Ferruccio Busoni to Hans Huber arrow_backarrow_forward

Zürich · prob. April 20, 1917

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49.
20 A 1917

Verehrter, Lieber,

verzeihen Sie, wenn ich mir erlaube Ihnen
darinin dem Sinne zu widersprechen, dass ich es nicht
für korrekt hielte an Mr Held selbst zu
antworten, Den Brief Ferdinand Helds, Direktor des Genfer Konservatoriums, mit der Anfrage nach Busonis Bereitschaft zum Unterricht hat Busoni offenbar an Huber zurückgeschickt. da er eben vorsichtiger weise
sich an Sie wandte, bevor er von mir eine
etwaige Ablehnung riskierte. Darum müssen
wir ihm eine solche ersparen, wie seine
Empfindung – übrigens richtig – ihm diktiert.

DarumAlso bitte ich Sie, sich die Mühe
zu nehmen den an Sie gerichteten Brief zu
beantworten, von dem ich – um Mr Held
zu schonen – doch eigentlich nicht zu wissen
brauche! — Sie selbst haben niemals einen
Taktfehler begangen und obwohl ich jedes
Wort von Ihnen sonst mir gerne merke,
hatte ich dieses eine Argument vergessen.

Gegen die Genfer Idee spricht
vor Allem mein Unabhängigkeitsgefühl;

sodann meine Sättigkeit am
Anhören mühsamen Klavierspieles und Abneinung
daran, täglich wieder den Weg zu wiederholen,
den ich hinter mir liess.

20. April 1917

Verehrter, Lieber,

verzeihen Sie, wenn ich mir erlaube, Ihnen in dem Sinne zu widersprechen, dass ich es nicht für korrekt hielte, an Monsieur Held selbst zu antworten, Den Brief Ferdinand Helds, Direktor des Genfer Konservatoriums, mit der Anfrage nach Busonis Bereitschaft zum Unterricht hat Busoni offenbar an Huber zurückgeschickt. da er eben vorsichtigerweise sich an Sie wandte, bevor er von mir eine etwaige Ablehnung riskierte. Darum müssen wir ihm eine solche ersparen, wie seine Empfindung – übrigens richtig – ihm diktiert.

Also bitte ich Sie, sich die Mühe zu nehmen, den an Sie gerichteten Brief zu beantworten, von dem ich – um Monsieur Held zu schonen – doch eigentlich nicht zu wissen brauche! — Sie selbst haben niemals einen Taktfehler begangen, und obwohl ich jedes Wort von Ihnen sonst mir gerne merke, hatte ich dieses eine Argument vergessen.

Gegen die Genfer Idee spricht vor allem mein Unabhängigkeitsgefühl;

sodann meine Sättigkeit am Anhören mühsamen Klavierspieles und Abneigung , täglich den Weg zu wiederholen, den ich hinter mir ließ.

Ein drittes Argument ist, dass ich eine solche „Mission“, falls ich mich zu dieser berechtigt oder verpflichtet betrachtete, zunächst in meiner Heimat erfüllen müsste; wo man mir öfters – zuletzt in Rom – sie mir nahebrachte.

Ein vierter Grund – und jetzt werden Sie lachen! – ist meine gänzliche Vertrauenslosigkeit in Sachen wirklicher Kunst gegen junge Damen; – und die bilden den Kern der Konservatorien.

Ein ganz gewichtiger Grund ist, dass ich jetzt mit jedem Tage meines Lebens rechne, für das, das mir noch zu tun übrig bleibt, und dass ich es gewissenslos gegen mich fände, meine Zeit mit Dingen auszufüllen, die schon getan sind, wo mir die Pflicht geboten und die Möglichkeit gegeben ist, manches zu verrichten, das noch nicht getan ist. —

Nebenbei fiele weder an Geld noch an Ruhm noch an anregenden Aufgaben genug ab, um für eine Gefangenschaft zu entschädigen, wie sie die mir bekannten Verhältnisse (infolge von Berichten der Frau Prof. Stavenhagen und da Mottas) Sowohl Agnes Stavenhagens Ehemann Bernhard als auch dessen Nachfolger José Vianna da Motta haben am Genfer Konservatorium Meisterklassen im Fach Klavier gegeben. (Jung 2006, Sp. 1352, Cascudo 2004, Sp. 544). dort um einen schließen.

Nur Ihnen persönlich habe ich so ausführlich begründet. — Darf ich noch hinzufügen, dass mich – nicht nur in Friedenszeiten – große Anträge in aller musikalischen Welt auf Monate lang unterwegs halten, so dass ich la disperazione Ital.: die Verzweiflung. jedes wohlgeordneten Institutes durch meine Abwesenheiten werde oder ernstliche Konflikte beschwöre. So bin ich beispielsweise für Oktober und November dieses Jahres als Gast-Dirigent der ersten englischen Konzertgesellschaften eingeladen.

Monsieur Held sagen Sie aber einfach, Sie wüssten, dass ich keine feste Anstellung anzunehmen beabsichtigte.

Ich danke Ihnen herzlich für die Mitteilung und hoffe, bald Gelegenheit zu haben, Sie wieder zu sehen. — Ich wünsche und nehme an, dass die kleine Ferienzeit Kuraufenthalt in Locarno (vgl. Refardt 1939, S. 27). Ihnen gut angeschlagen hat! Anhaltende Nachwirkung der Wohltat blühe Ihnen weiter.

Ihr verehrungsoll und getreu ergebener

F. Busoni

P. S. Meines Bedünkens wäre Emile Blanchet der richtige Mann für Genf. Er kennt den Mechanismus des Klavieres wie wenige, gehört zum Lande, ist fortschrittlich und dabei systematisch.

Position des Postscriptums: am linken Seitenrand und um 90° nach rechts gedreht
                                                                
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(2)

Ein drittes Argument ist, dass ich
eine solche “Mission”, falls ich mich zu
dieser berechtigt oder verpflichtet be-
trachtete, zunächst in meiner Heimat
erfüllen müsste; wo man mir öfters
– zuletzt in Rom Refardt 1939 (29): Bonn. – sie mir nahe brachte.

Ein vierter Grund – und jetzt werden
Sie lachen! – ist meine gänzliche Ver-
trauenslosigkeit in Sachen wirklicher
Kunst gegen junge Damen; – und die
bilden den Kern der Konservatorien.

Ein ganz gewichtiger Grund, ist
dass ich jetzt mit jedem Tage meines
Lebens rechne, für das, dass mir noch
zu thun übrig bleibt und dass ich
es gewissenslos gegen mich fände,
meine Zeit mit Dingen auszufüllen
die schon gethan sind,
wo mir die Pflicht geboten und die
Möglichkeit gegeben ist, Manches
zu verrichten
das noch nicht gethan ist. —

Nebenbei: fiele weder an Geld, noch
an Ruhm, noch an anregende[n] Aufgabe[n]
genug ab, um für eine Gefangenschaft
zu entschädigen, wie sie die mir
bekannten Verhältnisse (infolge von
Berichten der Frau Prof. Stavenhagen und
da Motta’s) Sowohl Agnes Stavenhagens Ehemann Bernhard als auch dessen Nachfolger José Vianna da Motta haben am Genfer Konservatorium Meisterklassen im Fach Klavier gegeben. (Jung 2006, Sp. 1352, Cascudo 2004, Sp. 544).

                                                                
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(3)
dort um Einen schließen.

Nur Ihnen persönlich habe
ich so ausführlich begründet. —
Darf ich noch hinzufügen, dass mich
– nicht nur in Friedenszeiten – grosse
Anträge in aller musikalischen Welt
auf Monate lang unterwegs halten,
so dass ich la disperazione Ital.: die Verzweiflung. jedes
wohlgeordneten Institutes durch
meine Abwesenheiten werde,
oder ernstliche Konflikte beschwöre.
So bin ich beispielsweise für Okt. u. Nov.
dieses Jahres als Gast-Dirigent der ersten
englischen Konzertgesellschaften eingeladen.

Mr Held sagen Sie aber einfach,
Sie wüssten, dass ich keine feste
Anstellung anzunehmen beabsichtigte.

Ich danke Ihnen herzlich für
die Mittheilung und hoffe bald
Gelegenheit zu haben Sie wieder zu
sehen. — Ich wünsche und nehme
an, dass die kleine Ferienzeit Kuraufenthalt in Locarno (vgl. Refardt 1939, S. 27). Ihnen
gut angeschlagen hat! Anhaltende
Nachwirkung der Wohlthat blühe
Ihnen weiter.

Ihr verehrungsoll
u. getreu ergebener

F. Busoni

P. S. Meines Bedünkens waere
Emile Blanchet der richtige Mann
für Genf. Er kennt den Mechanismus
des Clavieres, wie Wenige, gehört zum Lande, ist fortschrittlich und
dabei systematisch.

Position des Postscriptums: am linken Seitenrand und um 90° nach rechts gedreht
                                                                
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20 April 1917zu 49.
Zürich 10
20.IV.17.–6
Hottingen
Zürich 10
[20].IV.17.–6
[Hot]tingen
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8Diplomatic transcription
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Basel
21.IV.17.VII-
Briefträger
Locarno
21.IV.17.–2
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Document

doneStatus: candidate XML Facsimile Download / Cite

Provenance
Schweiz | Basel | Universitätsbibliothek | NL 30 : 22:A-H:16
Condition
Brief und Umschlag sind gut erhalten.
Extent
3 Blatt, 3 beschriebene Seiten
Collation
Nur die Vorderseiten sind beschrieben.
Hands/Stamps
  • Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift.
  • Vmtl. Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Nachtrag des Datums mit blasserer schwarzer Tinte.
  • Unbekannte Hand, die mit Rotstift die Adresse korrigiert hat.
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Foliierung vorgenommen und das Datum auf dem Umschlag notiert hat.
  • Poststempel Zürich (schwarze Tinte)
  • Poststempel Basel (schwarze Tinte)
  • Poststempel Locarno (schwarze Tinte)

Summary
Busoni legt ausführlich dar, warum er nicht am Genfer Konservatorium arbeiten möchte; bittet Huber, dem dortigen Direktor Ferdinand Held seine Abneigung zu signalisieren, ohne diese Gründe offenzulegen.
Incipit
Verzeihen Sie, wenn ich mir erlaube

Editors in charge
Christian Schaper Ullrich Scheideler
prepared by
Revision
August 8, 2017: candidate (coding checked, proofread)
Direct context
Preceding Following
Near in this edition
Previous editions
Refardt 1939, S. 28 f.