Max Reger an Ferruccio Busoni arrow_backarrow_forward

Wiesbaden · 18. Juni 1895

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Mus. Nachl: F. Busoni BII, 40491
Wiesbaden 18. Juni 95

Hochgeehrter Herr!

Lieben Dank, für Ihren
liebenswürdigen Brief aus [H]. Der Sommerausflug nach
Berlin ist allerdings sehr, sehr verlockend; allein da sind
zwei Sachen die mir leider sehr unangenehm mitspielen.
Ersten[s] meine so sehr besetzte Zeit; ich habe noch bis Mitte
August hier auszuhalten, denn erst dann beginnen die
Ferien am Kons. 2. auch spielt die pekuniäre Seite
noch gehörig mit. Und die Bezahlung der Stunden ist hier
zu schlecht. Im Kons. 1,50 M pro Std.. Da verdiene ich so etwa
40 M monatlich u. wenn die Leute mal 3M für eine
Privatstunde ausgeben so glauben sie schon, wunder was sie

Mus. Nachl: F. Busoni BII, 40491
Wiesbaden 18. Juni 95

Hochgeehrter Herr!

Lieben Dank, für Ihren liebenswürdigen Brief aus [H]. Der Sommerausflug nach Berlin ist allerdings sehr, sehr verlockend; allein da sind zwei Sachen, die mir leider sehr unangenehm mitspielen. Ersten[s] meine so sehr besetzte Zeit; ich habe noch bis Mitte August hier auszuhalten, denn erst dann beginnen die Ferien am Konservatorium 2. auch spielt die pekuniäre Seite noch gehörig mit. Und die Bezahlung der Stunden ist hier zu schlecht. Im Konservatorium 1,50 M pro Stunde. Da verdiene ich so etwa 40 M monatlich und wenn die Leute mal 3M für eine Privatstunde ausgeben so glauben sie schon, wunder was sie 2 bezahlen dazu kommt das ohnehin sehr theure Leben in Wiesbaden

In spätestens 4 Wochen erscheinen von meinen Bachbearbeitungen (2 händig) 2 Stück, die ich Ihnen dann sogleich zusenden werde.

Sie werden wohl in meinen Werken zuerst stark befremdet sein über die "Dickflüssigkeit"; am Anfang will man immer zu viel thun. Allein Ernst war es mir immer; und technisch so schwer als man immer thut, sind sie wahrlich nicht. Sie reisen ja nächsten Winter sicher in Frankfurt a/M [um] Wiesbaden spielen und bitte ich Sie, mich nur vorher zu benachrichtigen, damit ich mich frei machen kann.

Vielleicht findet eines oder das Andere von meinen Sachen gefallen bei Ihnen und Sie sind so gütig es gelegentlich mal zu spielen.

Wenn sie gestatten, werde ich Ihnen alles zusenden was von jetzt ab erscheint. Hier war es mir bisher noch nicht möglich von meinen Sachen etwas aufzuführen, da man mir ja feindlich gegenüber steht.

Hier ist ein schlechtes Leben für einen Musiker. Das Badeleben macht die Einwohner höchst oberflächlich etc.

Entschuldigen Sie nur meine Schrift; allein es muss so schnell als möglich gehen. Ob ich nach Helsingfor[s] "gepasst" hätte, wage ich anzuzweifeln, weil ich ein gar schlechter Klavierspieler bin. Wenn man täglich so viel Stunden gibt und ein so schlechtes Klavier besitzt, so vergeht einem allmählich die Lust zu üben.

Hoffentlich haben Sie Sich recht gut erholt und fühlen [Sich] immer wohl. Auf Ihren nächsten Brief freue ich mich sehr.

Gestatten Sie noch meine besten Grüße sowie den Ausdruck vorzüglichste Hochachtung und Verehrung Ihrem dankbarst erg[e]benste[n]

Max Reger

Entschuldigen sie Schrift; allein es musste so schnell als möglich gehen, da ich leider Gottes eine Soirèe mitmachen muss und natürlich noch spielen.

                                                                
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bezahlen dazu kommt das ohnehin sehr theure Leben in W.

In spätestens 4 Wochen erscheinen von meinen Bachbearbeitungen
(2 händig) 2 Stück, die ich Ihnen dann sogleich zusenden
werde.

Sie werden wohl in meinen Werken zuerst stark befremdet sein
über die "Dickflüssigkeit"; am Anfang will man immer zu viel thun.
Allein Ernst war es mir immer; u. technisch so schwer als man immer thut,
sind sie wahrlich nicht. Sie reisen ja nächsten Winter sicher in
Frankfurt a/M [um] Wiesbaden spielen u. bitte ich Sie, mich nur vorher
zu benachrichtigen, damit ich mich frei machen kann.

Vielleicht findet eines oder das Andere von meinen Sachen gefallen bei
Ihnen u. Sie sind so gütig es gelegentlich mal zu spielen.

Wenn sie gestatten, werde ich Ihnen alles zusenden was von jetzt
ab erscheint. Hier war es mir bisher noch nicht möglich von
meinen Sachen etwas aufzuführen, da man mir ja feindlich
gegenüber steht.

                                                                
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Hier ist ein schlechtes Leben für einen Musiker. Das Badeleben
macht die Einwohner höchst oberflächlich etc.

Entschuldigen Sie nur meine Schrift; allein es muss so schnell als
möglich gehen. Ob ich nach Helsingfor[s] "gepasst" hätte, wage ich
anzuzweifeln, weil ich ein gar schlechter Klavierspieler bin.
Wenn man täglich so viel Stunden gibt u. ein so schlechtes Klavier besitzt,
so vergeht einem allmählich die Lust zu üben.

Hoffentlich haben Sie Sich recht gut erholt u. fühlen [Sich] immer wohl.
Auf Ihren nächsten Brief freue ich mich sehr.

Gestatten Sie noch meine besten Grüße sowie den Ausdruck
vorzüglichste Hochachtung u. Verehrung
Ihrem
dankbarst erg[e]benste[n]

Max Reger

Entschuldigen sie Schrift; allein es
musste so schnell als
möglich gehen, da ich
leider Gottes eine Soirèe
mitmachen muss u. natürlich
noch spielen.

                                                                
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Überlieferung
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B II, 4049+4049a | olim: Mus.ep. M. Reger 86+86a |

Nachweis Kalliope

Zustand
Brief und Umschlag sind gut erhalten.
Umfang
1 Bogen, 3 beschriebene Seiten
Kollation
Seitenfolge: 1, 3, 4 (2 vacat)
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Max Reger, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen, eine Foliierung vorgenommen und das Briefdatum ergänzt hat
  • Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
  • Poststempel (schwarze Tinte)
Bildquelle
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 123456

Zusammenfassung
Reger beschwert sich über seine besetzte Zeit und finanzielle Lage; spricht über seine neuen Bachbearbeitung, einen möglichen Winterbesuch Busonis und beklagt seine Reputation in Wiesbaden; meint sein schlechtes Klavierspiel hätte nicht nach Helsingfors gepasst.
Incipit
Lieben Dank, für Ihren liebenswürdigen Brief aus [H].

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
Stand
13. Mai 2025: in Bearbeitung (in der Erfassungs-/Codierungsphase)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition