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Mus.ep. F. Busoni 747 (Busoni-Nachl. B I) Mus.Nachl. F. Busoni B I, 894
[1]
Veehrteste liebe Frau u. Freundin,
Ihr schöner Brief
Nicht im Nachlass überliefert.
war mir ein
wirkliches Festgeschenk, ein Trost für den
nun vollzogenen Abschied von der Jugend.
Busoni war am 1. April 50 Jahre alt geworden.
Dieser Tag erschien mir – aus der Weite
– wie ein Schlagbaum, der die
Menschen nur nach einer Richtung
hin durchlässt, so dass sie ihn
nie wieder zurück passieren. Mit
illusorischen Gewichten beschweren wir
selbst unsere Vorstellungen. Und ich
fand den Weg offen, u. Nichts, das
einen Übergang andeutete. Ohne
Kalender u. Geburtsschein waere doch
niemand im Stande, die Zahl der
eigenen Lebensjahre anzugeben, u.
das Sich-Aelter-u.
Jünger-fühlen
richtet sich nach ganz anderen Dingen.
Jetzt, wo ich im Begriff stehe
ein neues – und frisches – Werk
zu vollenden, empfinde ich zum
so vielten Male als wie ein
Debütant. Wann wird es fertig?
Wie wird es klingen, wirken – wo
sich ereignen? Das sind recht
jugendliche Gemüths-Momente.
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Veehrteste liebe Frau und Freundin,
Ihr schöner Brief
Nicht im Nachlass überliefert.
war mir ein
wirkliches Festgeschenk, ein Trost für den
nun vollzogenen Abschied von der Jugend.
Busoni war am 1. April 50 Jahre alt geworden.
Dieser Tag erschien mir – aus der Weite
– wie ein Schlagbaum, der die
Menschen nur nach einer Richtung
hin durchlässt, so dass sie ihn
nie wieder zurück passieren. Mit
illusorischen Gewichten beschweren wir
selbst unsere Vorstellungen. Und ich
fand den Weg offen, und nichts, das
einen Übergang andeutete. Ohne
Kalender und Geburtsschein wäre doch
niemand im Stande, die Zahl der
eigenen Lebensjahre anzugeben, und
das Sich-älter-und
jünger-Fühlen
richtet sich nach ganz anderen Dingen.
Jetzt, wo ich im Begriff stehe,
ein neues – und frisches – Werk
zu vollenden, empfinde ich zum
so vielten Male als wie ein
Debütant. Wann wird es fertig?
Wie wird es klingen, wirken – wo
sich ereignen? Das sind recht
jugendliche Gemüts-Momente.
An meinem Geburtstage erfreuten
mich viele Kundgebungen alter
österreichischer Sympathien.
Der von Ihnen angeführte Ausspruch Hofmannsthals erhöht
noch den Wert seines Glückwunsch-Telegrammes,
Nicht im Nachlass überliefert.
für das
ich Sie bitte, ihm gelegentlich
wärmstens zu danken. Auch
Wassermann vergaß mich nicht.
Der Busoni-Nachlass enthält aus dieser Zeit lediglich den Beitrag Jakob Wassermanns zu einer geplanten Busoni-Festschrift (D-B, Mus.Nachl. F. Busoni D, 138 bzw. Mus.Nachl. F. Busoni B II, 5305, Digitalisat).
(Gott vergelt’s ihm!) Und heute
beglückte mich ein Schreiben aus
Frau Carolinas Feder und Herz.
Im Busoni-Nachlass ist ein Brief von Caroline von Gomperz-Bettelheim vom 29.3.1916 vorhanden (D-B, Mus.Nachl. F. Busoni B II, 1943).
Noch mit dieser Post erwidere
ich’s, was indessen meine lange
Versäumnis nicht wird ausgleichen
können.
Der Busoni-Nachlass enthält keine Briefe an Caroline von Gomperz-Bettelheim.
Ich stehe notgedrungen vor
einem neuen Entschlusse, den zu fassen
deswegen schwer wird, weil dabei
so viel Unbestimmtes, Unbestimmbares
hineinrechnet. – Mit fünf Klavierabenden
und vier Orchesterkonzerten habe ich in Zürich
eine angenehme, ausgiebige und prächtig
entgegengenommene Tätigkeit geübt.
Zu den Programmen der Zürcher Klavierabende, die zuvor auch in Basel gegeben worden waren, vgl. Refardt 1939, S. 47; zu den Programmen der Zürcher Abonnementskonzerte vgl. die Kommentierung zu Busonis Brief vom 24.9.1916 an Robert Freund.
Gott erhalte Sie, und seien Sie gesegnet.
Ich küsse Ihre Hände
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2Diplomatic transcription
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An meinem Geburtstage erfreuten
mich viele Kundgebungen alter
oesterreichischer Sympathieen.
Der von Ihnen angeführte Aus- spruch Hofmannsthal’s erhöht
noch den Werth seines Glück- wunsch Telegrammes,
Nicht im Nachlass überliefert.
für das
ich Sie bitte ihm gelegentlich
waermstens zu danken. Auch
Wassermann vergass mich nicht.
Der Busoni-Nachlass enthält aus dieser Zeit lediglich den Beitrag Jakob Wassermanns zu einer geplanten Busoni-Festschrift (D-B, Mus.Nachl. F. Busoni D, 138 bzw. Mus.Nachl. F. Busoni B II, 5305, Digitalisat).
(Gott vergelt’s ihm!) Und heute
beglückte mich ein Schreiben aus
Frau Carolina’s Feder u. Herz.
Im Busoni-Nachlass ist ein Brief von Caroline von Gomperz-Bettelheim vom 29.3.1916 vorhanden (D-B, Mus.Nachl. F. Busoni B II, 1943).
Noch mit dieser Post erwiedere
ich’s, was indessen meine lange
Versäumnis nicht wird ausgleichen
können.
Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
Der Busoni-Nachlass enthält keine Briefe an Caroline von Gomperz-Bettelheim.
–
Ich stehe nothgedrungen vor
einem neuen Entschlusse, den zu fassen
deswegen schwer wird, weil dabei
so viel Unbestimmtes, Unbestim̅bares
1916
hineinrechnet. – Mit 5 ClavierAbdn.
u. 4 OrchesterConcerten habe ich in Zürich
eine angenehme, ausgiebige u. prächtig
an entgegengenommene Thätigkeit geübt.
Zu den Programmen der Zürcher Klavierabende, die zuvor auch in Basel gegeben worden waren, vgl. Refardt 1939, S. 47; zu den Programmen der Zürcher Abonnementskonzerte vgl. die Kommentierung zu Busonis Brief vom 24.9.1916 an Robert Freund.
Gott erhalte Sie, u. seien Sie gesegnet.
Ich küsse Ihre Hände
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