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Mus.ep. M. Wegelius 31 (Busoni-Nachl. B II)Mus.Nachl. F. Busoni B II, 5344
Lieber, guter, verehrter Freund!
Es thut mir sehr weh, Dir mel⸗ den zu müssen, dass wir den Jen⸗ sen für’s nächste Jahr nicht be⸗ halten können und ihn schon ge⸗ kündigt haben. Du hast das
Recht hierüber eine Erklärung
zu bekommen und sogar von
mir zu fordern.
Jedenfalls hat sich der junge
Mann sehr verändert, seit er
bei Dir war; er hat sich nicht
entwickelt sondern eingewickelt,[1]
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Lieber, guter, verehrter Freund!
Es tut mir sehr weh, Dir melden zu müssen, dass wir den Jensen fürs nächste Jahr nicht behalten können und ihn schon gekündigt haben. Du hast das
Recht, hierüber eine Erklärung
zu bekommen und sogar von
mir zu fordern.
Jedenfalls hat sich der junge
Mann sehr verändert, seit er
bei Dir war; er hat sich nicht
entwickelt sondern eingewickelt
und ist – scheint es mir – eine
musikalische Eremitenschnecke
geworden; so merkwürdig ist
seine Art, musikalisch zu
denken und sich zu gebärden.
Von seinem Solospiel konnte
ich ja – nach Deiner trockenen
Empfehlung – wenig erwarten.
Aber jedenfalls hoffte ich auf
das, was bis jetzt alle deine
Schüler von ihrem Meister lernten: technische Sauberkeit und Deutlichkeit im Vortrag (Plastik), oder wenigstens
ein ehrliches, bewusstes Streben danach.
Bei ihm finde ich nun eine schon
lange vernachlässigte Technik – eine
sogar prononcierte Geringschätzung dessen – im Verein mit einem durch
verschwommene Rhythmen und undeutlichen Anschlag so entstellten Vortrag, dass man sogar in bekannten
Stücken manchmal gar nicht weiß,
wo man ist. – Denke dir nur
weiter dieselben Eigenschaften
beim Ensemblespiel im Verein mit
jedesmal neuer „Freiheiten“ im
Vortrag, so kannst Du Dir die
Not und den Ärger der Mitspielenden vorstellen.
Nun kommen wir aber zum
Schlimmsten. Vor einer Woche kam
eine Deputation von seinen Schülern(-innen) zu mir mit der Bitte,
ich sollte doch in irgendeiner Weise
Rat schaffen – die wüssten nicht
mehr wo aus und wo ein. Da kamen nun gar schlimme Sachen
heraus, über die ich Näheres an Ekman geschrieben; die Hauptsache
– das Resultat war: wir lernen
nichts und verlieren alle Lust
und Liebe zur Sache.
Setzen wir nur voraus, dass
das (wie Du siehst) allgemeine
Urteil hier – wie in allen menschlichen Dingen – nicht ganz gerecht wäre, so ist doch das Vorhandensein eines solchen Urteils
genug, um die Position eines Menschen
unmöglich zu machen, besonders
in diesem Fall, wo Publikum,
Kritik, Kollegen❊ und Schüler so
ziemlich einig sind – in der
Hauptsache sogar ganz einig.
Da war also nichts anderes
zu machen, so peinlich es auch
war, 1) deinetwegen, 2) wegen seiner
Frau, die eine sehr liebe und
sympathische Frau ist, 3) wegen
ihm selbst, da er doch ein ganz
netter Mensch ist. Die beiden
waren nur ganz außer sich,
schien es und behaupteten, es
wäre absolut unerwartet gekommen. Von ihr glaube ich das,❊❊
von ihm kaum, denn er hat doch Augen und Ohren; wenn er die
nicht benutzen will, so kann man
es doch nicht Unwissenheit nennen.❊❊❊ Und wenn er es nun noch dazu „sonderbar“ und sogar „falsch“
nennt, dass wir ihm bei solchen
Ansichten „Freundlichkeit und Kollegialität“ erwiesen haben, so ist
das doch sehr naiv. An das
alles, was er und auch sie in
der ersten Hitze ausgesprochen haben,
darf man ja nicht ein großes Gewicht
legen – die sind ja beide noch recht
jung – aber eins hat mich erschreckt.
„Ich hasse die Musik“, sagte er mir;
dasselbe sagte sie meiner Frau und
hat noch zugesetzt: „weil wir durch
die Musik so viel gelitten haben“;
sogar noch kräftiger: „ich verfluche
den Augenblick, als man meine Stimme entdeckte.“ Du, diese Leute sind
sehr unglücklich, trotz ihrer, wie
es scheint, innigen Liebe zueinander. Solche Worte geben einen ganz
traurigen Einblick in das menschliche Herz – „ein trotziges und verzagtes Ding“, sagt der Paulus – ; sie
(die Worte) ließen mir in der Nacht keine
Ruhe, und der ganze Auftritt
hat mich so ergriffen oder angegriffen, dass ich zwei Tage krank
war. – Ich, als Freund, hätte es ihnen früher sagen müssen, sie darauf vorbereiten usw., meinten sie.
Das habe ich entschieden zurückweisen können; als ich es früher
mit einem andern einmal versuchte, bin ich so hereingefallen, dass
es kein Ende war; ich lernte dann
begreifen, dass ich nicht einmal
das Recht dazu habe. – Sie wollen jetzt die Musik ganz aufgeben, sagten sie auch. Wie ernst
das gemeint sei, weiß ich nun
nicht, aber eins weiß ich gewiss:
der Jensen wird als Musiker zu
Grunde gehn, wenn er nicht noch
einmal in deine Lehre kommt.
(Ich glaube wenigstens, dass er für
Dich den hierzu nötigen Respekt
hat.) Denn sein Denken über die
Musik geht in einem „circulo vitioso“
herum; er meint, er hätte
Selbstkritik und hat keine; er
meint: – so fürchte ich wenigstens
– wer Intelligenz hat, braucht
sich nicht viel mit der Technik
abzumühen, und bemerkt nicht,
dass… Nun, es kann genug sein.
Meine beinahe einzige Hoffnung ist jetzt die, dass der Ekman vielleicht doch schon zurückkommt. Sonst hätte ich ihm schon
gegönnt, sich noch ein Jahr herumzubummeln als Virtuose und Virtuosengatte, um dadurch früher
zu der Einsicht zu kommen,
dass sein einzig natürlicher und
richtiger Platz hier bei uns ist.
Der Hutcheson ist wohl jetzt
ebenso wenig zu haben wie
früher, denke ich mir; überhaupt
können wir wohl nicht mehr auf
eine Kraft ersten Ranges denken
– 1stens wegen das Geld, 2tens
wegen der allein selig machenden
Karriere durch Wolff
Weißt Du etwas, lieber Freund,
von einem Musikkongress in Bologna
diesen Sommer? Weiter: weißt Du,
wann die Sommerferien der italienischen Konservatorien sind? Ich
müsste absolut hinaus wieder –
vielleicht bekomme ich ein Stipendium. Dann wären Italien, Bayreuth
und Busoni meine Ziele in erster
Linie. Wirst du wieder in Weimar
sein? Das wäre herrlich, gerade
dort bei Dir ein bisschen hineinzuschauen. (Pfui Teufel, ich schreibe wieder ein abscheuliches Deutsch; ich
bemerke es bei jedem zweiten Satz.
Es ist die höchste Zeit, dass ich
herauskomme und mich ein wenig
europäisch anziehe.) Du hast wohl
selbst jetzt keine Zeit zum Briefschreiben; sei so freundlich und
sage dem Ekman die Antwort
auf meine drei Fragen, wenn du
kannst. Wenn nicht, kannst du
mir vielleicht einen Italiener mit
Adresse angeben, an den ich mich
wenden könnte. Ich studiere jetzt
italienisch, es geht aber ein bisschen
zu langsam vorwärts.
Verzeihe mir jetzt, lieber Freund,
diesen zusammengeschmierten Brief,
verzeihe mir vor Allem, dass er Dir
vielleicht Schmerz oder wenigstens
Unbehagen verursacht, und bleibe mir
doch gewogen! Hanna und ich senden
Dir und deiner lieben Gerda die allerherzlichsten Grüße durch
Deinen treu ergebenen
M Wegelius
Beendigt den 24. Febr.
Ich habe nicht meine Briefschuld an Gerda
vergessen – sage ihr das, bitte schön.
❊ Vor allen Faltin, Novacek, Schneevoigt, aber die
andern auch. Ich glaube entschieden, dass der
Novacek nicht geblieben wäre, wenn Jensen es wäre. ❊❊ denn sie ist ja nicht dabei, und kommt nicht viel herum ❊❊❊ Die zwei Kritiken von Flodin waren doch
so scharf wie selten eine hier.
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<lb break="no"/>kündigt haben. Du hast das
<lb/>Recht<reg>,</reg> hierüber eine Erklärung
<lb/>zu bekommen und sogar von
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<p type="pre-split" rend="indent-first">Jedenfalls hat sich der junge
<lb/>Mann sehr verändert, seit er
<lb/>bei Dir war; er hat sich nicht
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und ist – scheint es mir – eine
musikalische Eremitenschnecke
geworden; so merkwürdig ist
seine Art musikalisch zu
denken und sich zu gebärden.
Von seinem Solospiel konnte
ich d ja – nach Deiner trockenen
Empfehlung – wenig erwarten.
Aber jedenfalls hoffte ich auf
das, was bis jetzt alle deine
Schüler von ihrem lernten Mei⸗ ster lernten: technische Sauber⸗ keit und Deutlichkeit im Vor⸗ trag (Plastik), oder wenigstens
ein ehrliches, bewusstes Streben darnach.
Bei ihm finde ich nun eine schon
lange vernachlässigte Technik – eine
sogar prononcirte Geringschätzung des⸗ sen – im Verein mit einem durch
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
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und ist – scheint es mir – eine
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<lb/>seine Art<reg>,</reg> musikalisch zu
<lb/>denken und sich zu gebärden.
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<lb/>ich <del rend="strikethrough">d<!--?--></del> ja – nach Deiner trockenen
<lb/>Empfehlung – wenig erwarten.
<lb/>Aber jedenfalls hoffte ich auf
<lb/>das, was bis jetzt alle deine
<lb/>Schüler von ihrem <del rend="strikethrough">lernten</del> Mei
<lb break="no"/>ster lernten: technische Sauber
<lb break="no"/>keit und <hi rend="underline">Deutlichkeit</hi> im Vor
<lb break="no"/>trag (Plastik), oder wenigstens
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<lb break="no"/>sen – im Verein mit einem durch
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verschwommenen Rythmen und undeut⸗ lichem Anschlag so entstellter Vor⸗ trag, dass man sogar in bekannten
Stücken manchmal gar nicht weiss
wo man ist. – Denke dir nur
weiter dieselben Eigenschaften
beim Ensemblespiel im Verein mit
jedesmal neuer “Freiheiten” beim
Vortrag, so kannst Du Dir die
Noth und den Ärger der Mitspie⸗ lenden vorstellen.
Nun kommen wir aber zum
Schlimmsten. Vor einer Woche kam
eine Deputation von seinen Schü⸗ lern(=innen) zu mir mit der Bitte,
ich sollte doch in irgend einer Weise
Rath schaffen – die wüssten nicht
mehr wo aus und wo ein. Da ka⸗ men nun gar schlimme Sachen
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
[2]
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<lb/>weiter dieselben Eigenschaften
<lb/>beim Ensemblespiel im Verein mit
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<lb/>Schlimmsten. Vor einer Woche kam
<lb/>eine Deputation von seinen Schü
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<lb/>ich sollte doch in irgend<orig> </orig>einer Weise
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<lb/>mehr wo aus und wo ein. Da ka
<lb break="no"/>men nun gar schlimme Sachen
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heraus, über die ich näheres an Ek⸗ man geschrieben; die Hauptsache
– das Resultat war: wir lernen
nichts und verlieren alle Lust
und Liebe zur Sache.
Setzen wir nur voraus, dass
[…]
1 Wort: durchgestrichen.
das – (wie Du siehst –) allgemeine
Urtheil hier – wie in allen mensch⸗ lichen Dingen – nicht ganz ge⸗ recht wäre, so ist doch das Vor⸗ handensein eines solchen Urtheils
genug um die Position eines Menschen
unmöglich zu machen, besonders
in diesem Fall, wo Publikum,
Kritik, Kollegen×) und Schüler so
ziemlich einig sind – in der
Hauptsache sogar ganz einig.
Da war also nichts anderes
zu machen, so peinlich es auch
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heraus, über die ich <choice><orig>n</orig><reg>N</reg></choice>äheres an <persName key="E0300891">Ek
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<lb/>– das Resultat war: wir lernen
<lb/>nichts und verlieren alle Lust
<lb/>und Liebe zur Sache.</p>
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B II, 5344
war 1) deinetwegen, 2) wegen seiner
Frau, 3) die eine sehr liebe und
sympathische Frau ist, 3) wegen
ihm selbst, da er doch ein ganz ×) denn sie ist ja nicht dabei, und kommt nicht viel herum
netter Mensch ist. Die beiden
waren nur ganz ausser sich,
schien es, und behaupteten es
wäre absolut unerwartet gekom⸗ men. Von ihr glaube ich das, ×)
von ihm kaum, denn er hat doch Au⸗ gen und Ohren; wenn er die
nicht benutzen will, so kann man
es doch nicht Unwissenheit nen⸗ nen. ××) Und wenn er es nun noch da⸗ zu “sonderbar” und sogar “falsch”
nennt, dass wir ihm bei solchen
Ansichten “Freundlichkeit und Kol⸗ legialitet” erwiesen haben, so ist
das doch sehr naiv. An das
alles was er und auch sie in [3]
××) Die zwei Kritiken von Flodin waren doch
so scharf wie selten eine hier.
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<lb/>war<reg>,</reg> 1) deinetwegen, 2) wegen seiner
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<lb/>sympathische Frau ist, 3) wegen
<lb/>ihm selbst, da er doch ein ganz
<note type="footnote" n="2" rend="rotate(90)" place="margin-left"><metamark>×)</metamark> denn sie ist ja nicht dabei, und kommt nicht viel herum</note>
<lb/>netter Mensch ist. Die beiden
<lb/>waren nur ganz au<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>er sich,
<lb/>schien es<orig>,</orig> und behaupteten<reg>,</reg> es
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<lb break="no"/>men. Von <hi rend="underline">ihr</hi> glaube ich das,<metamark function="footnote" n="2">×)</metamark>
<lb/>von <hi rend="underline">ihm</hi> kaum, denn er hat <add place="above">doch</add> Au
<lb break="no"/>gen und Ohren; wenn er die
<lb/>nicht benutzen <hi rend="underline">will</hi>, so kann man
<lb/>es doch nicht Unwissenheit nen
<lb break="no"/>nen.<metamark function="footnote" n="3">××)</metamark> Und wenn er <add place="above">es</add> nun noch da
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<lb/>nennt, dass wir ihm bei solchen
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<lb/>das doch <hi rend="underline">sehr</hi> naiv. An das
<lb/>alles<reg>,</reg> was er und auch sie in
<note type="footnote" n="3"><metamark>××)</metamark> Die zwei Kritiken von <persName key="E0300944">Flodin</persName> waren doch
<lb/>so scharf wie selten eine hier.</note>
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der ersten Hitze ausgesprochen haben
darf man ja nicht ein grosses Gewicht
legen – die sind ja beide noch recht
jung – aber eins hat mich erschreckt.
“Ich hasse die Musik”, sagte er mir;
dasselbe sagte sie meiner Frau und
hat noch zugesetzt: “weil wir durch
die Musik so viel gelitten haben”;
sogar noch kräftiger: “ich verfluche
den Augenblick, als man meine Stim⸗ me entdeckte.” Du, diese Leute sind
sehr unglücklich, trotz ihrer, wie
es scheint, innigen Liebe zu einan⸗ der. Solche Worte geben einen ganz
traurigen Einblick in das menschli⸗ che Herz – “ein trotziges und verzag⸗ tes Ding”, sagt der Paulus – ; sie
(die Worte) liessen michr in der Nacht keine
Ruhe, und der ganze Auftritt
hat mich so ergriffen oder ange⸗ griffen, dass ich zwei Tage krank
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
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der ersten Hitze ausgesprochen haben<reg>,</reg>
<lb/>darf man ja nicht ein gro<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>es Gewicht
<lb/>legen – die sind ja beide noch recht
<lb/>jung – aber eins hat mich erschreckt.
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<lb/>dasselbe sagte <hi rend="underline">sie</hi> <rs key="E0300895">meiner Frau</rs> und
<lb/>hat noch zugesetzt: <q rend="dq-uu">weil wir durch
<lb/>die Musik so viel gelitten haben</q>;
<lb/>sogar noch kräftiger: <q rend="dq-uu">ich verfluche
<lb/>den Augenblick, als man meine Stim
<lb break="no"/>me entdeckte.</q> Du, diese Leute sind
<lb/>sehr unglücklich, trotz ihrer, wie
<lb/>es scheint, innigen Liebe zu<orig> </orig><hi rend="underline">einan
<lb break="no"/>der</hi>. Solche Worte geben einen ganz
<lb/>traurigen Einblick in das menschli
<lb break="no"/>che Herz – <q rend="dq-uu">ein trotziges und verzag
<lb break="no"/>tes Ding</q>, sagt der <persName key="E0300945">Paulus</persName> – ; sie
<lb/><add place="above margin-left">(die Worte)</add> lie<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>en mi<subst><del rend="overwritten strikethrough-part">ch</del><add place="across">r</add></subst> in der Nacht keine
<lb/>Ruhe, und der ganze Auftritt
<lb/>hat mich so ergriffen oder ange
<lb break="no"/>griffen, dass ich zwei Tage krank
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<lb/>Staatsbibliothek
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war. – Ich, als Freund, hätte es ih⸗ nen früher sagen müssen, sie dar⸗ auf vorbereiten u. s. w., meinten sie.
Das habe ich entschieden zurück⸗ weisen können; als ich es früher
mit einem andern irgend einmal ver⸗ suchte, bin ich so hereingefallen, dass
es kein Ende war; ich lernte dann
zu begreifen, dass ich nicht einmal
das Recht dazu habe. – Sie wol⸗ len jetzt die Musik ganz auf⸗ geben, sagten sie auch. Wie ernst
das gemeint sei, weiss ich nun
nicht, aber eins weiss ich gewiss:
der Jensen wird als Musiker zu
Grunde gehn, wenn er nicht noch
einmal in deine Lehre kommt.
(Ich glaube wenigstens, dass er für
Dich den hierzu nöthigen Respekt
hat). Denn sein Denken über die
Musik geht in einem “circulo vi⸗
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
[4]
|
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war. – Ich, als Freund, hätte es ih
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<lb break="no"/>auf vorbereiten <choice><orig>u. s. w.</orig><reg>usw.</reg></choice>, meinten sie.
<lb/>Das habe ich entschieden zurück
<lb break="no"/>weisen können; als ich es früher
<lb/>mit <add place="above">einem</add> andern <del rend="strikethrough">irgend</del> einmal ver
<lb break="no"/>suchte, bin <add place="above">ich</add> so hereingefallen, dass
<lb/>es kein Ende war; ich lernte dann
<lb/><del rend="strikethrough">zu</del> begreifen, dass ich nicht einmal
<lb/>das Recht dazu habe. – Sie wol
<lb break="no"/>len jetzt die Musik ganz auf
<lb break="no"/>geben, sagten sie auch. Wie ernst
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<lb/>Dich den hierzu nöt<orig>h</orig>igen Respekt
<lb/>hat<choice><orig>).</orig><reg>.)</reg></choice> Denn sein Denken über die
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</mentioned></p></div>
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tioso”
herum; er meint er hätte
Selbstkritik, und hat keine; er
meint: – so fürchte ich wenigstens
– wer Intelligenz hat, braucht
sich nicht viel mit der Technik
abzumühen, und bemerkt nicht,
dass – – – nun, es kann genug sein.
Meine beinahe einzige Hoff⸗ nung ist jetzt die, dass der Ek⸗ man vielleicht doch schon zurück⸗ kommt. Sonst hätte ich ihm schon
gegönnt sich noch ein Jahr herum
zubummeln als Virtuose und Vir⸗ tuosengatte, um dadurch früher
zu der Einsicht zu kommen,
dass sein einzig natürlicher und
richtiger Platz hier bei uns ist.
Der Hutcheson ist wohl jetzt
|
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split"><mentioned rend="dq-uu" xml:lang="la" type="split">
tioso</mentioned>
herum; er meint<reg>,</reg> er hätte
<lb/>Selbstkritik<orig>,</orig> und hat keine; er
<lb/>meint: – so <hi rend="underline">fürchte</hi> ich wenigstens
<lb/>– wer Intelligenz hat, braucht
<lb/>sich nicht viel mit der Technik
<lb/>abzumühen, und bemerkt nicht,
<lb/>dass<choice><orig> – – –</orig><reg>…</reg></choice> <choice><orig>n</orig><reg>N</reg></choice>un, es kann genug sein.</p>
<p rend="indent-first">Meine beinahe einzige Hoff
<lb break="no"/>nung ist jetzt die, dass der <persName key="E0300891">Ek
<lb break="no"/>man</persName> vielleicht doch schon zurück
<lb break="no"/>kommt. Sonst hätte ich ihm schon
<lb/>gegönnt<reg>,</reg> sich noch ein Jahr herum<orig>
<lb/></orig>zubummeln als Virtuose und Vir
<lb break="no"/>tuosengatte, um dadurch früher
<lb/>zu der Einsicht zu kommen,
<lb/>dass sein einzig natürlicher und
<lb/>richtiger Platz hier bei uns ist.</p>
<p type="pre-split" rend="indent-first">Der <persName key="E0300919">Hutcheson</persName> ist wohl jetzt
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9Faksimile
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9Diplomatische Umschrift
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B II, 5344
ebenso wenig zu haben zu wie
früher, denke ich mir; überhaupt
können wir wohl nicht mehr auf
eine Kraft ersten Ranges denken
– 1 stens wegen das Geld, 2 tens
wegen der allein selig machenden
Carriere durch Wolff
Weisst Du etwas, lieber Freund,
von einem Musikkongress in Bologna
diesen Sommer? Weiter: weisst Du,
wanne die Sommerferien der itali⸗ enischen Conservatorien sind? Ich
müsste absolut hinaus wieder –
vielleicht bekomme ich ein Stipendi⸗ um. Dann wären Italien, Bayreuth
und Busoni meine Ziele in erster
Linie. Wirst du wieder in Weimar
sein? Das wäre herrlich, gerade
dort bei Dir ein Bischen hineinzu⸗ schauen. (Pfui T-l, ich schreibe wie⸗ der ein abscheuliches Deutsch; ich[5]
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<lb/>ebenso wenig zu haben <del rend="strikethrough">zu</del> wie
<lb/>früher, denke ich mir; überhaupt
<lb/>können wir wohl nicht mehr auf
<lb/>eine Kraft ersten Ranges denken
<lb/>– 1<hi rend="sup">stens</hi> wegen das Geld, 2<hi rend="sup">tens</hi>
<lb/>wegen der allein selig machenden
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<lb break="no"/>um. Dann wären <placeName key="E0500013">Italien</placeName>, <placeName key="E0500027">Bayreuth</placeName>
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<lb/>Linie. Wirst du wieder in <placeName key="E0500144">Weimar</placeName>
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<lb break="no"/>der ein abscheuliches <placeName key="E0500015">Deutsch</placeName>; ich
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10Faksimile
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bemerke es bei jedem zweiten Satz.
Es ist die höchste Zeit, dass ich
herauskomme und mich ein wenig
Europäisch anziehe). Du hast wohl
selbst jetzt keine Zeit zum Brief⸗ schreiben; sei so freundlich und lass
sage dem Ekman die Antwort
auf meine drei Fragen, wenn du
kannst. Wenn nicht, kannst du
mir vielleicht einen Italiener mit
Adresse angeben, an den ich mich
wenden könnte. Ich studire jetzt
italienisch, es geht aber ein Bischen
zu langsam vorwärts.
Verzeihe mir jetzt, lieber Freund,
diesen zusammengeschmierten Brief,
verzeihe mir vor Allem, dass er Dir
vielleicht Schmerz oder wenigstens
Unbehagen verursacht, und bleibe mir
doch gewogen! Hanna und ich senden
Dir und deiner lieben Gerda die aller⸗ herzlichsten Grüsse durch
Deinen treu ergebenen
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
M Wegelius
Beendigt d. 24 Febr.
[am linken Rand, längs:]
Ich habe nicht meine Briefschuld an Gerda
vergessen – sage ihr das, bitte schön.
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bemerke es bei jedem zweiten Satz.
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<lb/>auf meine drei Fragen, wenn du
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<lb/>Adresse angeben, an den ich mich
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