Frieda Kwast-Hodapp an Ferruccio Busoni arrow_backarrow_forward

Berlin · 19. August 1921

Faksimile
Diplomatische Umschrift
Lesefassung
XML
Berlin W. Dännbergstr. 1
19/8. 21

Hochverehrter und lieber Meister,

Sie werden mein Schweigen unverständlich
finden und sogar vielleicht etwas unadelig – aber
so war es nicht gemeint. Mein Mann war ermüdet
von der winterlichen Arbeit und ich selbst auch so
herunter, daß wir Hals über Kopf abreisten und
etwas an die See gingen. So wurde damals aus
meinen Beispielen nichts, weil ich einige Wochen
vollkommen pausierte. Nun bin ich wieder zurück
und in der Arbeit drin, doch etwas gekräftigt,
und Sie werden am Sonntag die erste Annonse
meiner drei Clavier Abende lesen, worunter im
modernen Abend Ihre f-moll Fantasia steht.
Nun ist meine brennende Frage, was macht
die Romanze und Scherzoso? Meine Conzerte fangen
1. Oktober an, und ich ließ mir den September frei,
um Romanze und Scherzoso üben zu können. Spä-
ter ist es nicht möglich wegen der schrecklich vielen
Conzerte. Muß also alles vorher fertig sein, nur
die Fantasia contrappuntistica werde ich zwischen

Berlin W. Dännbergstr. 1
19/8. 21
Hochverehrter und lieber Meister,

Sie werden mein Schweigen unverständlich finden und sogar vielleicht etwas unadelig – aber so war es nicht gemeint. Mein Mann war ermüdet von der winterlichen Arbeit und ich selbst auch so herunter, dass wir Hals über Kopf abreisten und etwas an die See gingen. So wurde damals aus meinen Beispielen nichts, weil ich einige Wochen vollkommen pausierte. Nun bin ich wieder zurück und in der Arbeit drin, doch etwas gekräftigt, und Sie werden am Sonntag die erste Annonse meiner drei Klavier Abende lesen, worunter im modernen Abend Ihre f-moll Fantasia steht. Nun ist meine brennende Frage, was macht die Romanze und Scherzoso? Meine Conzerte fangen 1. Oktober an, und ich ließ mir den September frei, um Romanze und Scherzoso üben zu können. Später ist es nicht möglich wegen der schrecklich vielen Konzerte. Muß also alles vorher fertig sein, nur die Fantasia contrappuntistica werde ich zwischen

durch vornehmen können. Vor dem „Conzertino“ fürchten sich die Dirigenten etwas, ob der Schwierigkeiten wegen, oder ob Feigheit vor dem Publikum, ich weiß es nicht. Bis jetzt ist definitiv angenommen: Berlin Nikisch 5/6. Febr. Danzig 2. November, Flensburg 26. Januar. Ich hoffe noch Kiel, Frankfurt und Mainz dazu zu bekommen. Das Gewandhaus bestand bei mir schließlich auf einem Beethoven-Abend mit C-moll Conzert. Darüber war ich sehr unglücklich, bat Schenker es in -meinem- feinen Leipzi- ger Conzert zu machen, er müßte es mir aber ablehnen weil Erdmann Ihre Indianische Fantasia spielt, ebenso in Breslau. So ist das auch gut, und ich hoffe auf nächstes Jahr. Mein ganzer Wunsch ist, dass die Aufführung bei Nikisch ausgezeichnet ist, dann werde ich an [sämtliche] Dirigenten persönlich schreiben und will dann schon mein Möglichstes [tun], dass das Werk viele Städte zu hören bekommen. – Ihre vorgeschlagene Notiz für die Zeitung habe ich doch nicht weitergegeben. Es war mir um des Conzertino zu [tun], und ich fürchtete, wenn ich zu gleicher Zeit von der fantasia C. schreibe, sind die Menschen neidisch und meinen, ich wollte damit prahlen. _ _ Die fantasia Contrapppuntistica werden wir in Berlin München, Breslau, Köln, Düsseldorf spielen und ich die Fantasia f-moll in Berlin, Königsberg, Düsseldorf,

2/ Wiesbaden, Frankfurt, Breslau Elberfeld und auch vielen andern Städten. Damals spielte ich auch ihre Ciaconna in 3 4 Conzerten. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, mit welch unendlicher Freude, ich für Ihre Werke kämpfen werde. Ich nehme an, als selbstverständlich, dass es kämpfen sein wird, denn die Menschen – müssen immer zu ihrem Glück und Geschmack gezwungen werden. Ich hatte vor Jahren eine schwere Aufgabe mit Reger, und lange Zeit war ich ganz verwaist. Nun bin ich doppelt glücklich, etwas Neues zu sehen, was mein Herz erfüllt, und für was ich mich einsetzen kann. Bitte sagen Sie mir, wann ich das Conzertino sehen kann. Wenn Breitkopf es nicht druckt, kann es nicht geschrieben werden? Ende September möchte ich Ihnen dann beides vorspielen, Konzertstück – Conzertino und die f-moll Fantasia.

Und nun seien Sie mit Ihrer lieben Frau In herzlicher Liebe und Anhänglichkeit gegrüßt,

von Ihrer

Frieda Kwast-Hodapp.

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"> <opener><placeName key="E0500029" type="automated" nymRef="Berlin">Berlin</placeName> W. Dännbergstr. 1 <dateline>19/8. 21</dateline> <lb/>Hochverehrter und lieber Meister,</opener> <p>Sie werden mein Schweigen unverständlich <lb/>finden und sogar vielleicht etwas unadelig – aber <lb/>so war es nicht gemeint. Mein Mann war ermüdet <lb/>von der winterlichen Arbeit und ich selbst auch so <lb/>herunter, da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> wir Hals über Kopf abreisten und <lb/>etwas an die See gingen. So wurde damals aus <lb/>meinen Beispielen nichts, weil ich einige Wochen <lb/>vollkommen pausierte. Nun bin ich wieder zurück <lb/>und in der Arbeit drin, doch etwas gekräftigt, <lb/>und Sie werden am Sonntag die erste Annonse <lb/>meiner drei <choice><orig>C</orig><reg>K</reg></choice>lavier Abende lesen, worunter im <lb/>modernen Abend Ihre f-moll Fantasia steht. <lb/>Nun ist meine brennende Frage, was macht <lb/>die Romanze und Scherzoso? Meine Conzerte fangen <lb/>1. Oktober an, und ich ließ mir den September frei, <lb/>um Romanze und Scherzoso üben zu können. Spä <lb break="no" type="automated"/>ter ist es nicht möglich wegen der schrecklich vielen <lb/><choice><orig>C</orig><reg>K</reg></choice>onzerte. Muß also alles vorher fertig sein, nur <lb/>die Fantasia contrappuntistica werde ich zwischen </p> </div>
2Faksimile
2Diplomatische Umschrift
2XML

durch vornehmen können.
Vor dem „Conzertino“ fürchten sich die Dirigenten
etwas, ob der Schwierigkeiten wegen, oder ob Feigheit
vor dem Publikum, ich weiß es nicht. Bis jetzt ist defi-
nitiv angenommen: Berlin Nikisch 5/6. Febr. Danzig
2. November, Flensburg 26. Januar. Ich hoffe noch
Kiel, Frankfurt und Mainz dazu zu bekommen. Das
Gewandhaus bestand bei mir schließlich auf einem
Beethoven-Abend mit C-moll Conzert. Darüber war
ich sehr unglücklich, bat Schenker es in -meinem- feinen Leipzi-
ger Conzert zu machen, er müßte es mir aber ableh-
nen weil Erdmann Ihre Indianische Fantasia spielt,
ebenso in Breslau. So ist das auch gut, und ich hoffe
auf nächstes Jahr. Mein ganzer Wunsch ist, daß die
Aufführung bei Nikisch ausgezeichnet ist, dann werde
ich an [sämmtliche] Dirigenten persönlich schreiben und
will dann schon mein Möglichstes [thun], daß das Werk
viele Städte zu hören bekommen. – Ihre vorge-
schlagene Notiz für die Zeitung habe ich doch nicht wei-
tergegeben. Es war mir um des Conzertino zu [thun],
und ich fürchtete, wenn ich zu gleicher Zeit von
der fantasia C. schreibe, sind die Menschen neidisch
und meinen, ich wollte damit prahlen. _ _
Die fantasia Contrapppuntistica werden wir in Berlin
München, Breslau, Cöln, Düsseldorf spielen und ich die
Fantasia f-moll in Berlin, Königsberg, Düsseldorf,

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"> <p>durch vornehmen können. <lb/>Vor dem „Conzertino“ fürchten sich die Dirigenten <lb/>etwas, ob der Schwierigkeiten wegen, oder ob Feigheit <lb/>vor dem Publikum, ich weiß es nicht. Bis jetzt ist defi <lb break="no" type="automated"/>nitiv angenommen: <placeName key="E0500029" type="automated" nymRef="Berlin">Berlin</placeName> <persName key="E0300025" type="automated" nymRef="Arthur Nikisch">Nikisch</persName> 5/6. Febr. <placeName key="E0500226" type="automated" nymRef="Danzig">Danzig</placeName> <lb/>2. November, Flensburg 26. Januar. Ich hoffe noch <lb/><placeName key="E0500541" type="automated" nymRef="Kiel">Kiel</placeName>, <placeName key="E0500153" type="automated" nymRef="Frankfurt am Main">Frankfurt</placeName> und <placeName key="E0500655" type="automated" nymRef="Mainz">Mainz</placeName> dazu zu bekommen. Das <lb/>Gewandhaus bestand bei mir schließlich auf einem <lb/><persName key="E0300001" type="automated" nymRef="Ludwig van Beethoven">Beethoven</persName>-Abend mit C-moll Conzert. Darüber war <lb/>ich sehr unglücklich, bat Schenker es in -meinem- feinen Leipzi- <lb/>ger Conzert zu machen, er müßte es mir aber ableh <lb break="no" type="automated"/>nen weil <persName key="E0300666" type="automated" nymRef="Eduard Erdmann">Erdmann</persName> Ihre Indianische Fantasia spielt, <lb/>ebenso in Breslau. So ist das auch gut, und ich hoffe <lb/>auf nächstes Jahr. Mein ganzer Wunsch ist, da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> die <lb/>Aufführung bei <persName key="E0300025" type="automated" nymRef="Arthur Nikisch">Nikisch</persName> ausgezeichnet ist, dann werde <lb/>ich an [säm<orig>m</orig>tliche] Dirigenten persönlich schreiben und <lb/>will dann schon mein Möglichstes [t<orig>h</orig>un], da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> das Werk <lb/>viele Städte zu hören bekommen. – Ihre vorge <lb break="no" type="automated"/>schlagene Notiz für die Zeitung habe ich doch nicht wei <lb break="no" type="automated"/>tergegeben. Es war mir um des Conzertino zu [t<orig>h</orig>un], <lb/>und ich fürchtete, wenn ich zu gleicher Zeit von <lb/>der fantasia C. schreibe, sind die Menschen neidisch <lb/>und meinen, ich wollte damit prahlen. _ _ <lb/>Die fantasia Contrapppuntistica werden wir in <placeName key="E0500029" type="automated" nymRef="Berlin">Berlin</placeName> <lb/><placeName key="E0500034" type="automated" nymRef="München">München</placeName>, Breslau, <choice><orig>C</orig><reg>K</reg></choice>öln, <placeName key="E0500229" type="automated" nymRef="Düsseldorf">Düsseldorf</placeName> spielen und ich die <lb/>Fantasia f-moll in <placeName key="E0500029" type="automated" nymRef="Berlin">Berlin</placeName>, <placeName key="E0500032" type="automated" nymRef="Königsberg">Königsberg</placeName>, <placeName key="E0500229" type="automated" nymRef="Düsseldorf">Düsseldorf</placeName>, </p> </div>
3Faksimile
3Diplomatische Umschrift
3XML

2/ Wiesbaden, Frankfurt, Breslau Elberfeld und auch vielen
andern Städten. Damals spielte ich auch ihre Ciaconna
in 3 4 Conzerten.
Ich kann Ihnen gar nicht sagen, mit welch unendlicher
Freude, ich für Ihre Werke kämpfen werde. Ich nehme
an, als selbstverständlich, daß es kämpfen sein wird,
denn die Menschen – müssen immer zu ihrem Glück
und Geschmack gezwungen werden.
Ich hatte vor Jahren eine schwere Aufgabe mit
Reger, und lange Zeit war ich ganz verwaist.
Nun bin ich doppelt glücklich, etwas Neues zu sehen,
was mein Herz erfüllt, und für was ich mich einsetzen
kann.
Bitte sagen Sie mir, wann ich das Conzertino sehen
kann. Wenn Breitkopf es nicht druckt, kann es nicht
geschrieben werden?
Ende September möchte ich Ihnen dann beides
vorspielen, Conzertstück – Conzertino und die
f-moll Fantasia.

Und nun seien Sie mit Ihrer lieben Frau
In herzlicher Liebe und Anhänglichkeit
gegrüßt,

von Ihrer

Frieda Kwast-Hodapp.

                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"> <p>2/ <placeName key="E0500061" type="automated" nymRef="Wiesbaden">Wiesbaden</placeName>, <placeName key="E0500153" type="automated" nymRef="Frankfurt am Main">Frankfurt</placeName>, Breslau Elberfeld und auch vielen <lb/>andern Städten. Damals spielte ich auch ihre Ciaconna <lb/>in 3 4 Conzerten. <lb/>Ich kann Ihnen gar nicht sagen, mit welch unendlicher <lb/>Freude, ich für Ihre Werke kämpfen werde. Ich nehme <lb/>an, als selbstverständlich, da<choice><orig>ß</orig><reg>ss</reg></choice> es kämpfen sein wird, <lb/>denn die Menschen – müssen immer zu ihrem Glück <lb/>und Geschmack gezwungen werden. <lb/>Ich hatte vor Jahren eine schwere Aufgabe mit <lb/><persName key="E0300097" type="automated" nymRef="Max Reger">Reger</persName>, und lange Zeit war ich ganz verwaist. <lb/>Nun bin ich doppelt glücklich, etwas Neues zu sehen, <lb/>was mein Herz erfüllt, und für was ich mich einsetzen <lb/>kann. <lb/>Bitte sagen Sie mir, wann ich das Conzertino sehen <lb/>kann. Wenn Breitkopf es nicht druckt, kann es nicht <lb/>geschrieben werden? <lb/>Ende September möchte ich Ihnen dann beides <lb/>vorspielen, <choice><orig>C</orig><reg>K</reg></choice>onzertstück – Conzertino und die <lb/>f-moll Fantasia. </p> <p>Und nun seien Sie mit Ihrer lieben Frau <lb/>In herzlicher Liebe und Anhänglichkeit <lb/>gegrüßt, </p> <p>von Ihrer</p> <p><persName key="E0300701" type="automated" nymRef="Frieda Kwast-Hodapp">Frieda Kwast-Hodapp</persName>. </p> </div>
4Faksimile
4Diplomatische Umschrift
4XML
                                                                
<div xmlns="http://www.tei-c.org/ns/1.0" type="split"> </div>

Dokument

Überlieferung
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B II, 2691 | olim: |

Nachweis Kalliope

Zustand
Der Brief ist gut erhalten.
Umfang
2 Blatt, 3 beschriebene Seiten
Hände/Stempel
  • Hand des Absenders Frieda Kwast-Hodapp, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift
  • Hand des Archivars, der mit Bleistift die Signaturen eingetragen, eine Foliierung vorgenommen und das Briefdatum ergänzt hat
  • Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
Bildquelle
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 1234

Zusammenfassung
Kwast-Hodapp entschuldigt sich für eine Arbeitspause und kündigt ihre Konzerte und die Stücke, die sie dort spielen wird, an. >
Incipit
Sie werden mein Schweigen unverständlich

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition