Ferruccio Busoni an Martin Wegelius arrow_backarrow_forward

Charlottenburg · 11. Mai 1894

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Charlottenburg 11 Mai 94.

Lieber Freund Wegelius.

Du erschwerst mir die ohnehin so
schwere Aufgabe, indem Du
von den möglichen Candidaten für
deine Vacanz ausschließest:

  • 1. Juden
  • 2. Newfoundlaender
  • 3. Wahrscheinlich Russen
  • 4. Weiber ohne Zweifel.

Gib zu, daß diese vier die groeßten
Nationen an Zahl sind und somit die
meisten Probabilitäten bieten.

Die Deutschen, die jetztigen jungen
Deutschen dürften dir schwer gefallen.

Immerhin koenntest Du nochmals
(oder einmal) bei Lamond Es ist nicht sicher, ob Busoni den schottischen Pianisten Frederic Lamond persönlich kannte – möglich wäre, dass er ihn 1889 bei einer Konzertreise nach Frankfurt kennengelernt hatte, dem damaligen Wohnsitz Lamonds (vgl. Dent 1974, S. 87; Montfort 2003, Sp. 1105). Vielleicht war auch Wegelius aelbst auf den Liszt-Schüler aufmerksam geworden. (Fréderic
Lamond
Frankfurt) anfragen, der
ein sehr tüchtiger Kerl ist – aber
ein Brummbaer. Derselbe ist übrigens
ein Schotte von Geburt.

Charlottenburg, 11. Mai 94.

Lieber Freund Wegelius.

Du erschwerst mir die ohnehin so schwere Aufgabe, indem Du von den möglichen Kandidaten für deine Vakanz ausschließest:

  • 1. Juden
  • 2. Newfoundländer
  • 3. Wahrscheinlich Russen
  • 4. Weiber ohne Zweifel.

Gib zu, dass diese vier die größten Nationen an Zahl sind und somit die meisten Probabilitäten bieten.

Die Deutschen, die jetztigen jungen Deutschen dürften dir schwer gefallen.

Immerhin könntest Du nochmals (oder einmal) bei Lamond Es ist nicht sicher, ob Busoni den schottischen Pianisten Frederic Lamond persönlich kannte – möglich wäre, dass er ihn 1889 bei einer Konzertreise nach Frankfurt kennengelernt hatte, dem damaligen Wohnsitz Lamonds (vgl. Dent 1974, S. 87; Montfort 2003, Sp. 1105). Vielleicht war auch Wegelius aelbst auf den Liszt-Schüler aufmerksam geworden. (Frederic Lamond, Frankfurt) anfragen, der ein sehr tüchtiger Kerl ist – aber ein Brummbär. Derselbe ist übrigens ein Schotte von Geburt.

Erst mit deiner Erlaubnis würde ich bei Rubinstein, der in Dresden weilt, schriftlich oder vielleicht persönlich um Auskunft oder Rat bitten.

Also schreibe darüber.

Riemann ist „au fait“ Frz.: im Bilde mit allem, was entsteht, und dürfte was sagen können.

Ich selbst bin außerhalb der jungen Kreise für drei Jahre gerückt und tappe ins Leere.

Die jungen Belgier sollen viel leisten, und Gevaert François-Auguste Gevaert war seit 1871 Direktor des Königlichen Konservatoriums Brüssel (vgl. Dufour 2002, Sp. 853 f.). Wegelius hatte ihn bei einer Studienreise 1889 getroffen und bei ihm vor allem neue Ansätze für Gehörbildungsunterricht kennengelernt, was die Grundlage seiner 1893 angefangenen Lehrbücher für Gehörbildung bildete (vgl. Flodin 1922, S. 428). könnte darin helfen.

Ich habe mir den Kopf zerbrochen – werde ihn aber zusammenflicken, um ihn nochmals in deiner Angelegenheit zu zerbrechen.

Halt, jetzt fällt mir ein, dss ich in New York einen feinen, gebildeten, jungen Portugiesen kennen lernte, da Motta, der mir sehr gut gefiel. Busoni hatte José Vianna da Motta bereits im Februar 1891 in Berlin spielen gehört. Persönlich hatten sie sich während da Mottas erster Konzertreise in den Vereinigten Staaten im Dezember 1892 in New York kennengelernt (vgl. Busoni / Vianna da Motta / Wassermann Beirão 2004, S. 7). Edward Dent den ersten Kontakt auf 1891 und gemeinsames Spielen von Liszts Les Préludes (Bearbeitung für zwei Klaviere, vgl. Dent 1974, S. 325); dies muss jedoch eine Verwechslung sein, denn da Mottas Konzertreise begann erst 1892 (vgl. Cascudo 2004), und Busoni spielte das Werk am 8. November 1891 zusammen mit seinem Konservatoriums-Kollegen Carl Stasny in Boston (vgl. N. N. 1891; Roberge 1995, S. 298). Er hat große Erfolge in Spanien gehabt, ist sehr korrekt und Konzertspieler.

Der wäre nicht ohne.

Jose Vianna da Motta ist sein ausführlicher Name.

Seine Adresse weiß ich leider nicht. Briefe aber erreichen ihn, wenn sie rekommandiert an Steinway & Sons New York adressiert werden.

Vorläufig grüßt in alter Treue dein sehr geschmeichelter und ergebener Freund

                                                                
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Erst mit deiner Erlaubniß
würde ich bei Rubinstein,
der in Dresden weilt, schriftlich
oder vielleicht persoenlich um
Auskunft oder Rath bitten.

Also schreibe darüber.

Riemann ist „au fait“ Frz.: im Bilde mit
Allem was entsteht und
dürfte was sagen koennen.

Ich selbst bin ausserhalb
der jungen Kreise für drei Jahre
gerückt und tappe in’s Leere.

Die jungen Belgier sollen
viel leisten u. Gevaert François-Auguste Gevaert war seit 1871 Direktor des Königlichen Konservatoriums Brüssel (vgl. Dufour 2002, Sp. 853 f.). Wegelius hatte ihn bei einer Studienreise 1889 getroffen und bei ihm vor allem neue Ansätze für Gehörbildungsunterricht kennengelernt, was die Grundlage seiner 1893 angefangenen Lehrbücher für Gehörbildung bildete (vgl. Flodin 1922, S. 428). koennte
darin helfen.

Ich habe mir den Kopf
zerbrochen – werde ihn aber
zusammenflicken um ihn

                                                                
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nochmals in deiner Angelegenheit
zu zerbrechen.

Halt, jetzt fällt mir ein, dß
ich in New York einen feinen,
gebildeten, jungen Portugiesen
kennen lernte, Da Motta, der
mir sehr gut gefiel. Busoni hatte José Vianna da Motta bereits im Februar 1891 in Berlin spielen gehört. Persönlich hatten sie sich während da Mottas erster Konzertreise in den Vereinigten Staaten im Dezember 1892 in New York kennengelernt (vgl. Busoni / Vianna da Motta / Wassermann Beirão 2004, S. 7). Edward Dent den ersten Kontakt auf 1891 und gemeinsames Spielen von Liszts Les Préludes (Bearbeitung für zwei Klaviere, vgl. Dent 1974, S. 325); dies muss jedoch eine Verwechslung sein, denn da Mottas Konzertreise begann erst 1892 (vgl. Cascudo 2004), und Busoni spielte das Werk am 8. November 1891 zusammen mit seinem Konservatoriums-Kollegen Carl Stasny in Boston (vgl. N. N. 1891; Roberge 1995, S. 298). Er hat
große Erfolge in Spanien gehabt,
ist sehr correct u. Concertspieler.

Der waere nicht ohne.

Jose Vianna da Motta ist
sein ausführlicher Name.

Seine Adresse weiß ich leider
nicht. Briefe aber erreichen ihn,
wenn sie recomandirt an
Steinway & Sons New York
adressirt werden.

Vorlaüfig grüßt in
alter Treue dein sehr
geschmeichelter u. ergebener Freund

                                                                
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Überlieferung
Finnland | Turku | Åbo Akademi University Library | Manuskriptsammlungen | Nachlass Otto Andersson, Band 58
Zustand
Der Brief ist gut erhalten.
Umfang
2 Blatt, 3 beschriebene Seite
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift

Zusammenfassung
Busoni beanstandet die vielen Einschränkungen, die Wegelius bei der Suche nach einem Klavierlehrer für das Institut macht; schlägt Frederic Lamond und José Vianna da Motta vor; empfiehlt Anton Rubinstein, Hugo Riemann und François-Auguste Gevaert für weitere Empfehlungsanfragen.
Incipit
Du erschwerst mir die ohnehin so schwere Aufgabe

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
Stand
19. März 2024: in Korrekturphase (Transkription abgeschlossen, Auszeichnungen codiert, zur Korrekturlesung freigegeben)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition