Ich schreibe Ihnen noch diesen Brief, obwohl
unsere Rückreise unmittelbar bevorsteht und
ich hoffen will, dass wir Sie noch in Zürich treffen werden. Wir willen Dienstag fahren, –
von Buchloe aus – und wenn wir das erste
Schiff in Lindan erreichen, so treffen wir
wir um 6 Uhr abends in Zurich ein.
Ich danke Ihnen herzlich für Ihren lieben
Brief; auch wir möchten sehr gern nach
Berlin übersiedeln, und ich hoffe, dass sich
dieser Plan wird verwirklichen lassen, trotz- dem ich noch nicht weiss, wie dies geschehen
könnte. Bayern ist für den Musiker wenig
verlockend; wie Sie ganz richtig bemerken,
bleibt Bayreuth – trotz dem materiellen
Zusammenbruch der Festspiele – vorderhand
noch das okkulte Zentrum hiesiger Kunst=
Ich schreibe Ihnen noch diesen Brief, obwohl
unsere Rückreise unmittelbar bevorsteht und
ich hoffen will, dass wir Sie noch in Zürich
treffen werden. Wir willen Dienstag fahren, –
von Buchloe aus – und wenn wir das erste
Schiff in Lindan erreichen, so treffen wir
um 6 Uhr abends in Zurich ein.
Ich danke Ihnen herzlich für Ihren lieben
Brief; auch wir möchten sehr gern nach
Berlin übersiedeln, und ich hoffe, dass sich
dieser Plan wird verwirklichen lassen, trotzdem ich noch nicht weiß, wie dies geschehen
könnte. Bayern ist für den Musiker wenig
verlockend; wie Sie ganz richtig bemerken,
bleibt Bayreuth – trotz dem materiellen
Zusammenbruch der Festspiele – vorderhand
noch das okkulte Zentrum hiesiger Kunst=
ausübrung. Darüber lassen die Artikel des Herrn
Ehlers, sowie die Programme des Prinzregenten=Theaters keinen Zweifel. Am 13 sahen wir
in München "Oberon" unter Bruno Walter.
Abgesehen von der geschickten Ausstattung
und einer teilweise befriedigenden Regie, war
das ein betrübendes Erlebnis. Armer Weber!
Wo blieb die Schlankheit, der feurige Schwung,
und die Poesie?? Die schwarzen Rockschösse
des Dirigenten hingen bleiern herab, ihre
gewichtige Würde erdrückte das Orchester.
Nach diesem Abenteuer hielt ich es für
geboten, mich von einer, einige Tage später
stattfindenden Aufführung des "Don Giovanni"
fernzuhalten, und fuhr nach Schloss
Linderhof. Dort blieb uns die Lohengrin=Grotte nicht erspart; zwischen Gips-Stalaktiten
und künstlichen Korallenzweigen hängt
ein Riesengemälde, den Tannhaüser
im Venusberg darstellend. Ein groteskes
Fahrzeug schwimmt auf einem Suppenteller
voll Wasser. Nur der Schwan ist nicht
zu sehen; es wurde uns aber versichert,
dass er bei Königs Zeiten nicht gefehlt
habe.
Schweigen wir.– Ich erinnere mich, dass
wir einmal von der Verwendung des
Klaviers in der Kammermusik sprachen.
Ich aüsserte die Ansicht, dass es im Trio
oder Quartett disproportioniert erscheine
und den Stil ungünstig beeinflusse. Sie
sagten dagegen, man könnte durch
verfeinerte Behandlung des Instrumentes,
(Vermeidung akkordlicher Breite, u.s.w.) diese
Nachteile aufheben. Wie richtig das ist, empfand ich beim Lesen einer herrlichen Stelle
in MozartsTrio, K.V. 496.– In extenso schicke
ich sie Ihnen. Ich habe da die Empfindung
vollkommener Schönheit.– Vom 5. Takt an
spielt das Klavier die Rolle der Viola und 2. Geige
im Streichquartett, – und hat, diesen gegenüber
den Vorzug des Klangkontrastes. Eher könnte
man an Holzbläser denken. Diese so eigentümlich leuchtende Stelle hat in mir fast den
Wunsch erweckt, ein Kammermusikstück
zu schreiben, in welchem der Klavierpart
ausschliesslich polyphon wäre. Welche überraschende Möglichkeiten liegen da noch
verborgen!...
Dieser Brief wird wahrscheinlich wenige
Stunden vor mir Zürich erreichen.
Ich kann nicht glauben, dass ich ein
solches Pech haben könnte, Sie nicht
mehr dort zu treffen, habe vielmehr
die frohe Zuversicht, Sie in wenigen
Tagen zu sehen! Empfangen Sie, bitte,
sowie Frau Busoni unsere herzlichsten
Grüße.
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Ich danke Ihnen herzlich für Ihren lieben
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<lb/>dieser Plan wird verwirklichen lassen, trotz
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<lb/>Zusammenbruch der Festspiele – vorderhand
<lb/>noch das okkulte Zentrum hiesiger Kunst=
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2Faksimile
2Diplomatische Umschrift
2XML
ausübrung. Darüber lassen die Artikel des Herrn
Ehlers, sowie die Programme des Prinzregenten=- Theaters keinen Zweifel. Am 13 sahen wir
in München "Oberon" unter Bruno Walter.
Abgesehen von der geschickten Ausstattung
und einer teilweise befriedigenden Regie, war
das ein betrübendes Erlebnis. Armer Weber!
Wo blieb die Schlankheit, der feurige Schwung,
und die Poesie?? Die schwarzen Rockschösse
des Dirigenten hingen bleiern herab, ihre
gewichtige Würde erdrückte das Orchester.
Nach diesem Abenteuer hielt ich es für
geboten, mich von einer, einige Tage später
stattfindenden Aufführung des "Don Giovanni"
fernzuhalten, und fuhr nach Schloss
Linderhof. Dort blieb uns die Lohengrin=- Grotte nicht erspart; zwischen Gips-Stalaktiten
und künstlichen Korallenzweigen hängt
ein Riesengemälde, den Tannhaüser
im Venusberg darstellend. Ein groteskes
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<lb/>Wo blieb die Schlankheit, der feurige Schwung,
<lb/>und die Poesie?? Die schwarzen Rockschösse
<lb/>des Dirigenten hingen bleiern herab, ihre
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<lb/>geboten, mich von einer, einige Tage später
<lb/>stattfindenden Aufführung des "<title key="E0400002">Don Giovanni</title>"
<lb/>fernzuhalten, und fuhr nach Schloss
<lb/>Linderhof. Dort blieb uns die Lohengrin=
<lb break="no"/>Grotte nicht erspart; zwischen Gips-Stalaktiten
<lb/>und künstlichen Korallenzweigen hängt
<lb/>ein Riesengemälde, den Tannhaüser
<lb/>im Venusberg darstellend. Ein groteskes
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3Faksimile
3Diplomatische Umschrift
3XML
Fahrzeug schwimmt auf einem Suppenteller
voll Wasser. Nur der Schwan ist nicht
zu sehen; es wurde uns aber versichert,
dass er bei Königs Zeiten nicht gefehlt
habe.
Schweigen wir.– Ich erinnere mich, dass
wir einmal von der Verwendung des
Klaviers in der Kammermusik sprachen.
Ich aüsserte die Ansicht, dass es im Trio
oder Quartett disproportioniert erscheine
und den Stil ungünstig beeinflusse. Sie
sagten dagegen, man könnte durch
verfeinerte Behandlung des Instrumentes,
(Vermeidung akkordlicher Breite, u.s.w.) diese
Nachteile aufheben. Wie richtig das ist, emp- fand ich beim Lesen einer herrlichen Stelle
in MozartsTrio, K.V. 496.– In extenso schicke
ich sie Ihnen. Ich habe da die Empfindung
vollkommener Schönheit.– Vom 5. Takt an
spielt das Klavier die Rolle der Viola und 2. Geige
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Fahrzeug schwimmt auf einem Suppenteller
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<lb/>dass er bei Königs Zeiten nicht gefehlt
<lb/>habe.
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Schweigen wir.– Ich erinnere mich, dass
<lb/>wir einmal von der Verwendung des
<lb/>Klaviers in der Kammermusik sprachen.
<lb/>Ich aüsserte die Ansicht, dass es im Trio
<lb/>oder Quartett disproportioniert erscheine
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<lb/>spielt das Klavier die Rolle der Viola und 2. Geige
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4Faksimile
4Diplomatische Umschrift
4XML
im Streichquartett, – und hat, diesen gegenüber
den Vorzug des Klangkontrastes. Eher könnte
man an Holzbläser denken. Diese so eigentüm- lich leuchtende Stelle hat in mir fast den
Wunsch erweckt, ein Kammermusikstück
zu schreiben, in welchem der Klavierpart
ausschliesslich polyphon wäre. Welche über- raschende Möglichkeiten liegen da noch
verborgen!...
Dieser Brief wird wahrscheinlich wenige
Stunden vor mir Zürich erreichen.
Ich kann nicht glauben, dass ich ein
solches Pech haben könnte, Sie nicht
mehr dort zu treffen, habe vielmehr
die frohe Zuversicht, Sie in wenigen
Tagen zu sehen! Empfangen Sie, bitte,
sowie Frau Busoni unsere herzlichsten
Grüsse.
Preußischer
Staats- bibliothek
zu Berlin Kulturbesitz
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im Streichquartett, – und hat, diesen gegenüber
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Dieser Brief wird wahrscheinlich wenige
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5Diplomatische Umschrift
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6Faksimile
6Diplomatische Umschrift
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Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | N.Mus.Nachl. 30,118 |
Brief von Philipp Jarnach an Ferruccio Busoni (Polling, 28. August 1920), bearbeitet von Steffen Astheimer, in: Briefwechsel Ferruccio Busoni – Philipp Jarnach, hrsg. von Christian Schaper und Ullrich Scheideler, Berlin: Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, April 2021: Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, https://busoni-nachlass.org/D0101696 (2. Mai 2022: in Bearbeitung)
Download der bereinigten Lesefassung im PDF-Dateiformat (.pdf)
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<title xml:lang="de">Brief von Philipp Jarnach an Ferruccio Busoni (Polling, 28. August 1920)</title>
<title xml:lang="en">Letter by Philipp Jarnach to Ferruccio Busoni (Polling, 28 August 1920)</title>
<author key="E0300376">Philipp Jarnach</author>
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<resp>Digitization by</resp>
<orgName key="D-B">Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz</orgName>
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<publisher>Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin</publisher>
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<title type="main">Ferruccio Busoni – Briefe und Schriften</title>
<title type="genre">Briefe</title>
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<editor key="E0300314">Christian Schaper</editor>
<editor key="E0300313">Ullrich Scheideler</editor>
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<collection>Nachlass Ferruccio Busoni</collection>
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<institution>Kalliope-Verbund</institution>
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<docDate><!--<date when-iso="YYYY-MM-DD"/>--></docDate>
<!--ggf. auch vom Archiv eingetragenes Datum (sonst löschen):-->
<docDate resp="#archive" sameAs="#arch_date"><!--<date when-iso="1912" cert="unknown"/>[1912?]--></docDate>
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<condition>Der Brief ist gut erhalten.</condition>
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<handNote xml:id="major_hand" scope="major" medium="black_ink" scribe="author" scribeRef="#E0300376">Hand des Absenders Philipp Jarnach, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift</handNote><!-- oder in anderer Farbe? oder in deutscher Kurrentschrift? -->
<handNote xml:id="archive" scope="minor" medium="pencil" scribe="archivist">Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen, eine Foliierung vorgenommen und das Briefdatum ergänzt hat</handNote>
<handNote xml:id="archive_red" scope="minor" medium="red_pen" scribe="archivist">Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat</handNote>
<handNote xml:id="sbb_st_red" scope="minor" medium="red_ink" scribe="archivist">Bibliotheksstempel (rote Tinte)</handNote>
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<p>Erfassung von Briefen und Schriften von Ferruccio Busoni, ausgehend von Busonis Nachlass in der Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz.</p>
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<p>Worttrennungen an Zeilenumbrüchen im Original mit einfachen Bindestrichen.</p>
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<p>Alle im Text vorkommenden Interpunktionszeichen wurden beibehalten und werden in der diplomatischen Umschrift wiedergegeben. Bei Auszeichnung durch XML-Elemente wurden umgebende Satzzeichen nicht mit einbezogen.</p>
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<p>Anführungszeichen wurden i. d. R. nicht beibehalten; die Art der Zeichen wurde im Attribut <att>rend</att> der entsprechenden Elemente codiert.</p>
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<p>Die Übertragung folgt den Editionsrichtlinien des Projekts. <ptr target="http://www.busoni-nachlass.org/E1000003"/></p>
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<lb/>Wo blieb die Schlankheit, der feurige Schwung,
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<p>
Schweigen wir.– Ich erinnere mich, dass
<lb/>wir einmal von der Verwendung des
<lb/>Klaviers in der Kammermusik sprachen.
<lb/>Ich aüsserte die Ansicht, dass es im Trio
<lb/>oder Quartett disproportioniert erscheine
<lb/>und den Stil ungünstig beeinflusse. Sie
<lb/>sagten dagegen, man könnte durch
<lb/>verfeinerte Behandlung des Instrumentes,
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<lb/>den Vorzug des Klangkontrastes. Eher könnte
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<lb/>Wunsch erweckt, ein Kammermusikstück
<lb/>zu schreiben, in welchem der Klavierpart
<lb/>ausschliesslich polyphon wäre. Welche über
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<p>
Dieser Brief wird wahrscheinlich wenige
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<title key="E0400551">Klaviertrio Nr. 2 G-Dur KV 496</title>, 3. Allegretto, Variation IV, T. 9–19
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<title key="E0400551">Klaviertrio Nr. 2 G-Dur KV 496</title>, 3. Allegretto, Variation IV, T. 20–22
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