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Mus.ep. F. Busoni 732 (Busoni-Nachl. B I) Mus.Nachl. F. Busoni B I, 1173
[1]
Lieber Freund Wegelius.
Der mitfolgende Scherz
Dem Brief legte Busoni das selbstverfasste Libretto Der Ring des Niebelungen [!] in’s Finnische übertragen von Omnibus bei („Omnibus“ ist bis auf das „m“ ein Busoni-Anagramm). Diese Parodie von Wagners Ring des Nibelungen zeigt Busoni als Siegfried in Helsinki und besetzt die Rollen des Originals mit Kolleg*innen, Schüler*innen und weiteren Bekannten. Die agierenden Personen werden auf spezifische Merkmale wie Talentlosigkeit, Faulheit oder Geiz reduziert und durchweg ins Lächerliche gezogen. Wenngleich die stark verkürzte Handlung sehr auf Erfahrungen während Busonis Lehrtätigkeit in Helsinki zugeschnitten ist, wahrt er durch lose Orientierung an der Handlung und paraphrasierte Wagner-Verse stets den Bezug zur Vorlage. Offenbar wollte sich Busoni aber nicht nur über kulturelle Rückständigkeit lustig machen; er reflektiert auch über die Herausforderung, eine eigene musikalische Identität fernab von Wagner zu finden, während die Musikkultur in Helsinki noch im Aufbau war. Trotz des finnischen Wunsches nach nationaler Identität blieb dort die Bewunderung für Wagner stark, worauf Busoni die eigene Ablehnung als Komponist zurückführte. Abgesehen von Gerda kommt in der Parodie nur Wegelius gut weg: In der Rolle des Hagen ist er der einzige, der Busoni maßgeblich unterstützt, einen eigenen Weg zu finden. Vgl. die kommentierte Ausgabe des Textbuchs (Fischer/Knust/Kauppala 2021) sowie die Interpretation (Fischer 2021, S. 321–333).
war
schon vor einem Jahre in einer
Stunde loser Laune geschrieben.
Die kleinen boshaften Anspielungen
sind deshalb ja nicht ernst zu
nehmen. Meine Satyre brennt
nicht wie ein vergifteter Pfeil,
sondern höchstens wie Paprika;
Fischer 2021 (339): Komma statt Semikolon.
u. ich bitte, dass
Fischer 2021 (339): „daß“.
du sie nur solchen
Leuten zu schmecken gibst, bei
denen dieser Pfeffer keinen nicht
Rache=durst zu erzeugen vermag.
Am besten aber, du lachst dich
für dich selbst darüber aus
– falls du überhaupt darüber
lachst – u. schließest dann das
Ding ein, oder zerreissest es.
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
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Lieber Freund Wegelius.
Der mitfolgende Scherz
Dem Brief legte Busoni das selbstverfasste Libretto Der Ring des Niebelungen [!] in’s Finnische übertragen von Omnibus bei („Omnibus“ ist bis auf das „m“ ein Busoni-Anagramm). Diese Parodie von Wagners Ring des Nibelungen zeigt Busoni als Siegfried in Helsinki und besetzt die Rollen des Originals mit Kolleg*innen, Schüler*innen und weiteren Bekannten. Die agierenden Personen werden auf spezifische Merkmale wie Talentlosigkeit, Faulheit oder Geiz reduziert und durchweg ins Lächerliche gezogen. Wenngleich die stark verkürzte Handlung sehr auf Erfahrungen während Busonis Lehrtätigkeit in Helsinki zugeschnitten ist, wahrt er durch lose Orientierung an der Handlung und paraphrasierte Wagner-Verse stets den Bezug zur Vorlage. Offenbar wollte sich Busoni aber nicht nur über kulturelle Rückständigkeit lustig machen; er reflektiert auch über die Herausforderung, eine eigene musikalische Identität fernab von Wagner zu finden, während die Musikkultur in Helsinki noch im Aufbau war. Trotz des finnischen Wunsches nach nationaler Identität blieb dort die Bewunderung für Wagner stark, worauf Busoni die eigene Ablehnung als Komponist zurückführte. Abgesehen von Gerda kommt in der Parodie nur Wegelius gut weg: In der Rolle des Hagen ist er der einzige, der Busoni maßgeblich unterstützt, einen eigenen Weg zu finden. Vgl. die kommentierte Ausgabe des Textbuchs (Fischer/Knust/Kauppala 2021) sowie die Interpretation (Fischer 2021, S. 321–333).
war
schon vor einem Jahre in einer
Stunde loser Laune geschrieben.
Die kleinen, boshaften Anspielungen
sind deshalb ja nicht ernst zu
nehmen. Meine Satire brennt
nicht wie ein vergifteter Pfeil,
sondern höchstens wie Paprika;
und ich bitte, dass
du sie nur solchen
Leuten zu schmecken gibst, bei
denen dieser Pfeffer keinen
Rachedurst zu erzeugen vermag.
Am besten aber, du lachst dich
für dich selbst darüber aus
– falls du überhaupt darüber
lachst – und schließest dann das
Ding ein oder zerreißest es.
Die Facta, auf die es anspielt,
sind übrigens schon veraltet,
aber – notabene – die handelnden
Personen sind zwar nicht verjüngt,
wandeln aber noch auf euerer Erde.
Ich sage „euerer“, denn sie ist
von dieser
amerikanischen höchst
verschieden. Amerikanisch sind
bei euch nur die Zeitungsjungen
und höchstens noch a-Merikanto.
Obwohl der finnische Komponist Oskar Merikanto während Busonis Zeit am Musikinstitut in Leipzig bei Carl Reinecke und in Berlin bei Albert Becker studierte, verzeichnet die Nya Pressen in dieser Zeit mehrere Konzerte Merikantos in Helsinki, sodass die beiden sich sicherlich kennengelernt hatten. Das legt auch Merikantos Auftritt in Busonis Parodie nahe, in welcher er einen der stolzen Nationalisten darstellt, die Busoni als Komponisten ablehnen (vgl. Fischer/Knust/Kauppala 2021, S. 364 f.).
Au!
Durch Nya Pressen
erfahren wir
glücklicherweise alles, was in
Helsingfors öffentlich geschieht;
„Tante“ Helmi
versorgt uns mit
privateren Mitteilungen. Von dir
hätte ich beides umsonst erwartet!
Auch Dayas scheint sehr
verschlossener Natur geworden zu
sein und ganz finnisch. Ja, ja, finnisch.
Sein einziger an mich gerichteter
Brief
Brief vom 23. Mai 1893, Staatsbibliothek zu Berlin, Mus.Nachl. F. Busoni B II, 1385. Dayas bedankt sich in diesem Brief für zahlreiche Noten, die Busoni ihm geschickt hatte, zeigt sich über negative Reaktionen in Helsinki auf Busonis Komposition Kultaselle sehr verärgert (siehe auch Kommentierung im vorigen Brief) und freut sich „auf den Tag wo [er] diese Variationen in einem civilisirten Land spielen kann“.
(der mich übrigens enorm freute)
spielte,
ganz im finnischen Volkston,
stets zwischen Des-Dur
und des-Moll.
Zum Wortspiel mit Dayas’ Namen siehe die Kommentierung im vorigen Brief.
Das Moll war leider (aber charakteristisch)
vorwiegend.
Wenn du von mir etwas wissen
willst,
so habe ich – scheint mir – im Klavierspiel
Fortschritte gemacht; als Komponist
vollendete ich ein „Symphonisches
Tongedicht“ für größtes Orchester
(absolut nicht „kammermusikhaft“),
das ebenso wenig wie alle meine
übrigen Sächelchen deinen Beifall
erhofft. Nichtsdestoweniger –
(Icke desto mindre)
Schwed.: nichtsdestoweniger.
werde ich dir
seinerzeit ein Exemplar der Partitur
zuschicken; es ist eben im Erscheinen.
Boston haben wir Valet gesagt,
und New York wird wohl bald auch
sich ohne mich trösten müssen.
Überall will man mich gern zurückhalten, wogegen ich wieder große
Zurückhaltung zeige.
Ich bin unterdessen
um ein gutes
Stück weniger deutsch geworden
und treibe immer mehr zum
Kosmopolitismus – ob zum Heil?
Wer weiß. Auch
ein guter Lisztianer
bin ich geworden; ich spiele jetzt mit
Vorliebe (und beinahe alles!)
von
diesem Meister;
Busonis inniges Interesse an der Musik von Liszt begann nicht erst in Boston, sondern ist schon auf die eindringliche Empfehlung von Wegelius zurückzuführen (vgl. Dent 1974, S. 103). Dieser hatte Liszt 1878 in Hannover spielen gehört und war seitdem begeisterter Anhänger der „Liszt’schen Klavierschule“ (vgl. von Bonsdorff 2019, S. 278). Wohl nicht zufällig waren die ersten drei Klavierlehrer des Instituts allesamt ehemalige Liszt-Schüler: Karl Pohlig (1882–1883), Ludwig Dingeldey (1883–1887) und Karl Schuler (1887–1888) (vgl. Dahlström 1982, S.326–328).
ich glaube,
auch mit
richtiger Auffassung. Mein Spiel
hat dadurch entschieden an Glanz
usw.
gewonnen.
Ich brenne danach, etwas von
Sibelius kennen zu lernen;
könnte ich was bekommen?
Es wäre möglich, dass man
es zur Aufführung brächte.
Grüße ihn herzlichst; vor allem
aber deine vortreffliche Frau Hanna,
Bergroths,
„Bergroth“ ist der Geburtsname von Wegelius’ Frau Hanna. Busoni hatte neben den Eltern Carl Edvard und Carolina Amalia Bergroth – der Vater war allerdings 1890 gestorben – wahrscheinlich auch Lydia Bergroth, die früh verwitwete Schwägerin und enge Bezugsperson Wegelius’, und Hannas Cousin Edvin Bergroth kennengelernt, dessen Ferienhaus die Wegelius’ und Busoni im Sommer nutzten (vgl. von Bonsdorff 2019, S. 362 ff.).
Wifung,
Auch in seiner Wagner-Parodie lässt Busoni einen „Wifung vom Geschlecht der Wifungen“ auftreten, (Fischer/Knust/Kauppala 2021, S. 370) wohl in Anspielung auf Wagner’sche Namen (Wälsungen, Gibichungen). Dem Kontext folgend, handelt es sich dabei um einen Lehrer des Instituts. Gemeint ist wohl Heinrich Wefing, den Busoni schon zu Beginn seiner Zeit in Helsinki in Briefen missbilligte (vgl. die Kommentare über seinen „Collegen“, den „zweiten Klavierlehrer“, in den Petri-Briefen vom September, Busoni/Weindel 1999a, S. 15–21.
Dayas, Ojanperä
Der finnische Bariton Abraham Ojanperä war 1885–1915 Gesangslehrer am Musikinstitut (vgl. Dahlström 1982, S. 47, 331).
und noch viele
ausgezeichnete
Menschen.
Herzlichst dein alter
Unterlehrergehülfe
F B Busoni
|
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<note type="shelfmark" place="top-left" resp="#archive">
<subst><del xml:id="del_sig" rend="strikethrough">Mus.ep. F. Busoni 732 (Busoni-Nachl. <handShift new="#archive_red"/>B I<handShift new="#archive"/>)</del><add xml:id="add_sig" place="below">Mus.Nachl. F. Busoni B I, 1173 </add></subst>
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<note type="foliation" resp="#archive" place="top-right">[1]</note>
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<dateline rend="align(right) space-below">
<placeName key="E0500031">New York</placeName><reg>,</reg> <date when-iso="1893-10-26">26<reg>.</reg> <choice><abbr>Okt</abbr><expan>Oktober</expan></choice> 93</date><reg>,</reg>
<note type="commentary" resp="#E0300616">Nachdem <persName key="E0300017">Busoni</persName> <date when-iso="1891">1891</date> nach <placeName key="E0500093">Amerika</placeName> übergesiedelt war, um am <orgName key="E0600133"><placeName key="E0501025">New England</placeName> Conservatory</orgName> in <placeName key="E0500018">Boston</placeName> als Klavierlehrer zu arbeiten, beendete er die Lehrtätigkeit <date when-iso="1892">1892</date> und zog nach <placeName key="E0500031">New York</placeName>, um sich von dort aus auf seine Virtuosenlaufbahn zu konzentrieren <bibl>(vgl. <ref target="#E0800196"/>, S. 133 ff.)</bibl>.</note>
<lb/><placeName key="E0500948">W. 403, Manhattan Ave<choice><abbr>.</abbr><expan>nue</expan></choice></placeName>
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<salute rend="space-below">Lieber Freund <persName key="E0300207">Wegelius</persName>.</salute>
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<p type="pre-split">Der <rs key="E0400694">mitfolgende Scherz</rs>
<note type="commentary" resp="#E0300616">Dem Brief legte <persName key="E0300017">Busoni</persName> das selbstverfasste Libretto <title key="E0400694">Der Ring des Niebelungen [!] in’s <placeName key="E0500323">Finnische</placeName> übertragen von <rs key="E0300017">Omnibus</rs></title> bei (<mentioned>Omnibus</mentioned> ist bis auf das <mentioned>m</mentioned> ein <persName key="E0300017">Busoni</persName>-Anagramm). Diese Parodie von <persName key="E0300006">Wagners</persName> <title key="E0400428">Ring des Nibelungen</title> zeigt <persName key="E0300017">Busoni</persName> als Siegfried in <placeName key="E0500270">Helsinki</placeName> und besetzt die Rollen des Originals mit Kolleg*innen, Schüler*innen und weiteren Bekannten. Die agierenden Personen werden auf spezifische Merkmale wie Talentlosigkeit, Faulheit oder Geiz reduziert und durchweg ins Lächerliche gezogen. Wenngleich die stark verkürzte Handlung sehr auf Erfahrungen während <persName key="E0300017">Busonis</persName> Lehrtätigkeit in <placeName key="E0500270">Helsinki</placeName> zugeschnitten ist, wahrt er durch lose Orientierung an der Handlung und paraphrasierte <persName key="E0300006">Wagner</persName>-Verse stets den Bezug zur Vorlage. Offenbar wollte sich <persName key="E0300017">Busoni</persName> aber nicht nur über kulturelle Rückständigkeit lustig machen; er reflektiert auch über die Herausforderung, eine eigene musikalische Identität fernab von <persName key="E0300006">Wagner</persName> zu finden, während die Musikkultur in <placeName key="E0500270">Helsinki</placeName> noch im Aufbau war. Trotz des <placeName key="E0500323">finnischen</placeName> Wunsches nach nationaler Identität blieb dort die Bewunderung für <persName key="E0300006">Wagner</persName> stark, worauf <persName key="E0300017">Busoni</persName> die eigene Ablehnung als Komponist zurückführte. Abgesehen von <persName key="E0300059">Gerda</persName> kommt in der Parodie nur <persName key="E0300207">Wegelius</persName> gut weg: In der Rolle des Hagen ist er der einzige, der <persName key="E0300017">Busoni</persName> maßgeblich unterstützt, einen eigenen Weg zu finden. Vgl. die kommentierte Ausgabe des <rs key="E0400694">Textbuchs</rs> <bibl>(<ref target="#E0800445"/>)</bibl> sowie die Interpretation <bibl>(<ref target="#E0800444"/>, S. 321–333)</bibl>.</note>
war
<lb/>schon <date when-iso="1892">vor einem Jahre</date> in einer
<lb/>Stunde loser Laune geschrieben.
<lb/>Die kleinen<reg>,</reg> boshaften Anspielungen
<lb/>sind deshalb <hi rend="underline">ja nicht ernst</hi> zu
<lb/>nehmen. Meine Sat<choice><orig>y</orig><reg>i</reg></choice>re brennt
<lb/>nicht wie ein vergifteter Pfeil,
<lb/>sondern höchstens wie <hi rend="underline">Paprika</hi>;
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<note type="commentary" subtype="ed_diff_minor" resp="#E0300616"><bibl><ref target="#E0800444"/> (339)</bibl>: <q>daß</q>.</note>
du sie nur solchen
<lb/>Leuten zu schmecken gibst, bei
<lb/>denen dieser Pfeffer keinen <del rend="strikethrough">nicht</del>
<lb/><hi rend="underline">Rache<orig><pc>=</pc></orig>durst</hi> zu erzeugen vermag.
<lb/>Am besten aber, du lachst dich
<lb/>für dich selbst darüber aus
<lb/>– falls du <hi rend="underline">überhaupt</hi> darüber
<lb/>lachst – <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> schließest dann das
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<lb/>Staatsbibliothek
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<hi rend="spaced-out">Berlin</hi>
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</p></div>
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2Facsimile
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2Diplomatic transcription
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2XML
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Die Facta auf die es anspielt
sind übrigens schon veraltet
aber – notabene – die handelnden
Personen sind zwar nicht verjüngt,
wandeln aber noch auf Euerer Erde.
Ich sage „Euerer“, denn esie ist
von dieser,
Fischer 2021 (339): ohne Komma.
amerikanischen höchst
verschieden. Amerikanisch sind
bei Euch nur die Zeitungsjungen
und höchstens noch a-Merikanto.
Fischer 2021 (339): „A-Merikanto“.
Obwohl der finnische Komponist Oskar Merikanto während Busonis Zeit am Musikinstitut in Leipzig bei Carl Reinecke und in Berlin bei Albert Becker studierte, verzeichnet die Nya Pressen in dieser Zeit mehrere Konzerte Merikantos in Helsinki, sodass die beiden sich sicherlich kennengelernt hatten. Das legt auch Merikantos Auftritt in Busonis Parodie nahe, in welcher er einen der stolzen Nationalisten darstellt, die Busoni als Komponisten ablehnen (vgl. Fischer/Knust/Kauppala 2021, S. 364 f.).
Au!
Durch Nya Pressen
Fischer 2021 (339): „Preßen“.
erfahren wir
glücklicherweise Alles was in
Helsingfors öffentlich geschieht;
„Tante“ Helmi
Fischer 2021 (339): Anführungszeichen oben erst nach „Helmi“.
versorgt uns mit
privateren Mittheilung. Von dir
hätte ich Beides umsonst erwartet!
Auch Dayas scheint sehr
verschloßener Natur geworden zu
sein u. ganz finnisch. Ja, ja, finnisch.
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<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"><p type="split">
Die <foreign xml:lang="la">Facta</foreign><reg>,</reg> auf die es anspielt<reg>,</reg>
<lb/>sind übrigens schon veraltet<reg>,</reg>
<lb/>aber – notabene – die handelnden
<lb/>Personen sind zwar nicht verjüngt,
<lb/>wandeln aber noch auf <choice><orig>E</orig><reg>e</reg></choice>uerer Erde.</p>
<p rend="indent-first">Ich sage <q rend="dq-du"><hi rend="underline"><choice><orig>E</orig><reg>e</reg></choice>uerer</hi></q>, denn <subst><del rend="overwritten">e</del><add place="across">s</add></subst>ie ist
<lb/>von dieser<orig>,</orig>
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<lb/>und höchstens noch a-<persName key="E0300978">Merikanto</persName>.
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<note type="commentary" resp="#E0300616">Obwohl der finnische Komponist <persName key="E0300978">Oskar Merikanto</persName> während <persName key="E0300017">Busonis</persName> Zeit am <rs key="E0600031">Musikinstitut</rs> in <placeName key="E0500007">Leipzig</placeName> bei <persName key="E0300538">Carl Reinecke</persName> und in <placeName key="E0500029">Berlin</placeName> bei <persName key="E0300932">Albert Becker</persName> studierte, verzeichnet die <orgName key="E0600229">Nya Pressen</orgName> in dieser Zeit mehrere Konzerte <persName key="E0300978">Merikantos</persName> in <placeName key="E0500270">Helsinki</placeName>, sodass die beiden sich sicherlich kennengelernt hatten. Das legt auch <persName key="E0300978">Merikantos</persName> Auftritt in <persName key="E0300017">Busonis</persName> <rs key="E0400694">Parodie</rs> nahe, in welcher er einen der stolzen Nationalisten darstellt, die <persName key="E0300017">Busoni</persName> als Komponisten ablehnen <bibl>(vgl. <ref target="#E0800445"/>, S. 364 f.)</bibl>.</note>
<lb/>Au!</p>
<p rend="indent-first">Durch <orgName key="E0600229">Nya Pressen</orgName>
<note type="commentary" subtype="ed_diff_minor" resp="#E0300616"><bibl><ref target="#E0800444"/> (339)</bibl>: <q>Preßen</q>.</note>
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<lb/>glücklicherweise <choice><orig>A</orig><reg>a</reg></choice>lles<reg>,</reg> was in
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<lb/>privateren Mitt<orig>h</orig>eilung<corr>en</corr>. Von dir
<lb/>hätte ich <choice><orig>B</orig><reg>b</reg></choice>eides umsonst erwartet!</p>
<p type="pre-split" rend="indent-first">Auch <persName key="E0300887">Dayas</persName> scheint sehr
<lb/>verschlo<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice>ener Natur geworden zu
<lb/>sein <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> ganz <placeName key="E0500323">finnisch</placeName>. Ja, ja, <placeName key="E0500323">finnisch</placeName>.
</p></div>
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3Facsimile
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3Diplomatic transcription
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3XML
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[2]
Sein einziger, an mich gerichteter
Brief,
Brief vom 23. Mai 1893, Staatsbibliothek zu Berlin, Mus.Nachl. F. Busoni B II, 1385. Dayas bedankt sich in diesem Brief für zahlreiche Noten, die Busoni ihm geschickt hatte, zeigt sich über negative Reaktionen in Helsinki auf Busonis Komposition Kultaselle sehr verärgert (siehe auch Kommentierung im vorigen Brief) und freut sich „auf den Tag wo [er] diese Variationen in einem civilisirten Land spielen kann“.
(der mich übrigens enorm freute)
spiette,
Fischer 2021 (339): „spiltte“.
ganz im finnischen Volkston,
stets zwischen Desdur
Fischer 2021 (340): „Des dur“.
u. Desmoll.
Fischer 2021 (340): „Des moll“.
Zum Wortspiel mit Dayas’ Namen siehe die Kommentierung im vorigen Brief.
Das moll war leider (aber charakteristisch)
vorwiegend. –
Fischer 2021 (340): „…“ statt Punkt und Gedankenstrich.
Wenn du von mir Etwas wissen
Fischer 2021 (340): „wißen“.
willst,
so habe ich – scheint mir – im Clavierspiel
Fortschritte gemacht; als Componist
vollendete ich ein „Symphonisches
Tongedicht“ für größtes Orchester
(absolut nicht „kammermusikhaft“)
das ebensowenig, wie alle meine
übrigen Sächelchen, deinen Beifall
erhofft. Nichtsdestoweniger –
(Ickedestomindre)
Schwed.: nichtsdestoweniger.
werde ich dir
seinerzeit ein Exemplar der Partitur
zuschicken; es ist eben im Erscheinen.
Boston haben wir Valet gesagt
u. New York wird wohl bald auch
sich ohne mich trösten müßen.
Fischer 2021 (340): „müssen“.
Überall will man mich gern zurück⸗ =halten, wogegen ich wieder große
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<note type="foliation" resp="#archive" place="top-right">[2]</note>
Sein einziger<orig>,</orig> an mich gerichteter
<lb/>Brief<orig>,</orig>
<note type="commentary" resp="#E0300616">Brief vom <date when-iso="1893-05-23">23. Mai 1893</date>, <orgName key="E0600056">Staatsbibliothek zu <placeName key="E0500029">Berlin</placeName></orgName>, <ref type="ext" subtype="kalliope" target="#DE-611-HS-584963">Mus.Nachl. F. Busoni B II, 1385</ref>. <persName key="E0300888">Dayas</persName> bedankt sich in diesem Brief für zahlreiche Noten, die <persName key="E0300017">Busoni</persName> ihm geschickt hatte, zeigt sich über negative Reaktionen in <placeName key="E0500270">Helsinki</placeName> auf <persName key="E0300017">Busonis</persName> Komposition <title key="E0400549">Kultaselle</title> sehr verärgert (siehe auch <ref target="#D0102008" n="2">Kommentierung im vorigen Brief</ref>) und freut sich <q rend="dq-du">auf den Tag wo [er] <rs key="E0400549">diese Variationen</rs> in einem civilisirten Land spielen kann</q>.</note>
(der mich übrigens enorm freute)
<lb/>spie<choice><sic>t</sic><corr>l</corr></choice>te,
<note type="commentary" subtype="ed_diff_minor" resp="#E0300616"><bibl><ref target="#E0800444"/> (339)</bibl>: <q>spiltte</q>.</note>
ganz im <placeName key="E0500323">finnischen</placeName> Volkston,
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<note type="commentary" resp="#E0300616">Zum Wortspiel mit <persName key="E0300888">Dayas’</persName> Namen siehe die <ref target="#D0102008" n="7">Kommentierung im vorigen Brief</ref>.</note>
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</p>
<p rend="indent-2-first">Wenn du von mir <choice><orig>E</orig><reg>e</reg></choice>twas wissen
<note type="commentary" subtype="ed_diff_minor" resp="#E0300616"><bibl><ref target="#E0800444"/> (340)</bibl>: <q>wißen</q>.</note>
willst,
<lb/>so habe ich – scheint mir – im <choice><orig>C</orig><reg>K</reg></choice>lavierspiel
<lb/>Fortschritte gemacht; als <choice><orig>C</orig><reg>K</reg></choice>omponist
<lb/>vollendete ich ein <rs key="E0400663"><soCalled rend="dq-du">Symphonisches
<lb/>Tongedicht</soCalled> für größtes Orchester</rs>
<lb/>(absolut nicht <soCalled rend="dq-du">kammermusikhaft</soCalled>)<reg>,</reg>
<lb/>das ebenso<reg> </reg>wenig<orig>,</orig> wie alle meine
<lb/>übrigen Sächelchen<orig>,</orig> deinen Beifall
<lb/>erhofft. Nichtsdestoweniger –
<lb/>(<foreign xml:lang="sv">Icke<reg> </reg>desto<reg> </reg>mindre</foreign>)
<note type="commentary" resp="#E0300616">Schwed.: nichtsdestoweniger.</note>
werde ich dir
<lb/>seinerzeit ein Exemplar der <rs key="E0400663">Partitur</rs>
<lb/>zuschicken; es ist eben im Erscheinen.</p>
<p rend="indent-first"><placeName key="E0500018">Boston</placeName> haben wir Valet gesagt<reg>,</reg>
<lb/><choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> <placeName key="E0500031">New York</placeName> wird wohl bald auch
<lb/>sich ohne mich trösten mü<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice>en.
<note type="commentary" subtype="ed_diff_minor" resp="#E0300616"><bibl><ref target="#E0800444"/> (340)</bibl>: <q>müssen</q>.</note></p>
<p type="pre-split" rend="indent-first">Überall will man mich gern zurück
<lb break="no" rend="after:="/>halten, wogegen ich wieder große
</p></div>
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4Facsimile
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4Diplomatic transcription
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Zurückhaltung zeige.
Ich bin unterdessen
Fischer 2021 (340): „unterdeßen“.
um ein gutes
Stück weniger deutsch gewordenen
und treibe immer mehr zum
Cosmopolitismus – ob zum Heil?
wer weiß. Auch
Fischer 2021 (340): „Aber auch“.
ein guter Lisztianer
bin ich geworden; ich spiele jetzt mit
Vorliebe (und beinahe Alles!)
Fischer 2021 (340): „alles!“.
von
diesem Meister;
Busonis inniges Interesse an der Musik von Liszt begann nicht erst in Boston, sondern ist schon auf die eindringliche Empfehlung von Wegelius zurückzuführen (vgl. Dent 1974, S. 103). Dieser hatte Liszt 1878 in Hannover spielen gehört und war seitdem begeisterter Anhänger der „Liszt’schen Klavierschule“ (vgl. von Bonsdorff 2019, S. 278). Wohl nicht zufällig waren die ersten drei Klavierlehrer des Instituts allesamt ehemalige Liszt-Schüler: Karl Pohlig (1882–1883), Ludwig Dingeldey (1883–1887) und Karl Schuler (1887–1888) (vgl. Dahlström 1982, S.326–328).
ich glaube,
Fischer 2021 (340): ohne Komme.
auch mit
richtiger Auffassung. Mein Spiel
hat dadurch entschieden an Glanz
u. s. w.
Fischer 2021 (340): „und dergleichen mehr“ statt „u. s. w.“.
gewonnen. –
Fischer 2021 (340): ohne Gedankenstrich.
Ich brenne danach eEtwas von
Sibelius kennen zu lernen;
koennte ich was bekommen?
Es waere möglich, daß man
es zur Aufführung braechte. –
Grüße ihn herzlichst; vor Allem
aber deine vortreffliche Frau Hanna,
Bergroths,
„Bergroth“ ist der Geburtsname von Wegelius’ Frau Hanna. Busoni hatte neben den Eltern Carl Edvard und Carolina Amalia Bergroth – der Vater war allerdings 1890 gestorben – wahrscheinlich auch Lydia Bergroth, die früh verwitwete Schwägerin und enge Bezugsperson Wegelius’, und Hannas Cousin Edvin Bergroth kennengelernt, dessen Ferienhaus die Wegelius’ und Busoni im Sommer nutzten (vgl. von Bonsdorff 2019, S. 362 ff.).
Wifung,
Auch in seiner Wagner-Parodie lässt Busoni einen „Wifung vom Geschlecht der Wifungen“ auftreten, (Fischer/Knust/Kauppala 2021, S. 370) wohl in Anspielung auf Wagner’sche Namen (Wälsungen, Gibichungen). Dem Kontext folgend, handelt es sich dabei um einen Lehrer des Instituts. Gemeint ist wohl Heinrich Wefing, den Busoni schon zu Beginn seiner Zeit in Helsinki in Briefen missbilligte (vgl. die Kommentare über seinen „Collegen“, den „zweiten Klavierlehrer“, in den Petri-Briefen vom September, Busoni/Weindel 1999a, S. 15–21.
Dayas, Ojanperä
Der finnische Bariton Abraham Ojanperä war 1885–1915 Gesangslehrer am Musikinstitut (vgl. Dahlström 1982, S. 47, 331).
und noch Vv
transcription uncertain.
alternative readings:
V viele
Fischer 2021 (340): „viele“.
ausgezeichnete
Menschen. Herzlichst dein alter
Fischer 2021 (340): „Alter“ mit anschließendem Komma.
Unterlehrergehülfe
F B Busoni
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Zurückhaltung zeige.</p>
<p rend="indent-first">Ich bin unterdessen
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<addrLine>Herrn Director</addrLine>
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1893.
B I
Mus.ep. F. Busoni 732
Mus.Nachl. F. Busoni B I, 1173 - Beil.
M.1941.1907
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