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Mus.ep. F. Busoni 752 (Busoni-Nachl. B I) Mus. Nachl. F. Busoni B I, 899
[1]
Meine sehr veehrte Freundin,
Es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen
zu schreiben; ich fühle mich all
break="no"/>mälig einsamer, ohne dass ich mich
von den Menschen entfernte. Es ist
bezeichnenswert, dass sehr viele
Männer, die sich hierher gesellt
haben, einzeln verbleiben, nicht
einander sich anschließen. Trotzdem
weiss ich, dass manche eigenartige
und wertvolle Persönlichkeiten darunter
ist, die sich abseits hält. Ich habe
nicht viele Freunde. Meinen lieben
Verkehr mit der Jugend suche ich
aufrecht zu halten, doch muss der
Zulauf eingeschränkt sein; dem Weine
habe ich entsagt, er schmeckt mir
nicht mehr, u. doch vermisse ich
ihn. Ich stöbere gern in alten
Bücherläden — aber ich kenne jetzt
jeden einzelnen von ihnen u. die
Händler bekommen keine neuen
Sendungen von au“grosses”en.
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Meine sehr veehrte Freundin,
Es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen
zu schreiben; ich fühle mich all
break="no"/>mälig einsamer, ohne dass ich mich
von den Menschen entfernte. Es ist
bezeichnenswert, dass sehr viele
Männer, die sich hierher gesellt
haben, einzeln verbleiben, nicht
einander sich anschließen. Trotzdem
weiss ich, dass manche eigenartige
und wertvolle Persönlichkeiten darunter
ist, die sich abseits hält. Ich habe
nicht viele Freunde. Meinen lieben
Verkehr mit der Jugend suche ich
aufrecht zu halten, doch muss der
Zulauf eingeschränkt sein; dem Weine
habe ich entsagt, er schmeckt mir
nicht mehr, u. doch vermisse ich
ihn. Ich stöbere gern in alten
Bücherläden — aber ich kenne jetzt
jeden einzelnen von ihnen u. die
Händler bekommen keine neuen
Sendungen von au„großes“en.
Nach Reisen, unter denen ich
früher so sehr litt, habe ich jetzt
Sehnsucht; aber nur für gro„großes“ e
Länder und Städte. Diese Sehnsucht
ist unerfüllbar. Am meisten, von
allem Gewohnten, vermisse ich meine
Büchersammlung — darin ich täglich
etwas zu schaffen fand — und meine
Abendgänge im Gewühl der Gro„großes“ stadt.
Bleibt: das ewige arbeiten,
das für mich; was unerträglich
ist, das aber doch mit Hilfe
aller angeführten — jetzt nicht
vorhandenen Ausgangsformen,
noch freudiger und ergebnisreicher
waere. Dieser Standpunkt ist mein
persönlicher. Ich wei„großes“ , dass
andere (u. bessere) Geister
verschiedene Bedingungen des
Schaffens fordern. Von allen Diesen
habe ich die „Einsamkeit“ niemals
als fördernd empfunden, noch
erfahren; obwohl gerade Sie
dem Genie (das ich nicht bin)
gerne zusagt wird.
Ich bin des Wartens müde
u. dieser neue Herbstbeginn
demütigt mich. Ich hatte den Kreis
meiner Züricher Tätigkeit
ganz schön abgerundet — und
nun ekelt's mich, ihn wieder
in Drehung zu bringen. — rend="indent-first">Mein
„Werk“ ist nun in Arbeit — aber
ich bin kein Mönch, der durch
das Fenster seiner Zelle immer
denselben Strauch erblickt,
und schreibt und schreibt. — Immerhin,
ich bin froh dass ich diesen
Gefährten, diese werdende neue
Oper, habe, mit dem ich mich
täglich beschäftigen kann, nach
Gefallen, und der sich stetig
unter meinen Händen formt.
1. Oktober
die vorangehenden Zeilen dürften
ein Monat alt sein; ich wollte sie
nicht absenden, eher ich etwas
tröstlicheres hinzufügen konnte.
Darauf noch länger zu warten
erschiene mir Ihnen gegenüber jedoch
als unrecht. Das erste Bild meines
Bühnenwerkes ist indessen doch
in letzter Ausführung fertiggestellt.
Nun geht es wieder an das „Klavier“.
Die Opern sollen hier im November
auch wieder aufgenommen werden,
über dies veranstalte ich zur näm
break="no"/>lichen Zeit „drei“ Kompositionsabende.
Könnte ich Sie nur dazu herzau
break="no"/>bern!— Wenn nicht Sie selbst
break="no"/>doch zum Wenigsten erhoffe ich
einen Brief, der Sie mir um ein
geringes greifbar näher rückt.
Man erwartet hier Stefan Zweig
"Ich glaube, dass Sie ihn kennen,
wenngleich er kein regelmä„großes“ iger
Besucher Ihres Hauses ist).
Grüssen Sie mir freundlichst Ihren
Herrn Sohn. Ich küsse
Ihnen die H„groäes“ nde als Ihr
treu ergebene
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<lb/>von den Menschen entfernte. Es ist
<lb/>bezeichnenswert, dass sehr viele
<lb/>Männer, die sich hierher gesellt
<lb/>haben, einzeln verbleiben, nicht
<lb/>einander sich anschließen. Trotzdem
<lb/>weiss ich, dass manche eigenartige
<lb/>und wertvolle Persönlichkeiten darunter
<lb/>ist, die sich abseits hält. Ich habe
<lb/>nicht viele Freunde. Meinen lieben
<lb/>Verkehr mit der Jugend suche ich
<lb/>aufrecht zu halten, doch muss der
<lb/>Zulauf eingeschränkt sein; dem Weine
<lb/>habe ich entsagt, er schmeckt mir
<lb/>nicht mehr, u. doch vermisse ich
<lb/>ihn. Ich stöbere gern in alten
<lb/>Bücherläden — aber ich kenne jetzt
<lb/>jeden einzelnen von ihnen u. die
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[Rückseite von Textseite 1]
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Nach Reisen, unter denen ich
früher so sehr litt, habe ich jetzt
Sehnsucht; aber nur für gro“grosses” e
Länder und Städte. Diese Sehnsucht
ist unerfüllbar. Am meisten, von
allem Gewohnten, vermisse ich meine
Büchersammlung — darin ich täglich
etwas zu schaffen fand — und meine
Abendgänge im Gewühl der Gro“grosses” stadt.
Bleibt: das ewige arbeiten,
das für mich; was unerträglich
ist, das aber doch mit Hilfe
aller angeführten — jetzt nicht
vorhandenen Ausgangsformen,
noch freudiger und ergebnisreicher
waere. Dieser Standpunkt ist mein
persönlicher. Ich wei“grosses” , dass
andere (u. bessere) Geister
verschiedene Bedingungen des
Schaffens fordern. Von allen Diesen
habe ich die „Einsamkeit“ niemals
als fördernd empfunden, noch
erfahren; obwohl gerade Sie
dem Genie gern (das ich nicht bin)
gerne zusagt wird.
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<lb/>ist unerfüllbar. Am meisten, von
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<lb/>Büchersammlung — darin ich täglich
<lb/>etwas zu schaffen fand — und meine
<lb/>Abendgänge im Gewühl der Gro<soCalled rend="dq-uu">gro<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>es</soCalled> stadt.
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<lb/>das für mich; was unerträglich
<lb/>ist, das aber doch mit Hilfe
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<lb/>vorhandenen Ausgangsformen,
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[Rückseite von Textseite 2]
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B I, 899 [3]
Ich bin des Wartens müde
u. dieser neue Herbstbeginn
demütigt mich. Ich hatte den Kreis
meiner Züricher Tätigkeit
ganz schön abgerundet — und
nun ekelt's mich, ihn wieder
in Drehung zu bringen. — rend="indent-first">Mein
„Werk“ ist nun in Arbeit — aber
ich bin kein Mönch, der durch
das Fenster seiner Zelle immer
denselben Strauch erblickt,
und schreibt und schreibt. — Immerhin,
ich bin froh dass ich diesen
Gefährten, diese werdende neue
Oper, habe, mit dem ich mich
täglich beschäftigen kann, nach
Gefallen, und der sich stetig
unter meinen Händen formt.
1. Oktober
die vorangehenden Zeilen dürften
ein Monat alt sein; ich wollte sie
nicht absenden, eher ich etwas
tröstlicheres hinzufügen konnte.
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<p>
Ich bin des Wartens müde
<lb/>u. dieser neue Herbstbeginn
<lb/>demütigt mich. Ich hatte den Kreis
<lb/>meiner Züricher Tätigkeit
<lb/>ganz schön abgerundet — und
<lb/>nun ekelt's mich, ihn wieder
<lb/>in Drehung zu bringen. — rend="indent-first">Mein<rs key="E0400218">
<lb/><soCalled rend="dq-du">Werk</soCalled></rs> ist nun in Arbeit — aber
<lb/>ich bin kein Mönch, der durch
<lb/>das Fenster seiner Zelle immer
<lb/>denselben Strauch erblickt,
<lb/>und schreibt und schreibt. — Immerhin,
<lb/>ich bin froh dass ich diesen
<lb/>Gefährten, diese werdende neue
<lb/>Oper, habe, mit dem ich mich
<lb/>täglich beschäftigen kann, nach
<lb/>Gefallen, und der sich stetig
<lb/>unter meinen Händen formt.
<lb/> 1. Oktober
<lb/>die vorangehenden Zeilen dürften
<lb/>ein Monat alt sein; ich wollte sie
<lb/>nicht absenden, eher ich etwas
<lb/>tröstlicheres hinzufügen konnte.
</p>
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[Rückseite von Textseite 3]
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[4]
Darauf noch länger zu warten
erschiene mir Ihnen gegenüber jedoch
als unrecht. Das erste Bild meines
Bühnenwerkes ist indessen doch
in letzter Ausführung fertiggestellt.
Nun geht es wieder an das „Klavier“.
Die Opern sollen hier im November
auch wieder aufgenommen werden,
über dies veranstalte ich zur näm
break="no"/>lichen Zeit “3” Kompositionsabende.
Könnte ich Sie nur dazu herzau
break="no"/>bern!— Wenn nicht Sie selbst
break="no"/>doch zum Wenigsten erhoffe ich
einen Brief, der Sie mir um ein
geringes greifbar näher rückt.
Man erwartet hier Stefan Zweig
"Ich glaube, dass Sie ihn kennen,
wenngleich er kein regelmä“grosses” iger
Besucher Ihres Hauses ist).
Grüssen Sie mir freundlichst Ihren
Herrn Sohn. Ich küsse
Ihnen die H“groaees” nde als Ihr
treu ergebene
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
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<p>Darauf noch länger zu warten
<lb/>erschiene mir Ihnen gegenüber jedoch
<lb/>als unrecht. Das erste Bild meines
<lb/>Bühnenwerkes ist indessen doch
<lb/>in letzter Ausführung fertiggestellt.
<lb/>Nun geht es wieder an das <soCalled rend="dq-du">Klavier</soCalled>.
<lb/>Die Opern sollen hier im November
<lb/>auch wieder aufgenommen werden,
<lb/>über dies veranstalte ich zur näm
<lb/>break="no"/>lichen Zeit <soCalled rend="dq-uu"><choice><orig>3</orig><reg>drei</reg></choice></soCalled> Kompositionsabende.
<lb/>Könnte ich Sie nur dazu herzau
<lb/>break="no"/>bern!— Wenn nicht Sie selbst
<lb/>break="no"/>doch zum Wenigsten erhoffe ich
<lb/>einen Brief, der Sie mir um ein
<lb/>geringes greifbar näher rückt.
<lb/>Man erwartet hier <persName key="E0300204">Stefan Zweig</persName>
<lb/>"Ich glaube, dass Sie ihn kennen,
<lb/>wenngleich er kein regelmä<soCalled rend="dq-uu">gro<choice><orig>ss</orig><reg>ß</reg></choice>es</soCalled> iger
<lb/>Besucher Ihres Hauses ist).
<lb/>Grüssen Sie mir freundlichst Ihren
<lb/>Herrn Sohn. Ich küsse
<lb/>Ihnen die H<soCalled rend="dq-uu">gro<choice><orig>ae</orig><reg>ä</reg></choice>es</soCalled> nde als Ihr
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8Diplomatic transcription
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[Rückseite von Textseite 4]
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