Ferruccio Busoni an Philipp Jarnach arrow_backarrow_forward

London · 10. Februar 1921

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N.Mus.Nachl. 30, 71
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10. Febr. 1921.
Telephone-
Hampstead 5549.

M l Ph J Ihr Brief wurde
mir erst heute
von Gerda mitgebracht; er
ist somit 13 Tage alt, Der Brief von Jarnach, auf den Busoni sich hier bezieht, liegt nicht vor.
(und wir umso viel älter
ebenfalls): – er erfreute
mich herzlichst und ich
„verdanke“ ihn Ihnen
mit ganzer Erkenntlichkeit.

Die Arbeit in Berlin Nach seiner fünfeinhalbjährigen Abwesenheit aus Berlin gab Busoni fünf Konzerte in der Berliner Philharmonie. Die ersten beiden Klavierabende hatten am 18. und 20. November 1920 stattgefunden. Am 7., 13. und 27. Januar 1921 absolvierte Busoni drei Orchesterabende mit ausschließlich eigenen Werken, die ersten beiden Konzerte am Pult, das letzte am Klavier (vgl. die Programmankündigungen in Pisk (Hrsg.) 1921, S. [44–46]). war
in der That anstrengender,
als ich mitten in der An-
-spannung merkte;. nNachdem
ich doch im Ganzen
vierzig Stunden auf
den Beinen war, von Berlin

10. Febr. 1921.

M l Ph J

Ihr Brief wurde mir erst heute von Gerda mitgebracht; er ist somit 13 Tage alt Der Brief von Jarnach, auf den Busoni sich hier bezieht, liegt nicht vor. (und wir um so viel älter ebenfalls) – er erfreute mich herzlichst, und ich „verdanke“ ihn Ihnen mit ganzer Erkenntlichkeit.

Die Arbeit in Berlin Nach seiner fünfeinhalbjährigen Abwesenheit aus Berlin gab Busoni fünf Konzerte in der Berliner Philharmonie. Die ersten beiden Klavierabende hatten am 18. und 20. November 1920 stattgefunden. Am 7., 13. und 27. Januar 1921 absolvierte Busoni drei Orchesterabende mit ausschließlich eigenen Werken, die ersten beiden Konzerte am Pult, das letzte am Klavier (vgl. die Programmankündigungen in Pisk (Hrsg.) 1921, S. [44–46]). war in der Tat anstrengender, als ich mitten in der Anspannung merkte. Nachdem ich doch im Ganzen vierzig Stunden auf den Beinen war, von Berlin ab bis zu einem richtigen Bett in London, blieb mir noch vorbehalten, geradewegs nach Bradford und zurück zu fahren und zwischen diesen beiden Fahrten Probe und Konzert abzuhalten. Busoni war im Februar 1921 auf Tournee in England und spielte u. a. in London, Manchester, Glasgow und Edinburgh (vgl. Busoni/Weindel 2015, S. 1134, Anm. 8). – Das körperliche Resultat war hinterher bedenklich; und nur vier Tage Vegetieren und vier Nächte Durchschlafen brachten mich wieder in den Sattel, wie es einem Chevalier Busoni war 1913 auf Betreiben von Isidor Philipp und Charles-Marie Widor zum Ritter der Ehrenlegion ernannt worden (vgl. Roberge 1996, S. 294 f.). zukommt, und zumal einem nicht allzu jungen.

Ich hätte in die Brautwahl eine Widmung schreiben sollen: dann wäre sie über die Grenze passiert. Wir lassen uns gar viel vorschreiben – aber meine Vor-Schrift hätte die andere annulliert. Offenbar hatte Jarnach zuvor von der Absage eines Extrakonzerts in Zürich unter Volkmar Andreae berichtet, in dem Busonis Brautwahl-Suite hätte aufgeführt werden sollen (vgl. Willimann 1994, S. 142). Die Oper Die Brautwahl ist Gustav Brecher gewidmet, die Orchestersuite Curt Sobernheim.

Glücklich war ich, dass Ihnen mein Dirigieren behagte; hätte ich öftere Gelegenheit dazu, so könnte ich es besser! Der letzte Abend war überfüllt; ich spielte besonders gut. Am 27. Januar spielte Busoni unter der Leitung von Gustav Brecher das Konzertstück op. 31, die Indianische Fantasie für Klavier und Orchester op. 44 und das Konzert für Klavier und Orchester mit Männerchor op. 39. Die Wirkung war unmittelbar. Trotzdem (oder darum?) versuchen die Kritiker mit einer leichten Geste darüber hinwegzugehen.

Eine alte, hexenartige Frau brachte mir einmal eine Rose, und – beim Überreichen derselben – drückte sie mir heftig die Dornen in die Hand! So ähnlich benimmt sich Dr. L. Schmidt, wenn er mir eine kritische Blume aufwartet.

Flauberts St. Antoine und Mendelssohns Symphonien sind gute Funde aus dem großen Korbe des XIX. Jahrhunderts. Die italienischen Novellen des Beyles kenne ich leider nicht. – Bedenken Sie, dass ein Romanschriftsteller von Wassermanns Gewicht erst in diesem Augenblick (auf meine Zurede und aus meinem Exemplar) „Les Misérables“ kennen lernt! – Gestern noch belehrte ich brieflich einen berühmten englischen Novellisten, der behauptete: nur in England, Frankreich und Russland schriebe man kurze Geschichten („short stories“), Vgl. Busonis Brief an Arnold Bennett vom 6. Februar 1921, nachdem er dessen Things That Have Interested Me gelesen hatte, wo Bennett behauptet (S. 197): „So far as I know, short stories with serious pretensions to greatness are not being written now, either in France, Russia, or England. And if they are not being written in France, Russia, or England, they are not being written anywhere.“ und der also den großen Novellisten Pirandello nicht einmal bei Namen kannte! Das sind Leute des Faches. Da ist ein Musiker, der Stendahl nicht gelesen hat, eher zu entschuldigen. (Warum schreibt er sich Stendhal? Wahrscheinlich aus derselben orthographisch-französischen Blindheit, die Liszt in Listz (oder Litz) verwandelte.)

Dieser Beyle hatte nämlich eine sehr teuere Erinnerung von seinem Garnisons-Aufenthalt in Stendahl bewahrt Das Pseudonym „Stendhal“ geht wohl tatsächlich auf Marie-Henri Beyles Aufenthalt in relativer Nähe zu Stendal (1807/1808 in Braunschweig) zurück. Busonis Schreibung der Stadt Stendal entspricht keiner gängigen historischen Schreibweise. (das die erste westliche Station von Berlin ist) und wandte das Souvenir de Garnison Frz. ungefähr: „Mitbringsel aus der Stadt, in der er stationiert war“. als nom de guerre Frz.: Pseudonym, Deckname (wörtlich „Kampfname“ bzw. „Kriegsname“). an.

„Les Amis“ des Mr. Barbey d’Aurevilly haben es zuwege gebracht, diesen Schriftsteller dem Villiers de L’Isle-Adam zum literarischen Inséparable zu erhöhen: Gemeint ist: literarisch untrennbar zu machen. Ich habe nie in diesen Speck gebissen, und B. d’A. ist in meiner Büchersammlung ebenso abwesend, als beispielsweise C. F. Meyer an der Seite von G. Keller fehlt. Das ist nicht ganz unparteiisch, zugegeben; aber in der Kunst habe ich es nie mit den halben Urteilen gehalten; darum meine schroffen und absichtlich karikierten Aussprüche, um die Situation „net“ Frz.: deutlich, klar. hinzustellen.

So weiß ich recht gut, was allenfalls an Braunfels zu schätzen ist, aber ich muss es „trennen“.

So auch mit dem wild-exotischen Schweizer Komponisten, der – wenn er ein Bild an die Wand malt – Möglicherweise hatte sich Jarnach im vorherigen Brief – wie öfters – ungünstig über Othmar Schoeck geäußert, der das von Busoni ursprünglich Jarnach zugedachte Libretto Das Wandbild vertont hatte, nachdem Jarnach mit seiner Komposition nicht schnell genug vorangekommen war. Anlass könnte die Uraufführung von Schoecks Wandbild (2. Januar 1921) gewesen sein. es gewiss nicht der Teufel ist! – Der Teufel macht auch mir schwere Sorgen, ich bin seiner Bosheit nicht gewachsen.

Stellenweise schon, ob aber durchwegs? Nous verrons. Frz.: Wir werden sehen. – Sollte der Berner Duodez-Tyrann auch zu den „ollen ehrlichen Arrivisten“ gehören?

Eine neue französische Musikzeitschrift debütiert mit einer Nummer à la mémoire de C. Debussy. Auf dieses Grabdenkmal streuen musikalische Blütenkränze Fl. Schmitt, Malipiero und Stravinsky. Es erschienen außerdem Beiträge von Paul Dukas, Manuel de Falla, Erik Satie, Eugène Goossens, Béla Bartók und Albert Roussel. Die sollten Sie sehen!! Zumal der Tartare nimmt sich artig aus:

Ungenaues Zitat Busonis aus Igor Strawinsky, Fragment des Symphonies d’instruments à vent à la mémoire de C. A. Debussy (dort T. 1–5)
Strawinsky reichte den Choral ein, den er als Schluss der Symphonies d’instruments à vent verwendete. Busonis Zitation weicht stark von Strawinskys Original ab, das wie folgt beginnt:
Igor Strawinsky, Klavier-Version des Schlusschorals aus den Symphonies d’instruments à vent
Und so zwei Seiten lang dieser Art, oder ähnlich.

Begreifen Sie nun, que nous sommes de la vieille ferraille? Frz.: dass wir zum alten Eisen gehören. (Und sie sind der neue Thon, Neuthöner.) Busoni verwendet bewusst die alte Schreibweise, gewissermaßen als orthographische Entlarvung des Alten im vermeintlich Neuen; ganz im diesem Sinne soll überdies – im Gegensatz zu „Eisen“ – möglicherweise auch Ton als Werkstoff mit anklingen (vgl. Beaumont 1987, S. 332).

Das ist kein Brief, sondern eine Causerie: Frz.: Plauderei. Es fehlen das Vis-à-vis Frz: Gegenüber. und die Weinflasche dazwischen. Hier ist bis 6 Uhr abends Verbot, und ich muss meinen Schoppen nicht vertagen, vielmehr ver-abenden.

Aber Sie schreiben wieder nichts von sich selbst. Warum? – Soll ich Ihnen im Sommer einen anderen Text versuchen? Zu welcher Atmosphäre neigten Sie jetzt? Vielleicht: Die erste Tat von Don Juans Enkel? (Er entdeckt, dass sein Opfer die eigene Schwester ist – und dass sie bereits von Großpapà geliebt worden …)

Assez! Frz.: Genug. Ich umarme Sie und Frau Ursula.

Ihr F. Busoni

                                                                
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2 ab bis zu einem richtigen
Bett in London, blieb mir
noch vorbehalten geradewegs
nach Bradford u. zurück
zu fahren, u. zwischen diesen
beiden Fahrten Probe und
Konzert abzuhalten. Busoni war im Februar 1921 auf Tournee in England und spielte u. a. in London, Manchester, Glasgow und Edinburgh (vgl. Busoni/Weindel 2015, S. 1134, Anm. 8). – Das
körperliche Resultat war
hinterher bedenklich; und Bei Beaumont 1987 (331): „but“. nur
vier Tage Vegetieren und
vier Nächte Durchschlafen
brachten mich wieder in den
Sattel, wie es einem Chevalier Busoni war 1913 auf Betreiben von Isidor Philipp und Charles-Marie Widor zum Ritter der Ehrenlegion ernannt worden (vgl. Roberge 1996, S. 294 f.).
zukommt, und zumal
einem nicht allzujungen.

Preußischer
Staats-
bibliothek
zu Berlin
Kulturbesitz
                                                                
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Bei Beaumont 1987 (261) ist der folgende Absatz ausgelassen. Ich hätte in die Brautwahl
eine Widmung schreiben sollen:
dann waere sie über die
Grenze passiert. Wir lassen
uns gar viel vorschreiben –
aber meine Vor-Schrift
hätte die andere annulliert. Offenbar hatte Jarnach zuvor von der Absage eines Extrakonzerts in Zürich unter Volkmar Andreae berichtet, in dem Busonis Brautwahl-Suite hätte aufgeführt werden sollen (vgl. Willimann 1994, S. 142). Die Oper Die Brautwahl ist Gustav Brecher gewidmet, die Orchestersuite Curt Sobernheim.

Glücklich war ich, dass
Ihnen mein Dirigieren beghagte;
hätte ich öftere Gelegenheit
dazu, so könnte ich es besser!
Der letzte Abend war über-
füllt; ich spielte besonders
gut. Am 27. Januar spielte Busoni unter der Leitung von Gustav Brecher das Konzertstück op. 31, die Indianische Fantasie für Klavier und Orchester op. 44 und das Konzert für Klavier und Orchester mit Männerchor op. 39. Die Wirkung war
unmittelbar. Trotzdem,
(oder darum?) wversuchen
die Kritiker mit einer
leichten Geste darüber hin-
weg zu gehen.

                                                                
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Eine alte hexenartige
Frau brachte mir einmal
eine Rose, und – beim
Überreichen derselben –
drückte sie mir heftig
die Dornen in die Hand!
So ähnlich benimmt sich
Dr L. Schmidt, wenn er
mir eine kritische Blume
aufwartet.

Flaubert’s St. Antoine
u. Mendelssohn’s Symphonieen
sind gute Funde aus
dem grossen Korbe des
XIX Jahrhunderts. Die
italien. Novellen des
Beyle’s kenne ich leider
nicht. – Bedenken Sie,

                                                                
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Telephone-
Hampstead 5549.
dass ein Romanschriftsteller
von Wassermann’s Gewicht
erst in diesem Augenblick
(auf meine Zureden und
aus meinem Exemplar)
„les Misérables“ kennen
lernt! – Gestern noch
belehrte ich brieflich einen
berühmten englischen No-
vellisten
, der behauptete:
nur in England, Frankreich
u. Russland schriebe man
kurze Geschichten (“short
Stories”
) Vgl. Busonis Brief an Arnold Bennett vom 6. Februar 1921, nachdem er dessen Things That Have Interested Me gelesen hatte, wo Bennett behauptet (S. 197): „So far as I know, short stories with serious pretensions to greatness are not being written now, either in France, Russia, or England. And if they are not being written in France, Russia, or England, they are not being written anywhere.“ und der also den

                                                                
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6 großen Novellisten Pirandello
nicht einmal bei Namen
kannte! Bei Beaumont 1987 (331): „who did not even mention Pirandello. Das sind Leute
des Faches. Da ist ein Musi-
ker, der Stendahl nicht
gelesen hat, eher zu ent-
schuldigen. (Warum schreibt
er sich Stendhal? Warhr-
scheinlich aus derselben
ortographischen B
-französischen Blindheit,
die Liszt in Listz (oder
Litz) verwandelte.

Dieser Beyle hatte
nämlich eine sehr theuere
Erinnerung von seinem Preußischer
Staats-
bibliothek
zu Berlin
Kulturbesitz

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split"> <note type="pagination" place="top-left" resp="#archive" rend="small">6</note> großen Novellisten <persName key="E0300655">Pirandello</persName> <lb/>nicht einmal bei Namen <lb/>kannte! <note type="commentary" subtype="ed_diff" resp="#E0300314">Bei <bibl><ref target="#E0800060"/> (331)</bibl>: <q>who did not even mention <persName key="E0300655">Pirandello</persName></q>.</note> Das sind Leute <lb/>des Faches. Da ist ein Musi <lb break="no"/>ker, der <persName key="E0300652">Stendahl</persName> nicht <lb/>gelesen hat, eher zu ent <lb break="no"/>schuldigen. (Warum schreibt <lb/>er sich <persName key="E0300652">Stend<hi rend="underline">h</hi>al</persName>? Wa<subst><del rend="overwritten">r</del><add place="across">h</add></subst>r <lb break="no"/>scheinlich aus derselben <lb/>ort<corr>h</corr>ographisch<del rend="strikethrough">en B</del> <lb break="no" rend="nh"/>-<placeName key="E0500014">französischen</placeName> Blindheit, <lb/>die <persName key="E0300013">Liszt</persName> in <soCalled><persName key="E0300013">Listz</persName></soCalled> (oder <lb/><soCalled><persName key="E0300013">Litz</persName></soCalled>) verwandelte.<reg>)</reg></p> <p type="pre-split" rend="indent-first"> Dieser <persName key="E0300652">Beyle</persName> hatte <lb/>nämlich eine sehr t<orig>h</orig>euere <lb/>Erinnerung von seinem <note type="stamp" place="bottom-right" resp="#sbb_st_red"> <stamp rend="round border align(center) majuscule tiny">Preußischer <lb/>Staats <lb break="no"/>bibliothek <lb/>zu <placeName key="E0500029">Berlin</placeName> <lb/>Kulturbesitz </stamp> </note> </p></div>
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7Diplomatische Umschrift
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7 Garnisons Aufenthalt in
Stendahl bewahrt Das Pseudonym „Stendhal“ geht wohl tatsächlich auf Marie-Henri Beyles Aufenthalt in relativer Nähe zu Stendal (1807/1808 in Braunschweig) zurück. Busonis Schreibung der Stadt Stendal entspricht keiner gängigen historischen Schreibweise. (das
die erste westliche Station
von Berlin ist) und wandte
das Souvenir de Garnison Frz. ungefähr: „Mitbringsel aus der Stadt, in der er stationiert war“.
als nom de guerre Frz.: Pseudonym, Deckname (wörtlich „Kampfname“ bzw. „Kriegsname“). an.

“Les Amis” des Mr Barbey
d’Aurevilly
haben es zuwege
gebracht, diesen Schriftsteller
dem Villiers de l’Isle Adam
zum literarischen Inseparable
zu erhöhen: Gemeint ist: literarisch untrennbar zu machen. ich habe
nie in diesen Speck ge-
bissen u. B. d’A. ist in
meiner Büchersammlung
ebenso abwesend, als bei-

                                                                
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8Diplomatische Umschrift
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8 spielsweise C. F. Meyer an
der Seite von G. Keller
fehlt. Das ist nicht
ganz unpartheiisch, zuge-
geben; aber in der Kunst
habe ich es nie mit den
halben Urtheilen gehalten;
darum meine schroffen u.
absichtlich karikierten
Aussprüche, um die Situa-
-tion “net” Frz.: deutlich, klar. hinzustellen.

So weiss ich recht gut
was allenfalls an Braun-
-fels
zu schätzen ist, aber
ich muss es „trennen“.

Bei Beaumont 1987 (331) sind der folgende Absatz und die ganze Seite 9 ausgelassen. So auch mit dem
wild-exotischen Schweizer

                                                                
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9Diplomatische Umschrift
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N.Mus.Nachl. 30, 71
9
Telephone-
Hampstead 5549.
Komponisten, der –
wenn er ein Bild an
die Wand malt – Möglicherweise hatte sich Jarnach im vorherigen Brief – wie öfters – ungünstig über Othmar Schoeck geäußert, der das von Busoni ursprünglich Jarnach zugedachte Libretto Das Wandbild vertont hatte, nachdem Jarnach mit seiner Komposition nicht schnell genug vorangekommen war. Anlass könnte die Uraufführung von Schoecks Wandbild (2. Januar 1921) gewesen sein. es
gewiss nicht der Teufel
ist! – Der Teufel macht
auch mir schwere Sorgen,
ich bin seiner Bosheit
nicht gewachsen.

Stellenweise schon, ob
aber durchwegs? Nous
verrons. Frz.: Wir werden sehen. – Sollte der
Berner Duodez-Tyrann
auch zu den “ollen ehr-
lichen Arrivisten”
gehören?

                                                                
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10Diplomatische Umschrift
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10

Eine neue französische
Musik Zeitschrift
debü-
-tiert mit einer Num̅er
à la memoire de C. Debussy
.
Auf dieses Grabdenkmal
streuen musikalische
Blüthenkränze Fl. Schmitt,
Malipiero u. Stravinsky. Es erschienen außerdem Beiträge von Paul Dukas, Manuel de Falla, Erik Satie, Eugène Goossens, Béla Bartók und Albert Roussel.
Die sollten Sie sehen!!
Zumal der Tartare
nimmt sich artig aus:

Ungenaues Zitat Busonis aus Igor Strawinsky, Fragment des Symphonies d’instruments à vent à la mémoire de C. A. Debussy (dort T. 1–5)
Strawinsky reichte den Choral ein, den er als Schluss der Symphonies d’instruments à vent verwendete. Busonis Zitation weicht stark von Strawinskys Original ab, das wie folgt beginnt:
Igor Strawinsky, Klavier-Version des Schlusschorals aus den Symphonies d’instruments à vent
Beaumont 1987 (332) transkribiert leicht abweichend (1. Takt, 3. Viertel: g’ statt a’; 3. Takt, 2. Viertel: e’ statt d’).

                                                                
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11Diplomatische Umschrift
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11 U. Sso 2 Seiten lang dieser Art,
oder ähnlich.

Begreifen Sie nun, que
nous sommes de la vieille
feraraille?
Frz.: dass wir zum alten Eisen gehören. (Und sie sind
der neue Thon, Neuthöner) Busoni verwendet bewusst die alte Schreibweise, gewissermaßen als orthographische Entlarvung des Alten im vermeintlich Neuen; ganz im diesem Sinne soll überdies – im Gegensatz zu „Eisen“ – möglicherweise auch Ton als Werkstoff mit anklingen (vgl. Beaumont 1987, S. 332).

– Das ist kein Brief, sondern
eine Causerie: Frz.: Plauderei. es fehlen
das Vis-a-vis Frz: Gegenüber. und die
Weinflasche dazwischen.
Hier ist bis 6 Uhr Abends
Verbot, und ich muss meinen
Schoppen, nicht vertagen,
vielmehr ver-abenden.

Preußischer
Staats-
bibliothek
zu Berlin
Kulturbesitz
                                                                
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12

Aber Sie schreiben
wieder Nichts von sich
selbst. Warum? – Sollen
ich Ihnen im Sommer
einen anderen Text
versuchen? Zu welcher
Athmosphäre neigten
Sie jetzt? Vielleicht:

die erste Tat von
Don Juan’s Enkel?

(Er entdeckt dass sein Opfer
die eigene Schwester ist – und
dass sie bereits von Grosspapà
geliebt worden)....

Assez! Frz.: Genug. Ich umarme
Sie und Frau Ursula.

Ihr F. Busoni

                                                                
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Dokument

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Überlieferung
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | N.Mus.Nachl. 30,71 |

Nachweis Kalliope

Zustand
Der Brief ist gut erhalten.
Umfang
3 Bogen, 12 beschriebene Seiten
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen und eine Paginierung vorgenommen hat
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
Bildquelle
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 123456789101112

Zusammenfassung
Busoni musste sich nach den Berliner Anbruch-Konzerten, den Reisen nach London und Bradford sowie dem dortigen Auftritt vier Tage lang erholen; wundert sich über national beschränkte Werkkenntnis bei Literaten; gesteht eigene mitunter schroffe Autoren-Selektivität, da er „es nie mit den halben Urtheilen gehalten“ habe; befürchtet, der Bosheit des Teufels aus Doktor Faust nicht dauerhaft gewachsen zu sein; äußert sich ironisch über die „Neuthöner“ der Tombeau-Kompositionen für Claude Debussy; fantasiert ein neues Libretto-Sujet für Jarnach („Die erste Tat von Don Juans Enkel“).
Incipit
Ihr Brief wurde mir erst heute

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
Stand
29. April 2022: zur Freigabe vorgeschlagen (Auszeichnungen überprüft, korrekturgelesen)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition
Frühere Ausgaben
Beaumont 1987, S. 331 f.