Ferruccio Busoni to Hugo Leichtentritt arrow_backarrow_forward

Berlin · September 6, 1912

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6 Sept. 1912.

Verehrtester Doktor,

Ihr Brief hat mich sehr inter-
essiert: über sein Thema möchte
ich eine Fuge schreiben. Vielleicht,
dass die unfachliche Kenntnis
des Vergangenen nicht „hindert“
ob sie aber hilft?
Jedenfalls haben t Sie ihr einen sehr großen Abschnitt
Ihres Lebens eingeräumt; zu
Ihrer Befriedigung — so sagen
Sie — und das ist das Entscheidende.
Die Wertschätzung jener histo-
rischen Kunst muss in dem Maasse
steigen oder abnehmen, als man
sich mehr oder weniger ausschliesslich transcription uncertain: cancelled.
intim mit ihr beschäftigt. Betrachten
andere Sie als Landschaft, so nehmen
zeichnen Sie eine Generalstabskarte
von ihr auf; und jedes Kreuz am Wege
wird wichtig.

6 Sept. 1912

Verehrtester Doktor,

Ihr Brief hat mich sehr interessiert: über sein Thema möchte ich eine Fuge schreiben. Vielleicht, dass die unfachliche Kenntnis des Vergangenen nicht „hindert“ — ob sie aber hilft? Jedenfalls haben Sie ihr einen sehr großen Abschnitt Ihres Lebens eingeräumt; zu Ihrer Befriedigung — so sagen Sie — und das ist das Entscheidende. Die Wertschätzung jener historischen Kunst muss in dem Maße steigen oder abnehmen, als man sich mehr oder weniger intim mit ihr beschäftigt. Betrachten andere Sie als Landschaft, so nehmen Sie eine Generalstabskarte von ihr auf; und jedes Kreuz am Wege wird wichtig.

Da ich selbst große Freud am Katalog-machen und = Lesen habe, so kann ich die Ihre verstehen; doch brachte ich diese Tätigkeit nie zusammen mit der Forderung literarischem Verständnisses. — aber die Organismen sind verschieden und jeder kann nur von seinem eigenen reden — und selbst dann sich täuschen.

Ich habe das beste Vertrauen zu Ihrem Zielbewusstsein und mit Freud erfahre ich, dass Ihre Symphonie zum Abschluss gebracht worden. Dazu beglückwunsche ich Sie herzlich. Das wunderschöne Exemplar der chinesischen Zeiten Die von Leichtentritt privat finanzierte Ausgabe seiner Chinesisch-deutschen Jahres- und Tageszeiten, eines Liederzyklus über die gleichnamige Gedichtsammlung Goethes, stieß beim als bibliophil bekannten Busoni auf Gefallen (vgl. Beaumont 1987, S. 152). Die Titelseite hatte der Maler und Grafiker Emil Pottner gestaltet (vgl. Leichtentritt/DeVoto 2014, S. 336 f.). hat mich als Bibliophyle entzückt; mit dem Inhalt will ich mich gewissenhaft beschäftigen, indessen danke ich Ihnen für die prächtige Gabe.

Mit freundlichem Grüße Ihr ergebener

Ferrucio Busoni

6 Sept. 1912
                                                                
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Da ich selbst grosse Freud am
Katalog-machen und = Lesen
habe, so kann ich die Ihre ver-
stehen; doch brachte ich diese
Tätigkeit nie zusammen mit
der Forderung literarischem
Verständnisses. — doch aber die Orga-
nismen sind verschieden und
jeder kann nur von sich selbst seinem eigenen
reden — und selbst dann sich
täuschen.


Ich habe das beste Vertrauen
zu Ihrem Zielbewusstsein und
----- ---- transcription uncertain: cancelled. mit Freud erfahren ich,
dass Ihre Symphonie zum
Abschluss gebracht worden. Dazu
beglückwunsche ich Sie herzlich.
Das wunderschöne Exemplar
der chinesischen Zeiten Die von Leichtentritt privat finanzierte Ausgabe seiner Chinesisch-deutschen Jahres- und Tageszeiten, eines Liederzyklus über die gleichnamige Gedichtsammlung Goethes, stieß beim als bibliophil bekannten Busoni auf Gefallen (vgl. Beaumont 1987, S. 152). Die Titelseite hatte der Maler und Grafiker Emil Pottner gestaltet (vgl. Leichtentritt/DeVoto 2014, S. 336 f.). hat mich
als Bibliophyle entzückt; mit
dem Inhalt will ich mich gewissenhaft
beschäftigen, indessen danke ich
Ihnen für die prächtige Gabe.

Mit freundlichem Grüsse
Ihr ergebener


Ferrucio Busoni

6 Sept. 1912
                                                                
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Document

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Provenance
USA | Washington, D.C. | Library of Congress | Ferruccio Busoni Papers Additions, 1866–1924 | ML95 .B94
Condition
Der Brief ist gut erhalten
Extent
2 Blätter, 2 beschriebene Seiten
Hands/Stamps
  • Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift.
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift das Briefdatum ergänzt hat

Summary
Busoni gratuliert zum Abschluss der Symphonie und bedankt sich mehrfach
Incipit
Ihr Brief hat mich sehr interessiert

Editors in charge
Christian Schaper Ullrich Scheideler
prepared by
Revision
August 14, 2024: proposed (transcription and coding done, awaiting proofreading)
Direct context
Preceding Following
Near in this edition
Previous editions
Beaumont 1987, S. 152 f.