Entschuldigen sie, daß ich erst heute zur
Beantwortung Ihres liebenswürdigen Briefes kom̅e.
Eigentlich bin ich recht neidisch auf Sie, daß Sie jetzt Som̅erferien
machen kön̄en – ich wollte, ich kön̄te es auch. Den̄ jetzt heißt es
noch bis Mitte August hier aushalten u. so viel, viel Stunden
geben – u. dazu großtenteils an gänzlich unbegabte
Leute – für einen erbärmlichen Honorarsatz.Regers Honorarsatz lag bei 1,50 M pro Stunde. Er schrieb, dass er ungefähr 40 M im Monat verdient (vgl. Brief vom 18. Juni 1895, Brief vom 20.April 1895). Und was
soll ich in den 4 Wochen Ferien machen, werde in meiner
Heimat weiter nichts thun als komponieren.
Jetzt bin ich an einen Klavierkonzert (Eugen d’Albert gewidmet – darf ich Ihnen wohl mein zweites Klavier- konzert widmen?) nachher kom̅en Variationen
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
Entschuldigen sie, dass ich erst heute zur
Beantwortung Ihres liebenswürdigen Briefes komme.
Eigentlich bin ich recht neidisch auf Sie, dass Sie jetzt Sommerferien
machen können – ich wollte, ich könnte es auch. Denn jetzt heißt es
noch bis Mitte August hier aushalten und so viel, viel Stunden
geben – und dazu großtenteils an gänzlich unbegabte
Leute – für einen erbärmlichen Honorarsatz.Regers Honorarsatz lag bei 1,50 M pro Stunde. Er schrieb, dass er ungefähr 40 M im Monat verdient (vgl. Brief vom 18. Juni 1895, Brief vom 20.April 1895). Und was
soll ich in den vier Wochen Ferien machen, werde in meiner
Heimat weiter nichts tun als komponieren.
Jetzt bin ich an einen Klavierkonzert (Eugen d’Albert
gewidmet – darf ich Ihnen wohl mein zweites Klavierkonzert widmen?) nachher kommen Variationen
für großes Orchester über ein Thema von Beethoven.
Das ist der Fluch des Unterrichtens – nimmt man es wirklich
ernst, so stößt man überall auf Hindernisse und Unannehmlichkeiten
nimmt man es leicht, so lernen die Schüler nichts.
Sehr erfreut bin ich über Ihre gütige Versprechung, mir einiges von
Ihren Werken zu senden, und ebenso über Ihr Versprechen, mir Ihr geschätztes
Urteil über meine Werke in einem späteren Briefe mitteilen zu wollen.Reger fragt Busoni in einem älteren Brief, ob dieser seine Werke bewerten kann. (vgl. Brief vom 17. April 1895) Das Versprechen, dass Busoni auch einige seiner Werke schickt, stammt wahrscheinlich von einem Brief an Reger.
Hier in Wiesbaden ist leider keine Gelegenheit, um Novitäten
zu bringen, da alles so musiktot als möglich ist.
Ja, dass ich in Leipzig nicht den gewünschten Boden fände das glaube
ich selbst – überhaupt so lange Leipzig noch sehr unter dem Gestirn
„Reinecke“ steht, wird für einen „modernen“ Musiker Leipzig
wenig Anregung bieten!Zur Zeit des Briefes war der Komponist und Musikpädagoge Carl Reinecke Kapellmeister des Gewandhauses in Leipzig, sowie Professor am dortigen Konservatorium. Reinecke galt als konservativ, was Regers Wahrnehmung auf Leipzig beeinflusst haben könnte (vgl. Brief vom 20. April 1895) Und nochmals als Schüler ins
Konservatorium einzutreten, das geht mir auch contre cœur!
Ich habe mich jetzt absichtlich so drei Jahre vom Schaffen größerer
Werke zurückgehalten, um selbst mehr innere künstlerische Klarheit
zu haben und nicht mehr in die z.T. unberechtigten Übertreibungen
zu verfallen, die in meinen ersten Sachen sind.Reger erwähnt in einem späteren Brief zum Thema, die „[…] letzten 2 Jahre […] hauptsächlich studiert […]“ zu haben. (vgl. Brief vom 6. September 1895) O Gott, heute bin ich
ja erst 22 Jahre alt, da hat man ja noch Grund genug um zu lernen.
Richtung habe ich keine; ich nehme das Gute, wie es eben kommt. Und
ist mir jede musikalische Parteilichkeit – Brahms contra
Wagner“ – im Grunde höchst zuwider. Auch halte ich es für ein
total verfehltes Unternehmen von unseren Musikzeitungen mit
dem ewigen, ewigen Wagner! Jeder Künstler von „Gottes Gnaden“
weiß doch selbst, dass Wagner das ist, was er eben ist – warum
denn immer so hartnäckig Wagnerartikel bringen.
Gerade die neu aufwachsende Generation sollte man überall immer und immer
wieder an den Urquell musikalischen Schaffens und göttlichster Kunst –
Joh. Seb. Bach – hinweisen und zuallererst den Leuten zeigen, was
J. S. Bach eigentlich ist. Leider dass F. Lisztseine Ausgabe (Übertragungen) von
Bach’schen Orgelwerken (Peters) so schlecht gemacht; es ist wahrlich
nur Kopistenarbeit. Und wie soll die heutige mit Thannhäuser und
Tristan geschwängerte Jugend überhaupt zu einem richtigen
Verständnis von Bach kommen. „Bach muss akademisch“
gespielt werden, ist des Feldgeschrei der hochweisen Professoren
– und so hört man diesen Giganten immer hineingezwängt
in ein viel zu enges Corsett.
Entschuldigen Sie meine Aufrichtigkeit; allein so von Zeit zu Zeit
überkommt mich die Wut, wenn ich ansehen muss wie man Musik
macht.
Also von Herzen beste fröhlichste Ferien. Ruhen Sie aus
auf Ihren Lorbeeren und erfreuen Sie uns nächste Saison
hier in W. Überraschen Sie die musikalische Welt auch wieder
mit neuen Werken – und glauben Sie mir, es gibt selten einen
Musiker, der neidloser und bewundernder die Schöpfungen
wirklicher zeitgenössischer Tondichter aus vollstem Herzen
anerkennt und verehrt als Ihren
mit vorzüglichster Hochachtung
mit besten Grüßen
ergebensten
Gute Ferien!
Erwarte nächstens eine
Symphonie von Ihnen!
Erlaube mir als Zeichen
meiner vorzüglichsten Hochachtung
und Verehrung eine Photographie
beizulegen.
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<note type="shelfmark" resp="#archive"><subst><del rend="strikethrough">Mus. ep. Max Reger 94 (Busoni Nachl. <note type="shelfmark" resp="#archive_red">BII</note>)</del><lb/><add>Mus. Nachl. F. Busoni BII, 4048</add></subst></note>
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<p>Eigentlich bin ich recht neidisch auf Sie, da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> Sie jetzt So<choice><orig>m̅</orig><reg>mm</reg></choice>erferien
<lb/>machen kö<choice><orig>n̄</orig><reg>nn</reg></choice>en – ich wollte, ich kö<choice><orig>n̄</orig><reg>nn</reg></choice>te es auch. De<choice><orig>n̄</orig><reg>nn</reg></choice> jetzt heißt es
<lb/>noch bis Mitte August hier aushalten <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> so viel, viel Stunden
<lb/>geben – <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> dazu großtenteils an gänzlich unbegabte
<lb/>Leute – für einen erbärmlichen Honorarsatz. <note type="commentary" resp="#E0301032">Regers Honorarsatz lag bei 1,50 M pro Stunde. Er schrieb, dass er ungefähr 40 M im Monat verdient (<ref target="#D0102174">vgl. Brief vom <date when-iso="1895-06-18">18. Juni 1895</date></ref>, <ref target="#D0102172">Brief vom <date when-iso="1895-04-20">20.April 1895</date></ref>).</note> Und was
<lb/>soll ich in den <choice><orig>4</orig><reg>vier</reg></choice> Wochen Ferien machen, werde in meiner
<lb/>Heimat weiter nichts t<orig>h</orig>un als komponieren.</p>
<p type="pre-split">Jetzt bin ich an einen Klavierkonzert (<persName key="E0300143" type="automated" nymRef="Eugen d’Albert">Eugen d’Albert</persName>
<lb/>gewidmet – darf ich Ihnen wohl mein <hi rend="underline"> zweites</hi> Klavier
<lb break="no" type="automated"/>konzert widmen?) nachher ko<choice><orig>m̅</orig><reg>mm</reg></choice>en Variationen
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2Faksimile
2Diplomatische Umschrift
2XML
für großes Orchester über ein Thema von Beethoven.
Das ist der Fluch des Unterrichtens – nim̅t man es wirklich
ernst, so stößt man überall auf Hindernisse u. Unannehmlichkeiten
nim̅t man es leicht, so lernen die Schüler nichts.
Sehr erfreut bin ich über Ihre gütige Versprechung, mir einiges von
Ihren Werken zu senden, u. ebenso über Ihr Versprechen, mir Ihr geschätztes
Urteil über meine Werke in einem späteren Briefe mitteilen zu wollen.Reger fragt Busoni in einem älteren Brief, ob dieser seine Werke bewerten kann. (vgl. Brief vom 17. April 1895) Das Versprechen, dass Busoni auch einige seiner Werke schickt, stammt wahrscheinlich von einem Brief an Reger. Hier in Wiesbaden ist leider keine Gelegenheit, um Novitäten
zu bringen, da alles so musiktodt als möglich ist.
Ja, daß ich in Leipzig nicht den gewünschten Boden fände das glaube
ich selbst – überhaupt so lange Leipzig noch sehr unter dem Gestirn
„Reinecke“ steht, wird für einen „modernen“ Musiker Leipzig wenig Anregung bieten!Zur Zeit des Briefes war der Komponist und Musikpädagoge Carl Reinecke Kapellmeister des Gewandhauses in Leipzig, sowie Professor am dortigen Konservatorium. Reinecke galt als konservativ, was Regers Wahrnehmung auf Leipzig beeinflusst haben könnte (vgl. Brief vom 20. April 1895) Und nochmals als Schüler ins
Konservatorium einzutreten, das geht mir auch contre cœur!
Ich habe mich jetzt absichtlich so 3 Jahre vom Schaffen größerer
Werke zurückgehalten, um selbst mehr in̄ere künstlerische Klarheit
zu haben u. nicht mehr in die z.T. unberechtigten Übertreibungen
zu verfallen, die in meinen ersten Sachen sind.Reger erwähnt in einem späteren Brief zum Thema, die „[…] letzten 2 Jahre […] hauptsächlich studiert […]“ zu haben. (vgl. Brief vom 6. September 1895) O Gott, heute bin ich
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für großes Orchester über ein Thema von <persName key="E0300001" type="automated" nymRef="Ludwig van Beethoven">Beethoven</persName>.</p>
<p>Das ist der Fluch des Unterrichtens – ni<choice><orig>m̅</orig><reg>mm</reg></choice>t man es wirklich
<lb/>ernst, so stößt man überall auf Hindernisse <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> Unannehmlichkeiten
<lb/>ni<choice><orig>m̅</orig><reg>mm</reg></choice>t man es leicht, so lernen die Schüler nichts.</p>
<p>Sehr erfreut bin ich über Ihre gütige Versprechung, mir einiges von
<lb/>Ihren Werken zu senden, <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> ebenso über Ihr Versprechen, mir Ihr geschätztes
<lb/>Urteil über meine Werke in einem späteren Briefe mitteilen zu wollen. <note type="commentary" resp="#E0301032">Reger fragt Busoni in einem älteren Brief, ob dieser seine Werke bewerten kann. (<ref target="#D0102171">vgl. Brief vom <date when-iso="1895-04-17">17. April 1895</date></ref>) Das Versprechen, dass Busoni auch einige seiner Werke schickt, stammt wahrscheinlich von einem Brief an Reger.</note>
<lb/>Hier in <placeName key="E0500061" type="automated" nymRef="Wiesbaden">Wiesbaden</placeName> ist leider keine Gelegenheit, um Novitäten
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<p type="pre-split">Ja, da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> ich in <placeName key="E0500007" type="automated" nymRef="Leipzig">Leipzig</placeName> nicht den gewünschten Boden fände das glaube
<lb/>ich selbst – überhaupt so lange <placeName key="E0500007" type="automated" nymRef="Leipzig">Leipzig</placeName> noch sehr unter dem Gestirn
<lb/><persName key="E0300538" rend="dq-du" type="automated" nymRef="Carl Reinecke">Reinecke</persName> steht, wird für einen <soCalled rend="dq-du">modernen</soCalled> Musiker <placeName key="E0500007" type="automated" nymRef="Leipzig">Leipzig</placeName>
<lb/>wenig Anregung bieten!<note type="commentary" resp="#E0301032">Zur Zeit des Briefes war der Komponist und Musikpädagoge Carl <persName key="E0300538">Reinecke</persName> Kapellmeister des Gewandhauses in <placeName key="E0500007">Leipzig</placeName>, sowie Professor am dortigen Konservatorium. Reinecke galt als konservativ, was Regers Wahrnehmung auf Leipzig beeinflusst haben könnte (<ref target="#D0102172">vgl. Brief vom <date when-iso="1895-04-20">20. April 1895</date></ref>)</note> Und nochmals als Schüler ins
<lb/>Konservatorium einzutreten, das geht mir auch <foreign xml:lang="fr">contre cœur!</foreign>
<lb/>Ich habe mich jetzt absichtlich so <choice><orig>3</orig><reg>drei</reg></choice> Jahre vom Schaffen größerer
<lb/>Werke zurückgehalten, um selbst mehr i<choice><orig>n̄</orig><reg>nn</reg></choice>ere künstlerische Klarheit
<lb/>zu haben <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> nicht mehr in die z.T. unberechtigten Übertreibungen
<lb/>zu verfallen, die in meinen ersten Sachen sind.<note type="commentary" resp="#E0301032">Reger erwähnt in einem späteren Brief zum Thema, die „[…] letzten 2 Jahre […] hauptsächlich studiert […]“ zu haben. (<ref target="#D0102178">vgl. Brief vom <date when-iso="1895-09-06">6. September 1895</date></ref>)</note> O Gott, heute bin ich
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3Faksimile
3Diplomatische Umschrift
3XML
[2] ja erst 22 Jahre alt, da hat man ja noch Grund genug um zu lernen.
Richtung habe ich keine; ich nehme das Gute, wie es eben kommt. Und
ist mir jede musikalische Parteilichkeit – Brahms contra
Wagner – im Grunde höchst zuwider. Auch halte ich es für ein
total verfehltes Unternehmen von unseren Musikzeitungen mit
dem ewigen, ewigen Wagner! Jeder Künstler von „Gottes Gnaden“ weiß doch selbst, daß Wagner das ist, was er eben ist – warum
den̄ im̅er so hartnäckig Wagnerartikel bringen.
Gerade die neu aufwachsende Generation sollte man überall im̅er u. im̅er
wieder an den Urquell musikalischen Schaffens u. göttlichster Kunst –
Joh. Seb. Bach – hinweisen u. zuallerst den Leuten zeigen, was
J. S. Bach eigentlich ist. Leider daß F. Lisztseine Ausgabe (Übertragungen) von
Bach’schen Orgelwerken (Peters) so schlecht gemacht; es ist wahrlich
nur Copistenarbeit. Und wie soll die heutige mitPopp 2000 (238): hier mit Komma.Than̄häuser u.
Tristan geschwängerte Jugend überhaupt zu einem richtigen
Verständnis von Bach kom̅en. „Bach muß akademisch“ gespielt werden, ist des Feldgeschrei der hochweisen Professoren
– u. so hört man diesen Giganten im̅er hineingezwängtPopp 2000 (238) fälschlich: „eingezwängt“.
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<note type="foliation" resp="#archive">[2]</note>
<lb/>ja erst 22 Jahre alt, da hat man ja noch Grund genug um zu lernen.
<lb/>Richtung habe ich keine; ich nehme das Gute, wie es eben kommt. Und
<lb/>ist mir jede musikalische Parteilichkeit – <persName key="E0300009" type="automated" nymRef="Johannes Brahms">Brahms</persName> contra
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<lb/>total verfehltes Unternehmen von unseren Musikzeitungen mit
<lb/>dem ewigen, ewigen <persName key="E0300006" type="automated" nymRef="Richard Wagner">Wagner</persName>! Jeder Künstler von <soCalled rend="dq-du">Gottes Gnaden</soCalled>
<lb/>weiß doch selbst, da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> <persName key="E0300006" type="automated" nymRef="Richard Wagner">Wagner</persName> das ist, was er eben ist – warum
<lb/>de<choice><orig>n̄</orig><reg>nn</reg></choice> i<choice><orig>m̅</orig><reg>mm</reg></choice>er so hartnäckig <persName key="E0300006" type="automated" nymRef="Richard Wagner">Wagner</persName>artikel bringen.</p>
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4Faksimile
4Diplomatische Umschrift
4XML
in ein viel zu enges Corsett.
Entschuldigen Sie meine Aufrichtigkeit; allein so von Zeit zu Zeit
überkom̅t mich die Wut, wen̄ ich ansehen muß wie man Musik
macht.
Also von Herzen beste fröhlichste Ferien. Ruhen Sie aus
auf Ihren Lorbeeren u. erfreuen Sie uns nächste Saison
hier in W. Überraschen Sie die musikalische Welt auch wieder
mit neuen Werken – u. glauben Sie mir, es gibt selten einen
Musiker, der neidloser u. bewundernder die Schöpfungen
wirklicher zeitgenössischer Tondichter aus vollstem Herzen
anerken̄t u. verehrt als Ihren
mit vorzüglichster Hochachtung
mit besten Grüßen
ergebensten
Gute Ferien!
Erwarte nächstens eine
Symphonie von Ihnen!
Erlaube mir als Zeichen
meiner vorzüglichsten Hochachtung
u. Verehrung eine Photographie
beizulegen.
Nachlaß Busoni
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in ein viel zu enges Corsett.</p>
<p>Entschuldigen Sie meine Aufrichtigkeit; allein so von Zeit zu Zeit
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Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B II, 4048+4048a | olim:
Mus.ep. M. Reger 94+94a
|
Reger beneidet Busoni, dass er Ferien hat; beschwert sich über seinen Honorarsatz; freut sich über Busonis Versprechen, ihm seine Werke zu schicken und seine eigenen zu bewerten; beklagt fehlende Möglichkeiten für "moderne" Musiker in Wiesbaden und Leipzig; lehnt Eintritt ins Konservatorium ab und erwähnt, seit drei Jahren kein größeres Werk geschrieben zu haben, um mehr "innere künstlerische Klarheit" zu haben; kritisiert den Fokus der Musikzeitungen auf Wagner; meint, dass der Jugend das Werk Bachs gezeigt werden sollte; beschwert sich über die Arten, wie Bach gespielt wird; hofft, dass Busoni zur nächsten Saison nach Wiesbaden kommt.
Brief von Max Reger an Ferruccio Busoni (Wiesbaden, 11. Mai 1895), bearbeitet von Bruno Ricardo Helmuth, in: Briefwechsel Ferruccio Busoni – Max Reger, hrsg. von Christian Schaper und Ullrich Scheideler, Berlin: Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, April 2025: Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, https://busoni-nachlass.org/D0102173 (5. Juli 2025: in Bearbeitung)
Download der bereinigten Lesefassung im PDF-Dateiformat (.pdf)
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<title xml:lang="de">Brief von Max Reger an Ferruccio Busoni (Wiesbaden, 11. Mai 1895)</title>
<title xml:lang="en">Letter by Max Reger to Ferruccio Busoni (Wiesbaden, 11 May 1895)</title>
<author key="E0300097">Max Reger</author>
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<forename>Bruno Ricardo</forename>
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<measure type="folio">1 Bogen</measure>
<measure type="pages">4 beschriebene Seiten</measure>
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<collation><!--Seitenfolge: 1, 2, 3, 4 (2, 4 im Querformat)--></collation>
<condition>Brief und Umschlag sind gut erhalten.</condition>
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<handNote xml:id="major_hand" scope="major" medium="black_ink" scribe="author" scribeRef="#E0300097">Hand des Absenders Max Reger, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift</handNote><!-- oder in anderer Farbe? oder in deutscher Kurrentschrift? -->
<handNote xml:id="archive" scope="minor" medium="pencil" scribe="archivist">Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen, eine Foliierung vorgenommen und das Briefdatum ergänzt hat</handNote>
<handNote xml:id="archive_red" scope="minor" medium="red_pen" scribe="archivist">Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat</handNote>
<handNote xml:id="sbb_st_red" scope="minor" medium="red_ink" scribe="archivist">Bibliotheksstempel (rote Tinte)</handNote>
<handNote xml:id="post" scope="minor" medium="black_ink" scribe="postoffice">Poststempel (schwarze Tinte)</handNote>
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<pb n="5"/>
<p><note type="stamp" resp="#post"><stamp resp="#post" rend="round border align(center) majuscule"><placeName key="E0500017" type="automated" nymRef="Charlottenburg">Charlottenburg</placeName>
<lb/>2.
<lb/>12/5
<lb/>12-1N.</stamp></note></p>
<p><note type="stamp" resp="#post"><stamp resp="#post" rend="round border align(center) majuscule"><placeName key="E0500061" type="automated" nymRef="Wiesbaden">Wiesbaden</placeName>
<lb/>11.5.95. 4-5N
<lb/>* 1 <seg rend="minuscule">f</seg></stamp></note></p>
<p>Herrn <persName key="E0300017" type="automated" nymRef="Ferruccio Busoni">B.F. Busoni</persName>
<lb/>Tonkünstler
<lb/><subst><del rend="strikethrough"><placeName key="E0500017" type="automated" nymRef="Charlottenburg">Charlottenburg</placeName>
<lb/><placeName key="E0501019">Kantstr. 153</placeName></del>
<lb/><add place="below"><placeName key="E0500270">Helsingfors</placeName>, <placeName key="E0500323" type="automated" nymRef="Finnland">Finnland</placeName></add></subst></p>
<pb n="6"/>
<p><subst><add><note type="shelfmark" resp="#archive">Mus. Nachl. F. Busoni
<lb/> BII, 4048-Beil.</note></add>
<del rend="strikethrough"><note type="stamp" place="left" resp="#sbb_st_blue">
<stamp>Nachlaß Busoni</stamp></note> <note type="shelfmark" resp="#archive_red">BII</note>
<lb/><note type="shelfmark" resp="#archive">m. 6 Marken</note></del>
<lb/><del rend="strikethrough"><note type="shelfmark" resp="#archive">Mus. ep. M. Reger 94</note></del></subst></p>
<p><lb/><note type="stamp" resp="#post" place="right"><stamp resp="#post" rend="round border align(center) majuscule">* Helsingfors * Helsinki * Гельсингфорсь
<lb/>15. V. 95.10.F.</stamp></note></p>
<p><lb/><note type="stamp" resp="#post"><stamp resp="#post" rend="round border align(center) majuscule"><gap extent="11" reason="low-ink" unit="char"/>________ vom ___tamte 2 12/5. 95 9 1/4 - 10 1/2 V</stamp></note><note type="commentary" resp="#0301032">Lücken wahrscheinlich: Bestellt vom Postamte 2. (<ref target="#D0102172">vgl. Brief vom <date when-iso="1895-04-20">20.April 1895</date></ref>)</note>
</p>
<p><lb/><note>2</note>
<lb/><note type="shelfmark" resp="#archive"><date when-iso="1895-05-11">11 Mai 1895</date></note></p>
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<origPlace key="E0500061">Wiesbaden</origPlace>;
<origDate when-iso="1895-05-11"/>
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<p>Erfassung von Briefen und Schriften von Ferruccio Busoni, ausgehend von Busonis Nachlass in der Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz.</p>
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<hyphenation eol="hard" rend="sh">
<p>Worttrennungen an Zeilenumbrüchen im Original mit einfachen Bindestrichen.</p>
</hyphenation>
<punctuation marks="all" placement="external">
<p>Alle im Text vorkommenden Interpunktionszeichen wurden beibehalten und werden in der diplomatischen Umschrift wiedergegeben. Bei Auszeichnung durch XML-Elemente wurden umgebende Satzzeichen nicht mit einbezogen.</p>
</punctuation>
<quotation marks="none">
<p>Anführungszeichen wurden i. d. R. nicht beibehalten; die Art der Zeichen wurde im Attribut <att>rend</att> der entsprechenden Elemente codiert.</p>
</quotation>
<p>Die Übertragung folgt den Editionsrichtlinien des Projekts. <ptr target="http://www.busoni-nachlass.org/E1000003"/>
</p>
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<persName ref="http://d-nb.info/gnd/18598988" key="E0300097">Reger, Max</persName>
<date when="1895-05-11"/>
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<persName ref="http://d-nb.info/gnd/118518011" key="E0300017">Busoni, Ferruccio</persName>
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<ref type="repliedBy" target="#D01021##"/>-->
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<change when-iso="2025-05-27" who="#E0301032">Automatische Auszeichnung überprüft; Status unfinished</change>
<change when-iso="2025-05-27" who="#E0301032">Referenz zu Wiesbaden im Opener hinzugefügt; Regers Adresse korrigiert und Referenz hinzugefügt</change>
<change when-iso="2025-05-28" who="#E0301032">Kleine Korrekturen am Text; Poststempel und Archivanmerkungen hinzugefügt</change>
<change when-iso="2025-06-05" who="#E0301032">Referenz hinzugefügt</change>
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<change when-iso="2025-06-07" who="#E0301032">Kommentare hinzugefügt; Referenzen in die Zusammenfassung hinzugefügt</change>
<change when-iso="2025-06-10" who="#E0300313">in den Kommentaren einige wenige Personen und Orte ausgezeichnet</change>
<change when-iso="2025-06-10" who="#E0301032">Transkription mit Popps "Der junge Reger" verglichen, korrigiert und Abweichungen hinzugefügt</change>
<change when-iso="2025-06-17" who="#E0301032">Kleine Korrektur Poststempel</change>
<change when-iso="2025-06-24" who="#E0301032">Kommentarcode korrigiert</change>
<change when-iso="2025-07-05" who="#E0301032">TEI-Header bearbeitet, Kommentar hinzugefügt</change>
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<note type="shelfmark" resp="#archive"><subst><del rend="strikethrough">Mus. ep. Max Reger 94 (Busoni Nachl. <note type="shelfmark" resp="#archive_red">BII</note>)</del>
<lb/><add>Mus. Nachl. F. Busoni BII, 4048</add></subst></note>
<note type="foliation" resp="#archive">[1]</note>
<opener>
<dateline><placeName key="E0500061">W.</placeName><reg>,</reg> <date when-iso="1895-05-11">11 Mai 1895</date>.</dateline>
<salute>Hochgeehrter Herr!</salute></opener>
<p>Entschuldigen sie, da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> ich erst heute zur
<lb/>Beantwortung Ihres liebenswürdigen Briefes ko<choice><orig>m̅</orig><reg>mm</reg></choice>e.</p>
<p>Eigentlich bin ich recht neidisch auf Sie, da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> Sie jetzt So<choice><orig>m̅</orig><reg>mm</reg></choice>erferien
<lb/>machen kö<choice><orig>n̄</orig><reg>nn</reg></choice>en – ich wollte, ich kö<choice><orig>n̄</orig><reg>nn</reg></choice>te es auch. De<choice><orig>n̄</orig><reg>nn</reg></choice> jetzt heißt es
<lb/>noch bis Mitte August hier aushalten <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> so viel, viel Stunden
<lb/>geben – <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> dazu großtenteils an gänzlich unbegabte
<lb/>Leute – für einen erbärmlichen Honorarsatz. <note type="commentary" resp="#E0301032">Regers Honorarsatz lag bei 1,50 M pro Stunde. Er schrieb, dass er ungefähr 40 M im Monat verdient (<ref target="#D0102174">vgl. Brief vom <date when-iso="1895-06-18">18. Juni 1895</date></ref>, <ref target="#D0102172">Brief vom <date when-iso="1895-04-20">20.April 1895</date></ref>).</note> Und was
<lb/>soll ich in den <choice><orig>4</orig><reg>vier</reg></choice> Wochen Ferien machen, werde in meiner
<lb/>Heimat weiter nichts t<orig>h</orig>un als komponieren.</p>
<p>Jetzt bin ich an einen Klavierkonzert (<persName key="E0300143" type="automated" nymRef="Eugen d’Albert">Eugen d’Albert</persName>
<lb/>gewidmet – darf ich Ihnen wohl mein <hi rend="underline"> zweites</hi> Klavier
<lb break="no" type="automated"/>konzert widmen?) nachher ko<choice><orig>m̅</orig><reg>mm</reg></choice>en Variationen <!--[Hier kann nachgeschaut werden, um welche Stücke es sich handelt; Suchen nach Klavierkonzerten (auch mit der Widmung) waren bisher erfolglos; Muss vielleicht angelegt werden]-->
<lb/><note type="stamp" place="center" resp="#dsb_st_red">
<stamp rend="round border align(center) small">Deutsche
<lb/>Staatsbibliothek
<lb/>
<placeName key="E0500029">
<hi rend="spaced-out">Berlin</hi>
</placeName>
</stamp>
</note>
<pb n="2"/>
für großes Orchester über ein Thema von <persName key="E0300001" type="automated" nymRef="Ludwig van Beethoven">Beethoven</persName>.</p>
<p>Das ist der Fluch des Unterrichtens – ni<choice><orig>m̅</orig><reg>mm</reg></choice>t man es wirklich
<lb/>ernst, so stößt man überall auf Hindernisse <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> Unannehmlichkeiten
<lb/>ni<choice><orig>m̅</orig><reg>mm</reg></choice>t man es leicht, so lernen die Schüler nichts.</p>
<p>Sehr erfreut bin ich über Ihre gütige Versprechung, mir einiges von
<lb/>Ihren Werken zu senden, <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> ebenso über Ihr Versprechen, mir Ihr geschätztes
<lb/>Urteil über meine Werke in einem späteren Briefe mitteilen zu wollen. <note type="commentary" resp="#E0301032">Reger fragt Busoni in einem älteren Brief, ob dieser seine Werke bewerten kann. (<ref target="#D0102171">vgl. Brief vom <date when-iso="1895-04-17">17. April 1895</date></ref>) Das Versprechen, dass Busoni auch einige seiner Werke schickt, stammt wahrscheinlich von einem Brief an Reger.</note>
<lb/>Hier in <placeName key="E0500061" type="automated" nymRef="Wiesbaden">Wiesbaden</placeName> ist leider keine Gelegenheit, um Novitäten
<lb/>zu bringen, da alles so musikto<orig>d</orig>t als möglich ist.</p>
<p>Ja, da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> ich in <placeName key="E0500007" type="automated" nymRef="Leipzig">Leipzig</placeName> nicht den gewünschten Boden fände das glaube
<lb/>ich selbst – überhaupt so lange <placeName key="E0500007" type="automated" nymRef="Leipzig">Leipzig</placeName> noch sehr unter dem Gestirn
<lb/><persName key="E0300538" rend="dq-du" type="automated" nymRef="Carl Reinecke">Reinecke</persName> steht, wird für einen <soCalled rend="dq-du">modernen</soCalled> Musiker <placeName key="E0500007" type="automated" nymRef="Leipzig">Leipzig</placeName>
<lb/>wenig Anregung bieten!<note type="commentary" resp="#E0301032">Zur Zeit des Briefes war der Komponist und Musikpädagoge Carl <persName key="E0300538">Reinecke</persName> Kapellmeister des Gewandhauses in <placeName key="E0500007">Leipzig</placeName>, sowie Professor am dortigen Konservatorium. Reinecke galt als konservativ, was Regers Wahrnehmung auf Leipzig beeinflusst haben könnte (<ref target="#D0102172">vgl. Brief vom <date when-iso="1895-04-20">20. April 1895</date></ref>)</note> Und nochmals als Schüler ins
<lb/>Konservatorium einzutreten, das geht mir auch <foreign xml:lang="fr">contre cœur!</foreign>
<lb/>Ich habe mich jetzt absichtlich so <choice><orig>3</orig><reg>drei</reg></choice> Jahre vom Schaffen größerer
<lb/>Werke zurückgehalten, um selbst mehr i<choice><orig>n̄</orig><reg>nn</reg></choice>ere künstlerische Klarheit
<lb/>zu haben <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> nicht mehr in die z.T. unberechtigten Übertreibungen
<lb/>zu verfallen, die in meinen ersten Sachen sind.<note type="commentary" resp="#E0301032">Reger erwähnt in einem späteren Brief zum Thema, die „[…] letzten 2 Jahre […] hauptsächlich studiert […]“ zu haben. (<ref target="#D0102178">vgl. Brief vom <date when-iso="1895-09-06">6. September 1895</date></ref>)</note> O Gott, heute bin ich
<pb n="3"/>
<note type="foliation" resp="#archive">[2]</note>
<lb/>ja erst 22 Jahre alt, da hat man ja noch Grund genug um zu lernen.
<lb/>Richtung habe ich keine; ich nehme das Gute, wie es eben kommt. Und
<lb/>ist mir jede musikalische Parteilichkeit – <persName key="E0300009" type="automated" nymRef="Johannes Brahms">Brahms</persName> contra
<lb/><persName key="E0300006" type="automated" nymRef="Richard Wagner">Wagner</persName><reg>“</reg> – im Grunde höchst zuwider. Auch halte ich es für ein
<lb/>total verfehltes Unternehmen von unseren Musikzeitungen mit
<lb/>dem ewigen, ewigen <persName key="E0300006" type="automated" nymRef="Richard Wagner">Wagner</persName>! Jeder Künstler von <soCalled rend="dq-du">Gottes Gnaden</soCalled>
<lb/>weiß doch selbst, da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> <persName key="E0300006" type="automated" nymRef="Richard Wagner">Wagner</persName> das ist, was er eben ist – warum
<lb/>de<choice><orig>n̄</orig><reg>nn</reg></choice> i<choice><orig>m̅</orig><reg>mm</reg></choice>er so hartnäckig <persName key="E0300006" type="automated" nymRef="Richard Wagner">Wagner</persName>artikel bringen.</p>
<p>Gerade die neu aufwachsende Generation sollte man überall i<choice><orig>m̅</orig><reg>mm</reg></choice>er <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> i<choice><orig>m̅</orig><reg>mm</reg></choice>er
<lb/>wieder an den Urquell musikalischen Schaffens <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> göttlichster Kunst –
<lb/><persName key="E0300012">Joh. Seb. Bach</persName> – hinweisen <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> <choice><orig>zuallerst</orig><reg>zuallererst</reg></choice> den Leuten zeigen, was
<lb/><persName key="E0300012">J. S. Bach</persName> eigentlich ist. Leider da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> <persName key="E0300013" type="automated" nymRef="Franz Liszt">F. Liszt</persName> <rs key="E0400756">seine Ausgabe <add place="above">(Übertragungen)</add></rs> von
<lb/>Bach’schen Orgelwerken (<orgName key="E0600023">Peters</orgName>) so schlecht gemacht; es ist wahrlich
<lb/>nur <choice><orig>C</orig><reg>K</reg></choice>opistenarbeit. Und wie soll die heutige mit<note resp="#E0301032" type="commentary" subtype="ed_diff_minor"><bibl><ref target="#E0800425"/> (238)</bibl>: hier mit Komma.</note> <title key="E0400253"><choice><orig>Than̄häuser</orig><reg>Thannhäuser</reg></choice></title> <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice>
<lb/><title key="E0400011">Tristan</title> geschwängerte Jugend überhaupt zu einem richtigen
<lb/>Verständnis von <persName key="E0300012">Bach</persName> ko<choice><orig>m̅</orig><reg>mm</reg></choice>en. <q rend="dq-du">Bach mu<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> akademisch</q>
<lb/>gespielt werden, ist des Feldgeschrei der hochweisen Professoren
<lb/>– <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> so hört man diesen Giganten i<choice><orig>m̅</orig><reg>mm</reg></choice>er hineingezwängt<note resp="#E0301032" type="commentary" subtype="ed_diff_minor"><bibl><ref target="#E0800425"/> (238)</bibl> fälschlich: <q>eingezwängt</q>.</note>
<pb n="4"/>
in ein viel zu enges Corsett.</p>
<p>Entschuldigen Sie meine Aufrichtigkeit; allein so von Zeit zu Zeit
<lb/>überko<choice><orig>m̅</orig><reg>mm</reg></choice>t mich die Wut, <choice><orig>wen̄</orig><reg>wenn</reg></choice> ich ansehen mu<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> wie man Musik
<lb/>macht.</p>
<p>Also von Herzen beste fröhlichste Ferien. Ruhen Sie aus
<lb/>auf Ihren Lorbeeren <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> erfreuen Sie uns nächste Saison
<lb/>hier in <placeName key="E0500061">W.</placeName> Überraschen Sie die musikalische Welt auch wieder
<lb/>mit neuen Werken – <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> glauben Sie mir, es gibt selten einen
<lb/>Musiker, der neidloser <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> bewundernder die Schöpfungen
<lb/><hi rend="underline">wirklicher</hi> zeitgenössischer Tondichter aus vollstem Herzen
<lb/><choice><orig>anerken̄t</orig><reg>anerkennt</reg></choice> <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> verehrt als Ihren</p>
<closer>
<salute>mit vorzüglichster Hochachtung
<lb/>mit besten Grüßen
<lb/>ergebensten</salute>
<signed><persName key="E0300097" type="automated" nymRef="Max Reger">Max Reger</persName></signed>
<dateline><placeName key="E0500061" type="automated" nymRef="Wiesbaden">Wiesbaden</placeName>
<lb/><placeName key="E0501081">Bleichstr. 39 II</placeName></dateline></closer>
<postscript rend="margin-left rotate(45)"><p>Gute Ferien!
<lb/>Erwarte nächstens eine
<lb/>Symphonie von Ihnen!
<lb/>Erlaube mir als Zeichen
<lb/>meiner vorzüglichsten Hochachtung
<lb/><choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> Verehrung eine Photographie
<lb/>beizulegen.</p></postscript>
<note type="stamp" place="right" resp="#sbb_st_blue">
<stamp>Nachlaß Busoni</stamp>
</note>
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