es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen
zu schreiben; ich fühle mich all- mälig einsamer, ohne dass ich mich
von den Menschen entfernte. Es ist
bezeichnenswerth, dass ſsehr viele
Männer, die sich hierher gerettet
haben, einzeln verbleiben, nicht
einander sich anschliessen. Trotzdem
weiss ich, dass manche eigenartige
und werthvolle Persönlichkeit darunter
ist, die sich abseits hält. Ich habe
nicht viele Freuden. Meinern lieben
Verkehr mit der Jugend suche ich
aufrecht zu halten, doch muss der
Zulauf eingeschränkt sein; dem Weine
habe ich entsagt, er schmeckt mir
nicht mehr, u. doch vermisse ich
ihn. Ich stöbere gern in alten
Bücherläden – aber ich kenne jetzt
jeden einzelnen von ihnen u. die
Händler bekommen keine neuen
Sendungen von aussen.
es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen
zu schreiben; ich fühle mich allmählich einsamer, ohne dass ich mich
von den Menschen entfernte. Es ist
bezeichnenswert, dass sehr viele
Männer, die sich hierher gerettet
haben, einzeln verbleiben, nicht
einander sich anschließen. Trotzdem
weiß ich, dass manche eigenartige
und wertvolle Persönlichkeit darunter
ist, die sich abseits hält. Ich habe
nicht viele Freuden. Meinen lieben
Verkehr mit der Jugend suche ich
aufrecht zu halten, doch muss der
Zulauf eingeschränkt sein; dem Weine
habe ich entsagt, er schmeckt mir
nicht mehr, und doch vermisse ich
ihn. Ich stöbere gern in alten
Bücherläden – aber ich kenne jetzt
jeden einzelnen von ihnen und die
Händler bekommen keine neuen
Sendungen von außen.
Nach Reisen, unter denen ich
früher so sehr litt, habe ich jetzt
Sehnsucht; aber nur für große
Länder und Städte. Diese Sehnsucht
ist unerfüllbar. – Am meisten, von
allem Gewohnten, vermisse ich meine
Büchersammlung – darin ich täglich
Etwas zu schaffen fand – und meine
Abendgänge im Gewühl der Großstadt.
Bleibt: das ewige Arbeiten,
das für mich zwar unerlässlich
ist, das aber doch mit Hilfe
aller angeführten – jetzt nicht
vorhandenen – Anregungsformen,
noch freudiger und ergebnisreicher
wäre. Dieser Standpunkt ist mein
persönlicher. Ich weiß, dass
andere gute(und bessere) Geister
verschiedene Bedingungen des
Schaffens fordern: von allen diesen
habe ich die „Einsamkeit“ niemals
als fördernd empfunden, noch
erfahren; obwohl gerade sie
dem Genie (das ich nicht bin)
gerne zugesellt wird.
Ich bin des Wartens müde,
und dieser neue Herbstbeginn
demütigt mich. Ich hatte den Kreis
meiner Zürcher Tätigkeit
ganz schön abgerundet – und
nun ekelt’s mich, ihn wieder
in Drehung zu bringen. – Mein
„Werk“ ist nun in Arbeit – aber
ich bin kein Mönch, der durch
das Fenster seiner Zelle immer
denselben Strauch erblickt,
und schreibt und schreibt. – Immerhin,
ich bin froh, dass ich diesen
Gefährten, – diese werdende neue
Oper – habe, mit dem ich mich
täglich beschäftigen kann, nach
Gefallen, und der sich stetig
unter meinen Händen formt.
1. Oktober
Die vorangehenden Zeilen dürften
einen Monat alt sein; ich wollte sie
nicht absenden, ehe ich etwas
Tröstlicheres hinzufügen konnte.
Darauf noch länger zu warten,
erschiene mir Ihnen gegenüber jedoch
als Unrecht. Das erste Bild meines
Bühnenwerks ist indessen doch
in letzter Ausführung fertiggestellt
Nun geht es wieder an das „Klavier“.Busoni arbeitet zum gegenwärtigen Zeitpunkt an der Klavierübung in 5 Teilen.
Die Opern sollen hier im November
auch wieder aufgenommen werden;Die Erstaufführungen von Turandot und Arlecchino fanden im Mai 1917 in Zürich statt. In einem Brief vom 16. November 1917 von Breitkopf und Härtel an Busoni werden erneute Aufführungen angesprochen: "Sobald wir Partitur und Stimmen, die sich noch beim Notenschreiber befinden, entbehren können, lassen wir das bisherige Material an das Stadttheater in Zürich zurückgehen mit der bestimmten Erinnerung, nun die zugesagten Wiederaufführungen aufzunehmen." Quelle: Ferruccio Busoni im Briefwechsel mit seinem Verlag Breitkopf und Härtel / hrsg. von Eva Hanau, Seite 301-302
überdies veranstalte ich zur nämlichen Zeit drei KompositionsabendeDie Neue Zürcher Zeitung berichtet am 05. November 1917 von Busonis Klavierabend" Ferruccio Busoni hat seinem Klavierabend vom nächsten Dienstag 6. November ein ausgesucht schönes Programm zugrunde gelegt, das interessante Einblicke in die verschiedenen kompositorischen Schaffensperioden des Künstlers bieten wird. Drei „Elegien“ aus dem Jahre 1908 leiten den Abend ein: eine religiös gestimmte Fantasie, eine Tarantella „all'Italiana“ und däs Intermezzo „Turandots Frauengemach“; prachtvoller Klaviersatz und neue harmonische Effelte sind den drei Stücken eigen. Von den zwei Sonatinen dürfte besonders die zweite interessieren. Leichtentritt nennt sie in seinem Buche über Busoni einen Urenkel spirituellen Mozartschen Geistes. Der zweite Programmteil ist der „Fantasia contrapuntistica“ eingeräumt, einem umfangreichen Werke von nahezu halbstündiger Dauer, das Busoni 1910 während seiner Amerikareise verfaßt hat; es ist ein Mittelding zwischen den Bearbeitungen und den eigenen Kompositionen. Von seinen verschiedenen Teilen wird vor allem die Quadrupelfuge Bewunderung erregen, als Meisterstück kontrapunktischer Arbeit. Auch die folgende Programmnummer ist eine Frucht des Aufenthaltes in Amerika: vier Klavierstücke über Indianische Melodien sind im „Indianischen Tagebuch“ zusammengefaßt. Ihnen schließen sich zwei interessante Tanzstücke an, und in der vierten Ballettszene (1894) wird der Abend ausklingen. Es dürfte wohl überflüssig erscheinen, die musikalischen Kreise Zürichs auf den Genuß hinzuweisen, den Pianisten Busoni eine Auswahl seiner bedeutendsten Klavierwerke interpretieren zu hören. Das Konzert beginnt 7 Uhr. Der Zürcher Mandolinisten- und Gitarristenklub wählte an Stelle des zurücktretenden Herrn. Alb. Hengartner zum Dirigenten Herrn A. H. Loreti aus Bremen." Quelle: Neue Zürcher Zeitung, 05. November 1917, Ausgabe 4, Seite 2; in einem Brief an Breitkopf und Härtel vom 17. Oktober 1917 berichtet Busoni allerdings von der Absage des Orchester Kompositionsabends: "Der geplante Orchester Compos. Abd. ist an lokalen Verhältnissen - gescheitert, doch werde ich am Clavier einen Abd. mit eigenen Werken nächstens abhalten." Quelle: Ferruccio Busoni im Briefwechsel mit seinem Verlag Breitkopf und Härtel / hrsg. von Eva Hanau, Seite 290
Könnte ich Sie nur dazu herzaubern! – Wenn nicht Sie selbst –
doch zum Wenigsten erhoffe ich
einen Brief, der Sie mir um ein
Geringes greifbar näher rückt.
Man erwartet hier Stefan Zweig.
(Ich glaube, dass Sie ihn kennen,
wenngleich er kein regelmäßiger
Besucher Ihres Hauses ist.)
Grüßen Sie mir freundlichst Ihren
Herrn Sohn.
<divxmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0"type="split"><notetype="shelfmark"resp="#archive"place="top-left"><subst><delrend="strikethrough">Mus.ep. F. Busoni 752 (Busoni-Nachl. <handShiftnew="#archive_red"/>B I<handShiftnew="#archive"/>)</del><addplace="below">Mus.Nachl. F. Busoni B I, 899</add></subst></note><notetype="foliation"resp="#archive"place="top-right">[1]</note><lb/><notetype="foliation"resp="#archive"rend="underline">Zürich</note><opener><saluterend="indent-first">Meine sehr verehrte <persNamekey="E0300819">Freundin</persName>,</salute></opener><ptype="pre-split"rend="space-above">es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen
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<lb/>nicht viele Freuden. Meine<delrend="overwritten">r</del>n lieben
<lb/>Verkehr mit der Jugend suche ich
<lb/>aufrecht zu halten, doch muss der
<lb/>Zulauf eingeschränkt sein; dem Weine
<lb/>habe ich entsagt, er schmeckt mir
<lb/>nicht mehr, <choice><orig>u.</orig><reg>und</reg></choice> doch vermisse ich
<lb/>ihn. Ich stöbere gern in alten
<lb/>Bücherläden – aber ich kenne jetzt
<lb/>jeden einzelnen von ihnen <choice><orig>u.</orig><reg>und</reg></choice> die
<lb/>Händler bekommen keine neuen
<lb/>Sendungen von au<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>en.
<notetype="stamp"place="bottom-right"resp="#lc_st_red"><stamprend="round border align(right) small">Deutsche
<lb/>Staatsbibliothek
<lb/><placeNamekey="E0500029"><hirend="spaced-out">Berlin</hi></placeName></stamp></note></p></div>
2Facsimile
2Diplomatic transcription
2XML
[2]
Nach Reisen, unter denen ich
früher so sehr litt, habe ich jetzt
Sehnsucht; aber nur für grosse
Länder und Städte. Diese Sehnsucht
ist unerfüllbar. – Am meisten, von
allem Gewohnten, vermisse ich meine
Büchersammlung – darin ich täglich
Etwas zu schaffen fand – und meine
Abendgänge im Gewühl der Grossstadt.
Bleibt: das ewige Arbeiten,
das für mich zwar unerlässlich
ist, das aber doch mit Hilfe
aller angeführten – jetzt nicht
vorhandenen – Anregungsformen,
noch freudiger und ergebnisreicher
waere. Dieser Standpunkt ist mein
persönlicher. Ich weiss, dass
andere gute(u. bessere) Geister
verschiedene Bedingungen des
Schaffens fordern: von allen diesen
habe ich die "Einsamkeit" niemals
als fördernd empfunden, noch
erfahren; obwohl gerade sie
dem Genie gern (das ich nicht bin)
gerne zugesellt wird.
<divxmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0"type="split"><prend="space-above"type="split"><notetype="foliation"resp="#archive"place="top-right">[2]</note><lb/></p><prend="indent-first">Nach Reisen, unter denen ich
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<lb/>Länder und Städte. Diese Sehnsucht
<lb/>ist unerfüllbar. – Am meisten, von
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<lb/>Etwas zu schaffen fand – und meine
<lb/>Abendgänge im Gewühl der Gro<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>stadt.
<lb/></p><prend="indent-first"> Bleibt: das ewige Arbeiten,
<lb/>das für mich zwar unerlässlich
<lb/>ist, das aber doch mit Hilfe
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<lb/>vorhandenen – Anregungsformen,
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4Diplomatic transcription
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B I, 899
[3]
Ich bin des Wartens müde
u. dieser neue Herbstbeginn
demüthigt mich. Ich hatte den Kreis
meiner Zürcher Thätigkeit
ganz schön abgerundet – und
nun ekelt’s mich, es ihn wieder
in Drehung zu bringen. – Mein
"Werk" ist nun in Arbeit – aber
ich bin kein Mönch, der durch
das Fenster seiner Zelle immer
denselben Strauch erblickt,
und schreibt und schreibt. – Immerhin,
ich bin froh dass ich diesen
Gefährten, – diese werdende neue
Oper –, habe, mit dem ich mich
täglich beschäftigen kann, nach
Gefallen, und der sich stetig
unter meinen Händen formt.
1. Oktober
Die vorangehenden Zeilen dürften
ein Monat alt sein; ich wollte sie
nicht absenden, eher ich etwas
Tröstlicheres hinzufügen konnte.
<divxmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0"type="split"><notetype="shelfmark"resp="#archive"place="top-left">B I, 899</note><notetype="foliation"resp="#archive"place="top-right">[3]</note><lb/><prend="indent-first">Ich bin des Wartens müde<reg>,</reg><lb/><choice><orig>u.</orig><reg>und</reg></choice> dieser neue Herbstbeginn
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<lb/>Staatsbibliothek
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[4]
Darauf noch länger zu warten
erschiene mir Ihnen gegenüber jedoch
als Unrecht. Das erste Bild meines
Bühnenwerks ist indessen doch
in letzter Ausführung fersttiggestellt
Nun geht es wieder an das „Klavier“.Busoni arbeitet zum gegenwärtigen Zeitpunkt an der Klavierübung in 5 Teilen.
Die Opern sollen hier im November
auch wieder aufgenommen werden;Die Erstaufführungen von Turandot und Arlecchino fanden im Mai 1917 in Zürich statt. In einem Brief vom 16. November 1917 von Breitkopf und Härtel an Busoni werden erneute Aufführungen angesprochen: "Sobald wir Partitur und Stimmen, die sich noch beim Notenschreiber befinden, entbehren können, lassen wir das bisherige Material an das Stadttheater in Zürich zurückgehen mit der bestimmten Erinnerung, nun die zugesagten Wiederaufführungen aufzunehmen." Quelle: Ferruccio Busoni im Briefwechsel mit seinem Verlag Breitkopf und Härtel / hrsg. von Eva Hanau, Seite 301-302 überdies veranstalte ich zur näm- lichen Zeit 3 Kompositions AbendeDie Neue Zürcher Zeitung berichtet am 05. November 1917 von Busonis Klavierabend" Ferruccio Busoni hat seinem Klavierabend vom nächsten Dienstag 6. November ein ausgesucht schönes Programm zugrunde gelegt, das interessante Einblicke in die verschiedenen kompositorischen Schaffensperioden des Künstlers bieten wird. Drei „Elegien“ aus dem Jahre 1908 leiten den Abend ein: eine religiös gestimmte Fantasie, eine Tarantella „all'Italiana“ und däs Intermezzo „Turandots Frauengemach“; prachtvoller Klaviersatz und neue harmonische Effelte sind den drei Stücken eigen. Von den zwei Sonatinen dürfte besonders die zweite interessieren. Leichtentritt nennt sie in seinem Buche über Busoni einen Urenkel spirituellen Mozartschen Geistes. Der zweite Programmteil ist der „Fantasia contrapuntistica“ eingeräumt, einem umfangreichen Werke von nahezu halbstündiger Dauer, das Busoni 1910 während seiner Amerikareise verfaßt hat; es ist ein Mittelding zwischen den Bearbeitungen und den eigenen Kompositionen. Von seinen verschiedenen Teilen wird vor allem die Quadrupelfuge Bewunderung erregen, als Meisterstück kontrapunktischer Arbeit. Auch die folgende Programmnummer ist eine Frucht des Aufenthaltes in Amerika: vier Klavierstücke über Indianische Melodien sind im „Indianischen Tagebuch“ zusammengefaßt. Ihnen schließen sich zwei interessante Tanzstücke an, und in der vierten Ballettszene (1894) wird der Abend ausklingen. Es dürfte wohl überflüssig erscheinen, die musikalischen Kreise Zürichs auf den Genuß hinzuweisen, den Pianisten Busoni eine Auswahl seiner bedeutendsten Klavierwerke interpretieren zu hören. Das Konzert beginnt 7 Uhr. Der Zürcher Mandolinisten- und Gitarristenklub wählte an Stelle des zurücktretenden Herrn. Alb. Hengartner zum Dirigenten Herrn A. H. Loreti aus Bremen." Quelle: Neue Zürcher Zeitung, 05. November 1917, Ausgabe 4, Seite 2; in einem Brief an Breitkopf und Härtel vom 17. Oktober 1917 berichtet Busoni allerdings von der Absage des Orchester Kompositionsabends: "Der geplante Orchester Compos. Abd. ist an lokalen Verhältnissen - gescheitert, doch werde ich am Clavier einen Abd. mit eigenen Werken nächstens abhalten." Quelle: Ferruccio Busoni im Briefwechsel mit seinem Verlag Breitkopf und Härtel / hrsg. von Eva Hanau, Seite 290
Könnte ich Sie nur dazu herzau- bern! – Wenn nicht Sie selbst –
doch zum Wenigsten erhoffe ich
einen Brief, der Sie mir um ein
geringes greifbar= näher rückt.
Man erwartet hier Stefan Zweig.
(Ich glaube, dass Sie ihn kennen,
wenngleich er kein regelmässiger
Besucher Ihres Hauses ist).
Grüssen Sie mir freundlichst Ihren
Herrn Sohn.
<divxmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0"type="split"><postscripttype="split"><notetype="foliation"resp="#archive"place="top-right">[4]</note><prend="indent-first">Darauf noch länger zu warten<reg>,</reg><lb/>erschiene mir Ihnen gegenüber <addrend="small">jedoch</add><lb/><addplace="left">als</add> Unrecht. Das <rskey="E0400512"rend="underline">erste Bild</rs> meines
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<notetype="commentary"resp="#E0301027">Die Erstaufführungen von Turandot und Arlecchino fanden im Mai 1917 in Zürich statt. In einem Brief vom 16. November 1917 von Breitkopf und Härtel an Busoni werden erneute Aufführungen angesprochen: "Sobald wir Partitur und Stimmen, die sich noch beim Notenschreiber befinden, entbehren können, lassen wir das bisherige Material an das Stadttheater in Zürich zurückgehen mit der bestimmten Erinnerung, nun die zugesagten Wiederaufführungen aufzunehmen." Quelle: Ferruccio Busoni im Briefwechsel mit seinem Verlag Breitkopf und Härtel / hrsg. von Eva Hanau, Seite 301-302</note><lb/>überdies veranstalte ich zur näm
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[Rückseite von Textseite 1]
1917
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3Diplomatic transcription
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[Rückseite von Textseite 2, vacat]
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5Diplomatic transcription
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[Rückseite von Textseite 3]
BusoniUngelesen #########zu verbrennen
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7Diplomatic transcription
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[Rückseite von Textseite 4, vacat]
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Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B I, 899 | olim:
Mus.ep. F. Busoni 952
|
Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in deutscher Kurrentschrift
Hand des Archivars, der mit Bleistift die Seitenzahlen und den Ort eingetragen hat
Unbekannte Hand, die auf der Rückseite von Textseite 1 etwas Unleserliches und auf der dritten Seite "Ungelesen; zu verbrennen" senkrecht sowie "Busoni" waagerecht notiert hat
Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat
Busoni schreibt über seine Einsamkeit und Isolation, sowie die Schwierigkeiten seines kreativen Schaffens; er berichtet über den Fortschritt seiner neuen Oper und die geplanten Vorstellungen hierzu
Incipit
“es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen zu schreiben; ich fühle mich allmälig einsamer”
Letter by Ferruccio Busoni to Jella Oppenheimer (Zürich, 1 September - 1 October 1917), prepared by Lukas Pinkert, in: Briefwechsel Ferruccio Busoni – Jella Oppenheimer, edited by Christian Schaper and Ullrich Scheideler, Berlin: Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, May 2023: Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, https://busoni-nachlass.org/D0102111 (September 3, 2024: proposed)
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<TEIxmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0"xml:id="D0102111"><teiHeader><fileDesc><titleStmt><titlexml:lang="de">Brief von Ferruccio Busoni an Jella Oppenheimer (Zürich, 1. September - 1. Oktober 1917)</title><titlexml:lang="en">Letter by Ferruccio Busoni to Jella Oppenheimer (Zürich, 1 September - 1 October 1917)</title><authorkey="E0300017">Ferruccio Busoni</author><respStmt><resp>Prepared by</resp><persNamekey="E0301027"><forename>Lukas</forename><surname>Pinkert</surname></persName></respStmt><respStmt><resp>Digitization by</resp><orgNamekey="D-B">Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz</orgName></respStmt></titleStmt><publicationStmt><publisher>Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin</publisher><pubPlace>Berlin</pubPlace><datewhen-iso="2023-05"/><availability><licencetarget="https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/">Attribution-NonCommercial-ShareAlike 4.0 International (CC BY-NC-SA 4.0)</licence></availability></publicationStmt><seriesStmt><titletype="main">Ferruccio Busoni – Briefe und Schriften</title><titletype="genre">Briefe</title><titletype="subseries"key="E010014">Briefwechsel Ferruccio Busoni – Jella Oppenheimer</title><editorkey="E0300314">Christian Schaper</editor><editorkey="E0300313">Ullrich Scheideler</editor></seriesStmt><sourceDesc><msDesc><msIdentifier><countrykey="DE">Deutschland</country><settlement>Berlin</settlement><institutionkey="D-B">Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz</institution><repository>Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv</repository><collection>Nachlass Ferruccio Busoni</collection><idno>Mus.Nachl. F. Busoni B I, 899</idno><altIdentifier><idnotype="D-B.olim">Mus.ep. F. Busoni 952</idno></altIdentifier><altIdentifier><institution>Kalliope-Verbund</institution><idno>DE-611-HS-677497</idno></altIdentifier></msIdentifier><msContents><summary><persNamekey="E0300017">Busoni</persName> schreibt über seine Einsamkeit und Isolation, sowie die Schwierigkeiten seines kreativen Schaffens; er berichtet über den Fortschritt seiner neuen Oper und die geplanten Vorstellungen hierzu</summary><msItem><docDate><datewhen-iso="1917-09-01"/></docDate><docDate><datewhen-iso="1917-10-01"/></docDate><incipit>es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen zu schreiben; ich fühle mich allmälig einsamer</incipit></msItem></msContents><physDesc><objectDesc><supportDesc><extent><measuretype="folio">4 Blätter</measure><measuretype="pages">4 beschriebene Seiten</measure></extent><collation>Nur die Vorderseiten sind beschrieben.</collation><condition>Brief ist gut erhalten.</condition></supportDesc></objectDesc><handDesc><handNotexml:id="major_hand"scope="major"medium="black_ink"scribe="author"scribeRef="#E0300819">Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in deutscher Kurrentschrift</handNote><!-- Busoni schreibt nicht kurrent, scribeRef hat nicht die richtige ID --><handNotexml:id="archive"scope="minor"medium="pencil"scribe="archivist">Hand des Archivars, der mit Bleistift die Seitenzahlen und den Ort eingetragen hat</handNote><!-- Archiv: Foliierung und Signaturen; Ort: Gerda Busoni? --><handNotexml:id="unknown_hand"scope="minor"medium="pencil"scribe="unknown">Unbekannte Hand, die auf der Rückseite von Textseite 1 etwas Unleserliches und auf der dritten Seite "Ungelesen; zu verbrennen" senkrecht sowie "Busoni" waagerecht notiert hat</handNote><!-- ist das denn wirklich alles dieselbe Hand? Schriftvergleiche mit den Händen von Jella und Gerda nötig --><handNotexml:id="archive_red"scope="minor"medium="red_pen"scribe="archivist">Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat</handNote><handNotexml:id="dsb_st_red"scope="minor"medium="red_ink"scribe="archivist">Bibliotheksstempel (rote Tinte)</handNote></handDesc></physDesc><history><origin><origPlacekey="E0500132">Zürich</origPlace><origDatewhen-iso="1917-10-01"/><origDatewhen-iso="1917-09-01"/></origin></history></msDesc></sourceDesc></fileDesc><encodingDesc><projectDesc><p>Erfassung von Briefen und Schriften von Ferruccio Busoni, ausgehend von Busonis Nachlass in der Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz.</p></projectDesc><editorialDecl><hyphenationeol="hard"rend="sh"><p>Worttrennungen an Zeilenumbrüchen im Original mit einfachen Bindestrichen.</p></hyphenation><punctuationmarks="all"placement="external"><p>Alle im Text vorkommenden Interpunktionszeichen wurden beibehalten und werden in der diplomatischen Umschrift wiedergegeben. Bei Auszeichnung durch XML-Elemente wurden umgebende Satzzeichen nicht mit einbezogen.</p></punctuation><quotationmarks="none"><p>Anführungszeichen wurden i. d. R. nicht beibehalten; die Art der Zeichen wurde im Attribut <att>rend</att> der entsprechenden Elemente codiert.</p></quotation><p>Die Übertragung folgt den Editionsrichtlinien des Projekts. <ptrtarget="http://www.busoni-nachlass.org/E1000003"/></p></editorialDecl></encodingDesc><profileDesc><correspDescref="http://www.busoni-nachlass.org/D0102111"><correspActiontype="sent"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/118518011"key="E0300017">Busoni, Ferruccio</persName><datewhen="1917-10-01"/><placeNameref="http://www.geonames.org/2657896"key="E0500132">Zürich</placeName></correspAction><correspActiontype="received"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/1102402745"key="E0300819">Oppenheimer, Jella</persName></correspAction><correspContext><reftype="previous"target="#D0102110"/><reftype="next"target="#D0102112"/></correspContext></correspDesc><langUsage><languageident="de"/></langUsage></profileDesc><revisionDescstatus="proposed"><changewhen-iso="2023-05-29"who="#E0301026">Datei angelegt, status todo</change><changewhen-iso="2024-06-28"who="#E0301027">Bearbeitung übernommen; status unfinished</change><changewhen-iso="2024-09-03"who="#E0301027">Bearbeitung abgeschlossen; status proposed</change><changewhen-iso="2024-09-03"who="#E0300313">Bearbeitung durchgesehen; status proposed</change></revisionDesc></teiHeader><facsimilesameAs="https://content.staatsbibliothek-berlin.de/dc/1843809850/manifest"><graphicn="1"url="https://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB000349DD00000001"/><graphicn="2"url="https://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB000349DD00000002"/><graphicn="3"url="https://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB000349DD00000003"/><graphicn="4"url="https://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB000349DD00000004"/><graphicn="5"url="https://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB000349DD00000005"/><graphicn="6"url="https://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB000349DD00000006"/><graphicn="7"url="https://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB000349DD00000007"/><graphicn="8"url="https://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB000349DD00000008"/></facsimile><texttype="letter"><body><divtype="transcription"><pbn="1"/><notetype="shelfmark"resp="#archive"place="top-left"><subst><delrend="strikethrough">Mus.ep. F. Busoni 752 (Busoni-Nachl. <handShiftnew="#archive_red"/>B I<handShiftnew="#archive"/>)</del><addplace="below">Mus.Nachl. F. Busoni B I, 899</add></subst></note><notetype="foliation"resp="#archive"place="top-right">[1]</note><lb/><notetype="foliation"resp="#archive"rend="underline">Zürich</note><opener><saluterend="indent-first">Meine sehr verehrte <persNamekey="E0300819">Freundin</persName>,</salute></opener><prend="space-above">es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen
<lb/>zu schreiben; ich fühle mich all
<lbbreak="no"/><choice><orig>mälig</orig><reg>mählich</reg></choice> einsamer, ohne dass ich mich
<lb/>von den Menschen entfernte. Es ist
<lb/>bezeichnens<choice><orig>werth</orig><reg>wert</reg></choice>, dass <delrend="overwritten">ſ</del>sehr viele
<lb/>Männer, die sich hierher gerettet
<lb/>haben, einzeln verbleiben, nicht
<lb/>einander sich anschlie<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>en. Trotzdem
<lb/>wei<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice> ich, dass manche eigenartige
<lb/>und wert<choice><orig>h</orig><reg/></choice>volle Persönlichkeit darunter
<lb/>ist, die sich abseits hält. Ich habe
<lb/>nicht viele Freuden. Meine<delrend="overwritten">r</del>n lieben
<lb/>Verkehr mit der Jugend suche ich
<lb/>aufrecht zu halten, doch muss der
<lb/>Zulauf eingeschränkt sein; dem Weine
<lb/>habe ich entsagt, er schmeckt mir
<lb/>nicht mehr, <choice><orig>u.</orig><reg>und</reg></choice> doch vermisse ich
<lb/>ihn. Ich stöbere gern in alten
<lb/>Bücherläden – aber ich kenne jetzt
<lb/>jeden einzelnen von ihnen <choice><orig>u.</orig><reg>und</reg></choice> die
<lb/>Händler bekommen keine neuen
<lb/>Sendungen von au<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>en.
<notetype="stamp"place="bottom-right"resp="#lc_st_red"><stamprend="round border align(right) small">Deutsche
<lb/>Staatsbibliothek
<lb/><placeNamekey="E0500029"><hirend="spaced-out">Berlin</hi></placeName></stamp></note><pbn="3"/><notetype="foliation"resp="#archive"place="top-right">[2]</note><lb/></p><prend="indent-first">Nach Reisen, unter denen ich
<lb/>früher so sehr litt, habe ich jetzt
<lb/>Sehnsucht; aber nur für gro<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>e
<lb/>Länder und Städte. Diese Sehnsucht
<lb/>ist unerfüllbar. – Am meisten, von
<lb/>allem Gewohnten, vermisse ich meine
<lb/>Büchersammlung – darin ich täglich
<lb/>Etwas zu schaffen fand – und meine
<lb/>Abendgänge im Gewühl der Gro<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>stadt.
<lb/></p><prend="indent-first"> Bleibt: das ewige Arbeiten,
<lb/>das für mich zwar unerlässlich
<lb/>ist, das aber doch mit Hilfe
<lb/>aller angeführten – jetzt nicht
<lb/>vorhandenen – Anregungsformen,
<lb/>noch freudiger und ergebnisreicher
<lb/>w<choice><orig>ae</orig><reg>ä</reg></choice>re. Dieser Standpunkt ist mein
<lb/>persönlicher. Ich wei<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>, dass
<lb/>andere gute(<choice><orig>u.</orig><reg>und</reg></choice> bessere) Geister
<lb/>verschiedene Bedingungen des
<lb/>Schaffens fordern: von allen diesen
<lb/>habe ich die <soCalledrend="dq-uu-straight">Einsamkeit</soCalled> niemals
<lb/>als fördernd empfunden, noch
<lb/>erfahren; obwohl gerade sie
<lb/>dem Genie <delrend="strikethrough">gern</del> (das ich nicht bin)
<lb/>gerne zugesellt wird.
<notetype="stamp"place="bottom-right"resp="#lc_st_red"><stamprend="round border align(right) small">Deutsche
<lb/>Staatsbibliothek
<lb/><placeNamekey="E0500029"><hirend="spaced-out">Berlin</hi></placeName></stamp></note></p><pbn="5"/><notetype="shelfmark"resp="#archive"place="top-left">B I, 899</note><notetype="foliation"resp="#archive"place="top-right">[3]</note><lb/><prend="indent-first">Ich bin des Wartens müde<reg>,</reg><lb/><choice><orig>u.</orig><reg>und</reg></choice> dieser neue Herbstbeginn
<lb/>demüt<choice><orig>h</orig><reg/></choice>igt mich. Ich hatte den Kreis
<lb/>meiner Zürcher T<choice><orig>h</orig><reg/></choice>ätigkeit
<lb/>ganz schön abgerundet – und
<lb/>nun ekelt’s mich, <delrend="strikethrough">es</del> ihn wieder
<lb/>in Drehung zu bringen. – Mein
<lb/><rskey="E0400218"><soCalledrend="dq-uu-straight underline">Werk</soCalled></rs> ist nun in Arbeit – aber
<lb/>ich bin kein Mönch, der durch
<lb/>das Fenster seiner Zelle immer
<lb/>denselben Strauch erblickt,
<lb/>und schreibt und schreibt. – Immerhin,
<lb/>ich bin froh<reg>,</reg> dass ich diesen
<lb/>Gefährten, – diese werdende neue
<lb/><rskey="E0400218">Oper</rs> –<choice><orig>,</orig><reg/></choice> habe, mit dem ich mich
<lb/>täglich beschäftigen kann, nach
<lb/>Gefallen, und der sich stetig
<lb/>unter meinen Händen formt.</p><postscript><opener><datelinerend="align(right) underline"><datewhen-iso="1917-10-01">1. Oktober</date></dateline><lb/>Die vorangehenden Zeilen dürften
<lb/>ein<choice><sic/><corr>en</corr></choice> Monat alt sein; ich wollte sie
<lb/>nicht absenden, <choice><sic>eher</sic><corr>ehe</corr></choice> ich etwas
<lb/>Tröstlicheres <addplace="above">hin</add>zufügen konnte.
</opener><notetype="stamp"place="bottom-right"resp="#lc_st_red"><stamprend="round border align(right) small">Deutsche
<lb/>Staatsbibliothek
<lb/><placeNamekey="E0500029"><hirend="spaced-out">Berlin</hi></placeName></stamp></note><pbn="7"/><notetype="foliation"resp="#archive"place="top-right">[4]</note><prend="indent-first">Darauf noch länger zu warten<reg>,</reg><lb/>erschiene mir Ihnen gegenüber <addrend="small">jedoch</add><lb/><addplace="left">als</add> Unrecht. Das <rskey="E0400512"rend="underline">erste Bild</rs> meines
<lb/><rskey="E0400218">Bühnenwerks</rs> ist indessen doch
<lb/>in letzter Ausführung fer<delrend="strikethrough-part">st</del>tiggestellt
<lb/>Nun geht es wieder an das <soCalledrend="dq-du">Klavier</soCalled>.
<notetype="commentary"resp="#E0301027">Busoni arbeitet zum gegenwärtigen Zeitpunkt an der <rskey="E0400166">Klavierübung in 5 Teilen</rs>.</note></p><p><lb/><rskey="E0400153 E0400133">Die Opern</rs> sollen hier im November
<lb/>auch wieder aufgenommen werden;
<notetype="commentary"resp="#E0301027">Die Erstaufführungen von Turandot und Arlecchino fanden im Mai 1917 in Zürich statt. In einem Brief vom 16. November 1917 von Breitkopf und Härtel an Busoni werden erneute Aufführungen angesprochen: "Sobald wir Partitur und Stimmen, die sich noch beim Notenschreiber befinden, entbehren können, lassen wir das bisherige Material an das Stadttheater in Zürich zurückgehen mit der bestimmten Erinnerung, nun die zugesagten Wiederaufführungen aufzunehmen." Quelle: Ferruccio Busoni im Briefwechsel mit seinem Verlag Breitkopf und Härtel / hrsg. von Eva Hanau, Seite 301-302</note><lb/>überdies veranstalte ich zur näm
<lbbreak="no"/>lichen Zeit <choice><orig>3</orig><reg>drei</reg></choice><choice><orig>Kompositions Abende</orig><reg>Kompositionsabende</reg></choice><notetype="commentary"resp="#E0301027">Die Neue Zürcher Zeitung berichtet am 05. November 1917 von Busonis Klavierabend" Ferruccio Busoni hat seinem Klavierabend vom nächsten Dienstag 6. November ein ausgesucht schönes Programm zugrunde gelegt, das interessante Einblicke in die verschiedenen kompositorischen Schaffensperioden des Künstlers bieten wird. Drei „Elegien“ aus dem Jahre 1908 leiten den Abend ein: eine religiös gestimmte Fantasie, eine Tarantella „all'Italiana“ und däs Intermezzo „Turandots Frauengemach“; prachtvoller Klaviersatz und neue harmonische Effelte sind den drei Stücken eigen. Von den zwei Sonatinen dürfte besonders die zweite interessieren. Leichtentritt nennt sie in seinem Buche über Busoni einen Urenkel spirituellen Mozartschen Geistes. Der zweite Programmteil ist der „Fantasia contrapuntistica“ eingeräumt, einem umfangreichen Werke von nahezu halbstündiger Dauer, das Busoni 1910 während seiner Amerikareise verfaßt hat; es ist ein Mittelding zwischen den Bearbeitungen und den eigenen Kompositionen. Von seinen verschiedenen Teilen wird vor allem die Quadrupelfuge Bewunderung erregen, als Meisterstück kontrapunktischer Arbeit. Auch die folgende Programmnummer ist eine Frucht des Aufenthaltes in Amerika: vier Klavierstücke über Indianische Melodien sind im „Indianischen Tagebuch“ zusammengefaßt. Ihnen schließen sich zwei interessante Tanzstücke an, und in der vierten Ballettszene (1894) wird der Abend ausklingen. Es dürfte wohl überflüssig erscheinen, die musikalischen Kreise Zürichs auf den Genuß hinzuweisen, den Pianisten Busoni eine Auswahl seiner bedeutendsten Klavierwerke interpretieren zu hören. Das Konzert beginnt 7 Uhr. Der Zürcher Mandolinisten- und Gitarristenklub wählte an Stelle des zurücktretenden Herrn. Alb. Hengartner zum Dirigenten Herrn A. H. Loreti aus Bremen." Quelle: Neue Zürcher Zeitung, 05. November 1917, Ausgabe 4, Seite 2; in einem Brief an Breitkopf und Härtel vom 17. Oktober 1917 berichtet Busoni allerdings von der Absage des Orchester Kompositionsabends: "Der geplante Orchester Compos. Abd. ist an lokalen Verhältnissen - gescheitert, doch werde ich am Clavier einen Abd. mit eigenen Werken nächstens abhalten." Quelle: Ferruccio Busoni im Briefwechsel mit seinem Verlag Breitkopf und Härtel / hrsg. von Eva Hanau, Seite 290</note></p><p><lb/>Könnte ich Sie nur dazu herzau
<lbbreak="no"/>bern! – Wenn nicht Sie selbst –
<lb/>doch zum Wenigsten erhoffe ich
<lb/>einen Brief, der Sie mir <addplace="above">um</add> ein
<lb/><choice><orig>g</orig><reg>G</reg></choice>eringes greifbar<choice><orig>=</orig><reg/></choice> näher rückt.</p><p><lb/>Man erwartet hier <persNamekey="E0300204">Stefan Zweig</persName>.
<lb/>(Ich glaube, dass Sie ihn kennen,
<lb/>wenngleich er kein regelmä<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>iger
<lb/>Besucher Ihres Hauses ist<choice><orig>).</orig><reg>.)</reg></choice><lb/>Grü<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>en Sie mir freundlichst Ihren
<lb/><rskey="E0300859">Herrn Sohn</rs>.</p><closer><salute>Ich küsse
<lb/>Ihnen die H<choice><orig>ae</orig><reg>ä</reg></choice>nde als Ihr
<lb/><segrend="align(center)">treu ergebener</seg></salute><signed><persNamerend="align(right) underline"key="E0300017">F. Busoni</persName></signed>
´ </closer></postscript><datelinerend="align(left) "><datewhen-iso="1917">Zürich 1917</date></dateline><notetype="stamp"place="bottom-right"resp="#sbb_st_red"><stamprend="round border align(right) small">Deutsche
<lb/>Staatsbibliothek
<lb/><placeNamekey="E0500029"><hirend="spaced-out">Berlin</hi></placeName></stamp></note><pbn="2"/><notetype="objdesc"resp="#E0301027">[Rückseite von Textseite 1]</note><lb/><notetype="foliation"resp="#archive"place="bottom-left"rend="rotate(90)">1917</note><pbn="4"/><notetype="objdesc"resp="#E0301027">[Rückseite von Textseite 2, vacat]</note><pbn="6"/><notetype="objdesc"resp="#E0301027">[Rückseite von Textseite 3]</note><lb/><notetype="foliation"resp="#archive"rend="underline">Busoni</note><notetype="foliation"resp="#archive"rend="rotate(90)">Ungelesen</note><lb/><notetype="foliation"resp="#archive"rend="strikethrough">#########</note><notetype="foliation"resp="#archive"rend="rotate(90)"place="center">zu verbrennen</note><pbn="8"/><notetype="objdesc"resp="#E0301026">[Rückseite von Textseite 4, vacat]</note></div></body></text></TEI>