Verehrteste liebe
Frau Jella, ich
sandte Ihnen einen
Nothschei aus Lausanne,
und nun, in Zürich, empfange
ich – aus Amerika zurück-
geworfen – Ihren Brief vom
14. August.
grosse Wohlthat. Ich wusste,
ein halbes Jahr lang, Nichts
von Ihnen! – Hier ist, wenn
auch nicht “der Geist erhoben”, so
doch „die Aussicht frei“ (Faust II):
Hier ist die Aussicht frei,
Der Geist erhoben.
es ist das erste Land, das ich
antreffe, wo man dem Kriege
durchaus verstaendnislos und
nur soweit theilnehmend
gegenüber steht, als es die
eigene Sicherheit betrifft.
Ferruccio Busoni an Jella Oppenheimer arrow_backarrow_forward
Zürich · 8. Oktober 1915
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Diplomatische Umschrift
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Lesefassung
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Mus.Nachl. F. Busoni B I, 892 1)
8. O. 1915
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Zürich, 8. Oktober 1915
Verehrteste liebe Frau Jella, ich
sandte Ihnen einen
Notschei aus Lausanne,
und nun, in Zürich, empfange
ich – aus Amerika zurückgeworfen – Ihren Brief vom
14. August.
Sie sagen, ich hätte die Grenzen meiner Heimat nicht eng gesteckt: Das Ergebnis aber ist in der Tat, dass (wie man es mir zum Bewusstsein bringt) ich gar keine Heimat habe. So habe ich doppelt schwer zu tragen, aber viele haben es weit schwerer; eine Betrachtung, die nur schmerzhaft-versöhnlich ist! Das Schicksal, das auch gütig sein will, gab mir doch einiges, das mir nicht an den Grenzen weggenommen werden kann: Ich habe ein ansehnliches Hauflein Arbeiten hinübergerettet und einige gute Pläne obendrein, die bald reifen dürften. Nur ein Heim besitze ich nicht. Man hat mich hier überaus herzlich empfangen, und ich erkannte Leute, von denen ich es kaum vermutete, als Freunde; derart, dass meine Heimatlosigkeit, in einem Lande, wo ich es weniger erwartete, gemildert sich gestaltet. Auch erhoffe ich den Besuch älterer und sicherer Freunde: versteige mich zu der Annahme einer Möglichkeit, Sie selbst einmal hier zu sehen! So will ich die Abwickelung der Ereignisse abwarten, um dann wieder hervorzutreten – vorausgesetzt, dass es damit nicht zu spät werde. Ich freue mich, dass Sie in Ihrer Umgebung Hofmannsthal, Wassermann haben konnten. Wie sehr habe ich einen solchen Umgang in Amerika vermisst! Ich bin sehr glücklich, dass solche Männer meiner gedachten. Kurz bevor ich Ihren Brief empfing, erkundigte ich mich, in den Buchhandlungen, nach diesen Autoren. Leider bot sich mir eine erneute Anknüpfung, in der Form von Büchern, nicht. Ist es nicht tröstlich, dass man voneinander rascher etwas erfahren kann? Meine alte, in Amerika fast verschollene Seele vibriert wie ehemals in mir. Betrachten wir den Augenblick als einen neuen, diesmal wohl endgiltigen, Anfang. In der schönen Erwartung Ihrer Nachrichten grüße ich Sie verehrungsvoll und in inniger Freundschaft, als Ihr tief ergebener |
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B I, 892 2)
Zürich, ............
Sie sagen, ich hätte
Das Schicksal, das auch
Nur ein Heim besitze
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Man hat mich hier überaus
Auch erhoffe ich den Besuch
So will ich die Abwickelung
Ich freue mich dass Sie
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Ich bin sehr glücklich, dass solche
Ist es nicht tröstlich,
In der schönen Erwartung
als Ihr tief ergebener |
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Dokument
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Quelle
- Überlieferung
- Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B I, 892 | olim: Mus.ep. F. Busoni 745 |
- Zustand
- Der Brief ist gut erhalten.
- Umfang
- 2 Blatt, 4 beschriebene Seiten
- Kollation
- Zuerst die Vorder-, dann die Rückseiten beschrieben.
- Hände/Stempel
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- Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in blauer Tinte, in lateinischer Schreibschrift
- Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen, eine Foliierung vorgenommen und das Briefdatum ergänzt hat
- Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat
- Bibliotheksstempel (rote Tinte)
Inhalt
- Zusammenfassung
- Busoni fühlt sich in der Schweiz gut aufgenommen, aber heimatlos; hat in Amerika den Umgang mit Literaten vermisst; hat „ein ansehnliches Hauflein Arbeiten hinübergerettet und einige gute Pläne“.
- Incipit
- „ich sandte Ihnen einen Notschei“
Edition
- Inhaltlich Verantwortliche
- Christian Schaper Ullrich Scheideler
- bearbeitet von
- Stand
- 27. März 2024: in Korrekturphase (Transkription abgeschlossen, Auszeichnungen codiert, zur Korrekturlesung freigegeben)
- Stellung in diesem Briefwechsel
- Vorausgehend Folgend
- Benachbart in der Gesamtedition
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Vorausgehend Folgend
- Frühere Ausgaben
- Beaumont 1987, S. 221 f.
Erwähnte Entitäten
- Personen
- Werke
- Orte