Ferruccio Busoni to Martin Wegelius arrow_backarrow_forward

Berlin · April 27, 1898

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a)27 A 986/

Mein lieber und verehrter
Freund.
Erschrick nicht, aber
der Punkt, den du hier
siehst, ist das Grab einer Papier-
-laus, die soeben über den Bogen
lief und mitdurch meinemn Federstiel
einen lausigen Heldentod
fand. Möge Alles Lausige
so enden und verderben, das
eEinem über den Weg läuft; u.
mögen sich genug Federstiele
dazu finden, was bei so vielen
styllosen Federn, als es giebt,
nicht leicht, ist kaum zu hoffen
ist!

Mein lieber und verehrter Freund.

Erschrick nicht, aber der Punkt, den du hier siehst, ist das Grab einer Papierlaus, die soeben über den Bogen lief und durch meinen Federstiel einen lausigen Heldentod fand. Möge alles Lausige so enden und verderben, das einem über den Weg läuft; und mögen sich genug Federstiele dazu finden, was bei so vielen stillosen Federn, als es gibt, nicht leicht, kaum zu hoffen ist!

Dein schöner, herzlicher, poesievoller und behaglicher Weihnachtsbrief lag, Gott sei’s geklagt, monatelang unbeantwortet, aber immer oben an auf dem Päckchen meiner epistolarischen Schulden! Er verschaffte mir damals eine große und reine Freude, und ich las ihn heute – „wie neu“ – mit gleichem Vergnügen. Habe Dank dafür, mein hochgeschätzter Direktor und wahrer Freund.

In deinem Briefe, der sonst mir eine fröhliche, ruhige Stimmung widerspiegelte, klagtest du über die Trauben, Tolstoi und Frl. Hartmann.

Möge der Letzteren der Weizen blühen auf ihrem Grünfeld. Lilly von Haartman hatte, offenbar nach mehrfachen Anfragen bei Busoni, ihr Klavierstudium nicht bei ihm fortgesetzt, sondern bei Alfred Grünfeld in Wien (siehe den vorigen Brief). Doch glaube ich noch viel eher an deine Trauben als daran.

Aber sehr glücklich machen mich deine immer blühenden Ehefreuden, gegen die ein Tolstoi keine Macht hat; deshalb lass den Alten laufen, er hat auch sein Gutes.

Mit Genugtuung erfuhr ich von Nováčeks Engagement zum Musikinstitut, Siehe die Kommentierung im vorigen Brief. so mir recht berichtet wurde. Dieser Victor Nováček ist der Bruder meines intimen Freundes Ottokar und selbst ein sehr begabter und belesener Mann. Du wirst an ihm reine Freude haben. Für Herrn Petzet hätte ich verschiedene Ersatzmänner in Aussicht. Vor allem ein Paar Schüler, wovon der Reifere, ein Herr Jensen aus Kopenhagen, Busoni hatte den Pianisten Olaf Jensen wahrscheinlich 1896 nach seinem Debüt in Dänemark kennengelernt, woraufhin Jensen nach Berlin gereist war und bis 1898 Schüler Busonis blieb (vgl. Busoni/Weindel 2015, S. 822). Anschließend zog er nach Amerika, bevor er 1900–1901 Lehrer am Musikinstitut in Helsinki wurde (vgl. Dahlström 1982, S. 327; Å. U. 1900). 1901 nahm Jensen an Busonis Meisterkurs in Weimar teil und zog anschließend zurück nach Kopenhagen, von wo er 1909 nach Amerika emigrierte (vgl. Busoni/Weindel 2015, S. 822; zur Emigration siehe den Einbürgerungsantrag; zur Zeit dazwischen siehe den einzigen erhaltenen Brief von Jensen an Busoni, vom 26. Juni 1904, Staatsbibliothek zu Berlin, Mus.Nachl. F. Busoni B II, 2414). viele vorzügliche Eigenschaften besitzt. Er ist ein intelligenter, denkender, sehr feinfühlender Mensch, hat großen pädagogischen Sinn und spielt selbst vortrefflich. Ist 29 Jahre und von angenehmem Äußeren und wünschte sehr, die Stellung in Helsingfors zu haben. Er wird seine Pflicht auf das Treueste erfüllen und dir ein anregender Kamerad und respektvoller Untergebener sein. Wie denkst du darüber?

Meine eigene Karriere hat sich leider und glücklicherweise so gestaltet, dass ich meine Rittergutsträume für den Augenblick aufgeben musste. Busonis zwischenzeitlicher Plan, erneut als Lehrer nach Helsinki zu gehen und sich ein Haus in der Nähe von Wegelius’ Sommerhaus (dessen „sein Rittergut“) – zu bauen, wurde nicht realisiert (vgl. die Briefe vom 7. Februar bis 5. März 1897). Aber mein Bedürfnis nach Ruhe und Sammlung ist dadurch nur gestiegen, und die Zukunft ist ungewiss, wie immer, aber nicht hoffnungslos.

Deinen Schüler Melartin möchte ich näher kennen. Ein und derselbe Lehrer passt nicht für alle, und was dem Sibelius notwendig, kann vielleicht diesem überflüssig, gar schädlich sein. Ist er gewissenhaft, korrekt – dann kein Rhein- oder Herzogenberg’er – sondern zu Richard Strauss mit ihm, der vom Herbst an in Berlin sein wird! Im November 1898 kam Richard Strauss von München als Hofkapellmeister an die Hofoper Berlin (vgl. Schaper 2022).

Draeseke ist stocktaub, Goldmark sehr krank; Albert Becker – Hofmann; Heinrich Hofmann – Bäcker; Gernsheim trocken, Max Bruch unfreundlich; Jadassohn eine Null (die selbst bei Juden keine Zinsen trägt); Reinecke ebenfalls vom Alten Testament, wenn auch nicht Jude.

Was wurde aus dem Mielck? Der 1877 in Wyborg geborene Ernst Mielck war schon 1891 nach Berlin geschickt worden, wo er Klavier und Komposition am Stern’schen Konservatorium studiert hatte. 1895 war er erneut nach Berlin gereist, um Komposition bei Max Bruch zu studieren. Während dieser Zeit hatte er wahrscheinlich Klavierunterricht bei Busoni genommen. Die Hoffnung, in dem schon im Jugendalter außerordentlich talentierten Komponisten einen Wegbereiter der finnischen Kunstmusik zu finden, zerschlug sich, als Mielck 1899 an Tuberkulose starb (vgl. Barnett 2007, S. 113 f.). Ich hörte Wunderdinge. Er war einst mein Schüler und ein kränklicher, unheimlich frühreifer Knabe.

Nun leb’ wohl. Grüße mir Frau Hanna aufs Wärmste; grüße freundlichst die Bekannten.

Gerda ist wohl, Benni wöhler. Sie grüßen Euch ebenfalls herzlichst.

Dein alter ergebener

Ferruccio Busoni

Berlin, 27. A. Wegelius bezieht sich im Brief vom 23. Juni 1898 auf den Vorschlag von Jensen. Entsprechend ist der vorliegende Brief sicher im April und nicht im August entstanden. 98.
                                                                
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Dein schoener, herzlicher,
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Weihnachtsbrief, lag, Gott
sei’s geklagt, monatelang
unbeantwortet, aber immer
oben an auf dem Päckchen
meiner epistolarischen Schulden!
Er verschaffte mir damals
eine große u. reine Freude und
ich las ihn heute – „wie neu“
mit gleichem Vergnügen.
Habe Dank dafür, mein
hochgeschätzter Director u.
wahrer Freund.

In deinem Briefe, der sonst
mir imeine fröhliche, ruhige
Stimmung wiederspiegelte,

                                                                
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blühen auf ihrem Grünfeld. Lilly von Haartman hatte, offenbar nach mehrfachen Anfragen bei Busoni, ihr Klavierstudium nicht bei ihm fortgesetzt, sondern bei Alfred Grünfeld in Wien (siehe den vorigen Brief).
Doch glaube ich noch viel eh[r]er
an deine Trauben, als daran.

Aber sehr glücklich machten
mich deine […] 1 char: overwritten. immer blühenden
Ehefreuden, gegen die ein
Tolstoj keine Macht hat;
deshalb lass den Alten
laufen, er hat auch sein Gutes.

Mit Genugthuung erfuhr
ich von Nováček’s Engagement
zum Musikinstitut, Siehe die Kommentierung im vorigen Brief. so mir
recht berichtet wurde. Dieser
Victor Nováček ist der Bruder
meines intimen Freundes
Ottokar und selbst ein sehr
begabter u. belesener Mann.

                                                                
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verschiedene Ersatzmänner in
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Schüler, wovon der Reifere,
ein Herrn Jensen aus Kopen-
hagen
, Busoni hatte den Pianisten Olaf Jensen wahrscheinlich 1896 nach seinem Debüt in Dänemark kennengelernt, woraufhin Jensen nach Berlin gereist war und bis 1898 Schüler Busonis blieb (vgl. Busoni/Weindel 2015, S. 822). Anschließend zog er nach Amerika, bevor er 1900–1901 Lehrer am Musikinstitut in Helsinki wurde (vgl. Dahlström 1982, S. 327; Å. U. 1900). 1901 nahm Jensen an Busonis Meisterkurs in Weimar teil und zog anschließend zurück nach Kopenhagen, von wo er 1909 nach Amerika emigrierte (vgl. Busoni/Weindel 2015, S. 822; zur Emigration siehe den Einbürgerungsantrag; zur Zeit dazwischen siehe den einzigen erhaltenen Brief von Jensen an Busoni, vom 26. Juni 1904, Staatsbibliothek zu Berlin, Mus.Nachl. F. Busoni B II, 2414). viele vorzügliche
Eigenschaften besitzt. Er
ist ein intelligenter, denken-
der, sehr feinfühlender
Mensch, hat großen pädago-
gischen Sinn und spielt
selbst vortrefflich. Ist 29
Jahre und von angenehmen
Aüsseren und wünschte
sehr die Stellung in H. zu haben.
Er wird seine Pflicht auf das
Treueste erfüllen u. dir ein
anregender Kamerad und
respectvoller Untergebener
sein. Wie denkst du darüber?

                                                                
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b)

Meine eigene Carrière
hat sich leider und
glücklicherweise so gestaltet,
dass ich meine Ritterguts-
-träume für den Augenblick
aufgeben musste. Busonis zwischenzeitlicher Plan, erneut als Lehrer nach Helsinki zu gehen und sich ein Haus in der Nähe von Wegelius’ Sommerhaus (dessen „sein Rittergut“) – zu bauen, wurde nicht realisiert (vgl. die Briefe vom 7. Februar bis 5. März 1897). Aber
mein Bedürfniss nach Ruhe
u. Sammlung ist dadurch
durch nur gestiegen u. die
Zukunft ist ungewiss, wie
immer, aber nicht
hoffnungslos. –

Deinen Schüler Melartin
moechte ich näher kennen.
Ein u. derselbe Lehrer passt
nicht für Alle und was
dem Sibelius nothwendig,
kann vielleicht diesem
überflüssig, gar schädlich sein.

                                                                
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Ist er gewissenhaft,
correct – dann kein
Rhein= oder Herzogenberg’er –
sondern zu Richard Strauss
mit ihm, der vom Herbst
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Draeseke ist stocktaub,
Goldmark sehr krank;
Albert Becker – Hofmann;
Heinrich Hofmann – Bäcker;
Gernsheim trocken,
Max Bruch unfreundlich;
Jadassohn eine Null, (die
selbst bei Juden keine
Zinsen trägt); Reinecke
ebenfalls vom alten
Testament, wenn auch
nicht al transcription uncertain: cancelled. alternative reading:
b
[…] at most 1 char: cancelled.
Jude.

                                                                
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Was wurde aus dem
Mielck? Der 1877 in Wyborg geborene Ernst Mielck war schon 1891 nach Berlin geschickt worden, wo er Klavier und Komposition am Stern’schen Konservatorium studiert hatte. 1895 war er erneut nach Berlin gereist, um Komposition bei Max Bruch zu studieren. Während dieser Zeit hatte er wahrscheinlich Klavierunterricht bei Busoni genommen. Die Hoffnung, in dem schon im Jugendalter außerordentlich talentierten Komponisten einen Wegbereiter der finnischen Kunstmusik zu finden, zerschlug sich, als Mielck 1899 an Tuberkulose starb (vgl. Barnett 2007, S. 113 f.). , ich hörte
Wunderdinge. Er
war einst mein
Schüler u. ein kränklicher
unheimlich frühreifer
Knabe. –

Nun leb’ wohl. Grüße
mir Frau Hanna auf’s
wärmste; grüße freundlichst
die Bekannten. –

Gerda ist wohl, Benni
wöhler. Sie grüßen Euch
ebenfalls herzlichst.

Dein alter ergebener

Ferruccio Busoni

Berlin 27 A Wegelius bezieht sich im Brief vom 23. Juni 1898 auf den Vorschlag von Jensen. Entsprechend ist der vorliegende Brief sicher im April und nicht im August entstanden. 98.
                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"> <p>Was wurde aus dem <lb/><persName key="E0300936">Mielck</persName><add place="inline">?</add> <note type="commentary" resp="#E0300616">Der <date when-iso="1877">1877</date> in <placeName key="E0500275">Wyborg</placeName> geborene <persName key="E0300936">Ernst Mielck</persName> war schon <date when-iso="1891">1891</date> nach <placeName key="E0500029">Berlin</placeName> geschickt worden, wo er Klavier und Komposition am <orgName key="E0600012">Stern’schen Konservatorium</orgName> studiert hatte. <date when-iso="1895">1895</date> war er erneut nach <placeName key="E0500029">Berlin</placeName> gereist, um Komposition bei <persName key="E0300935">Max Bruch</persName> zu studieren. Während dieser Zeit hatte er wahrscheinlich Klavierunterricht bei <persName key="E0300017">Busoni</persName> genommen. Die Hoffnung, in dem schon im Jugendalter außerordentlich talentierten Komponisten einen Wegbereiter der <placeName key="E0500323">finnischen</placeName> Kunstmusik zu finden, zerschlug sich, als <persName key="E0300936">Mielck</persName> <date when-iso="1899">1899</date> an Tuberkulose starb <bibl>(vgl. <ref target="#E0800554"/>, S. 113 f.)</bibl>.</note><!-- ok, aber was ist der Stand 1898, nach dem Busoni ja fragt? --> <choice><orig>, i</orig><reg> I</reg></choice>ch hörte <lb/>Wunderdinge. Er <lb/>war einst mein <lb/>Schüler <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> ein kränklicher<reg>,</reg> <lb/>unheimlich frühreifer <lb/>Knabe.<orig> –</orig></p> <p rend="indent-first">Nun leb’ wohl. Grüße <lb/>mir <persName key="E0300895">Frau Hanna</persName> auf<orig>’</orig>s <lb/><choice><orig>w</orig><reg>W</reg></choice>ärmste; grüße freundlichst <lb/>die Bekannten.<orig> –</orig></p> <p rend="indent-first"><persName key="E0300059">Gerda</persName> ist wohl, <persName key="E0300060">Benni</persName> <lb/>wöhler. Sie grüßen <rs type="persons" key="E0300207 E0300895">Euch</rs> <lb/>ebenfalls herzlichst.</p> <closer> <salute rend="indent">Dein alter ergebener</salute> <signed rend="indent-2 large"><persName key="E0300017">Ferruccio Busoni</persName></signed> <dateline rend="space-above align(right)"><placeName key="E0500029">Berlin</placeName><reg>,</reg> <date when-iso="1898-04-27">27<reg>.</reg> A<reg>.</reg> <note type="commentary" resp="#E0300616"><persName key="E0300207">Wegelius</persName> bezieht sich im <ref target="#D0102044">Brief vom <date when-iso="1898-06-23">23. Juni 1898</date></ref> auf den Vorschlag von <persName key="E0301014">Jensen</persName>. Entsprechend ist der vorliegende Brief sicher im <date when-iso="1898-04">April</date> und nicht im <date when-iso="1898-08">August</date> entstanden.</note> 98</date>.</dateline> </closer> </div>
8Facsimile
8Diplomatic transcription
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[Seite 4 des Bogens, vacat]
                                                                
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Document

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Provenance
Finnland | Turku | Åbo Akademi University Library | Manuskriptsammlungen | Nachlass Otto Andersson, Band 58
Condition
Der Brief ist gut erhalten.
Extent
2 Bogen, 7 beschriebene Seiten
Hands/Stamps
  • Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Zählung des Korrespondenzstücks eingetragen, eine Foliierung vorgenommen und das Briefdatum ergänzt hat

Summary
Busoni gibt nach langer Briefpause Antwort auf Wegelius’ Weihnachtsbrief; zeigt sich erfreut über Victor Nováčeks Anstellung als Geigenlehrer; empfiehlt den Kopenhagener Olaf Jensen als Klavierlehrer; empfiehlt Richard Strauss als Lehrer für Erkki Melartin; erkundigt sich nach seinem ehemaligen Schüler Ernst Mielck.
Incipit
Erschrick nicht, aber der Punkt

Editors in charge
Christian Schaper Ullrich Scheideler
prepared by
Revision
March 19, 2024: proposed (transcription and coding done, awaiting proofreading)
Direct context
Preceding
Near in this edition