Martin Wegelius an Ferruccio Busoni arrow_backarrow_forward

Helsinki · 31. März 1895

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Mus.ep. M. Wegelius 14 (Busoni-Nachl. B II)Mus.Nachl. F. Busoni B II, 5327

Helsingfors, den 31 Mars 95.

Lieber alter Freund!

Die alte Noth wird wieder
neu: ein Clavierspieler für’s
nächste Jahr wird gesucht.
Der Ekman Zur Anstellung Karl Ekmans siehe die Kommentierung im vorigen Brief. – mit dem wir
sehr zufrieden gewesen sind
– will natürlich wieder
heraus, will studiren, üben,
reisen, sich einen Namen
machen. So sehr ich ihn
vermissen werde, kann
ich ihm nur recht geben.[1]

Helsingfors, den 31. Mars 95.

Lieber alter Freund!

Die alte Not wird wieder neu: Ein Klavierspieler fürs nächste Jahr wird gesucht. Der Ekman Zur Anstellung Karl Ekmans siehe die Kommentierung im vorigen Brief. – mit dem wir sehr zufrieden gewesen sind – will natürlich wieder heraus, will studieren, üben, reisen, sich einen Namen machen. Sosehr ich ihn vermissen werde, kann ich ihm nur recht geben. Gerade das soll und muss er. Eine Zeit lang hofften wir – d. h. die Direktion und ich –, dass wir die Sache mit dir persönlich besprechen könnten. Die Sjöstrands haben mir diese schöne Hoffnung benommen und glauben, bestimmt zu wissen, dass Du nicht kommen wirst. Siehe Kommentierung im Brief vom 27. Juli 1894. Nachdem Busoni schon im Sommer des Vorjahres eine Konzertreise durch Teile Skandinaviens und nach St. Petersburg für das Frühjahr 1895 geplant hatte, blieb von diesem Plan nur ein Konzert in Oslo übrig (vgl. Dent 1974, S. 106). Entgegen der hier angeführten Vermutung von Busonis Schwiegervater und Schwägerin, eine Reise nach Helsinki werde nicht stattfinden, nahm er im April wieder Kontakt mit Wegelius auf, um doch eine Konzertreise nach Helsinki zu planen (siehe den Brief vom 19. April 1895). Tant pis! Frz.: Sei’s drum! Jedenfalls denke ich mir, dass Du jetzt etwas Umschau gehalten hast und Verschiedenes gehört und erfahren – da Du doch so viel herumgekommen bist in der letzten Zeit. Vielleicht hast Du jetzt einige „Adresse“ zu geben! Ich hörte vor einiger Zeit viel Gutes über ein paar Schüler von Martin Krause Der deutsche Pianist Martin Krause lebte seit 1895 in Leipzig, nachdem er zuvor zwei Jahre lang Schüler von Liszt gewesen war. Neben der Gründung des Franz-Liszt-Vereins betätigte er sich dort als Klavierlehrer (vgl. Methuen-Campbell 2001). – weißt Du was davon? Oder sahst Du vielleicht etwas in Brüssel? Busoni hatte am 17. Februar 1895 die Rhapsodie espagnole und das 2. Klavierkonzert von Liszt im Théâtre Royal de la Monnaie in Brüssel gespielt (vgl. N. N. 1895a).

Dem Müller bezahlten wir vor einiger Zeit seine ganze Gage aus und ließen ihn mit dem Sündengeld abfahren. Musikalisch genommen wäre die beste Verwendung dafür die, dass er sich eine Mühle kaufte und wieder sich selbst – d. h. ein richtiger Müller – würde.

Ein schlechter Witz – nicht wahr! S’ist eben ein so verfluchter Kerl, dass man über ihn nicht mal einen guten Witz machen kann.

Zu deinen vielen schönen Erfolgen wünsche ich dir vom Herzen Glück. Nach seiner Rückkehr aus Amerika im April 1894 hatte Busoni ab Oktober mit einem straffen Konzertplan auch in Europa als Konzertpianist wieder Fuß zu fassen begonnen. Sein Programm begann mit einem Konzert in Hamburg unter Gustav Mahler am 22. Oktober mit Webers Konzertstück und einer eigenen Bearbeitung von Liszts Rhapsodie espagnole. Am 3. November gab er ein Konzert in der Berliner Sing-Akademie, bei dem er das Programm um Liszts 2. Klavierkonzert erweiterte. Kurz darauf folgten ein Konzert in Leipzig und zwei weitere Konzerte in Berlin am 13. November und am 1. Dezember. Den Jahresabschluss bildeten ein Gedenkkonzert für den kürzlich verstorbenen Anton Rubinstein in St. Petersburg am 5. Dezember und ein Konzert in Liège am 8. Dezember. Neben Brüssel spielte Busoni im Frühjahr 1895 auch noch in Moskau, Oslo und ein viertes Konzert in Berlin. Während Busoni von Kritikern durchweg für seine virtuose Technik und Ausdrucksstärke im Vortrag gelobt wurde, verzeichnete man vor allem noch in den ersten Berlin-Konzerten u. a. mangelndes Verständnis für Webers und Chopins Musik und einen zu freien, „modernen“ Umgang mit dem Notentext und der Interpretation. (vgl. Dent 1974, S. 105–111; Couling 2005, S. 153–158). Viele dieser Konzertrezensionen wurden sowohl in der Nya Pressen als auch im Hufvudstadsbladet in schwedischer Übersetzung abgedruckt, sodass Busonis letztlich durchschlagender Erfolg in Europa auch in Helsinki wohlbekannt war, noch bevor er dort das erste Mal wieder spielte (vgl. Auszüge aus Rezensionen nach dem Hamburger Konzert (Oktober 1894): N. N. 1894g; dem ersten Berliner Konzert (November 1894): N. N. 1894h und dem vierten Berliner Konzert (Januar 1895): N. N. 1895b). Dass es so kommen musste und dass noch viel mehr dergleichen kommen muss, wusste ich längst. Die Anfeindungen, die Du hie und da erfahren hast, beunruhigen mich wenig – jedem, der etwas geistig so Bedeutendes zu sagen hat wie Du, wird dasselbe passieren. Es gibt eben zu viele hohle Köpfe, die in der unseligen Einbildung leben, selbst Geist zu besitzen, und deshalb alles besser wissen wollen. Nur die ganz neutrale Schönheit wird sogleich überall anerkannt. Ich hoffe, es aber noch zu erleben, dass Du überall durchschlägst und siegst – ich hoffe es nicht nur deinetwegen, sondern der Kunst wegen, dass Du, als Vertreter der geistigen Schönheit, den dir zukommenden ersten Rang bald erkämpfen wirst. Glück zu, lieber alter Genosse!

Wieder muss ich zu dem Anfang zurück. Ich hoffe, Du wirst mir nicht böse, wenn ich dich wieder mit der Sache belästige – oder richtiger: mit der Person. Gilt es doch der Sache, zu der Du selbst einen so festen, soliden Grund gelegt hast und die nicht wieder zu Schanden werden darf: das Klavierspiel in Finnland.

Sage mal: wann kommen die folgenden Hefte des Wohltemperierten Klaviers heraus? Bis jetzt liegt nur das eine da. Das zweite Heft der Busoni-Ausgabe von Teil 1 mit den Nummern 9–18 erschien 1895, die Hefte 3 und 4 mit den letzten acht Präludien und Fugen sowie einem umfangreichen Anhang erschienen erst 1897 (vgl. die Kommentierung im Brief vom 12. September 1894). Sorge doch dafür, dass das Warten uns nicht zu lang wird! Wenn man dieses erste Heft benutzt hat, will man nicht gern zu einer andern Ausgabe zurück, und – muss es doch, denn der Unterricht kann ja nicht stehen bleiben.

Jetzt lebe wohl! Die herzlichsten Grüße von uns beiden an dich und deine Frau sendet

Dein M Wegelius

                                                                
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Gerade das soll und muss
er. Eine Zeit lang hofften
wir – d. h. die Direction
und ich – dass wir die
Sah Sache mit dir persön⸗
lich besprechen könnten.
Die Sjöstrands haben mir
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nommen und glauben be⸗
stimmt zu wissen, dass
Du nicht kommen wirst. Siehe Kommentierung im Brief vom 27. Juli 1894. Nachdem Busoni schon im Sommer des Vorjahres eine Konzertreise durch Teile Skandinaviens und nach St. Petersburg für das Frühjahr 1895 geplant hatte, blieb von diesem Plan nur ein Konzert in Oslo übrig (vgl. Dent 1974, S. 106). Entgegen der hier angeführten Vermutung von Busonis Schwiegervater und Schwägerin, eine Reise nach Helsinki werde nicht stattfinden, nahm er im April wieder Kontakt mit Wegelius auf, um doch eine Konzertreise nach Helsinki zu planen (siehe den Brief vom 19. April 1895).
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gekommen bist in der letzten
Zeit. Vielleicht hast Du jetzt
einige “Adresse” zu geben!
Ich hörte vor einiger Zeit viel
Gutes über ein Paar Schülern
von Martin Krause Der deutsche Pianist Martin Krause lebte seit 1895 in Leipzig, nachdem er zuvor zwei Jahre lang Schüler von Liszt gewesen war. Neben der Gründung des Franz-Liszt-Vereins betätigte er sich dort als Klavierlehrer (vgl. Methuen-Campbell 2001). – weisst
Du was davon? Oder sahst
Du vielleicht etwas in Brüs⸗
sel
? Busoni hatte am 17. Februar 1895 die Rhapsodie espagnole und das 2. Klavierkonzert von Liszt im Théâtre Royal de la Monnaie in Brüssel gespielt (vgl. N. N. 1895a).

Dem Müller bezahlten
wir vor einiger Zeit seine
ganze Gage aus und lies⸗
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geld abfahren. Musikalisch
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Staatsbibliothek
Berlin
[2]

                                                                
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Verwendung dafür die, dass
er sich eine Mühle kaufte
und wieder sich selbst – d. h.
ein richtiger Müller – würde.

Ein schlechter Witz – nicht
wahr! S’ist eben ein so ver⸗
fluchter Kerl, dass man ü⸗
ber ihn nicht mal einen
guten Witz machen kann.

Zu deinen vielen schönen
Erfolgen wünsche ich dir vom
Herzen Glück. Nach seiner Rückkehr aus Amerika im April 1894 hatte Busoni ab Oktober mit einem straffen Konzertplan auch in Europa als Konzertpianist wieder Fuß zu fassen begonnen. Sein Programm begann mit einem Konzert in Hamburg unter Gustav Mahler am 22. Oktober mit Webers Konzertstück und einer eigenen Bearbeitung von Liszts Rhapsodie espagnole. Am 3. November gab er ein Konzert in der Berliner Sing-Akademie, bei dem er das Programm um Liszts 2. Klavierkonzert erweiterte. Kurz darauf folgten ein Konzert in Leipzig und zwei weitere Konzerte in Berlin am 13. November und am 1. Dezember. Den Jahresabschluss bildeten ein Gedenkkonzert für den kürzlich verstorbenen Anton Rubinstein in St. Petersburg am 5. Dezember und ein Konzert in Liège am 8. Dezember. Neben Brüssel spielte Busoni im Frühjahr 1895 auch noch in Moskau, Oslo und ein viertes Konzert in Berlin. Während Busoni von Kritikern durchweg für seine virtuose Technik und Ausdrucksstärke im Vortrag gelobt wurde, verzeichnete man vor allem noch in den ersten Berlin-Konzerten u. a. mangelndes Verständnis für Webers und Chopins Musik und einen zu freien, „modernen“ Umgang mit dem Notentext und der Interpretation. (vgl. Dent 1974, S. 105–111; Couling 2005, S. 153–158). Viele dieser Konzertrezensionen wurden sowohl in der Nya Pressen als auch im Hufvudstadsbladet in schwedischer Übersetzung abgedruckt, sodass Busonis letztlich durchschlagender Erfolg in Europa auch in Helsinki wohlbekannt war, noch bevor er dort das erste Mal wieder spielte (vgl. Auszüge aus Rezensionen nach dem Hamburger Konzert (Oktober 1894): N. N. 1894g; dem ersten Berliner Konzert (November 1894): N. N. 1894h und dem vierten Berliner Konzert (Januar 1895): N. N. 1895b). Dass es so kom⸗
men musste und dass es noch
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längst. Die Anfeindungen

                                                                
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B II, 5327

die Du hie und da erfah⸗
ren hast, beunruhigen mich
wenig – jedem, der etwas
geistig so bedeutendes zu
sagen hast, wie Du, wird
dasselbe passiren. Es giebt
eben […] mindestens 1, höchstens 2 Zeichen: überschrieben. zu viele hohle Köpfe,
die in der unseligen Ein⸗
bildung leben selbst Geist
zu besitzen, und desshalb
Alles besser wissen wollen.
Nur die ganz neutrale Schön
heit wird sogleich überall
anerkannt. Ich hoffe es a⸗
ber noch zu erleben, dass
Du überall durchschlägst
und siegst – ich hoffe[3]

                                                                
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es nicht nur deinetwegen
sondern der Kunst wegen,
dass Du, als Vertreter der
geistigen Schönheit, den dir
zukommenden ersten Rang
bald erkämpfen wirst.
Glück zu, lieber alter Genosse!

Wieder muss ich zu dem
Anfang zurück. i Transkription unsicher. Alternative Lesart:
[kein Zeichen]
Ich hoffe,
Du wirst mir nicht böse,
wenn ich dich wieder mit
der Sache belästige – oder
richtiger: mit der Person.
Gilt es doch der Sache, zu
der Du selbst einen so
festen, soliden Grund ge⸗
legt hast, und die nicht Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin

                                                                
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7Diplomatische Umschrift
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wieder zu Schanden werden
darf: das Clavierspiel in Fin⸗
land
.

Sage mal: wann kommen
die folgenden Hefte des
wohltemp. Claviers heraus?
Bis jetzt liegt nur das Eine
da. Das zweite Heft der Busoni-Ausgabe von Teil 1 mit den Nummern 9–18 erschien 1895, die Hefte 3 und 4 mit den letzten acht Präludien und Fugen sowie einem umfangreichen Anhang erschienen erst 1897 (vgl. die Kommentierung im Brief vom 12. September 1894). Sorge doch dafür, dass
das Warten uns nicht zu
lang wird! Wenn man dieses
erste Heft benutzt hat, will
man nicht gern zu einesr
andern Ausgabe zurück,
und – muss es doch, denn der
Unterricht kann ja nicht
stehen bleiben.

Jetzt lebe wohl! Die
herzlichsten Grüsse von uns

Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
[4]

                                                                
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beiden zu an dich und deine
Frau
sendet

Dein
M Wegelius

                                                                
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Dokument

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Überlieferung
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B II, 5327 | olim: Mus.ep. M. Wegelius 14 |

Nachweis Kalliope

Zustand
Der Brief ist gut erhalten.
Umfang
2 Bogen, 8 beschriebene Seiten
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Martin Wegelius, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen und eine Foliierung vorgenommen hat
  • Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
Bildquelle
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 12345678

Zusammenfassung
Wegelius erbittet einen Vorschlag für die Nachfolge des Klavierlehrers Karl Ekman, erkundigt sich insbesondere nach Schülern von Martin Krause und möglichen Kandidaten in Brüssel; berichtet von der Abreise von Kurt Müller; gratuliert Busoni zu dessen „vielen schönen Erfolgen“ und bagatellisiert die negativen Kritiken; erkundigt sich nach der Veröffentlichung weiterer Hefte von Busonis Ausgabe des Wohltemperierten Klaviers.
Incipit
Die alte Not wird wieder neu

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
Stand
19. März 2024: in Korrekturphase (Transkription abgeschlossen, Auszeichnungen codiert, zur Korrekturlesung freigegeben)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition