Arnold Schönberg an Ferruccio Busoni arrow_backarrow_forward

Wien · 16. Juli 1910

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16/7.1910

Verehrter Herr Busoni, Sie sind bös auf mich, haben
aber Unrecht. Mir wäre es nicht im Traum einge⸗
fallen Sie durch meine Replik beleidigen zu wollen.
Und ich kann auch nicht finden, dass im 4. Absatz etwas
steht das beleidigend gedeutet werden konnte. Er ist
etwas salopp gehalten; etwas schmissig stilisiert.
Aber:, jedenfalls: beleidigend gemeint war das nicht.
Keinesfalls dürfen Sie das so auffassen. Ich bitte
Sie darum.

Aber: meinen Standpunkt zu einer Veränderung
meines Werkes, wollte ich klar ausdrücken. Daß
„klar“ bei mir leicht ein Synonym von „scharf“ wird,
bitte ich Sie, mir zu gute zu halten. Ich hoffe, Ihnen
ist Einer der scharf reagiert, wol auch lieber, als Einer der
gar nicht reagiert. Man hat doch im Grunde genommen
nichts von solchen Menschen. Im Augenblick mag ihre
Weichlichkeit ja ganz angenehm wirken, aber bald wer⸗
den sie, weil sie reizlos sind, langweilig.

Desgleichen bitte ich Sie die Anmerkungen,

16.7.1910

Verehrter Herr Busoni,

Sie sind bös auf mich, haben aber Unrecht. Mir wäre es nicht im Traum eingefallen, Sie durch meine Replik beleidigen zu wollen. Und ich kann auch nicht finden, dass im vierten Absatz etwas steht, das beleidigend gedeutet werden konnte. Er ist etwas salopp gehalten; etwas schmissig stilisiert. Aber, jedenfalls: beleidigend gemeint war das nicht. Keinesfalls dürfen Sie das so auffassen. Ich bitte Sie darum.

Aber: meinen Standpunkt zu einer Veränderung meines Werkes wollte ich klar ausdrücken. Dass „klar“ bei mir leicht ein Synonym von „scharf“ wird, bitte ich Sie, mir zugutezuhalten. Ich hoffe, Ihnen ist einer, der scharf reagiert, wohl auch lieber als einer, der gar nicht reagiert. Man hat doch im Grunde genommen nichts von solchen Menschen. Im Augenblick mag ihre Weichlichkeit ja ganz angenehm wirken, aber bald werden sie, weil sie reizlos sind, langweilig.

Desgleichen bitte ich Sie, die Anmerkungen, die ich in Ihre Bearbeitung hineingeschrieben habe, mir nicht zu verübeln. Gemeint sind Schönbergs Bemerkungen in Busonis Manuskript seiner Konzertmäßigen Interpretation von Schönbergs Klavierstück op. 11 Nr. 2. Ich glaube: sie sind sachlich scharf; aber nicht persönlich. Und das kann kaum anders sein. Denn die Sache, in der ich Sie hier bekämpfe, in der liegt die Schärfe. Nicht in den Personen. Muss ich Ihnen noch besonders sagen, dass ich Sie nach dem, was ich von Ihnen weiß, hochschätze? Aber deswegen darf man doch (wenigstens in Form eines Kunstwerkes) anderer Meinung sein.

Also bitte nehmen Sie mir die Bilder, die ich zum Vergleich wählte, nicht übel. Bedenken Sie, dass man einen Vergleich ja deswegen macht, um zu vergrößern, was zu klein ist, oder zu verkleinern, was zu groß ist. Der Vergleich muss also die Dimensionen verändern (verzerren!), gelegentlich also sogar übertreiben. – Man will sich ja deutlich ausdrücken und das so darstellen, dass der, dem man opponiert, versteht, was man meint. —

Nun noch etwas: ich habe mit Direktor Hertzka eine andere Form besprochen für die Veröffentlichung Ihrer Bearbeitung.

Nämlich die:

Ihre Bearbeitung erscheint nicht im gleichen Heft mit meinen Stücken, sondern ist unabhängig davon.

Damit fällt meine Erwiderung fort.

Ich hoffe, Sie sind damit einverstanden.

Ich schicke Ihnen heute die Bearbeitung Gemeint ist Busonis Manuskript seiner Konzertmäßigen Interpretation von Schönbergs Klavierstück op. 11 Nr. 2. und bitte Sie, so bald wie möglich an mich oder an die Universal-Edition die endgiltig redigierte Fassung des Stückes zu senden. Vermutlich hat Busoni das Manuskript spätestens im August 1910 direkt an die Universal-Edition geschickt.

Das Original Gemeint ist Schönbergs originale Fassung des Klavierstücks op. 11 Nr. 2. lasse ich Ihnen durch meinen Schüler Kapellmeister Dr. Jalowetz schicken. Bitte aber: in dieser Abschrift können Fehler sein. Ich habe sie nicht selbst korrigiert.

Ihren Brief habe ich erst heute beantworten können, weil ich vorher Direktor Hertzka sprechen musste.

Ich hoffe, bald von Ihnen Nachricht zu haben, und würde mich sehr freuen, wenn ich ersehen könnte, dass Sie nicht böse sind.

Mit hochachtungsvollen Grüßen in aller Ergebenheit

Arnold Schönberg

                                                                
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die ich in Ihre Bearbeitung hineingeschrieben
habe, mir nicht zu verübeln. Gemeint sind Schönbergs Bemerkungen in Busonis Manuskript seiner Konzertmäßigen Interpretation von Schönbergs Klavierstück op. 11 Nr. 2. Ich glaube: sie
sind sachlich scharf; aber nicht persönlich. Und das
kann kaum anders sein. Denn die Sache in
der ich Sie hier bekämpfe, in der liegt die Schärfe.
Nicht in den Personen. Muß ich Ihnen noch besonders
sagen, daß ich Sie nachdem was ich von Ihnen
weiß, hochschätze? Aber deswegen darf man
doch (wenigstens in Form eines Kunstwerkes) anderer
Meinung sein.

Also bitte nehmen Sie mir die Bilder, die ich
zum Vergleich wählte nicht übel. Bedenken Sie, daß
man einen Vergleich ja deswegen macht um zu
vergrößern, was zu klein ist, oder zu verkleinern
was zu groß ist. Der Vergleich muß also die
Dimensionen verändern (verzerren!), gelegentlich
also sogar übertreiben. – Man will sich ja deutlich
ausdrücken und das so darstellen, daß der, dem
man opponiert versteht was man meint. —

Nun noch etwas: ich habe mit Direktor
Hertzka
noch eine andere Form besprochen

                                                                
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[2] für die Veröffentlichung Ihrer Bearbeitung.

Nämlich die:

Ihre Bearbeitung erscheint nicht im gleichen
Heft mit meinen Stücken, sondern ist unab⸗
hängig davon.

Damit fällt meine Erwiderung fort.

Ich hoffe Sie sind damit einverstanden.

Ich schicke Ihnen heute die Bearbeitung Gemeint ist Busonis Manuskript seiner Konzertmäßigen Interpretation von Schönbergs Klavierstück op. 11 Nr. 2.
und das Original und bitte Sie sobald
wie möglich an mich oder an die Univ. Edition
die endgiltig redigirte Theurich 1977 (184) und Theurich 1979 (182): „endgültig redigierte“. Fassung des Stückes
zu senden. Vermutlich hat Busoni das Manuskript spätestens im August 1910 direkt an die Universal-Edition geschickt.

Das Original Gemeint ist Schönbergs originale Fassung des Klavierstücks op. 11 Nr. 2. lasse ich Ihnen durch
meinen Schüler Kapellmeister Dr. Jalowetz
schicken. Bitte aber: in dieser Abschrift können
Fehler sein. Ich habe sie nicht selbst korrigiert.

Ihren Brief habe ich erst heute beantworten
können, weil ich vorher Direktor Hertzka
sprechen mußte.

Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
                                                                
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4Faksimile
4Diplomatische Umschrift
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Ich hoffe bald von Ihnen Nachricht zu
haben und würde mich sehr freuen,
wenn ich ersehen könnte, daß Sie
nicht böse sind.

Mit hochachtungsvollen Grüßen in
aller Ergebenheit

Arnold Schönberg
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
Mus.Nachl. F. Busoni B II, 4553
Mus.ep. A. Schönberg 14
(
Nachlaß Busoni
B II)
                                                                
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Herrn
Ferruccio Busoni
Berlin W/30
Viktoria Luiseplatz […] mindestens 1 Zeichen: durchgestrichen. 11
                                                                
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6Diplomatische Umschrift
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Mus.Nachl. F. Busoni B II, 4553-Beil.
13 Transkription unsicher: wenig Tinte. /5 Wien 100
16. VII. 10–7
* a– *
Mus.ep. A. Schönberg 14
Nachlaß Busoni B II
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Überlieferung
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B II, 4553 | olim: Mus.ep. A. Schönberg 14 (Busoni-Nachl. B II) |

Nachweis Kalliope

Zustand
Der Brief ist gut erhalten; Umschlagaufriss rechts (ohne Textverlust).
Umfang
1 Bogen, 4 beschriebene Seiten
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Arnold Schönberg, Brieftext in schwarzer Tinte, in deutscher Kurrentschrift
  • Hand des Archivars, der die Zurdnung die Signaturen mit Bleistift eingetragen hat.
  • Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
  • Bibliotheksstempel (blaue Tinte)
  • Adressstempel des Absenders Arnold Schönberg, mit violetter Tinte
  • Poststempel (schwarze Tinte)
Foliierungen
  • Foliierung mit Bleistift oben rechts durch das Archiv.
Bildquelle
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 123456

Zusammenfassung
Schönberg verteidigt die Schärfe seiner Entgegnung auf Busonis Vorwort zu dessen Transkription des Klavierstücks op. 11 Nr. 2; hat mit Emil Hertzka die separate Veröffentlichung von Busonis Bearbeitung vereinbart; schickt Busonis Transkriptions-Manuskript zurück, kündigt Nachsendung einer Abschrift des originalen Klavierstücks an.
Incipit
Sie sind bös auf mich

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
Stand
5. Februar 2018: in Korrekturphase (Transkription abgeschlossen, Auszeichnungen codiert, zur Korrekturlesung freigegeben)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition
Frühere Ausgaben
Theurich 1977, S. 184 Theurich 1979, S. 181–183 (Brief), S. 97–100 (Kommentar) Beaumont 1987, S. 405 f.