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N.Mus.Nachl. 30, 113
Mein verehrter Meister und Freund!
Ich bitte Sie vor allem um Verzeihung, dass
ich Ihre lieben Briefe
Vgl. die beiden vorherigen Briefe Busonis vom 4. März 1920 sowie vom 10. März 1920.
so spät beantworte. Ich war
in der letzten Zeit in etwas flacher Stimmung,
was nicht zuletzt davon herrühren mag, dass
ich vierzehn Tage lang im Stimmenmaterial
meiner „Symphonia brevis“ Fehler abkratzte,
– während ich so gern etwas andres getan hätte –
und so aus dem Nachdenken über eine neue
Arbeit herausgerissen wurde.
– Ich musste kürzlich, um eine vergessene
Adresse zu finden, meine Schubladen durchstöbern.
Bei dieser Gelegenheit kam eine Anzahl Ihrer
früheren Briefe zum Vorschein. Ich las sie
wieder, es war ein schöner, klarer Augenblick.
Ich sah, dass unsere Freundschaft – Sie erlauben
mir, dieses Wort zu gebrauchen? – schon eine
Geschichte hat. Zunächst die Geschichte von
Entstehung, Aufführung und Druck von „Turan- dot“ u. „Arlecchino“, (in etwa dreissig Briefen
festgehalten).
Busoni hatte Jarnach 1916 beauftragt, die Klavierauszüge für Turandot und Arlecchino zu erstellen; im Jahr 1917 wird der Briefwechsel von entsprechenden Korrekturanweisungen dominiert. Zudem war Jarnach auf Busonis Empfehlung hin als Korrepetitor am Zürcher Stadttheater engagiert worden, um die beiden Opern einzustudieren (vgl. Weiss 1996, S. 59 f.).
– Dann, im wesentlichen, die Geschichte
meiner Bekehrung zu ästhetischen Wahrheiten,
denen ich 1916 noch recht fern stand, doch kurz
darauf deutlich zu fühlen begann. Am 10 Februar
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Mein verehrter Meister und Freund!
Ich bitte Sie vor allem um Verzeihung, dass
ich Ihre lieben Briefe
Vgl. die beiden vorherigen Briefe Busonis vom 4. März 1920 sowie vom 10. März 1920.
so spät beantworte. Ich war
in der letzten Zeit in etwas flacher Stimmung,
was nicht zuletzt davon herrühren mag, dass
ich vierzehn Tage lang im Stimmenmaterial
meiner „Symphonia brevis“ Fehler abkratzte
– während ich so gern etwas andres getan hätte –
und so aus dem Nachdenken über eine neue
Arbeit herausgerissen wurde.
Ich musste kürzlich, um eine vergessene
Adresse zu finden, meine Schubladen durchstöbern.
Bei dieser Gelegenheit kam eine Anzahl Ihrer
früheren Briefe zum Vorschein. Ich las sie
wieder, es war ein schöner, klarer Augenblick.
Ich sah, dass unsere Freundschaft – Sie erlauben
mir, dieses Wort zu gebrauchen? – schon eine
Geschichte hat. Zunächst die Geschichte von
Entstehung, Aufführung und Druck von „Turandot“ und „Arlecchino“ (in etwa dreißig Briefen
festgehalten).
Busoni hatte Jarnach 1916 beauftragt, die Klavierauszüge für Turandot und Arlecchino zu erstellen; im Jahr 1917 wird der Briefwechsel von entsprechenden Korrekturanweisungen dominiert. Zudem war Jarnach auf Busonis Empfehlung hin als Korrepetitor am Zürcher Stadttheater engagiert worden, um die beiden Opern einzustudieren (vgl. Weiss 1996, S. 59 f.).
– Dann, im Wesentlichen, die Geschichte
meiner Bekehrung zu ästhetischen Wahrheiten,
denen ich 1916 noch recht fern stand, doch kurz
darauf deutlich zu fühlen begann. Am 10. Februar
1919 schrieben Sie:
„Aus verstreuten Äußerungen, die Sie
einmal und das andere getan, entnehme ich,
wie Sie allmählich zu meinen Prinzipien
gelangen.“
In demselben Brief nannten Sie die post-wagnersche Periode den „dämmernden Werktag“;
Busoni an Jarnach, 10. Februar 1919: „Aus verstreuten Aüsserungen die Sie, einmal und das andere, getan entnahm ich, wie Sie allmälig zu meinen Prinzipien gelangen. Verdoppelungen – Wiederholungen – Steigerungen – Mangel an Luft – all dieses Rüstzeug eines dämmernden u. bald vergangenen Werk-Tages erkennen Sie als hinderlich.“
ein treffendes Wort, das Sie wahrscheinlich
vergessen haben; es charakterisiert eine ganze
Generation.
Endlich – um die Periodizität der pianistischen
Störungen zu illustrieren (Sie sprachen davon
in Ihrem vorletzten Brief) – erinnere ich Sie
an Ihr Epigramm:
„… Inzwischen: in des Schaffens Wüsten,
Sind Oasen des Pianisten,
Und die Partitur, sie stockt.
Weiß und schwarz durch Fingerlasten
Senken, heben sich die Tasten,
Wenn der A.... am Stuhle hockt.“
(19. Februar 1918)
Sie fragen sich vielleicht verwundert, warum
ich dies alles anführe. Mein lieber Meister, das
ist eben meine Antwort auf Ihre Befürchtung,
ich könnte die Ratschläge in Ihrem ersten
Pariser Brief missverstehen. Missverständnisse
auf diesem Boden kann es zwischen uns doch
nicht geben! Es würde mich betrüben, wenn
ich glauben müsste, dass Sie darüber wirklich
im Zweifel sind. Sie unterschätzen mich wohl?
Wenn ein Busoni von Kunst zu mir
spricht, habe ich keine Zeit, empfindlich zu sein!
Ich war im Marionettentheater;
Im Frühjahr 1920 spielte das Marionetten-Theater Münchner Künstler ein Faust-Puppenspiel im Kunstgewerbemuseum Zürich. Busoni hatte eine Vorstellung angesehen (vermutlich am 2. März, vgl. Beaumont 1987, Anmerkung 284/3, S. 304).
auch auf
mich machte das Faustspiel einen tiefen
Eindruck. Am meisten frappierte mich die
formale Geschlossenheit der einzelnen Szenen,
die in seltsamem Kontrast zur scheinbaren
Primitivität der Ausführung steht. – Dagegen
fehlt etwas zwischen dem Akt in Parma
und dem Schlussbild – das prächtig gebaut
ist –, und ich merkte, wie Sie recht taten,
dazwischen die Wirtschaftsszene einzuschalten.
Erst dadurch erhält das Ganze auch äußere
Abrundung.
Eine umfangreiche Erklärung zu den Übereinstimmungen und Abweichungen der Libretti des Doktor Faust und des Puppenspiels gibt Busoni in einem Brief an Gisella Selden-Goth (14. Mai 1920, vgl. Beaumont 1987, S. 308 f.).
Die Münchner Bearbeitung scheint mir
einige Details zu schwächen. Auch sehe ich
die Notwendigkeit nicht ein. Dagegen war
die Darstellung wundervoll. Die Faust-Idee
überrumpelt unsere Blasiertheit – welche leider
nicht immer eingebildet ist – stets aufs
Neue; ich begreife, dass Sie, in dem ein
großer Ausdruck dieser Idee reift, nach
dieser Vorstellung den Zufall verwünschten,
am nächsten Tag abreisen zu müssen.
Vgl. Busonis Brief vom 4. März 1920.
Umso mehr freuten mich die Nachrichten,
die Sie uns aus Paris geben. Ihre günstigen
Eindrücke und der begeisterte Empfang werden
Ihren Aufenthalt sicherlich zu einem behaglichen
gemacht haben und auf Sie – trotz der
Riesenaufgabe
Die sechs Solo-Rezitals, das Orchesterkonzert mit Busoni als Pianist und die beiden von ihm dirigierten Konzerte waren bereits vor Busonis Anreise ausverkauft, so dass zwei weitere Rezitals und ein weiteres zu dirigierendes Orchesterkonzert anberaumt wurden, Busoni also zwischen 4. März und 2. April 1920 neun Auftritte zu absolvieren hatte (vgl. Willimann 1994, S.119/122 f.; Beaumont 1987, Anmerkung 284/2, S. 304).
– erfrischend wirken. In Ihrem
letzten Brief witterte ich förmlich die
Pariser Frühlingsluft. – Es freut mich auch,
dass ein Publikum, an das ich jeden
Glauben verloren hatte, das Ereignis Ihrer
Anwesenheit merkt und fühlt!
PS Das Manuskript v. D. werde ich an Andreae
weiterleiten. Die „Improvisation“ wurde von Hug
besorgt, da ich kein Exemplar besitze. (Ich hatte
seinerzeit ein Exemplar von Biolley geliehen.)
Zu den genannten Musikalien vgl. die Kommentierung des vorherigen Briefes.
Eine
Carmen-Phantasie? Sie sind an Ort und Stelle,
aber woher nehmen Sie die Zeit??
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<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split">
<note type="shelfmark" place="top-left" resp="#archive">N.Mus.Nachl. 30, 113</note>
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<dateline rend="align(right) space-above"><placeName key="E0500132">Zürich</placeName>, <date when-iso="1920-03-21">21<reg>.</reg> März 1920</date></dateline>
<salute rend="align(center) space-above">Mein verehrter Meister und Freund!</salute>
</opener>
<p rend="indent-first space-above">Ich bitte Sie vor allem um Verzeihung, dass
<lb/>ich Ihre lieben Briefe
<note type="commentary" resp="#E0300616">Vgl. die beiden vorherigen Briefe <persName key="E0300017">Busonis</persName> vom <ref target="#D0101683"><date when-iso="1920-03-04">4. März 1920</date></ref> sowie vom <ref target="#D0101683"><date when-iso="1920-03-10">10. März 1920</date></ref>.</note>
so spät beantworte. Ich war
<lb/>in der letzten Zeit in etwas flacher Stimmung,
<lb/>was nicht zuletzt davon herrühren mag, dass
<lb/>ich vierzehn Tage lang im Stimmenmaterial
<lb/>meiner <title key="E0400534" rend="dq-du">Symphonia brevis</title> Fehler abkratzte<orig>,</orig>
<lb/>– während ich so gern etwas andres getan hätte –
<lb/>und so aus dem Nachdenken über eine neue
<lb/>Arbeit herausgerissen wurde.</p>
<p type="pre-split"><orig>– </orig>Ich musste kürzlich, um eine vergessene
<lb/>Adresse zu finden, meine Schubladen durchstöbern.
<lb/>Bei dieser Gelegenheit kam eine Anzahl Ihrer
<lb/>früheren Briefe zum Vorschein. Ich las sie
<lb/>wieder, es war ein schöner, klarer Augenblick.
<lb/>Ich sah, dass unsere Freundschaft – Sie erlauben
<lb/>mir, dieses Wort zu gebrauchen? – schon eine
<lb/>Geschichte hat. Zunächst die Geschichte von
<lb/>Entstehung, Aufführung und Druck von <title key="E0400153" rend="dq-du">Turan
<lb break="no"/>dot</title> <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> <title key="E0400133" rend="dq-du">Arlecchino</title><orig>,</orig> (in etwa drei<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>ig Briefen
<lb/>festgehalten).
<note type="commentary" resp="#E0300616"><persName key="E0300017">Busoni</persName> hatte <persName key="E0300376">Jarnach</persName> <date when-iso="1916">1916</date> beauftragt, die Klavierauszüge für <title key="E0400153">Turandot</title> und <title key="E0400133">Arlecchino</title> zu erstellen; <date when-iso="1917">im Jahr 1917</date> wird der Briefwechsel von entsprechenden Korrekturanweisungen dominiert. Zudem war <persName key="E0300376">Jarnach</persName> auf <persName key="E0300017">Busonis</persName> Empfehlung hin als Korrepetitor am <orgName key="E0600037"><placeName key="E0500132">Zürcher</placeName> Stadttheater</orgName> engagiert worden, um die beiden Opern einzustudieren <bibl>(vgl. <ref target="#E0800350"/>, S. 59 f.)</bibl>.</note>
– Dann, im <choice><orig>w</orig><reg>W</reg></choice>esentlichen, die Geschichte
<lb/>meiner Bekehrung zu ästhetischen Wahrheiten,
<lb/>denen ich <date when-iso="1916">1916</date> noch recht fern stand, doch kurz
<lb/>darauf deutlich zu fühlen begann. <date type="pre-split" when-iso="1919-02-10">Am 10<reg>.</reg> Februar
</date></p></div>
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2Facsimile
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2Diplomatic transcription
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1919 schrieben Sie:
„Aus verstreuten Auesserungen die Sie,
„einmal und das andere getan, entnehme ich,
„wie Sie allmählich zu meinen Prinzipien
„gelangen.“
In demselben Brief nannten Sie die post-
wagner’sche Periode den „dämmernden Werktag“;
Busoni an Jarnach, 10. Februar 1919: „Aus verstreuten Aüsserungen die Sie, einmal und das andere, getan entnahm ich, wie Sie allmälig zu meinen Prinzipien gelangen. Verdoppelungen – Wiederholungen – Steigerungen – Mangel an Luft – all dieses Rüstzeug eines dämmernden u. bald vergangenen Werk-Tages erkennen Sie als hinderlich.“
ein treffendes Wort das Sie wahrscheinlich
vergessen haben; es charakterisiert eine ganze
Generation.
Endlich – um die Periodizität der pianistischen
Störungen zu illustrieren) (Sie sprachen davon
in Ihrem vorletzten Brief) – erinnere ich Sie
an Ihr Epigramm:
„.... Inzwischen: in des Schaffens Wüsten,
„Sind Oasen des Pianisten,
„Und die Partitur, sie stockt.
„Weiss u. schwarz durch Fingerlasten
„Senken, heben sich die Tasten,
„Wenn der A.... am Stuhle hockt.“
(19 Febr. 1918)
Sie fragen sich vielleicht verwundert, warum
ich dies alles anführe. Mein lieber Meister, das
ist eben meine Antwort auf Ihre Befürchtung,
Preußischer
Staats- bibliothek
zu Berlin
Kulturbesitz
ich könnte die Ratschläge in Ihrem ersten
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<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p type="split"><date when-iso="1919-02-10" type="split">
1919</date> schrieben Sie:</p>
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<lb rend="after:„"/>einmal und das andere getan, entnehme ich,
<lb rend="after:„"/>wie Sie allmählich zu meinen Prinzipien
<lb rend="after:„"/>gelangen.</quote>
<p rend="indent-first">In <ref target="#D0101669">demselben Brief</ref> nannten Sie die post-
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<lb/>ein treffendes Wort<reg>,</reg> das Sie wahrscheinlich
<lb/>vergessen haben; es charakterisiert eine ganze
<lb/>Generation.</p>
<p rend="indent-first">Endlich – um die Periodizität der pianistischen
<lb/>Störungen zu illustrieren<orig>)</orig> (Sie sprachen davon
<lb/>in <ref target="#D0101683">Ihrem vorletzten Brief</ref>) – erinnere ich Sie
<lb/>an Ihr Epigramm:</p>
<cit>
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<l><choice><orig>....</orig><reg>…</reg></choice> Inzwischen: in des Schaffens Wüsten,</l>
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<l rend="after:„">Wenn der A.... am Stuhle hockt.</l>
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</stamp>
</note>
<lb/>ich könnte die Ratschläge in <ref target="#D0101683">Ihrem ersten</ref>
</p></div>
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3Diplomatic transcription
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N.Mus.Nachl. 30, 113
2
Pariser Brief missverstehen. Missverständnisse
auf diesem Boden kann es zwischen uns doch
nicht geben! Es würde mich betrüben, wenn
ich glauben müsste, dass Sie darüber wirklich
im Zweifel sind. Sie unterschätzen mich wohl?
Wenn ein Busoni von Kunst zu mir
spricht, habe ich keine Zeit, empfindlich zu sein!
Ich war im Marionettentheater;
Im Frühjahr 1920 spielte das Marionetten-Theater Münchner Künstler ein Faust-Puppenspiel im Kunstgewerbemuseum Zürich. Busoni hatte eine Vorstellung angesehen (vermutlich am 2. März, vgl. Beaumont 1987, Anmerkung 284/3, S. 304).
auch auf
mich machte das Faustspiel einen tiefen
Eindruck. Am meisten frappierte mich die
formale Geschlossenheit der einzelnen Szenen,
die in seltsamem Kontrast zur scheinbaren
Primitivität der Ausführung steht. – Dagegen
fehlt etwas zwischen dem Akt in Parma
und dem Schlussbild – das prächtig gebaut
ist – und ich merkte wie Sie recht taten,
dazwischen die Wirthschaftsszene einzuschalten.
Erst dadurch erhält das Ganze auch aüssere
Abrundung.
Eine umfangreiche Erklärung zu den Übereinstimmungen und Abweichungen der Libretti des Doktor Faust und des Puppenspiels gibt Busoni in einem Brief an Gisella Selden-Goth (14. Mai 1920, vgl. Beaumont 1987, S. 308 f.).
Die Münchnerbearbeitung scheint mir
einige Details zu schwächen. Auch sehe ich
die Notwendigkeit nicht ein. Dagegen war
die Darstellung wundervoll. Die Faust-Idee
überrumpelt unsere Blasiertheit – welche leider
nicht immer eingebildet ist – stets aufs
|
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="space-above" type="split">
<note type="shelfmark" place="margin-left" resp="#archive">N.Mus.Nachl. 30, 113</note>
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<lb/><ref target="#D0101683"><placeName key="E0500012">Pariser</placeName> Brief</ref> missverstehen. Missverständnisse
<lb/>auf diesem Boden kann es zwischen uns doch
<lb/>nicht geben! Es würde mich betrüben, wenn
<lb/>ich glauben müsste, dass Sie darüber wirklich
<lb/>im Zweifel sind. Sie unterschätzen mich wohl?</p>
<p rend="indent-2-first">Wenn ein <persName key="E0300017">Busoni</persName> von Kunst zu mir
<lb/>spricht, habe ich keine Zeit, empfindlich zu sein!</p>
<p rend="space-above indent-first">Ich war im Marionettentheater;
<note type="commentary" resp="#E0300616">Im Frühjahr <date when-iso="1920">1920</date> spielte das <orgName key="E0600194">Marionetten-Theater <placeName key="E0500034">Münchner</placeName> Künstler</orgName> ein <rs key="E0400322"><title key="E0400431">Faust</title>-Puppenspiel</rs> im <placeName key="E0500785">Kunstgewerbemuseum <placeName key="E0500132">Zürich</placeName></placeName>. <persName key="E0300017">Busoni</persName> hatte eine Vorstellung angesehen (vermutlich am <date when-iso="1920-03-02">2. März</date>, <bibl>vgl. <ref target="#E0800060"/>, Anmerkung 284/3, S. 304</bibl>).</note>
auch auf
<lb/>mich machte das <rs key="E0400322">Faustspiel</rs> einen tiefen
<lb/>Eindruck. Am meisten frappierte mich die
<lb/>formale Geschlossenheit der einzelnen Szenen,
<lb/>die in seltsamem Kontrast zur scheinbaren
<lb/>Primitivität der Ausführung steht. – Dagegen
<lb/>fehlt etwas zwischen dem Akt in <placeName key="E0500369">Parma</placeName>
<lb/>und dem Schlussbild – das prächtig gebaut
<lb/>ist –<reg>,</reg> und ich merkte<reg>,</reg> wie Sie recht taten,
<lb/>dazwischen die Wirt<orig>h</orig>schaftsszene einzuschalten.
<lb/>Erst dadurch erhält das Ganze auch <choice><orig>aüss</orig><reg>äuß</reg></choice>ere
<lb/>Abrundung.
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</p>
<p type="pre-split" rend="indent-first">Die <placeName key="E0500034">Münchner</placeName><choice><orig>b</orig><reg> B</reg></choice>earbeitung scheint mir
<lb/>einige Details zu schwächen. Auch sehe ich
<lb/>die Notwendigkeit nicht ein. Dagegen war
<lb/>die Darstellung wundervoll. Die Faust-Idee
<lb/>überrumpelt unsere Blasiertheit – welche leider
<lb/>nicht immer eingebildet ist – stets aufs
</p></div>
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4Diplomatic transcription
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Neue; ich begreife, dass Sie, in dem ein
grosser Ausdruck dieser Idee reift, nach
dieser Vorstellung den Zufall verwünschten,
am nächsten Tag abreisen zu müssen. –
Vgl. Busonis Brief vom 4. März 1920.
Um so mehr freuten mich die Nachrichten
die Sie uns aus Paris geben. Ihre günstigen
Eindrücke und der begeisterte Empfang werden
Ihren Aufenthalt sicherlich zu einem behaglichen
gemacht haben und auf Sie – trotz der
Riesenaufgabe
Die sechs Solo-Rezitals, das Orchesterkonzert mit Busoni als Pianist und die beiden von ihm dirigierten Konzerte waren bereits vor Busonis Anreise ausverkauft, so dass zwei weitere Rezitals und ein weiteres zu dirigierendes Orchesterkonzert anberaumt wurden, Busoni also zwischen 4. März und 2. April 1920 neun Auftritte zu absolvieren hatte (vgl. Willimann 1994, S.119/122 f.; Beaumont 1987, Anmerkung 284/2, S. 304).
– erfrischend wirken. In Ihrem
letzten Brief witterte ich förmlich die
Pariser Frühlingsluft. – Es freut mich auch,
dass ein Publikum, an das ich jeden
Glauben verloren hatte, das Ereignis Ihrer
Anwesenheit merkt und fühlt!
P.S. – Das Manuskript v. D. werde ich an Andreae
weiterleiten. Die „Improvisation“ wurde von Hug
besorgt, da ich kein Exemplar besitze. (Ich hatte
s. Z. ein Exemplar von Biolley geliehen.)
Zu den genannten Musikalien vgl. die Kommentierung des vorherigen Briefes.
Eine
Carmen-Phantasie? Sie sind an Ort und Stelle,
aber woher nehmen Sie die Zeit??
Preußischer
Staats- bibliothek
zu Berlin
Kulturbesitz
|
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split">
Neue; ich begreife, dass Sie, in dem ein
<lb/>gro<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>er Ausdruck dieser Idee reift, nach
<lb/>dieser Vorstellung den Zufall verwünschten,
<lb/>am nächsten Tag abreisen zu müssen.<orig> –</orig>
<note type="commentary" resp="#E0300616">Vgl. <persName key="E0300017">Busonis</persName> <ref target="#D0101083">Brief vom <date when-iso="1920-03-04">4. März 1920</date></ref>.</note>
</p>
<p rend="indent-first">Um<orig> </orig>so mehr freuten mich die Nachrichten<reg>,</reg>
<lb/>die Sie uns aus <placeName key="E0500012">Paris</placeName> geben. Ihre günstigen
<lb/>Eindrücke und der begeisterte Empfang werden
<lb/>Ihren Aufenthalt sicherlich zu einem behaglichen
<lb/>gemacht haben und auf Sie – trotz der
<lb/>Riesenaufgabe
<note type="commentary" resp="#E0300616">Die sechs Solo-Rezitals, das Orchesterkonzert mit <persName key="E0300017">Busoni</persName> als Pianist und die beiden von ihm dirigierten Konzerte waren bereits vor <persName key="E0300017">Busonis</persName> Anreise ausverkauft, so dass zwei weitere Rezitals und ein weiteres zu dirigierendes Orchesterkonzert anberaumt wurden, <persName key="E0300017">Busoni</persName> also <date when-iso="1920-03-04/1920-04-02">zwischen 4. März und 2. April 1920</date> neun Auftritte zu absolvieren hatte <bibl>(vgl. <ref target="#E0800058"/>, S.119/122 f.; <ref target="#E0800060"/>, Anmerkung 284/2, S. 304)</bibl>.</note>
– erfrischend wirken. In <ref target="#D0101684">Ihrem
<lb/>letzten Brief</ref> witterte ich förmlich die
<lb/><placeName key="E0500012">Pariser</placeName> Frühlingsluft. – Es freut mich auch,
<lb/>dass ein Publikum, an das ich jeden
<lb/>Glauben verloren hatte, das Ereignis Ihrer
<lb/>Anwesenheit merkt und fühlt!</p>
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<salute rend="indent-first">Tausend herzliche Grü<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>e an Sie
<lb/>und <persName key="E0300059">Frau Busoni</persName> von <persName key="E0300664">Ursula</persName> und</salute>
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<p>P<orig>.</orig>S<orig>. –</orig> Das Manuskript <persName key="E0300077">v. D.</persName> werde ich an <persName key="E0300129">Andreae</persName>
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Zürich […]
at least 1 char: paper missing.
22.III.20.–[…]
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Riesba[ch]
(Faust-Puppenspiel)
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<addrLine>à monsieur <persName key="E0300017"><abbr>F.</abbr> Busoni</persName></addrLine>
<addrLine><placeName key="E0500764">48 rue de Villejust</placeName></addrLine>
<addrLine rend="align(right) space-above"><hi rend="underline"><placeName key="E0500012">Paris</placeName>.</hi></addrLine>
</address>
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zu N.Mus.Nachl. 30, 113
Preußischer
Staats- bibliothek
zu Berlin
Kulturbesitz
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<addrLine><hi rend="underline"><persName key="E0300376">Philippe Jarnach</persName>. <placeName key="E0500779">Paulstr. 7</placeName>. <placeName key="E0500132">Zürich</placeName>. <placeName key="E0500092">Suisse</placeName>.</hi></addrLine>
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