihr mitzuwirken gestattete, vielleicht hat sie, da sie das von daher gewöhnt war, es immer nur so getan: selbst die Gegenstände, ihren Wert und das Feuer geschaffen, aber hier liegt die Sache noch etwas nüchterner.

Nämlich: Clark hat mir das, was ich Ihnen schrieb, als Ihre Absicht mitgeteilt. Weiter nichts. Ich habe gar nichts dazu getan! Wirklich nichts! Denn die Dinge zu denen ich etwas tue (oder gar dazutue, wobei also schon etwas dagewesen sein muss) sind von vornherein weiter! Sie verzeihen: aber ich kann meiner Fantasie unmöglich unrecht tun lassen. Denn meine Fantasie, das bin ich selbst, denn ich bin selbst nur ein Geschöpf dieser Fantasie. Und niemand lässt seine Eltern beleidigen.

Setzen Sie, verehrter Herr Busoni, wirklich voraus, dass meine Fantasie sich ein Verhältnis zu Ihnen an einem Unterrichtsinstitute, an dem Sie Meisterkurse halten, während ich die Gesamtleitung habe, sich nur so sollte denken können, dass einer der Vorgesetzte des Andern sein müsste? Steht nicht der, der Meisterkurse hält, von vornherein außerhalb dieser Gesamtleitung? Ist aber nicht einer der 10 Monate in Berlin bleibt eher in der Lage die Gesamtleitung zu übernehmen, als einer der „8 Monate von Berlin fern ist und außerdem außerordentlich tätig“?

Ich will nicht weiter polemisieren. Vielleicht ist nur Schuld, dass Sie etwas Unverbindliches gesagt haben, was man mir als etwas Verbindliches mitgeteilt hat. Sie sagem mir ja manches andre Verbindliche in Ihrem Brief und halten damit sorgfältig die Grobheit ein, die Sie mir eigentlich sagen wollen. Sie müssen mir also erlauben auch das für unverbindlich zu nehmen. Ich wünsche immer Klarheit und da stören mich solche Einpackungen. Sie erlauben, dass ich das verbindliche Packmaterial, in das Sie die Grobheit einhüllen, dort aufbewahre, wo ich sonst (ich bin, wie man Ihnen bestätigen kann, ein leiden Packmaterial aufbewahre, den wirklichen Inhalt, aber, die eingehüllte Grobheit, dort, wo ich mir derartiges merke. Und Sie erlauben, dass ich den Inhalt Ihres Briefes hier kurz anmerke: die Zurückweisung meiner Anmaßung, dass ich Ihr Vorgesetzter sein will, als Ausfluss meiner lebhaften Fantasie!

In hochachtungsvoller Ergebenheit Ihr

Arnold Schönberg

                                                                
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läßt seine Eltern beleidigen.

Setzen Sie, verehrter Herr Busoni, wirklich
voraus, dass meine Fantasie sich ein Verhält⸗
nis zu Ihnen an einem Unterrichtsinstitute, an
dem Sie Meisterkurse halten, während ich die
Gesamtleitung habe, sich nur so […] höchstens 8 Zeichen: durchgestrichen. sollte
denken können, daß einer der Vorgesetzte
des Andern sein müßte? Steht nicht der,
der Meisterkurse hält, von vornherein außer⸗
halb dieser Gesamtleitung? Ist aber nicht
einer der 10 Monate in Berlin bleibt eher
in der Lage die Gesamtleitung zu übernehmen,
als einer der „8 Monate von Berlin fern ist
und außerdem außerordentlich tätig“
?

Ich will nicht weiter polemisieren. Vielleicht
ist nur Schuld, daß Sie etwas Unverbindliches
gesagt haben, was man mir als etwas Verbindliches
mitgeteilt hat. Sie sagem mir ja manches an⸗
dre Verbindliche in Ihrem Brief und halten damit
sorgfältig die Grobheit ein, die Sie mir eigent⸗
lich sagen wollen. Sie müssen mir also erlau⸗
ben auch das für unverbindlich zu nehmen.
Ich wünsche immer Klarheit und da stören mich
solche Einpackungen. Sie erlauben, daß ich das
verbindliche Packmaterial, in das Sie die Grob⸗
heit einhüllen, dort aufbewahre, wo ich sonst
(ich bin, wie man Ihnen bestätigen kann, ein leiden⸗
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin

                                                                
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B II,
4561
Packmaterial aufbewahre, den wirklichen
Inhalt, aber, die eingehüllte Grobheit, dort,
wo ich mir derartiges merke. Und Sie
erlauben, daß ich den Inhalt Ihres Briefes
hier kurz anmerke: die Zurückweisung
meiner Anmaßung, daß ich Ihr Vorgesetzter
sein will, als Ausfluß meiner lebhaften
Fantasie!

In hochachtungsvoller Ergebenheit Ihr

Arnold Schönberg
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
Nachlaß Busoni
[3]
                                                                
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Carlshagen
auf Usedom
29[.]7[.]12[.]
*10[·]11V.*
Herrn Ferruccio Busoni
Berlin W.30
Viktoria Luiseplatz 1̇1̇
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Mus.Nachl. F. Busoni B II, 4561-Beil.
zz. Carlshagen auf Usedom
Villa Concordia
Nachlaß Busoni
B II
Mus.ep. A. Schönberg 22
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Überlieferung
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B II, 4561 | olim: Mus.ep. A. Schönberg 22 (Busoni-Nachl. B II) |

Nachweis Kalliope

Zustand
Der Brief ist gut erhalten.
Umfang
2 Bogen, 3 beschriebene Seiten
Kollation
Seitenfolge: fol. 1r, 2v und 3r
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Arnold Schönberg, Brieftext in schwarzer Tinte, in deutscher Kurrentschrift
  • Adressstempel des Absenders Arnold Schönberg, mit violetter Tinte
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen und die Foliierung vorgenommen hat.
  • Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
  • Bibliotheksstempel (blaue Tinte)
  • Poststempel (schwarze Tinte)
Foliierungen
  • Foliierung mit Bleistift unten rechts auf den Vorderseiten durch das Archiv.
Bildquelle
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 12345678910

Zusammenfassung
Schönberg versichert, seine Informationen und Vorschläge bezüglich einer Konservatoriumsgründung beruhten ausschließlich auf dem Gespräch mit Clark; wirft Busoni „Grobheit“ vor.
Incipit
Sie tun mir und meiner Fantasie unrecht.

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
Stand
21. November 2019: in Bearbeitung (in der Erfassungs-/Codierungsphase)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition
Frühere Ausgaben
Stein 1958, S. 29 f. Theurich 1977, S. 192 f. Theurich 1979, S. 197 f. (Brief), S. 120 (Kommentar) Beaumont 1987, S. 417 f.