Mein lieber Maestro – das „caro“ bedeutet in der Umwertung „verehrtester“ & hat das Vorrecht des Aelteren!“ –
Mögen meine Zeilen auch als sin̅iger
Gruß – quasi als glückliches Omen –
zu den ersten gehören, die Sie & Ihre
Familie im neuem Heim empfangen!
Hoffentlich übernim̅t Sie auch noch später
ein „mal du pays“, wen̅ Sie an den
Zürcher-Aufenthalt & an das poetische
Ergebniß desselben denken! –
Wäre ich das Publikum,
so würde ich von dem berufensten Liszt⸗ Iinterpreten geradezu vier Liszt-Abende verlangen;
aber in dem conservativen Basel geht
das nicht. Ich habe auch mit His-Schlumberger darüber gesprochen, der auchebenfalls meiner
Ansicht ist – & der – nebenbei gesagt – sich
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
Mein lieber Maestro – das „caro“
bedeutet in der Umwertung „verehrtester“
und hat das Vorrecht des Älteren! –
Mögen meine Zeilen auch als sinniger
Gruß – quasi als glückliches Omen –
zu den ersten gehören, die Sie und Ihre
Familie im neuem Heim empfangen!
Hoffentlich übernimmt Sie auch noch später
ein „mal du pays“, wenn Sie an den
Zürcher Aufenthalt und an das poetische
Ergebnis desselben denken! –
Wäre ich das Publikum,
so würde ich von dem berufensten Liszt-Interpreten geradezu vier Liszt-Abende verlangen;
aber in dem konservativen Basel geht
das nicht. Ich habe auch mit His-Schlumberger
darüber gesprochen, der ebenfalls meiner
Ansicht ist – und der – nebenbei gesagt – sich
enorm auf Sie freut! Bleiben
wir also bei Ihrem Vorschlage:
Ihrer Prometheus-Kritik
kann ich gut nachfühlen; man muss
entschieden noch etwas von der Unschuld
der Lebensanschauungen in sich spüren
oder dann nichts von Multatuli wissen –
mit anderen Worten „jünger“ sein. –
Mehr Freude werden Ihnen die Briefe
von Stauffer bereiten, die ich Ihnen
in den nächsten Tagen zusenden werde! –
Und nun ins neue Haus und zur
schönen Arbeit den Wahlspruch
Rousseaus: „Vitam impendere
vero!“ –
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2Faksimile
2Diplomatische Umschrift
2XML
enorm auf Sie freut! Bleiben
wir also bei Ihrem Vorschlage:
Ihrer Prometheuskritik
kan̅ ich gut nachfühlen; man muß
entschieden noch etwas von der Unschuld
der Lebensanschauungen in sich spüren
oder dann nichts von Multatuli wißen –
mit anderen Worten „jünger“ sein. –
Mehr Freude werden Ihnen die Briefe
von Stauffer bereiten, die ich Ihnen
in den nächsten Tagen zusenden werde! –
Und nun ins neue Haus & zur
schönen Arbeit den Wahlspruch
Rousseau’s: Vitam impendere
vero! –
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enorm auf Sie freut! Bleiben
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<lb/>mit anderen Worten <soCalled rend="dq-du">jünger</soCalled> sein. –
<lb/>Mehr Freude werden Ihnen die Briefe
<lb/>von <persName key="E0300185">Stauffer</persName> bereiten, die ich Ihnen
<lb/>in den nächsten Tagen zusenden werde! –
<lb/>Und nun <rs key="E0500387">ins neue Haus</rs> <choice><abbr>&</abbr><expan>und</expan></choice> zur
<lb/>schönen Arbeit den Wahlspruch
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<salute>Ihr treu ergebener</salute>
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Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B II, 2248 | olim:
Mus.ep. H. Huber 21 (Busoni-Nachl. B II)
|
Brief von Hans Huber an Ferruccio Busoni (Basel, 17. Oktober 1915), bearbeitet von Christian Schaper, in: Briefwechsel Ferruccio Busoni – Hans Huber, hrsg. von Christian Schaper und Ullrich Scheideler, Berlin: Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, Oktober 2017: Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, https://busoni-nachlass.org/D0100228 (8. November 2017: in Korrekturphase)