Hans Huber an Ferruccio Busoni arrow_backarrow_forward

Basel · 23. Oktober 1915

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Mus.ep. H. Huber 22 (Busoni Nachl. B II)
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Mus.Nachl. F. Busoni B II, 2249

Mein lieber Kollege Busoni!

Nachdem endlich alle Faktoren
günstig beisam̅en sind – sogar neues
Papier mußte ich mir holen laßen –
kann ich Ihnen auf Ihren lieben Brief
antworten. Allerdings muß ich Ihnen
– omnia praeclara rara! – in erster
Linie meine Bewunderung aussprechen,
wie Sie als geborener Romane die
deutsche Sprache beherrschen. Dabei denke
ich nicht nur an Ihren Brief, sondern auch
an den Entwurf einer neuen Aesthetik
der Tonkunst
. Ist es nicht schade, daß
Sie nicht all’ den deutschen Scribaxen Transkription unsicher: unleserlich. zeigen,
wie man über Musik & Musiziren schreiben
soll. Die Franzosen sind uns in
dieser Beziehung weit überlegen! –

Mein lieber Kollege Busoni!

Nachdem endlich alle Faktoren günstig beisammen sind – sogar neues Papier musste ich mir holen lassen –, kann ich Ihnen auf Ihren lieben Brief antworten. Allerdings muss ich Ihnen – omnia praeclara rara! – in erster Linie meine Bewunderung aussprechen, wie Sie als geborener Romane die deutsche Sprache beherrschen. Dabei denke ich nicht nur an Ihren Brief, sondern auch an den Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst. Ist es nicht schade, dass Sie nicht all’ den deutschen Scribaxen zeigen, wie man über Musik und Musizieren schreiben soll. Die Franzosen sind uns in dieser Beziehung weit überlegen! –

Herr His-Schlumberger äußerte gestern den Wunsch, zwei Liszt-Abende zu veranstalten und vielleicht Beethoven zu eliminieren. Sie sehen, wie weit ich die Leute schon mit Suggestion behandelt habe. Immerhin sind Sie aber in jeder Beziehung der Tonangeber, und auch His möchte Ihnen das letzte Wort geben. Wie ich zufällig hörte, will Sie auch die Musikgesellschaft bei Ihrem Auftreten im Abonnementskonzerte zu einem Extra-Beethoven-Abende einladen. Dann hätten die beiden Liszt-Vorträge ja Berechtigung und Sinn! –

Bach-Abend: Jedenfalls die Goldberg-Variationen, Übertragung eines Orgelwerkes, Wohltemperiertes Klavier – jedenfalls auch die Abreise und die Chromatische Fantasie, die ich z. B. außerordentlich gern einmal von Ihnen hören möchte! –

Chopin – jedenfalls die Etüden (famos) Man wird sich im weiteren Verlauf auf Chopins Etüden op. 10 verständigen, nicht auf die Etüden op. 25. auch die vierte Ballade (ebenfalls mein Lieblingsstück) und die Präludien?? – (è troppo.) Behandeln Sie also die Programme ganz von Ihrem subjektiven Standpunkte aus; wir sind Ihnen für alles dankbar. Diese Konzerte werden sehr besucht; darüber herrscht hier kein Zweifel. Dr. Stumm und Hagenbachs freuen sich indessen bereits auf den II. Akt, auf die Symposien in der Veltlinerhalle!! –

Als Paketsendung erhalten Sie morgen oder übermorgen die Briefe und Gedichte von Stauffer. Leider sind die schönsten Römerbriefe in dem hässlichen Judenrahmen von Brahm, den Sie übrigens ganz gut ungelesen lassen können. Lassen Sie sich in Zürich einmal die Begegnung Böcklins mit diesem israelitischen Exemplar erzählen. Vielleicht kennt Andreae die hübsche Episode oder dann jedenfalls Hegar.

Und nun pax vobiscum und verehrungsvollste Grüße von Ihrem

Hans Huber

                                                                
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2Diplomatische Umschrift
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Herr His-Schlumberger äußerte
gestern den Wunsch, zwei Liszt-Abende
zu veranstalten & vielleicht Beethoven
zu eliminiren. Sie sehen, wie weit
ich die Leute schon mit Suggestion behandelt
habe. Im̅erhin sind Sie aber in jeder
Beziehung der Tonangeber & auch His
möchte Ihnen das letzte Wort geben.
Wie ich zufällig hörte, will Sie auch die
Musikgesellschaft bei Ihrem Auftreten im Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin

Abonnementskonzerte zu einem Extra=
Beethovenabende einladen. Dan̅ hätten
die beiden Liszt-Vorträge ja Berechtigung
& Sin̅! –

Bachabend: Jedenfalls die Goldberg-
Variationen
, Uebertragung eines
Orgelwerkes, wohltemp. Clavier
jedenfalls auch die Abreise & die
chromatische Fantasie, die ich z. B.
außerordentlich gern einmal von
Ihnen hören möchte! –

                                                                
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Chopin – jedenfalls die Etuden (famos) Man wird sich im weiteren Verlauf auf Chopins Etüden op. 10 verständigen, nicht auf die Etüden op. 25.
auch die vierte Ballade (ebenfalls mein
Lieblingsstück) & die Praeludien?? – (e troppo.)
Behandeln Sie also die Program̅e ganz
von Ihrem subjektiven Standpunkte aus;
wir sind Ihnen für alles dankbar. Diese
Konzerte werden sehr besucht; darüber
herrscht hier kein Zweifel. Dr. Stumm
& Hagenbachs freuen sich indeßen bereits
auf den II. Act, auf die Symposien in
der Veltliner Halle!! –

Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin

Als Packetsendung erhalten
Sie morgen od. übermorgen die
Briefe & Gedichte von Stauffer. Leider
sind die schönsten Römerbriefe in
dem häßlichen Judenrahmen von
Brahm, den Sie übrigens ganz gut
ungelesen laßen kön̅en. Laßen Sie sich
in Zürich einmal die Begegnung Boecklin’s
mit diesem israelitischen Exemplar
erzählen. Vielleicht ken̅t Andreae
die hübsche Episode od. dann jedenfalls Hegar.

                                                                
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Und nun pax vobiscum &
verehrungsvollste Grüße von Ihrem

Hans Huber

                                                                
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Herrn F. Busoni
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
Zürich
Rigistraße 42.
Basel 2
23.X.15.–5
Brf. Exp.
                                                                
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6Diplomatische Umschrift
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Huber
Zürich
23.X.15.–10
Brf. Exp.
Nachlaß Busoni B II
Mus.ep. H. Huber 22

Mus.Nachl. F. Busoni B II, 2249-Beil.
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Überlieferung
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B II, 2249 | olim: Mus.ep. H. Huber 22 (Busoni-Nachl. B II) |

Nachweis Kalliope

Zustand
Brief und Umschlag sind gut erhalten.
Umfang
1 Bogen, 4 beschriebene Seiten
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Hans Huber, Brieftext in schwarzer Tinte, in deutscher Kurrentschrift.
  • Vmtl. Hand des Empfängers Ferruccio Busoni, der auf dem Umschlag die Zuordnung
  • Huber
  • mit Bleistift notiert hat.
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift Signaturen eingetragen und eine Foliierung vorgenommen hat.
  • Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
  • Bibliotheksstempel (blaue Tinte)
  • Poststempel (schwarze Tinte)
Bildquelle
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 123456

Zusammenfassung
Huber lobt Busonis Sprachbehandlung im Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst; suggeriert weiterhin einen zweiten Liszt-Abend; nennt Werk-Präferenzen für den Bach- und den Chopin-Abend; kündigt Übersendung von Briefen Karl Stauffer-Berns an; äußert sich abschätzig über Otto Brahm.
Incipit
Nachdem endlich alle Faktoren günstig beisammen sind

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
unter Mitarbeit von
Stand
9. November 2017: in Korrekturphase (Transkription abgeschlossen, Auszeichnungen codiert, zur Korrekturlesung freigegeben)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition