Jella Oppenheimer an Ferruccio Busoni arrow_backarrow_forward

Wien · 4. Dezember 1912

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Mus.ep. J. Oppenheimer 15 (Busoni-Nachl. B II)
Mus.Nachl. F. Busoni B II, 3446
[1]
den 4.12.1912

Liebster Freund

Zu meiner grössten Freude lese ich, dass
wir Sie in Wien sehen und hören werden,
das ist endlich eine glückliche Überraschung. Der für den 17.12.1912 angekündigte Soloabend (vgl. Neues Wiener Journal, 1.12.1912, S. 26) musste krankheitsbedingt verschoben werden und fand am 30.12. im Bösendorfer-Saal statt. Busoni spielte Orgeltranskriptionen nach Bach (Orgelchoralvorspiele sowie eine Toccata, vmtl. C-Dur), Chopins Préludes op. 28 und Liszts h-Moll-Sonate (vgl. Neues Wiener Journal, 1.1.1913, S. 14).
Wie der Mensch aber schon einmal un-
ersättlich ist, sehne ich Sie bei diesem Anlass
Sieauch in Ruhe zu sprechen und frage nach
Ihren Plänen. Bitte, nur ein Wort
wann Sie kommen, wie lange Sie bleiben
und ob ich auf ein Zusammensein hoffen

den 4.12.1912

Liebster Freund

Zu meiner größten Freude lese ich, dass wir Sie in Wien sehen und hören werden, das ist endlich eine glückliche Überraschung. Der für den 17.12.1912 angekündigte Soloabend (vgl. Neues Wiener Journal, 1.12.1912, S. 26) musste krankheitsbedingt verschoben werden und fand am 30.12. im Bösendorfer-Saal statt. Busoni spielte Orgeltranskriptionen nach Bach (Orgelchoralvorspiele sowie eine Toccata, vmtl. C-Dur), Chopins Préludes op. 28 und Liszts h-Moll-Sonate (vgl. Neues Wiener Journal, 1.1.1913, S. 14). Wie der Mensch aber schon einmal unersättlich ist, sehne ich, Sie bei diesem Anlass auch in Ruhe zu sprechen, und frage nach Ihren Plänen. Bitte, nur ein Wort, wann Sie kommen, wie lange Sie bleiben und ob ich auf ein Zusammensein hoffen darf. Ihre liebe Frau ist gewiss so gut, mir recht bald zu schreiben, wenn Ihre Zeit es nicht zulässt, und sie sagt mir alle Daten.

Es ist unsäglich lang, seitdem wir zuletzt voneinander gehört haben, teurer Freund; Sie sind inzwischen in Russland gewesen, Busoni hatte im Oktober/November 1912 mehrere Konzerte in Sankt Petersburg, Moskau und Riga gegeben (vgl. Busoni/Weindel 2015, Bd. 1, S. 574ff.). haben rastlos gearbeitet, geschaffen, die Menschen beglückt. Ich bin in all dieser Zeit – wie es der Ameise zukommt – geschäftig herumgekrochen, eilig und hastig, ohne aus dem Bau viel herauszukommen – auf demselben Fleck und doch müde!

Den Oktober habe ich in Meran verbracht, habe mich gesonnt, um endlich von einer Influenza zu genesen, an der ich Monate gelitten habe. Die Folgen machen sich noch jetzt fühlbar, ich bin nicht so recht gesund. Frau Hattingberg hat versprochen, Ihnen meine Grüße zu bringen, bald darf ich es selbst!

Kommt Frau Gerda mit, und können Sie beide nicht ein paar ruhige Tage erübrigen? Die Hoffnung darauf ist ein wahrer Lichtblick!

In unveränderlicher Freundschaft

Ihre Jella Oppenheimer

                                                                
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2Diplomatische Umschrift
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darf. Ihre liebe Frau ist gewiss so
gut mir recht bald zu schreiben, wenn
Ihre Zeit es nicht zulässt und sie
sagt mir alle Daten.

Es ist unsäglich lang seitdem wir
zuletzt von einander gehört haben,
teurer Freund; Sie sind inzwischen
in Russland gewesen, Busoni hatte im Oktober/November 1912 mehrere Konzerte in Sankt Petersburg, Moskau und Riga gegeben (vgl. Busoni/Weindel 2015, Bd. 1, S. 574ff.). haben rastlos
gearbeitet, geschaffen, die Menschen
beglückt. Ich bin in all dieser
Zeit – wie es der Ameise zukommt –
geschäftig herum gekrochen, eilig und Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin

                                                                
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3Diplomatische Umschrift
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[2] hastig, ohne aus dem Bau viel heraus
zu kommen – auf demselben Fleck
und doch müde!

Den Oktober habe ich in Meran ver-
bracht, habe mich gesonnt um
endlich von einer Influenza zu genesen,
an der ich Monate gelitten habe.
Die Folgen machen sich noch jetzt
fühlbar, ich bin nicht so recht gesund.
Frau Hattingberg hat versprochen
Ihnen meine Grüsse zu bringen
bald darf ich es selbst!

Kommt Frau Gerda mit und

                                                                
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darauf ist ein wahrer Lichtblick!

In unveränderlicher Freundschaft

Ihre
Jella Oppenheimer

                                                                
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Dokument

doneStatus: zur Freigabe vorgeschlagen XML Faksimile Download / Zitation

Überlieferung
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B II, 3446 | olim: Mus.ep. J. Oppenheimer 15 |

Nachweis Kalliope

Zustand
Der Brief ist gut erhalten.
Umfang
1 Bogen, 4 beschriebene Seiten
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Jella Oppenheimer, Brieftext in lila Tinte, in lateinischer Schreibschrift
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen und eine Foliierung vorgenommen hat
  • Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
Bildquelle
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 1234

Zusammenfassung
Oppenheimer drückt ihre Hoffnung aus, Busoni und seine Frau Gerda während seines bevorstehenden Wien-Aufenthalts zu sehen; berichtet von ihrer Influenza-Erkrankung und einer Erholungsreise nach Meran.
Incipit
Zu meiner größten Freude lese ich

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
Stand
31. August 2025: zur Freigabe vorgeschlagen (Auszeichnungen überprüft, korrekturgelesen)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition