Lieber und hochgeschätzer Arnold Schönberg,
                
                
                Ihr Brief war mir eine der
                     erfreulichsten Überraschungen,
                                                                Offenbar war Busoni tatsächlich von Schönbergs Schreiben angetan; am nächsten Tag äußerte er sich in einem Brief an José Vianna da Motta  anerkennend über Schönbergs Ausführungen zu Krieg und Frieden (Theurich 1979, S. 131).
                    
                    und
                     ich rechne es Ihnen schön an, dass
                     Sie mich ausersehen haben, um
                     Ihrem Herzen Luft zu machen.
                
                Bei dem Züricher III. Symphonie-Konzert stand Ihr „Pelleas und
                         Melisande“ auf dem Programm, 
                     und schon freuten sich die
                     Rechtdenkenden auf diese
                     Klänge, als das Werk – infolge
                     des nicht eingetroffenen Materials – 
                     aus der Liste verschwand.
                
                Gestern noch – mit einem
                     intelligenten Herrn Bülau –
                                                                Franz Wolfgang Bülau war 1916 Konzertmeister des Tonhalle-Orchesters Zürich.
                    
                     besangen wir Ihr Harmoniebuch.
                
                Sie ersehen daraus, dass
                     man noch für das Gute
                     manches übrig behält. Darum
                    
                    
                    
                    hätte ich gewünscht, von Ihrem
                     gegenwärtigen Schaffen Umständlicheres
                     berichtet zu erfahren. Die gewaltsame zehnmonatliche Unterbrechung
                                                                Schönberg war im November 1915 als tauglich gemustert worden. Von Mitte Dezember 1915 bis Juni 1916 war er beim Militär. Im September 1917 wurde er erneut eingezogen.
                    
                     muss schwer auf dasselbe gelastet
                     haben, aber umso ungestümer
                     müsste es wieder hervorbrechen.
                
                Ich schrieb ein kleines
                     Feuilleton über den Soldaten-Tod eines hervorragenden Malers;
                     keine Friedensschrift, aber eine, 
                     worin die Kunst – in einer
                     knappen Andeutung – gegen den
                     Krieg abgewogen wird. Sie hat
                     ein leises Echo erweckt, wie
                     schon daraus zu schließen ist, 
                     dass etwas davon auch zu Ihren
                     Ohren drang.
                
                Was wissen Sie von Frau Mahler?
                                                                Busoni hatte noch nicht von Alma Mahlers Hochzeit mit Walter Gropius (18. August 1915) erfahren. Nach Gustav Mahlers Tod standen Busoni und Alma Mahler noch in Kontakt, insbesondere wegen der Organisation der Zinsvergabe durch die Gustav-Mahler-Stiftung an Arnold Schönberg. Der Kontakt riss dann jedoch ab, da Busoni auf Alma Mahlers Briefe nicht mehr antwortete. Ihr letzter Brief an Busoni (23. März 1916) ist mit „Alma Mahler“ unterzeichnet (Theurich 1979, S. 136). Die Ehe mit Gropius war abseits der Öffentlichkeit geschlossen worden: Alma hatte Gropius um eine schnelle Hochzeit gebeten, „ohne dass es ein Mensch erfährt“ (Hilmes 2004, S. 160), und empfand die Ehe bald als „sozialen Abstieg“ (ibid., S. 164).
                    
                
                Und welcher ist Ihr Verkehr?
                
                
                
                Nun muss man zuversichtlich
                     hoffen und auf den Frieden hin
                     in dem Sinne arbeiten, dass er
                     uns nicht überrasche,
                    
                    bevor wir
                     in dem, das uns gegeben ist, 
                     etwas vollbracht haben. Das ist
                     unser schönster Sieg, wenn wir
                     als Ergebnis unser Schaffen
                     gegen des Anderen Zerstörung
                     stellen können! Das Bleibende
                     gegen das Zerfallende.
                
                Jeder tue, was er am besten zu tun
                     vermag; sich selbst
                     gründlich zu schöpfen, bleibe die
                     wahrste Lebenserfüllung.
                
                Ich wünsche Ihnen
                     das Freundschaftlichste. 
                     Auf Wiedersehen und -lesen.
                
                
                    Ihr herzlichst ergebener
                    F. Busoni
                    24. Nov. 1916.