Facsimile
|
Diplomatic transcription
|
Reading version
|
XML
|
|
a)27 A 986/
Mein lieber und verehrter
Freund. Erschrick nicht, aber
der Punkt, ☉ den du hier
siehst, ist das Grab einer Papier- -laus, die soeben über den Bogen
lief und mitdurch meinemn Federstiel
einen lausigen Heldentod
fand. Möge Alles Lausige
so enden und verderben, das
eEinem über den Weg läuft; u.
mögen sich genug Federstiele
dazu finden, was bei so vielen
styllosen Federn, als es giebt,
nicht leicht, ist kaum zu hoffen
ist!
|
Mein lieber und verehrter
Freund.
Erschrick nicht, aber
der Punkt, ☉ den du hier
siehst, ist das Grab einer Papierlaus, die soeben über den Bogen
lief und durch meinen Federstiel
einen lausigen Heldentod
fand. Möge alles Lausige
so enden und verderben, das
einem über den Weg läuft; und
mögen sich genug Federstiele
dazu finden, was bei so vielen
stillosen Federn, als es gibt,
nicht leicht, kaum zu hoffen
ist!
Dein schöner, herzlicher,
poesievoller und behaglicher
Weihnachtsbrief lag, Gott
sei’s geklagt, monatelang
unbeantwortet, aber immer
oben an auf dem Päckchen
meiner epistolarischen Schulden!
Er verschaffte mir damals
eine große und reine Freude, und
ich las ihn heute – „wie neu“ –
mit gleichem Vergnügen.
Habe Dank dafür, mein
hochgeschätzter Direktor und
wahrer Freund.
In deinem Briefe, der sonst
mir eine fröhliche, ruhige
Stimmung widerspiegelte,
klagtest du über die Trauben,
Tolstoi und Frl. Hartmann.
Möge der Letzteren der Weizen
blühen auf ihrem Grünfeld.
Lilly von Haartman hatte, offenbar nach mehrfachen Anfragen bei Busoni, ihr Klavierstudium nicht bei ihm fortgesetzt, sondern bei Alfred Grünfeld in Wien (siehe den vorigen Brief).
Doch glaube ich noch viel eher
an deine Trauben als daran.
Aber sehr glücklich machen
mich deine immer blühenden
Ehefreuden, gegen die ein
Tolstoi keine Macht hat;
deshalb lass den Alten
laufen, er hat auch sein Gutes.
Mit Genugtuung erfuhr
ich von Nováčeks Engagement
zum Musikinstitut,
Siehe die Kommentierung im vorigen Brief.
so mir
recht berichtet wurde. Dieser
Victor Nováček ist der Bruder
meines intimen Freundes
Ottokar und selbst ein sehr
begabter und belesener Mann.
Du wirst an ihm reine Freude
haben. Für Herrn Petzet hätte ich
verschiedene Ersatzmänner in
Aussicht. Vor allem ein Paar
Schüler, wovon der Reifere,
ein Herr Jensen aus Kopenhagen,
Busoni hatte den Pianisten Olaf Jensen wahrscheinlich 1896 nach seinem Debüt in Dänemark kennengelernt, woraufhin Jensen nach Berlin gereist war und bis 1898 Schüler Busonis blieb (vgl. Busoni/Weindel 2015, S. 822). Anschließend zog er nach Amerika, bevor er 1900–1901 Lehrer am Musikinstitut in Helsinki wurde (vgl. Dahlström 1982, S. 327; Å. U. 1900). 1901 nahm Jensen an Busonis Meisterkurs in Weimar teil und zog anschließend zurück nach Kopenhagen, von wo er 1909 nach Amerika emigrierte (vgl. Busoni/Weindel 2015, S. 822; zur Emigration siehe den Einbürgerungsantrag; zur Zeit dazwischen siehe den einzigen erhaltenen Brief von Jensen an Busoni, vom 26. Juni 1904, Staatsbibliothek zu Berlin, Mus.Nachl. F. Busoni B II, 2414).
viele vorzügliche
Eigenschaften besitzt. Er
ist ein intelligenter, denkender, sehr feinfühlender
Mensch, hat großen pädagogischen Sinn und spielt
selbst vortrefflich. Ist 29
Jahre und von angenehmem
Äußeren und wünschte
sehr, die Stellung in Helsingfors zu haben.
Er wird seine Pflicht auf das
Treueste erfüllen und dir ein
anregender Kamerad und
respektvoller Untergebener
sein. Wie denkst du darüber?
Meine eigene Karriere
hat sich leider und
glücklicherweise so gestaltet,
dass ich meine Rittergutsträume für den Augenblick
aufgeben musste.
Busonis zwischenzeitlicher Plan, erneut als Lehrer nach Helsinki zu gehen und sich ein Haus in der Nähe von Wegelius’ Sommerhaus (dessen „sein Rittergut“) – zu bauen, wurde nicht realisiert (vgl. die Briefe vom 7. Februar bis 5. März 1897).
Aber
mein Bedürfnis nach Ruhe
und Sammlung ist dadurch
nur gestiegen, und die
Zukunft ist ungewiss, wie
immer, aber nicht
hoffnungslos.
Deinen Schüler Melartin
möchte ich näher kennen.
Ein und derselbe Lehrer passt
nicht für alle, und was
dem Sibelius notwendig,
kann vielleicht diesem
überflüssig, gar schädlich sein.
Ist er gewissenhaft,
korrekt – dann kein
Rhein- oder Herzogenberg’er –
sondern zu Richard Strauss
mit ihm, der vom Herbst
an in Berlin sein wird!
Im November 1898 kam Richard Strauss von München als Hofkapellmeister an die Hofoper Berlin (vgl. Schaper 2022).
Draeseke ist stocktaub,
Goldmark sehr krank;
Albert Becker – Hofmann;
Heinrich Hofmann – Bäcker;
Gernsheim trocken,
Max Bruch unfreundlich;
Jadassohn eine Null (die
selbst bei Juden keine
Zinsen trägt); Reinecke
ebenfalls vom Alten
Testament, wenn auch
nicht Jude.
Was wurde aus dem
Mielck?
Der 1877 in Wyborg geborene Ernst Mielck war schon 1891 nach Berlin geschickt worden, wo er Klavier und Komposition am Stern’schen Konservatorium studiert hatte. 1895 war er erneut nach Berlin gereist, um Komposition bei Max Bruch zu studieren. Während dieser Zeit hatte er wahrscheinlich Klavierunterricht bei Busoni genommen. Die Hoffnung, in dem schon im Jugendalter außerordentlich talentierten Komponisten einen Wegbereiter der finnischen Kunstmusik zu finden, zerschlug sich, als Mielck 1899 an Tuberkulose starb (vgl. Barnett 2007, S. 113 f.).
Ich hörte
Wunderdinge. Er
war einst mein
Schüler und ein kränklicher,
unheimlich frühreifer
Knabe.
Nun leb’ wohl. Grüße
mir Frau Hanna aufs
Wärmste; grüße freundlichst
die Bekannten.
Gerda ist wohl, Benni
wöhler. Sie grüßen Euch
ebenfalls herzlichst.
|
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split">
<note type="foliation" resp="#archive" place="margin-right">a)</note>
<note type="dating" resp="#archive" place="top-center" xml:id="arch_date"><date when-iso="1898-04-27">27 A 98</date></note>
<note type="numbering" resp="#archive" place="margin-left">6/</note>
<p>
<seg type="opener" subtype="salute">Mein lieber und verehrter
<lb/><rs key="E0300207">Freund</rs>.</seg> Erschrick nicht, aber
<lb/>der Punkt, <seg rend="huge">☉</seg> den du hier
<lb/>siehst, ist das Grab einer Papier
<lb break="no" rend="after:-"/>laus, die soeben über den Bogen
<lb/>lief und <subst><del rend="overwritten">mit</del><add place="across">durch</add></subst> meine<subst><del rend="strikethrough-part">m</del><add place="remainder">n</add></subst> Federstiel
<lb/>einen lausigen Heldentod
<lb/>fand. Möge <choice><orig>A</orig><reg>a</reg></choice>lles Lausige
<lb/>so enden und verderben, das
<lb/><choice><orig><subst><del rend="overwritten">e</del><add place="across">E</add></subst></orig><reg>e</reg></choice>inem über den Weg läuft; <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice>
<lb/>mögen sich genug Federstiele
<lb/>dazu finden, was bei so vielen
<lb/>st<choice><orig>y</orig><reg>i</reg></choice>llosen Federn, als es gi<orig>e</orig>bt,
<lb/>nicht leicht<add place="inline">,</add><del rend="strikethrough"> ist</del> kaum zu hoffen
<lb/>ist!</p>
</div>
|
2Facsimile
|
2Diplomatic transcription
|
2XML
|
|
Dein schoener, herzlicher,
poesievoller und beghaglicher
Weihnachtsbrief, lag, Gott
sei’s geklagt, monatelang
unbeantwortet, aber immer
oben an auf dem Päckchen
meiner epistolarischen Schulden!
Er verschaffte mir damals
eine große u. reine Freude und
ich las ihn heute – „wie neu“ –
mit gleichem Vergnügen.
Habe Dank dafür, mein
hochgeschätzter Director u.
wahrer Freund.
In deinem Briefe, der sonst
mir imeine fröhliche, ruhige
Stimmung wiederspiegelte,
|
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split">
<p>Dein sch<choice><orig>oe</orig><reg>ö</reg></choice>ner, herzlicher,
<lb/>poesievoller und be<subst><del rend="overwritten">g</del><add place="across">h</add></subst>aglicher
<lb/><ref target="#D0102042">Weihnachtsbrief</ref><del rend="strikethrough">,</del> lag, Gott
<lb/>sei’s geklagt, monatelang
<lb/>unbeantwortet, aber immer
<lb/><hi rend="underline">oben an</hi> auf dem Päckchen
<lb/>meiner epistolarischen Schulden!
<lb/>Er verschaffte mir damals
<lb/><add place="margin-left">eine</add> große <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> reine Freude<reg>,</reg> und
<lb/>ich las ihn heute – <soCalled rend="dq-du">wie neu</soCalled> –
<lb/>mit gleichem Vergnügen.
<lb/>Habe Dank dafür, mein
<lb/>hochgeschätzter Dire<choice><orig>c</orig><reg>k</reg></choice>tor <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice>
<lb/>wahrer Freund.</p>
<p type="pre-split" rend="indent-first">In <ref target="#D0102042">deinem Briefe</ref>, der sonst
<lb/>mir <subst><del rend="overwritten">im</del><add place="across">eine</add></subst> fröhliche, ruhige
<lb/>Stimmung wi<orig>e</orig>derspiegelte,
</p></div>
|
3Facsimile
|
3Diplomatic transcription
|
3XML
|
|
klagtest du über die Trauben,
Tolstoi und Frl. Hartmann.
Möge ldetr letzteren ihrder Weizen
blühen auf ihrem Grünfeld.
Lilly von Haartman hatte, offenbar nach mehrfachen Anfragen bei Busoni, ihr Klavierstudium nicht bei ihm fortgesetzt, sondern bei Alfred Grünfeld in Wien (siehe den vorigen Brief).
Doch glaube ich noch viel eh[r]er
an deine Trauben, als daran.
Aber sehr glücklich machten
mich deine […]
1 char: overwritten.
immer blühenden
Ehefreuden, gegen die ein
Tolstoj keine Macht hat;
deshalb lass den Alten
laufen, er hat auch sein Gutes.
Mit Genugthuung erfuhr
ich von Nováček’s Engagement
zum Musikinstitut,
Siehe die Kommentierung im vorigen Brief.
so mir
recht berichtet wurde. Dieser
Victor Nováček ist der Bruder
meines intimen Freundes
Ottokar und selbst ein sehr
begabter u. belesener Mann.
|
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split">
klagtest du über die Trauben,
<lb/><persName key="E0300091">Tolstoi</persName> und <persName key="E0300996">Frl. Hartmann</persName>.</p>
<p rend="indent-first">Möge <rs key="E0300996"><subst><del rend="overwritten">l</del><add place="across">d</add></subst>e<subst><del rend="overwritten">t</del><add place="across">r</add></subst> <choice><orig>l</orig><reg>L</reg></choice>etzteren</rs> <subst><del rend="overwritten">ihr</del><add place="across">der</add></subst> Weizen
<lb/>blühen auf ihrem <rs key="E0300929">Grünfeld</rs>.
<note type="commentary" resp="#E0300616"><persName key="E0300996">Lilly von Haartman</persName> hatte, offenbar nach mehrfachen Anfragen bei <persName key="E0300017">Busoni</persName>, ihr Klavierstudium nicht bei ihm fortgesetzt, sondern bei <persName key="E0300929">Alfred Grünfeld</persName> in <placeName key="E0500002">Wien</placeName> (siehe den <ref target="#D0102042" n="6">vorigen Brief</ref>).</note>
<lb/>Doch glaube ich noch viel eh<subst><del rend="overwritten"><supplied reason="overwritten" cert="high">r</supplied></del><add place="across">e</add></subst>r
<lb/>an deine Trauben<orig>,</orig> als daran.</p>
<p rend="indent-first">Aber sehr glücklich mach<subst><del rend="overwritten">t</del><add place="across">e</add></subst>n
<lb/>mich deine <subst><del rend="overwritten"><gap reason="overwritten" extent="1" unit="char"/></del><add place="across">i</add></subst>mmer blühenden
<lb/>Ehefreuden, gegen die ein
<lb/><persName key="E0300091">Tolsto<choice><orig>j</orig><reg>i</reg></choice></persName> keine Macht hat;
<lb/>deshalb lass <rs key="E0300091">den Alten</rs>
<lb/>laufen, er hat auch sein Gutes.</p>
<p type="pre-split" rend="indent-first">Mit Genugt<orig>h</orig>uung erfuhr
<lb/>ich von <persName key="E0300927">Nováček<orig>’</orig>s</persName> Engagement
<lb/>zum <rs key="E0600031">Musikinstitut</rs>,
<note type="commentary" resp="#E0300616">Siehe die <ref target="#D0102042">Kommentierung im vorigen Brief</ref>.</note>
so mir
<lb/>recht berichtet wurde. Dieser
<lb/><persName key="E0300927"><add place="margin-left">Victor</add> Nováček</persName> ist der Bruder
<lb/>meines intimen Freundes
<lb/><persName key="E0300223">Ottokar</persName> und selbst ein sehr
<lb/>begabter <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> belesener Mann.
</p></div>
|
4Facsimile
|
4Diplomatic transcription
|
4XML
|
|
Du wirst an ihm reine Freude
haben. Für Herrn P. hätte ich
verschiedene Ersatzmänner in
Aussicht. Vor allem ein G
transcription uncertain:
.
Paar
Schüler, wovon der Reifere,
ein Herrn Jensen aus Kopen- hagen,
Busoni hatte den Pianisten Olaf Jensen wahrscheinlich 1896 nach seinem Debüt in Dänemark kennengelernt, woraufhin Jensen nach Berlin gereist war und bis 1898 Schüler Busonis blieb (vgl. Busoni/Weindel 2015, S. 822). Anschließend zog er nach Amerika, bevor er 1900–1901 Lehrer am Musikinstitut in Helsinki wurde (vgl. Dahlström 1982, S. 327; Å. U. 1900). 1901 nahm Jensen an Busonis Meisterkurs in Weimar teil und zog anschließend zurück nach Kopenhagen, von wo er 1909 nach Amerika emigrierte (vgl. Busoni/Weindel 2015, S. 822; zur Emigration siehe den Einbürgerungsantrag; zur Zeit dazwischen siehe den einzigen erhaltenen Brief von Jensen an Busoni, vom 26. Juni 1904, Staatsbibliothek zu Berlin, Mus.Nachl. F. Busoni B II, 2414).
viele vorzügliche
Eigenschaften besitzt. Er
ist ein intelligenter, denken- der, sehr feinfühlender
Mensch, hat großen pädago- gischen Sinn und spielt
selbst vortrefflich. Ist 29
Jahre und von angenehmen
Aüsseren und wünschte
sehr die Stellung in H. zu haben.
Er wird seine Pflicht auf das
Treueste erfüllen u. dir ein
anregender Kamerad und
respectvoller Untergebener
sein. Wie denkst du darüber?
|
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split">
Du wirst an ihm reine Freude
<lb/>haben. Für <persName key="E0300925">Herrn <choice><abbr>P.</abbr><expan>Petzet</expan></choice></persName> hätte ich
<lb/>verschiedene Ersatzmänner in
<lb/>Aussicht. Vor allem ein <subst><del rend="transformed"><unclear reason="transformed" cert="high">G</unclear></del><add place="transformed">P</add></subst>aar
<lb/>Schüler, wovon der Reifere,
<lb/>ein <persName key="E0301014">Herr<subst><del rend="overwritten">n</del><add place="across"> J</add></subst>ensen</persName> aus <placeName key="E0500398">Kopen
<lb break="no"/>hagen</placeName>,
<note type="commentary" resp="#E0300616"><persName key="E0300017">Busoni</persName> hatte den Pianisten <persName key="E0301014">Olaf Jensen</persName> wahrscheinlich <date when-iso="1896">1896</date> nach seinem Debüt in <placeName key="E0501069">Dänemark</placeName> kennengelernt, woraufhin <persName key="E0301014">Jensen</persName> nach <placeName key="E0500029">Berlin</placeName> gereist war und bis <date when-iso="1898">1898</date> Schüler <persName key="E0300017">Busonis</persName> blieb (vgl. <bibl><ref target="#E0800023"/>, S. 822</bibl>). Anschließend zog er nach <placeName key="E0500093">Amerika</placeName>, bevor er <date when-iso="1900/1901">1900–1901</date> Lehrer am <orgName key="E0600031">Musikinstitut in <placeName key="E0500270">Helsinki</placeName></orgName> wurde (vgl. <bibl><ref target="#E0800437"/>, S. 327</bibl>; <bibl><ref target="#E0800555"/></bibl>). <date when-iso="1901">1901</date> nahm <persName key="E0301014">Jensen</persName> an <persName key="E0300017">Busonis</persName> Meisterkurs in <placeName key="E0500144">Weimar</placeName> teil und zog anschließend zurück nach <placeName key="E0500398">Kopenhagen</placeName>, von wo er <date when-iso="1909">1909</date> nach <placeName key="E0500093">Amerika</placeName> emigrierte (vgl. <bibl><ref target="#E0800023"/>, S. 822</bibl>; zur Emigration siehe <ref type="ext" target="https://www.familysearch.org/ark:/61903/3:1:3QS7-99DX-WJ9F?view=index&personArk=%2Fark%3A%2F61903%2F1%3A1%3AQKNT-JTLW&action=view">den Einbürgerungsantrag</ref>; zur Zeit dazwischen siehe den einzigen erhaltenen Brief von <persName key="E0301014">Jensen</persName> an <persName key="E0300017">Busoni</persName>, vom <date when-iso="1904-06-26">26. Juni 1904</date>, <orgName key="E0600056">Staatsbibliothek zu <placeName key="E0500029">Berlin</placeName></orgName>, <ref type="ext" subtype="kalliope" target="#DE-611-HS-626148">Mus.Nachl. F. Busoni B II, 2414</ref>).</note>
viele vorzügliche
<lb/><seg rend="indent">Eigenschaften besitzt. Er</seg>
<lb/>ist ein intelligenter, denken
<lb break="no"/>der, sehr feinfühlender
<lb/>Mensch, hat großen pädago
<lb break="no"/>gischen Sinn und spielt
<lb/>selbst vortrefflich. Ist 29
<lb/>Jahre und von angenehme<choice><sic>n</sic><corr>m</corr></choice>
<lb/><choice><orig>Aüss</orig><reg>Äuß</reg></choice>eren und wünschte
<lb/>sehr<reg>,</reg> die Stellung in <placeName key="E0500270"><choice><abbr>H.</abbr><expan>Helsingfors</expan></choice></placeName> zu haben.
<lb/>Er wird seine Pflicht auf das
<lb/>Treueste erfüllen <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> dir ein
<lb/>anregender Kamerad und
<lb/>respe<choice><orig>c</orig><reg>k</reg></choice>tvoller Untergebener
<lb/>sein. Wie denkst du darüber?</p>
</div>
|
5Facsimile
|
5Diplomatic transcription
|
5XML
|
|
b)
Meine eigene Carrière
hat sich leider und
glücklicherweise so gestaltet,
dass ich meine Ritterguts- -träume für den Augenblick
aufgeben musste.
Busonis zwischenzeitlicher Plan, erneut als Lehrer nach Helsinki zu gehen und sich ein Haus in der Nähe von Wegelius’ Sommerhaus (dessen „sein Rittergut“) – zu bauen, wurde nicht realisiert (vgl. die Briefe vom 7. Februar bis 5. März 1897).
Aber
mein Bedürfniss nach Ruhe
u. Sammlung ist dadurch
durch nur gestiegen u. die
Zukunft ist ungewiss, wie
immer, aber nicht
hoffnungslos. –
Deinen Schüler Melartin
moechte ich näher kennen.
Ein u. derselbe Lehrer passt
nicht für Alle und was
dem Sibelius nothwendig,
kann vielleicht diesem
überflüssig, gar schädlich sein.
|
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split">
<note type="foliation" resp="#archive" place="margin-right">b)</note>
<p>Meine eigene <choice><orig><foreign xml:lang="fr">Carrière</foreign></orig><reg>Karriere</reg></choice>
<lb/>hat sich leider und
<lb/>glücklicherweise so gestaltet,
<lb/>dass ich meine Ritterguts
<lb break="no" rend="after:-"/>träume für den Augenblick
<lb/>aufgeben musste.
<note type="commentary" resp="#E0300616">Busonis zwischenzeitlicher Plan, erneut als Lehrer nach <placeName key="E0500029">Helsinki</placeName> zu gehen und sich ein Haus in der Nähe von <persName key="E0300207">Wegelius’</persName> <rs key="E0500957">Sommerhaus</rs> (dessen <q>sein Rittergut</q>) – zu bauen, wurde nicht realisiert (vgl. die Briefe vom <ref target="#D0102036"><date when-iso="1897-02-07">7. Februar</date></ref> bis <ref target="#D0102039"><date when-iso="1897-03-05">5. März 1897</date></ref>).</note><!-- war Busoni überhaupt noch einmal in Finnland? -->
Aber
<lb/>mein Bedürfnis<orig>s</orig> nach Ruhe
<lb/><choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> Sammlung ist dadurch
<lb/><del rend="strikethrough">durch</del> nur gestiegen<reg>,</reg> <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> die
<lb/>Zukunft ist ungewiss, wie
<lb/>immer, aber nicht
<lb/>hoffnungslos.<orig> –</orig></p>
<p type="pre-split" rend="indent-first">Deinen Schüler <persName key="E0300810">Melartin</persName>
<lb/>m<choice><orig>oe</orig><reg>ö</reg></choice>chte ich näher kennen.
<lb/><seg rend="indent">Ein <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> derselbe Lehrer passt</seg>
<lb/>nicht für <choice><orig>A</orig><reg>a</reg></choice>lle<reg>,</reg> und was
<lb/>dem <persName key="E0300177">Sibelius</persName> not<orig>h</orig>wendig,
<lb/>kann vielleicht diesem
<lb/>überflüssig, gar schädlich sein.
</p></div>
|
6Facsimile
|
6Diplomatic transcription
|
6XML
|
|
Ist er gewissenhaft,
correct – dann kein
Rhein= oder Herzogenberg’er –
sondern zu Richard Strauss
mit ihm, der vom Herbst
an in Berlin sein wird!
Im November 1898 kam Richard Strauss von München als Hofkapellmeister an die Hofoper Berlin (vgl. Schaper 2022).
Draeseke ist stocktaub,
Goldmark sehr krank;
Albert Becker – Hofmann;
Heinrich Hofmann – Bäcker;
Gernsheim trocken,
Max Bruch unfreundlich;
Jadassohn eine Null, (die
selbst bei Juden keine
Zinsen trägt); Reinecke
ebenfalls vom alten
Testament, wenn auch
nicht al
transcription uncertain:
cancelled.
alternative reading:
b[…]
at most 1 char: cancelled.
Jude.
|
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p rend="indent-first" type="split">
Ist er gewissenhaft,
<lb/><choice><orig>c</orig><reg>k</reg></choice>orre<choice><orig>c</orig><reg>k</reg></choice>t – dann kein
<lb/><persName key="E0300535">Rhein<pc>=</pc></persName> oder <persName key="E0300930">Herzogenberg</persName>’er –
<lb/>sondern zu <persName key="E0300022">Richard Strauss</persName>
<lb/>mit ihm, der vom Herbst
<lb/>an in <placeName key="E0500029">Berlin</placeName> sein wird!
<note type="commentary" resp="#E0300616">Im <date when-iso="1898-11">November 1898</date> kam <persName key="E0300022">Richard Strauss</persName> von <placeName key="E0500034">München</placeName> als Hofkapellmeister an die <orgName key="E0600488">Hofoper <placeName key="E0500029">Berlin</placeName></orgName> (vgl. <bibl><ref target="#E0800552"/></bibl>).</note></p>
<p rend="indent-first"><persName key="E0300931">Draeseke</persName> ist stocktaub,
<lb/><persName key="E0300293">Goldmark</persName> sehr krank;
<lb/><persName key="E0300932">Albert Becker</persName> – Hofmann;
<lb/><persName key="E0300933">Heinrich Hofmann</persName> – Bäcker;
<lb/><persName key="E0300934">Gernsheim</persName> trocken,
<lb/><persName key="E0300935">Max Bruch</persName> unfreundlich;
<lb/><persName key="E0300843">Jadassohn</persName> eine Null<orig>,</orig> (die
<lb/>selbst bei Juden keine
<lb/>Zinsen trägt); <persName key="E0300538">Reinecke</persName>
<lb/>ebenfalls vom <choice><orig>a</orig><reg>A</reg></choice>lten
<lb/>Testament, wenn auch
<lb/>nicht <del rend="strikethrough">a<choice><unclear reason="strikethrough" cert="medium">l</unclear><unclear reason="strikethrough" cert="low">b</unclear></choice><gap reason="strikethrough" atMost="1" unit="char"/></del> Jude.</p>
</div>
|
7Facsimile
|
7Diplomatic transcription
|
7XML
|
|
Was wurde aus dem
Mielck?
Der 1877 in Wyborg geborene Ernst Mielck war schon 1891 nach Berlin geschickt worden, wo er Klavier und Komposition am Stern’schen Konservatorium studiert hatte. 1895 war er erneut nach Berlin gereist, um Komposition bei Max Bruch zu studieren. Während dieser Zeit hatte er wahrscheinlich Klavierunterricht bei Busoni genommen. Die Hoffnung, in dem schon im Jugendalter außerordentlich talentierten Komponisten einen Wegbereiter der finnischen Kunstmusik zu finden, zerschlug sich, als Mielck 1899 an Tuberkulose starb (vgl. Barnett 2007, S. 113 f.).
, ich hörte
Wunderdinge. Er
war einst mein
Schüler u. ein kränklicher
unheimlich frühreifer
Knabe. –
Nun leb’ wohl. Grüße
mir Frau Hanna auf’s
wärmste; grüße freundlichst
die Bekannten. –
Gerda ist wohl, Benni
wöhler. Sie grüßen Euch
ebenfalls herzlichst.
|
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split">
<p>Was wurde aus dem
<lb/><persName key="E0300936">Mielck</persName><add place="inline">?</add>
<note type="commentary" resp="#E0300616">Der <date when-iso="1877">1877</date> in <placeName key="E0500275">Wyborg</placeName> geborene <persName key="E0300936">Ernst Mielck</persName> war schon <date when-iso="1891">1891</date> nach <placeName key="E0500029">Berlin</placeName> geschickt worden, wo er Klavier und Komposition am <orgName key="E0600012">Stern’schen Konservatorium</orgName> studiert hatte. <date when-iso="1895">1895</date> war er erneut nach <placeName key="E0500029">Berlin</placeName> gereist, um Komposition bei <persName key="E0300935">Max Bruch</persName> zu studieren. Während dieser Zeit hatte er wahrscheinlich Klavierunterricht bei <persName key="E0300017">Busoni</persName> genommen. Die Hoffnung, in dem schon im Jugendalter außerordentlich talentierten Komponisten einen Wegbereiter der <placeName key="E0500323">finnischen</placeName> Kunstmusik zu finden, zerschlug sich, als <persName key="E0300936">Mielck</persName> <date when-iso="1899">1899</date> an Tuberkulose starb <bibl>(vgl. <ref target="#E0800554"/>, S. 113 f.)</bibl>.</note><!-- ok, aber was ist der Stand 1898, nach dem Busoni ja fragt? -->
<choice><orig>, i</orig><reg> I</reg></choice>ch hörte
<lb/>Wunderdinge. Er
<lb/>war einst mein
<lb/>Schüler <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> ein kränklicher<reg>,</reg>
<lb/>unheimlich frühreifer
<lb/>Knabe.<orig> –</orig></p>
<p rend="indent-first">Nun leb’ wohl. Grüße
<lb/>mir <persName key="E0300895">Frau Hanna</persName> auf<orig>’</orig>s
<lb/><choice><orig>w</orig><reg>W</reg></choice>ärmste; grüße freundlichst
<lb/>die Bekannten.<orig> –</orig></p>
<p rend="indent-first"><persName key="E0300059">Gerda</persName> ist wohl, <persName key="E0300060">Benni</persName>
<lb/>wöhler. Sie grüßen <rs type="persons" key="E0300207 E0300895">Euch</rs>
<lb/>ebenfalls herzlichst.</p>
<closer>
<salute rend="indent">Dein alter ergebener</salute>
<signed rend="indent-2 large"><persName key="E0300017">Ferruccio Busoni</persName></signed>
<dateline rend="space-above align(right)"><placeName key="E0500029">Berlin</placeName><reg>,</reg> <date when-iso="1898-04-27">27<reg>.</reg> A<reg>.</reg>
<note type="commentary" resp="#E0300616"><persName key="E0300207">Wegelius</persName> bezieht sich im <ref target="#D0102044">Brief vom <date when-iso="1898-06-23">23. Juni 1898</date></ref> auf den Vorschlag von <persName key="E0301014">Jensen</persName>. Entsprechend ist der vorliegende Brief sicher im <date when-iso="1898-04">April</date> und nicht im <date when-iso="1898-08">August</date> entstanden.</note>
98</date>.</dateline>
</closer>
</div>
|
8Facsimile
|
8Diplomatic transcription
|
8XML
|
|
[Seite 4 des Bogens, vacat]
|
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split">
<note type="objdesc" resp="#E0300616">[Seite 4 des Bogens, vacat]</note>
</div>
|