[901]
Der vorliegende Brief stammt mit großer Sicherheit bereits aus dem Jahr 1900. Busonisnachfolgender Brief vom 12.09.1900 bezieht sich auszugsweise direkt auf
dieses Schreiben Freunds, etwa wenn er das „à peu près“
in Etelka Freunds Klavierspiel inhaltlich aufgreift und zitiert oder wenn Busoni
seine Enttäuschung über Freunds nicht erfolgten Besuch in Weimar zum Ausdruck bringt.
Lieber u. verehrter Freund! Sie wissen
wie ich über Etel’s ausnahmsweise
pianistische u. musikalische Begabung
denke, wen̅ ich auch nicht gerne
darüber spreche, weil sie eben meine
Schwester ist. Ein Urtheil mir aber zu
bilden wie ihr Spiel vom Podium
herab wirken würde, war mir bisher
nicht möglich, weil ich nie ein
Stück von ihr hörte, dass sie wirklich
gekon̅t hätte. Es war im̅er das “à
peu près” u. nicht das “tout à fait ça”.
à peu près [frz.]: nur so ungefähr, unvollkommen, halbe Sache; tout à fait ça [frz.]: genau das ist es, stimmt total
D[euts]che
[Staatsbibliothek
Berlin
]
Scheveningen, den
8. August
Der vorliegende Brief stammt mit großer Sicherheit bereits aus dem Jahr 1900. Busonisnachfolgender Brief vom 12.09.1900 bezieht sich auszugsweise direkt auf
dieses Schreiben Freunds, etwa wenn er das „à peu près“
in Etelka Freunds Klavierspiel inhaltlich aufgreift und zitiert oder wenn Busoni
seine Enttäuschung über Freunds nicht erfolgten Besuch in Weimar zum Ausdruck bringt.
Lieber und verehrter Freund!
Sie wissen,
wie ich über Etels ausnahmsweise
pianistische und musikalische Begabung
denke, wenn ich auch nicht gerne
darüber spreche, weil sie eben meine
Schwester ist. Ein Urteil mir aber zu
bilden, wie ihr Spiel vom Podium
herab wirken würde, war mir bisher
nicht möglich, weil ich nie ein
Stück von ihr hörte, das sie wirklich
gekonnt hätte. Es war immer das „à
peu près“ und nicht das „tout à fait ça“.
à peu près [frz.]: nur so ungefähr, unvollkommen, halbe Sache; tout à fait ça [frz.]: genau das ist es, stimmt total
Es scheint mir aber, dass Sie richtig sehen
und dass Etels Spiel – bisher wenigstens –
unter einer gewissen Indifferenz
leidet; als ob sie nicht daran dächte,
das Kunstwerk in aller „Heiligkeit“
zu reproduzieren, sondern von dem Gedanken
geleitet: que c’est assez bon pour le
menu fretin.
que c’est assez bon pour le menu fretin [frz.]: dass das gut genug ist für den kleinen Mann
Sie wissen, dass einer der
„travers“
travers [frz.]: Fehler, Schwäche
meiner Schwester ist, gerne
die Leistungen anderer zu unterschätzen,
wenn sie Ihrer Ansicht auch (glücklicherweise) nicht immer Worte leiht.
Um aber ganz offen zu sein, will ich doch
sagen, dass mir bei Damen eine gewisse
Zurückhaltung lieber ist als zu
viel Ausdruck, oder was Feminina
so nennen, nämlich: eine unausstehliche
Manieriertheit. Doch ich komme auf meine
alte Ansicht über Frauenzimmer und ihr
Spiel zu sprechen und will lieber
schweigen. –
Nun herzlichsten Dank für alles Liebe
und Freundliche, das Sie mir sagen. Glauben
Sie mir, dass der Hauptreiz Berlins
für mich im Umgang mit Ihnen
besteht. Bei einer definitiven
Übersiedlung nach Berlin kommen aber
so viel Gründe in Betracht, dass
die Sache nicht so einfach ist, wie
sie aussieht.Freund und seine Frau verbrachten den Winter 1901/02 in
Berlin. Der Aufenthalt dort blieb eine einmalige Angelegenheit, eine „definitive[] Übersiedlung“ ist nicht erfolgt.
Vielleicht kann ich
im September für ein paar Tage nach
Weimar kommen und dann dieses
Thema des Breiteren ausführen.
Der avisierte Besuch in Weimar ist nicht erfolgt. Busoni gab dort einen Meisterkurs,
an dem u. a. Freunds Schwester Etelka teilgenommen hatte. (für Näheres zum
Meisterkurs vgl. Anm. im folgenden Brief) Irma und die Mutter
der Freund-Geschwister waren ebenfalls in Weimar vor Ort.
(vgl. Postkarte Busoni an Freund vom 23.07.1900)
Entschuldigen Sie mein Geschmiere,
ich bin heute besonders zittrig. –
Mit herzlichsten Grüßen von
uns beiden an Frau Busoni
und Sie
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<lb/>herab wirken würde, war mir bisher
<lb/>nicht möglich, weil ich nie ein
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2Faksimile
2Diplomatische Umschrift
2XML
[2]
Es scheint mir aber, dass Sie richtig sehen
u. dass Etel’s Spiel, bisher wenigstens –
unter einer gewissen Indifferenz
leidet; als ob sie nicht daran dächte
das Kunstwerk in aller “Heiligkeit” zu reproduciren, sondern von dem Gedanken
geleitet: que c’est assez bon pour le
menu fretin.
que c’est assez bon pour le menu fretin [frz.]: dass das gut genug ist für den kleinen Mann
Sie wissen, dass einer der
“travers”
travers [frz.]: Fehler, Schwäche
meiner Schwester ist, gerne
die Leistungen Anderer zu unterschätzen,
wen̅ sie Ihrer Ansicht auch (glückli_ cherweise) nicht im̅er Worte leiht.
Um aber ganz offen zu sein, will ich doch
sagen, dass mir bei Damen eine gewisse
Zurückhaltung lieber ist, als zu
viel Ausdruck, oder was Feminina
so nennen, nämlich: eine unausstehliche
Manierirtheit. Doch ich kom̅e auf meine
alte Ansicht über Frauenzim̅er u. ihr
Spiel zu sprechen u. will lieber
schweigen. –
Nun herzlichsten Dank für Alles Liebe
u. Freundliche das Sie mir sagen. Glauben
Sie mir dass der Hauptreiz Berlin’s
D[euts]che
[Staatsbibliothek
Berlin
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3Faksimile
3Diplomatische Umschrift
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für mich im Umgang mit Ihnen
besteht. Bei einer definitiven
Übersiedlung nach Berlin, kom̅en aber
so viel Gründe in Betracht, dass
die Sache nicht so einfach ist, wie
sie aussieht.Freund und seine Frau verbrachten den Winter 1901/02 in
Berlin. Der Aufenthalt dort blieb eine einmalige Angelegenheit, eine „definitive[] Übersiedlung“ ist nicht erfolgt.
Vielleicht kan̅ ich
im Sept. für ein paar Tage nach
Weimar kom̅en u. dan̅ dieses
Thema des Breiteren ausführen.
Der avisierte Besuch in Weimar ist nicht erfolgt. Busoni gab dort einen Meisterkurs,
an dem u. a. Freunds Schwester Etelka teilgenommen hatte. (für Näheres zum
Meisterkurs vgl. Anm. im folgenden Brief) Irma und die Mutter
der Freund-Geschwister waren ebenfalls in Weimar vor Ort.
(vgl. Postkarte Busoni an Freund vom 23.07.1900)
Entschuldigen Sie mein Geschmiere,
ich bin heute besonders zittrig. –
Mit herzlichsten Grüssen von
uns Beiden an Frau Busoni u. Sie
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für mich im Umgang mit Ihnen
<lb/>besteht. Bei einer definitiven
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Meisterkurs vgl. Anm. im <ref target="#D0100573">folgenden Brief</ref>) <persName key="E0300432">Irma</persName> und die <rs key="E0300531">Mutter</rs>
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(vgl. Postkarte <persName key="E0300017">Busoni</persName> an <persName key="E0300208">Freund</persName> vom <date when-iso="1900-07-23">23.07.1900</date>)
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<p rend="space-above">Wir reisen vielleicht schon <date when-iso="1900-08-09" cert="high">morgen</date>
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Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B II, 1700 | olim:
Mus.ep. R. Freund 11 (Busoni-Nachl. B II)
|
Freund sieht sich außerstande, das Klavierspiel seiner Schwester Etelka zu
beurteilen, da er bisher immer nur das „à peu près“, aber nie das „tout à fait ça“
von ihr vernommen hat; teilt Busonis Einschätzung, ihr Spiel leide unter „einer gewissen Indifferenz“, was
Freund jedoch lieber ist als „zu viel Ausdruck“; bekennt, dass ein evtl. Umzug nach BerlinBusonis wegen reizvoll wäre, aber letztlich viele Aspekte gegeneinander abgewogen werden müssen; stellt einen möglichen
Besuch in Weimar im September in Aussicht.
Incipit
„Sie wissen, wie ich über Etels ausnahmsweise pianistische und musikalische Begabung denke“
Brief von Robert Freund an Ferruccio Busoni (Scheveningen, 8. August 1900), bearbeitet von Judith Treumann, in: Briefwechsel Ferruccio Busoni – Robert Freund, hrsg. von Christian Schaper und Ullrich Scheideler, Berlin: Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, Juni 2018: Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, https://busoni-nachlass.org/D0100513 (26. Februar 2019: in Korrekturphase)
Download der bereinigten Lesefassung im PDF-Dateiformat (.pdf)
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<title xml:lang="de">Brief von Robert Freund an Ferruccio Busoni (Scheveningen, 8. August 1900)</title>
<title xml:lang="en">Letter by Robert Freund to Ferruccio Busoni (Scheveningen, 8 August 1900)</title>
<author key="E0300208">Robert Freund</author>
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<publisher>Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin</publisher>
<pubPlace>Berlin</pubPlace>
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<title type="main">Ferruccio Busoni – Briefe und Schriften</title>
<title type="genre">Briefe</title>
<title type="subseries" key="E010007">Briefwechsel Ferruccio Busoni – Robert Freund</title>
<editor key="E0300314">Christian Schaper</editor>
<editor key="E0300313">Ullrich Scheideler</editor>
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<collation>Briefpapier im Querformat (aufgeklappter Bogen); Vorderseite in zwei Spalten beschrieben, Rückseite nur die linke Spalte.</collation>
<condition>Der Brief ist gut erhalten.</condition>
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Hand des Absenders Robert Freund, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift
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Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen, eine Foliierung vorgenommen und das Briefdatum ergänzt hat
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Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat
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Bibliotheksstempel (rote Tinte)
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<p>Erfassung von Briefen und Schriften von Ferruccio Busoni, ausgehend von Busonis Nachlass in der Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz.</p>
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<p>Worttrennungen an Zeilenumbrüchen im Original mit Unterstrichen (_).</p>
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<p>Alle im Text vorkommenden Interpunktionszeichen wurden beibehalten und werden in der diplomatischen Umschrift wiedergegeben. Bei Auszeichnung durch XML-Elemente wurden umgebende Satzzeichen nicht mit einbezogen.</p>
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<p>Anführungszeichen wurden i. d. R. nicht beibehalten; die Art der Zeichen wurde im Attribut <att>rend</att> der entsprechenden Elemente codiert.</p>
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<p>Die Übertragung folgt den Editionsrichtlinien des Projekts. <ptr target="http://www.busoni-nachlass.org/E1000003"/></p>
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<del rend="strikethrough">Mus.ep. R. Freund 11 (Busoni-Nachl. <handShift new="#archive_red"/>B II<handShift new="#archive"/>)</del>
<add place="below">Mus.Nachl. F. Busoni B II, 1700</add> </subst>
</note>
<note type="foliation" place="top-right" resp="#archive">[1]</note>
<fw place="below center" rend="space-below">
<hi rend="caps small spaced-out">Nordseebad <placeName key="E0500373">Scheveningen</placeName> (<rs key="E0500525">Holland</rs>)</hi>
</fw>
<fw place="center">
<figure>
<figDesc>Ansicht: <placeName key="E0500520">Hôtel Kurhaus</placeName>, <placeName key="E0500373">Scheveningen</placeName></figDesc>
</figure>
<placeName key="E0500520" rend="caps bold large">Hôtel Kurhaus</placeName>
</fw>
<opener>
<dateline rend="align(right) space-below">
<fw place="inline">
<seg rend="italic"><placeName key="E0500373">Scheveningen</placeName>, den </seg>
</fw>
<date when-iso="1900-08-08" cert="high"><choice><orig>8/8</orig><reg>8. August</reg></choice></date>
<fw place="inline"><seg rend="italic">1</seg></fw>
<note type="dating" place="inline" resp="#archive" xml:id="arch_date">[<date when-iso="1901" cert="low">901</date>]</note>
<note type="commentary" resp="#E0300361">
Der vorliegende Brief stammt mit großer Sicherheit bereits aus dem Jahr <date when-iso="1900">1900</date>. <persName key="E0300017">Busonis</persName>
<ref target="#D0100573">nachfolgender Brief vom <date when-iso="1900-09-12">12.09.1900</date></ref> bezieht sich auszugsweise direkt auf
dieses Schreiben <persName key="E0300208">Freunds</persName>, etwa wenn er das <soCalled rend="dq-du"><foreign xml:lang="fr">à peu près</foreign></soCalled>
in <persName key="E0300420">Etelka Freunds</persName> Klavierspiel inhaltlich aufgreift und zitiert oder wenn <persName key="E0300017">Busoni</persName>
seine Enttäuschung über <persName key="E0300208">Freunds</persName> nicht erfolgten Besuch in <placeName key="E0500144">Weimar</placeName> zum Ausdruck bringt.
</note>
</dateline>
</opener>
<p><seg type="opener" subtype="salute">Lieber <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> verehrter Freund!</seg> Sie wissen<reg>,</reg>
<lb/>wie ich über <persName key="E0300420">Etel<orig>’</orig>s</persName> ausnahmsweise
<lb/>pianistische <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> musikalische Begabung
<lb/>denke, we<choice><abbr>n̅</abbr><expan>nn</expan></choice> ich auch nicht gerne
<lb/>darüber spreche, weil sie eben meine
<lb/>Schwester ist. Ein Urt<orig>h</orig>eil mir aber zu
<lb/>bilden<reg>,</reg> wie ihr Spiel vom Podium
<lb/>herab wirken würde, war mir bisher
<lb/>nicht möglich, weil ich nie ein
<lb/>Stück von ihr hörte, das<orig>s</orig> sie wirklich
<lb/>geko<choice><abbr>n̅</abbr><expan>nn</expan></choice>t hätte. Es war i<choice><abbr>m̅</abbr><expan>mm</expan></choice>er das <soCalled rend="dq-uu"><foreign xml:lang="fr">à
<lb/>peu près</foreign></soCalled> <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> nicht das <soCalled rend="dq-uu"><foreign xml:lang="fr">tout à fait ça</foreign></soCalled>.
<note type="commentary" resp="#E0300361">
à peu près [frz.]: nur so ungefähr, unvollkommen, halbe Sache; tout à fait ça [frz.]: genau das ist es, stimmt total
</note>
<note type="stamp" place="margin-right" resp="#dsb_st_red">
<stamp xml:id="dsb_p1" rend="round border align(center) tiny">
D<supplied reason="low-ink">euts</supplied>che
<lb/><supplied reason="low-ink">Staatsbibliothek
<lb/><placeName key="E0500029"><hi rend="spaced-out">Berlin</hi></placeName>
</supplied>
</stamp>
</note>
<pb n="2"/>
<note type="foliation" place="top-right" resp="#archive">[2]</note>
Es scheint mir aber, dass Sie richtig sehen
<lb/><choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> dass <persName key="E0300420">Etel<orig>’</orig>s</persName> Spiel<choice><orig>,</orig><reg> –</reg></choice> bisher wenigstens –
<lb/>unter einer gewissen Indifferenz
<lb/>leidet; als ob sie nicht daran dächte<reg>,</reg>
<lb/>das Kunstwerk in aller <soCalled rend="dq-uu">Heiligkeit</soCalled>
<lb/>zu reprodu<choice><orig>ci</orig><reg>zie</reg></choice>ren, sondern von dem Gedanken
<lb/>geleitet: <foreign xml:lang="fr">que c’est assez bon pour le
<lb/>menu fretin</foreign>.
<note type="commentary" resp="#E0300361">
que c’est assez bon pour le menu fretin [frz.]: dass das gut genug ist für den kleinen Mann
</note>
Sie wissen, dass einer der
<lb/><soCalled rend="dq-uu"><foreign xml:lang="fr">travers</foreign></soCalled>
<note type="commentary" resp="#E0300361">
travers [frz.]: Fehler, Schwäche
</note>
<rs key="E0300420">meiner Schwester</rs> ist, gerne
<lb/>die Leistungen <choice><orig>A</orig><reg>a</reg></choice>nderer zu unterschätzen,
<lb/>we<choice><abbr>n̅</abbr><expan>nn</expan></choice> sie Ihrer Ansicht auch (glückli
<lb break="no"/>cherweise) nicht i<choice><abbr>m̅</abbr><expan>mm</expan></choice>er Worte leiht.
<lb/>Um aber ganz offen <add place="above">zu</add> sein, will ich doch
<lb/>sagen, dass mir bei Damen eine gewisse
<lb/>Zurückhaltung lieber ist<orig>,</orig> als zu
<lb/>viel Ausdruck, oder was Feminina
<lb/>so nennen, nämlich: eine unausstehliche
<lb/>Manieri<reg>e</reg>rtheit. Doch ich ko<choice><abbr>m̅</abbr><expan>mm</expan></choice>e auf meine
<lb/>alte Ansicht über Frauenzi<choice><abbr>m̅</abbr><expan>mm</expan></choice>er <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> ihr
<lb/>Spiel zu sprechen <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> will lieber
<lb/>schweigen. –</p>
<p>Nun herzlichsten Dank für <choice><orig>A</orig><reg>a</reg></choice>lles Liebe
<lb/><choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> Freundliche<reg>,</reg> das Sie mir sagen. Glauben
<lb/>Sie mir<reg>,</reg> dass der Hauptreiz <placeName key="E0500029">Berlin<orig>’</orig>s</placeName>
<note type="stamp" place="margin-left" resp="#dsb_st_red">
<stamp sameAs="#dsb_p1" rend="round border align(center) tiny">
D<supplied reason="low-ink">euts</supplied>che
<lb/><supplied reason="low-ink">Staatsbibliothek
<lb/><placeName key="E0500029"><hi rend="spaced-out">Berlin</hi></placeName>
</supplied>
</stamp>
</note>
<pb n="3"/>
für mich im Umgang mit Ihnen
<lb/>besteht. Bei einer definitiven
<lb/>Übersiedlung nach <placeName key="E0500029">Berlin</placeName><orig>,</orig> ko<choice><abbr>m̅</abbr><expan>mm</expan></choice>en aber
<lb/>so viel Gründe in Betracht, dass
<lb/>die Sache nicht so einfach ist, wie
<lb/>sie aussieht.
<note type="commentary" resp="#E0300361">
<persName key="E0300208">Freund</persName> und <rs key="E0300434">seine Frau</rs> verbrachten den Winter <date when-iso="1901/1902">1901/02</date> in
<placeName key="E0500029">Berlin</placeName>. Der Aufenthalt dort blieb eine einmalige Angelegenheit, eine <q>definitive[] Übersiedlung</q> ist nicht erfolgt.
</note>
Vielleicht ka<choice><abbr>n̅</abbr><expan>nn</expan></choice> ich
<lb/>im <date when-iso="1900-09" cert="high"><choice><abbr>Sept.</abbr><expan>September</expan></choice></date> für ein paar Tage nach
<lb/><placeName key="E0500144">Weimar</placeName> ko<choice><abbr>m̅</abbr><expan>mm</expan></choice>en <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> da<choice><abbr>n̅</abbr><expan>nn</expan></choice> dieses
<lb/>Thema des Breiteren ausführen.
<note type="commentary" resp="#E0300361">
Der avisierte Besuch in <placeName key="E0500144">Weimar</placeName> ist nicht erfolgt. <persName key="E0300017">Busoni</persName> gab dort einen Meisterkurs,
an dem u. a. <persName key="E0300208">Freunds</persName> Schwester <persName key="E0300420">Etelka</persName> teilgenommen hatte. (für Näheres zum
Meisterkurs vgl. Anm. im <ref target="#D0100573">folgenden Brief</ref>) <persName key="E0300432">Irma</persName> und die <rs key="E0300531">Mutter</rs>
der <rs type="persons" key="E0300208 E0300420 E0300432 E0300533 E0300534">Freund-Geschwister</rs> waren ebenfalls in <placeName key="E0500144">Weimar</placeName> vor Ort.
(vgl. Postkarte <persName key="E0300017">Busoni</persName> an <persName key="E0300208">Freund</persName> vom <date when-iso="1900-07-23">23.07.1900</date>)
</note>
<lb/>Entschuldigen Sie mein Geschmiere,
<lb/>ich bin heute besonders zittrig. –</p>
<closer>
<salute>
Mit herzlichsten Grü<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>en von
<lb/><rs type="persons" key="E0300208 E0300434">uns <choice><orig>B</orig><reg>b</reg></choice>eiden</rs> an <persName key="E0300059">Frau Busoni</persName>
<lb/><choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> Sie
</salute>
<signed rend="align(center)">Ihr <rs key="E0300208">R. F.</rs></signed>
</closer>
<postscript>
<p rend="space-above">Wir reisen vielleicht schon <date when-iso="1900-08-09" cert="high">morgen</date>
<lb/><rs key="E0500534">nach Hause</rs>.</p>
</postscript>
<pb n="4"/>
<note type="objdesc" resp="#E0300361">[Rückseite von Textseite 1, vacat]</note>
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</TEI>