Ferruccio Busoni an Martin Wegelius arrow_backarrow_forward

New York · zwischen Februar und März 1894

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Mus.ep. F. Busoni 731 (Busoni-Nachl. B I)
Mus.Nachl. F. Busoni B I, 1172
[1]

Lieber freund Wegelius.

Ich hatte von deinem Briefe
ebenso aufrichtige Freude
als von der guten Erinnerung
u. hochachtung die Du für mich
zu hegen fortfährst. Auf letztere
bilde ich mir nichts Weniges
ein u. möchte sie mir mein
Lebenlang erhalten wissen.

Du hast Recht; ich habe
gesucht u. Manches gefunden,
bin im Suchen derselbe geblieben,
und durch Finden auch
ein Anderer geworden.

Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin

Lieber Freund Wegelius.

Ich hatte von deinem Briefe ebenso aufrichtige Freude als von der guten Erinnerung und Hochachtung, die Du für mich zu hegen fortfährst. Auf Letztere bilde ich mir nichts Weniges ein und möchte sie mir mein Leben lang erhalten wissen.

Du hast Recht; ich habe gesucht und manches gefunden, bin im Suchen derselbe geblieben und durch Finden auch ein Anderer geworden.

Ich bin auf gutem Wege, auf einem schwierigen Wege, hab vieles abgeschüttelt, möchte mir nichts Neues aufbürden, obwohl ich in mir die Kraft zum „Tragen“ fühle. Welche „Tragweite“ aber alles das haben dürfte, steht abzuwarten. Trägheit ist mir ferne, und mit ihr werde ich nicht zu kämpfen haben. Davon Deutlicheres vielleicht mündlich. Wann? Ist noch unsicher. – Über Amerika trafst du das richtige Wort. Die Kulturstufe und -art dieses Landes steht einzig da und dürfte einer fachmännischen Kritik wert sein. Im Ganzen lässt sie sich vielleicht folgendermaßen kurz charakterisieren:

Der Durchschnitt steht bedeutend höher als anderswo, dafür ist es das absolut Herrschende. Man findet nichts Schlechteres und nichts Besseres. Die zahme Rauheit und frostige Heiterkeit hat schon Lenau glücklich erkannt und bezeichnet. Das Zitat stammt aus einem Brief an Emilie Reinbeck aus dem Frühjahr 1833, in welchem Nikolaus Lenau von den Eindrücken seiner Amerika-Reise berichtet. Busoni zitiert wohl das Vorwort des ersten Bandes der gesammelten Werke (aus seiner Bibliothek, vgl. Perl 1925, S. 63, Eintrag 762): „Hier lebe ein poesieloses, gewinnsüchtiges Geschlecht, ‚ausgebrannte Menschen in ausgebrannten Wäldern‘, Menschen, deren Rauheit eine zahme und darum doppelt widerliche sei, von einer ‚sonderbar kalten Heiterkeit‘, die ans Unheimliche Streife“ (Lenau 1854, S. XXXIX).

Der allgemeine Charakter ist der des europäischen Parvenu gemischt mit Simpelheit und einer gewissen „je m’en fiche“ Frz.: Das ist mir egal. des Großstädters. Dazu rechne gefälligst den unmaskiertesten Egoismus, welcher selbst die höflichen Beileids- oder Mitleidsformeln mit mechanischer Ausdruckslosigkeit hersagt.

Genug davon.

Die Nachfolgerschaftsfrage setzt mich leider etwas in Verlegenheit. Ihr seid durch mich und Dayas (der, den Programmen und seiner mir bekannten Intelligenz nach, Ungewöhnliches leistete) ein wenig verwöhnt.

Leute, die auf dieser Stufe stehen, sind gewöhnlich alt und anerkannt genug, um entweder bereits angestellt zu sein oder keine Anstellung zu wünschen. Bleiben also die talentvollen ganz Jungen (zu denen ich leider nicht mehr gehöre), die noch keinen Ruf besitzen. Unter diesen ist mir ein gewisser Friedberger Über die frühen Jahre des in New York geborenen Jacques Friedberger ist wenig zu finden. Es ist nicht sicher, ob Busoni ihn in New York spielen gehört hatte oder ihn nur über den gemeinsamen Freund Arthur Friedheim kannte. Friedberger wohnte bis zum Sommer in New York und nahm im August eine Lehrstelle an der Cornell University an (vgl. N. N. 1894i). bekannt, deutsch-amerikanischer Jude. Er ist Virtuose am Klavier und sonst entschieden intelligent, kaum über zwanzig, von angenehmen Manieren und, wie ich glaube, sehr bildungsfähig. Gerade, seit dein Brief kam, ist er abwesend, auf Konzertreisen in Kalifornien begriffen, dürfte aber nächstens zurückkommen.

Da er sehr arm ist, so würden seinerseits kaum Hindernisse zu erwarten sein. Ich kenne ihn aber doch nicht genau und genug.

Friedheim, Busoni hatte den Liszt-Schüler Arthur Friedheim erstmals in Wien 1884 spielen gehört (vgl. Couling 2005, S. 58 f.), aber wahrscheinlich erst in Amerika kennengelernt, wo Friedheim ebenfalls seit 1891 auf Konzert- und Lehrreise war (vgl. Koldau 2002, Sp. 134 f.) und wie Busoni von dem Konzertagenten Charles F. Tretbar vertreten wurde (vgl. Couling 2005, S. 137; N. N. 1891a). der ihn intim kennt, sprach aber mit größter Anerkennung von ihm. Sobald er kommt, werde ich ihn auf höfliche Art ein wenig examinieren.

Es ist unklar, warum der Brief hier endet und ob er abgeschickt wurde. Die Antwort von Wegelius zeigt, dass er ihn in irgendeiner Form erhalten haben muss. Wahrscheinlich handelt es sich hier um einen Entwurf, den Busoni in überarbeiteter Abschrift verschickt hat. Fehlende Datierung und Grußformel (trotz Leerseiten) legen nahe, dass keine Teile des Briefes fehlen. Aus dem Kontext des Briefwechsels und unter Berücksichtigung der Transportzeit zwischen Amerika und Europa ist zu schließen, dass Busoni den Brief frühestens im Februar geschrieben hat(er nimmt Bezug auf Wegelius’ Brief vom 15. Januar), aber noch vor seiner Abreise aus den Vereinigten Staaten (4. April). Dem folgenden Brief vom 7. April ist zu entnehmen, dass Wegelius ihn bis dahin noch nicht erhalten hatte; erst die Antwort vom 1. Mai bezieht sich darauf. Wohl aber erhielt Wegelius Mitte oder Ende März ein Telegramm von Busoni, das den Brief ankündigte, womit eine Entstehung im März sehr wahrscheinlich ist. Die inhaltlichen Hinweise – Friedbergers Konzertreise, Friedheims Abwesenheit – sind schwierig nachzuverfolgen. Friedheim konzertierte am 8. und 27. März in New York (vgl. N. N. 1894k und N. N. 1894l). Eine Reise dazwischen ist jedoch nicht unwahrscheinlich. Belege über die Kalifornien-Reise von Friedberger konnten nicht ermittelt werden, wohl aber Zeitungsberichte über ein Konzert in Virginia am 1. Februar (vgl. N. N. 1894m) und eines in Georgia am 26. Februar (vgl. N. N. 1894n), die eine mögliche Reiseroute in den Süden skizzieren. Ob das der Beginn einer Weiterreise Richtung Westen war oder Friedberger vor Kalifornien nach New York zurückkehrte, ist ungewiss – in ersterem Fall wäre der Brief auf Anfang Februar zu datieren.
                                                                
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Ich bin auf gutem Wege,
auf einem schwierigen Wege,
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mir die Kraft zum „tragen“
fühle. Welche „Tragweite“
aber Alles das haben dürfte,
steht abzuwarten. Trägheit
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ich nicht zu kaempfen haben.
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mündlich. Wann? ist noch
unsicher. _ Über Amerika
trafst du das richtige Wort.
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[2] Kritik werth sein. Im Ganzen
läßt sie sich vielleicht folgendermaßen
kurz charakterisiren:

Der Durchschnitt steht bedeutend
höher als anderswo, dafür ist
es das absolut Herrschende. Man
findet nichts Schlechteres u. nichts
besseres. Die zahme Rauhheit
u. frostige Heiterkeit hat schon
Lenau glücklich erkannt u. bezeichnet. Das Zitat stammt aus einem Brief an Emilie Reinbeck aus dem Frühjahr 1833, in welchem Nikolaus Lenau von den Eindrücken seiner Amerika-Reise berichtet. Busoni zitiert wohl das Vorwort des ersten Bandes der gesammelten Werke (aus seiner Bibliothek, vgl. Perl 1925, S. 63, Eintrag 762): „Hier lebe ein poesieloses, gewinnsüchtiges Geschlecht, ‚ausgebrannte Menschen in ausgebrannten Wäldern‘, Menschen, deren Rauheit eine zahme und darum doppelt widerliche sei, von einer ‚sonderbar kalten Heiterkeit‘, die ans Unheimliche Streife“ (Lenau 1854, S. XXXIX).

Der allgemeine Charakter ist
das des europäischen Parvenu Transkription unsicher. Alternative Lesart:
ü

gemischt mit Simpelheit u.
einer gewißen „je m’en fiche“ Frz.: Das ist mir egal. des
Grossstädters. Dazu rechne ge⸗
=fälligst den unmaskirtesten
Egoismus, welcher selbst die
höflichen Beileids= oder Mitleids-
=formeln mit mechanischer
ausdruckslosigkeit hersagt.

                                                                
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Genug davon.

Die Nachfolgerschaftsfrage
setzt mich leider etwas in
Verlegenheit. Ihr seid durch
mich u. Dayas (der, den Program̅en
nach u. seinerder mir bekannten
Intelligenz nach, Ungewöhnliches
leistete) ein wenig verwöhnt.

Leute, die auf dieser Stufe
stehen, sind gewöhnlich alt oderund
anerkannt genug, um entweder
bereits angestellt zu sein, oder
keine Anstellung zu brauchen.
wünschen. Bleiben also die
talentvollen ganz Jungen
(zu denen ich leider nicht mehr
gehöre) die noch keinen Ruf
besitzen. Unter diesen ist
mir ein gewißer Friedberger Über die frühen Jahre des in New York geborenen Jacques Friedberger ist wenig zu finden. Es ist nicht sicher, ob Busoni ihn in New York spielen gehört hatte oder ihn nur über den gemeinsamen Freund Arthur Friedheim kannte. Friedberger wohnte bis zum Sommer in New York und nahm im August eine Lehrstelle an der Cornell University an (vgl. N. N. 1894i).
bekannt, deutschamerikanischer
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5Diplomatische Umschrift
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B I, 1172
[3] und sonst entschieden
intelligent, kaum über zwanzig,
von angenehmen Manieren
u. wie ich glaube sehr bildungsfähig.
Gerade, seit dein Brief kam,
ist er abwesend, auf ConcertReisen
in Californien begriffen, dürfte
aber naechstens zurückkommen.

Da er sehr arm ist, so
würden seinerseits kaum
Hindernisse zu erwarten sein.
Ich kenne ihn aber doch
nicht genau u. genug. –

Friedheim, Busoni hatte den Liszt-Schüler Arthur Friedheim erstmals in Wien 1884 spielen gehört (vgl. Couling 2005, S. 58 f.), aber wahrscheinlich erst in Amerika kennengelernt, wo Friedheim ebenfalls seit 1891 auf Konzert- und Lehrreise war (vgl. Koldau 2002, Sp. 134 f.) und wie Busoni von dem Konzertagenten Charles F. Tretbar vertreten wurde (vgl. Couling 2005, S. 137; N. N. 1891a). der ihn intim kennt,
sprach aber mit größter Anerkennung
von ihm. Sobald er kommt
werde ich ihn auf höfliche
Art ein wenig examiniren.

Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
[ca. 1894] Es ist unklar, warum der Brief hier endet und ob er abgeschickt wurde. Die Antwort von Wegelius zeigt, dass er ihn in irgendeiner Form erhalten haben muss. Wahrscheinlich handelt es sich hier um einen Entwurf, den Busoni in überarbeiteter Abschrift verschickt hat. Fehlende Datierung und Grußformel (trotz Leerseiten) legen nahe, dass keine Teile des Briefes fehlen. Aus dem Kontext des Briefwechsels und unter Berücksichtigung der Transportzeit zwischen Amerika und Europa ist zu schließen, dass Busoni den Brief frühestens im Februar geschrieben hat(er nimmt Bezug auf Wegelius’ Brief vom 15. Januar), aber noch vor seiner Abreise aus den Vereinigten Staaten (4. April). Dem folgenden Brief vom 7. April ist zu entnehmen, dass Wegelius ihn bis dahin noch nicht erhalten hatte; erst die Antwort vom 1. Mai bezieht sich darauf. Wohl aber erhielt Wegelius Mitte oder Ende März ein Telegramm von Busoni, das den Brief ankündigte, womit eine Entstehung im März sehr wahrscheinlich ist. Die inhaltlichen Hinweise – Friedbergers Konzertreise, Friedheims Abwesenheit – sind schwierig nachzuverfolgen. Friedheim konzertierte am 8. und 27. März in New York (vgl. N. N. 1894k und N. N. 1894l). Eine Reise dazwischen ist jedoch nicht unwahrscheinlich. Belege über die Kalifornien-Reise von Friedberger konnten nicht ermittelt werden, wohl aber Zeitungsberichte über ein Konzert in Virginia am 1. Februar (vgl. N. N. 1894m) und eines in Georgia am 26. Februar (vgl. N. N. 1894n), die eine mögliche Reiseroute in den Süden skizzieren. Ob das der Beginn einer Weiterreise Richtung Westen war oder Friedberger vor Kalifornien nach New York zurückkehrte, ist ungewiss – in ersterem Fall wäre der Brief auf Anfang Februar zu datieren.
                                                                
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Wahrscheinlich handelt es sich hier um einen Entwurf, den <persName key="E0300017">Busoni</persName> in überarbeiteter Abschrift verschickt hat. Fehlende Datierung und Grußformel (trotz Leerseiten) legen nahe, dass keine Teile des Briefes fehlen. Aus dem Kontext des Briefwechsels und unter Berücksichtigung der Transportzeit zwischen <placeName key="E0500093">Amerika</placeName> und <placeName key="E0500943">Europa</placeName> ist zu schließen, dass <persName key="E0300017">Busoni</persName> den Brief frühestens im <date when-iso="1892">Februar</date> geschrieben hat(er nimmt Bezug auf <persName key="E0300207">Wegelius’</persName> <ref target="#D0102010">Brief</ref> vom <date when-iso="1894-01-15">15. Januar</date>), aber noch vor seiner Abreise aus den <placeName key="E0500093">Vereinigten Staaten</placeName> (<date when-iso="1894-04-04">4. April</date>). Dem folgenden <ref target="#D0102011">Brief vom <date when-iso="1894-04-07">7. April</date></ref> ist zu entnehmen, dass <persName key="E0300207">Wegelius</persName> ihn bis dahin noch nicht erhalten hatte; erst <ref target="#D0102012">die Antwort vom <date when-iso="1894-05-01">1. Mai</date></ref> bezieht sich darauf. Wohl aber erhielt <persName key="E0300207">Wegelius</persName> <date when-iso="1894-03">Mitte oder Ende März</date> ein Telegramm von <persName key="E0300017">Busoni</persName>, das den Brief ankündigte, womit eine Entstehung im <date when-iso="1894-03">März</date> sehr wahrscheinlich ist. Die inhaltlichen Hinweise – <persName key="E0300967">Friedbergers</persName> Konzertreise, <persName key="E0300910">Friedheims</persName> Abwesenheit – sind schwierig nachzuverfolgen. <persName key="E0300910">Friedheim</persName> konzertierte am <date when-iso="1894-03-08">8.</date> und <date when-iso="1894-03-27">27. März</date> in <placeName key="E0500031">New York</placeName> (vgl. <bibl><ref target="#E0800519"/></bibl> und <bibl><ref target="#E0800520"/></bibl>). Eine Reise dazwischen ist jedoch nicht unwahrscheinlich. Belege über die <placeName key="E0500343">Kalifornien</placeName>-Reise von <persName key="E0300967">Friedberger</persName> konnten nicht ermittelt werden, wohl aber Zeitungsberichte über ein Konzert in <placeName key="E0501062">Virginia</placeName> am <date when-iso="1894-02-01">1. Februar</date> <bibl>(vgl. <ref target="#E0800521"/>)</bibl> und eines in <placeName key="E0501063">Georgia</placeName> am <date when-iso="1894-02-26">26. Februar</date> <bibl>(vgl. <ref target="#E0800522"/>)</bibl>, die eine mögliche Reiseroute in den Süden skizzieren. Ob das der Beginn einer Weiterreise Richtung Westen war oder <persName key="E0300967">Friedberger</persName> vor <placeName key="E0500343">Kalifornien</placeName> nach <placeName key="E0500031">New York</placeName> zurückkehrte, ist ungewiss – in ersterem Fall wäre der Brief auf <date when-iso="1894-02">Anfang Februar</date> zu datieren.</note> </div>
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6Diplomatische Umschrift
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[Seite 2 des Bogens, vacat]
                                                                
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7Diplomatische Umschrift
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[4]
[Seite 3 des Bogens]
                                                                
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8Faksimile
8Diplomatische Umschrift
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Dokument

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Überlieferung
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B I, 1172 | olim: Mus.ep. F. Busoni 731 |

Nachweis Kalliope

Zustand
Der Brief ist gut erhalten.
Umfang
2 Bogen, 5 beschriebene Seiten
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen, eine Foliierung vorgenommen und das geschätzte Briefdatum ergänzt hat
  • Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
Bildquelle
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 12345678

Zusammenfassung
Busoni deutet seine Rückkehr nach Europa an; schlägt Jacques Friedberger als Nachfolger für William Dayas als Klavierlehrer für das Musikinstitut vor; will sich bei Arthur Friedheim über Friedberger erkundigen.
Incipit
Ich hatte von deinem Briefe ebenso aufrichtige Freude

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
Stand
19. März 2024: in Korrekturphase (Transkription abgeschlossen, Auszeichnungen codiert, zur Korrekturlesung freigegeben)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition