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Mus.ep. F. Busoni 748 (Busoni-Nachl. B I) Mus.Nachl. F. Busoni B I, 895
[1]
Vielverehrte Freundin,
Ihre Briefe athmen Waerme u. Reinheit,
Ihre Gefühle haben etwas Unabaenderliches,
Ihre Ton Zuverläs[s]iges; derart, dass man
den Kopf vertrauensvoll daran lehnt.
So auch Ihre Zeilen vom 14., die
befriedigend=früh heute am 19. anlangen.
Nicht im Nachlass überliefert.
Seien Sie für diese bedankt! – Ich schaue
mit Freude u. im Geiste das Zusammensein
Ihrer, Hofmannsthal’s, Wassermann’s. Möchte
freudig dabeisein. Ich begrüsse Sie Alle herzlichst.
Bei Beaumont 1987 (247) ist der Beginn des Briefes bis hierhin mit Kennzeichnung ausgelassen.
Über Hofmannsthal’s “Frau ohne Schatten”
las ich einen Bericht, der mich Gutes er- warten liess. Der Stoff zog mich an. – Leider
musste er ˄(H.) ablehnen, auch mir als Text-
Dichter beizustehen.
So bin ich darauf
angewiesen, mir selbst zu helfen. Den
Faust-Text vollendete ich Weihnachten 1914.
Ich bin damit zufrieden u. völlig überzeugt.
Ich hoffe, in den nächsten Tagen
Bei Beaumont 1987 (247) übersetzt mit „in the near future“.
den musikalischen
Theil anzupacken. Inzwischen schuf ich Vieles.
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
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Vielverehrte Freundin,
Ihre Briefe atmen Wärme und Reinheit,
Ihre Gefühle haben etwas Unabänderliches,
Ihr Ton Zuverlässiges; derart, dass man
den Kopf vertrauensvoll daran lehnt.
So auch Ihre Zeilen vom 14., die
befriedigend-früh heute am 19. anlangen.
Nicht im Nachlass überliefert.
Seien Sie für diese bedankt! – Ich schaue
mit Freude und im Geiste das Zusammensein
Ihrer, Hofmannsthals, Wassermanns. Möchte
freudig dabei sein. Ich begrüße Sie alle herzlichst.
Über Hofmannsthals „Frau ohne Schatten“
las ich einen Bericht, der mich Gutes erwarten ließ. Der Stoff zog mich an. – Leider
musste er (H.) ablehnen, auch mir als Text-Dichter beizustehen.
So bin ich darauf
angewiesen, mir selbst zu helfen. Den
Faust-Text vollendete ich Weihnachten 1914.
Ich bin damit zufrieden und völlig überzeugt.
Ich hoffe, in den nächsten Tagen
den musikalischen
Teil anzupacken. Inzwischen schuf ich vieles.
Am 8. August wurde die Partitur eines
„Arlecchino“-Einakters vollendet. Zahlreiche Klaviersachen, Orchestersachen, Bach-Studien umranken dieses kleine, absonderliche
Werk, das, halb Parodie, halb Bekenntnis,
mir vom Herzen gegegangen ist. – Vor Tagen
erschien im Verlage von Breitkopf & Härtel
eine Biographie Ihres ergebensten Freundes
aus der Feder des geschätzten Musikhistorikers
Dr. Leichtentritt. Und in wenigen weiteren Tagen
veröffentlicht die „Insel-Bücherei“ eine neue
und vermehrte Auflage meiner kleinen „Ästhetik“.
Dieses alles berichte ich darum, weil Sie
von mir etwas erfahren wollten. Ich schickte
die Dinger Ihnen zu, aber es ist praktischer,
dass Sie sie sich bestellen.
Den Fall Boccioni kann ich nicht überwinden.
Der futuristische Maler Umberto Boccioni, der Busoni im Juni 1916 porträtiert hatte, war Ende Juli zum Kriegsdienst eingezogen worden und im August bei einem Sturz vom Pferd tödlich verunglückt. Busoni wandte sich in seinem Artikel Der Kriegsfall Boccioni gegen die nationalistische Vereinnahmung des Künstlers.
Abgesehen davon, dass ich ihn liebte,
war er, nach langer Pause, wieder einmal
ein italienischer Maler von geschichtlicher
Bedeutung. Und wollte alles erst anfangen!
– Genug. – Seien Sie verehrungsvoll und
innig gegrüßt, ebenso Ihr Herr Sohn.
Erwähnen Sie mich den beiden trefflichen
literarischen Männern. Gerda liebt Sie.
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<note type="commentary" resp="#E0301027">Nicht im Nachlass überliefert.</note>
<lb/>Seien Sie für diese bedankt! – Ich schaue
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<lb/>Über <persName key="E0300048">Hofmannsthal<orig>’</orig>s</persName> <title key="E0400575" rend="dq-uu">Frau ohne Schatten</title>
<lb/>las ich einen Bericht, der mich Gutes er
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<!-- wo könnte Busoni darüber gelesen haben? worüber genau: Libretto, Erzählung? -->
<lb/>musste er <metamark function="insertion" target="#add_einmal" rend="sub">˄</metamark><add place="above">(<persName key="E0300048"><abbr>H.</abbr></persName>)</add> ablehnen, auch mir als Text-
<lb break="no"/>Dichter beizustehen.
<!-- Hinweis auf Exklusivbindung an Strauss -->
So bin ich darauf
<lb/>angewiesen, mir selbst zu helfen. Den
<lb/><title key="E0400218">Faust</title>-Text vollendete ich <date when-iso="1914-12">Weihnachten 1914</date>.
<lb/>Ich bin damit zufrieden <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> völlig überzeugt.
<lb/>Ich hoffe, in den nächsten Tagen
<note type="commentary" subtype="ed_diff_minor" resp="#E0300314">Bei <bibl><ref target="#E0800060"/> (247)</bibl> übersetzt mit <q>in the near future</q>.</note>
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B I, 895[2]
Am 8. August wurde die Partitur eines
„Arlecchino“=Einakters vollendet. Zahl- reiche Claviersachen, Orchestersachen, Bach-
Studien umranken dieses kleine, absonderliche
Werk, dass, halb Parodie, halb Bekenntnis,
mir vom Herzen gegegangen ist. – Vor Tagen
erschien im Verlage von Breitkopf + Härtel
eine Biographie Ihres ergebensten Freundes
aus der Feder des geschätzten Musikhistorikers
Dr̲ Leichtentritt. Und in wenigen weiteren Tagen
veröffentlicht die „Insel-Bücherei“ eine neue
u. vermehrte Auflage meiner kleinen „Ästhetik“.
Dieses Alles berichte ich darum, weil Sie
von mir etwas erfahren wollten. Ich schickte
die Dinger Ihnen zu, aber es ist praktischer
dass Sie sie sich bestellen. –
Bei Beaumont 1987 (247) ist dieser Absatz mit Kennzeichnung ausgelassen.
Den Fall Boccioni kann ich nicht über- winden.
Der futuristische Maler Umberto Boccioni, der Busoni im Juni 1916 porträtiert hatte, war Ende Juli zum Kriegsdienst eingezogen worden und im August bei einem Sturz vom Pferd tödlich verunglückt. Busoni wandte sich in seinem Artikel Der Kriegsfall Boccioni gegen die nationalistische Vereinnahmung des Künstlers.
Abgesehen davon, dass ich ihn liebte,
war er, nach langer Pause, wieder einmal
ein italienischer Maler von geschichtlicher
Bedeutung. Und wollte Alles erst anfangen!
– Genug. – Seien Sie verehrungsvoll u.
I innig gegrüßt, ebenso Ihr Herr Sohn[.]
Erwähnen Sie mich den beiden trefflichen
literarischen Männern. Gerda liebt Sie.
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
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<note type="foliation" resp="#archive" place="top-left">B I, 895</note>
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<p rend="space-above">Am <date when-iso="1916-08-08">8. August</date> wurde die Partitur eines
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<lb break="no"/>Studien umranken dieses kleine, absonderliche
<lb/>Werk, das<del rend="strikethrough">s</del>, halb Parodie, halb Bekenntnis,
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Abgesehen davon, dass ich ihn liebte,
<lb/>war er, nach langer Pause, wieder einmal
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<lb/>Bedeutung. Und wollte <choice><orig>A</orig><reg>a</reg></choice>lles erst anfangen!
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<lb/><del rend="strikethrough">I</del> innig gegrüßt, ebenso Ihr <persName key="E0300859">Herr Sohn</persName><supplied reason="paper-missing">.</supplied>
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[Rückseite von Textseite 2] 1916
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