Ferruccio Busoni an Ludwig Rubiner arrow_backarrow_forward

Genf · 21. April 1918

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21. April 1918
Mus.ep. F. Busoni (Busoni-Nachl. B I)
Mus.Nachl. F. Busoni B I, 1012
Brief an Rubiner

Es ist nicht leicht zu präzisieren, was mir
Faust II bedeute; planmässig Ihre Frage zu beant-
worten ist mir sogar gegenwärtig unmöglich.
Allein es ist mir selbst wichtig, Etwas darüber
festzustellen; u. so schicke ich mich an, an diesem
Sonntag Vormittag nach einem gut gerathenen
Konzert Abend, Von Februar bis April 1918 fand in Zürich eine Reihe von fünf „Populären Konzerten“ zur „Entwicklung des Klavierkonzertes“ statt (25. Februar, 11. März, 25. März, 8. April 1918, 23. April 1918, vgl. Willimann 1994, S. 65–77.). Den Sonntag, den 21. April 1918 verbrachte Busoni in Genf, wo er am Samstag, 20. April 1918, ein Konzert in der Salle de la Réformation et hôtel Victoria gab (vgl. N. N. 1918, S. 6, Sp. 1). einige Klarheit zu gewinnen
u. nach Kräften zu formulieren.

Zunächst, u. wie Sie längst wissen, sehe
ich Alles als Künstler an. Und da spricht
mich manches eindringlichst an; in der
Tat reicht der Dichter hier an die höchsten Höhen.
Ich nenne: Faust’s Ansprache an die Sonne.
Die Szene, die von den Müttern spricht.
Die vier grauen Weiber.
und – als Aufbau – der vollständige letzte
Abschnitt.

Wunderbar tröstlich ist mir die Tatsache,
dass im Faust ein bedeutender Teil
Bearbeitung
ist. Indisches Drama, Puppenspiel, Dante
u. auf jeden Schritt auch Details-Entlehnungen
begegnen uns. (So halte ich die erste Strophe
des Schlussstückes für die Beschreibung
eines altendeutschen Kupferstiches:
„Waldung, sie schwankt heran“, u.s.w.[)] Goethe, Faust II, V. Akt, Grablegung.

Drittens, sagte ich schon in meinem Briefe, Nicht überliefert.
gibt der II. Faust Antwort u. Aufschluss auf
Fragen u. Situationen des Lebens, wie kein
anderes dramatisches Werk.

Sehr behutsam, u. ganz anders als Schiller’s
sogenannte Menschlichkeit, u. geradezu um-
wälzend gegen alle frühere u. auch noch
spätere Befangenheit des Dramas, ist die völlige

21. April 1918

Es ist nicht leicht zu präzisieren, was mir Faust II bedeute; planmäßig Ihre Frage zu beantworten, ist mir sogar gegenwärtig unmöglich. Allein es ist mir selbst wichtig, etwas darüber festzustellen; und so schicke ich mich an, an diesem Sonntag Vormittag nach einem gut geratenen Konzertsbend, Von Februar bis April 1918 fand in Zürich eine Reihe von fünf „Populären Konzerten“ zur „Entwicklung des Klavierkonzertes“ statt (25. Februar, 11. März, 25. März, 8. April 1918, 23. April 1918, vgl. Willimann 1994, S. 65–77.). Den Sonntag, den 21. April 1918 verbrachte Busoni in Genf, wo er am Samstag, 20. April 1918, ein Konzert in der Salle de la Réformation et hôtel Victoria gab (vgl. N. N. 1918, S. 6, Sp. 1). einige Klarheit zu gewinnen und nach Kräften zu formulieren.

Zunächst, und wie Sie längst wissen, sehe ich alles als Künstler an. Und da spricht mich manches eindringlichst an; in der Tat reicht der Dichter hier an die höchsten Höhen. Ich nenne: Fausts Ansprache an die Sonne. Die Szene, die von den Müttern spricht. Die vier grauen Weiber. und – als Aufbau – der vollständige letzte Abschnitt.

Wunderbar tröstlich ist mir die Tatsache, dass im Faust ein bedeutender Teil Bearbeitung ist. Indisches Drama, Puppenspiel, Dante – und auf jeden Schritt auch Details-Entlehnungen begegnen uns. (So halte ich die erste Strophe des Schlussstückes für die Beschreibung eines altdeutschen Kupferstiches: „Waldung, sie schwankt heran“, usw.) Goethe, Faust II, V. Akt, Grablegung.

Drittens, sagte ich schon in meinem Briefe, Nicht überliefert. gibt der II. Faust Antwort und Aufschluss auf Fragen und Situationen des Lebens wie kein anderes dramatisches Werk.

Sehr behutsam, und ganz anders als Schillers sogenannte Menschlichkeit, und geradezu umwälzend gegen alle frühere und auch noch spätere Befangenheit des Dramas, ist die völlige Vernachlässigung, ja, Umkehrung der „dramatischen Schuld“.

Der unschuldige Valentin In Goethes Faust Gretchens älterer Bruder. geht an seiner Beschränktheit zu Grunde, die ahnungslose mehrfache Sünderin Gretchen wird zum Lichtesten gehoben. Faust – der so viel Unheil anrichtet – in Erkennung seiner hohen Ziele zur Höhe emporgezogen.

Das ist der Dichtung wertvollster, unvergänglicher Kern, der noch schießen und blühen wird, wenn der Mensch als Durchschnitt so weit stehen wird, wie Goethe damals als einziger in Deutschland – wo heute vereinzelte und nicht genug Entschlossene stehen.

Prophetisch enthält Faust II auch Vieles; der heutige Großindustrielle mit seinem rücksichtlos durchgeführten großen Plane ist z.B. in dem alten Faust bereits geschaut und festgenagelt.

Mit allen diesen durchaus „modern“ empfundenen bedeutsamen Momenten steht der breite Raum, den Goethe der Antike zuwendet, in merkwürdigem Gegensatze.

Die Geburt Byrons als Ergebnis hellenischer und germanischer Kultur scheint mir zu zeitlich und lokal gedacht; dem weitgespannten Bogen entfällt der Pfeil dem Schützen vor die Füße!

Dichterisch möchte ich aus meinen persönlichen Eindrücken noch erwähnen, dass ich es als eine große Steigerung ansehe, dass Mephistopheles aus dem Hausnarren des 1. Teils zur wirklichen monumentalen Bosheit einer Phorkyas auswächst.

Ebenfalls gesteigert ist die Darstellung, das Aussprechen alles Erfahrenen und Erlebten, gegenüber den parallelen Momenten des I. Teiles.

Denken Sie nur an das Auftreten des Baccalaureus – und an so manchen Spruch: die sämtlich allerdings erst vom reiferen Alter aus angehört, ihre Bedeutung erschließen. Ich halte es für ganz unmöglich, dass ein Mann von 20–30 Jahren den II. Faust lebendig begreifen könne; das Merkmal des großen Dichterwerkes aber ergibt dies wiederum aus der unleugbaren Tatsache, dass Faust im Einzelnen jedem Alter etwas gibt, und keinem das Ganze.

Genève. 21. Avril 1918.

F. Busoni.

                                                                
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B I, 1012
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Vernachlässigung, ja, Umkehrung der
“dramatischen Schuld”.

Der unschuldige Valentin In Goethes Faust Gretchens älterer Bruder. geht an seiner Be-
schränktheit zu Grunde, die ahnungslose
mehrfache Sünderin Gretchen wird zum Lich-
testen gehoben. Faust – der so viel Unheil
anrichtet – in Erkennung seiner hohen Ziele
zur Höhe emporgezogen.

Das ist der Dichtung wertvollster, unver-
gänglicher Kern, der noch schiessen u. blühen
wird, wenn der Mensch als Durchschnitt
so weit stehen wird, wie Goethe damals
als Einziger in Deutschland – wo heute
vereinzelte u. nicht genug Entschlossene stehen.

Prophetisch enthält Faust II auch Vieles;
der heutige Grossindustrielle mit seinem rück-
sichtlos durchgeführten grossen Plane ist z.B.
in dem alten Faust bereits geschaut u. festgenagelt.

Mit allen diesen durchaus “modern”
empfundenen bedeutsamen Momenten,
steht der breite Raum den Goethe der Antike
zuwendet in merkwürdigem Gegensatze.

Die Geburt Byrons als Ergebnis hellenischer
u. germanischer Kultur, scheint mir zu
zeitlich u. lokal gedacht; dem weitge-
spannten Bogen entfällt der Pfeil dem
Schützen vor die Füsse!

Dichterisch möchte ich aus meinen
persönlichen Eindrücken noch erwähnen,
dass ich es als eine grosse Steigerung
ansehe, dass Mephistopheles aus dem
Hausnarren des 1. Teils, zur wirklichen Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin

                                                                
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B I, 1012
[3] monumentalen Bosheit einer Phorkyas
auswächst.

Ebenfalls gesteigert ist die Darstellung,
das Aussprechen Alles Erfahrenen u.
Erlebten, gegenüber den parallelen Momenten des I. Teiles.

Denken Sie nur an das Auftreten
des Baccalaureus – u. an so manchen
Spruch: die sämtlich allerdings erst
vom reiferen Alter aus angehört, ihre
Bedeutung erschliessen. Ich halte es
für ganz unmöglich dass ein Mann
von 20–30 Jahren den II Faust lebendig
begrüseiften könne; das Merkmal des
grossen Dichterwerkes aber ergibt dies
wiederum aus der unleugbaren Tat-
sache, dass Faust im Einzelnen jedem
Alter Etwas gibt, u. keinem das
Ganze.

Genève. 21. Avril
1918.

F. Busoni.

Deutsche
Staatsbibliothek
Berlin
                                                                
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[Rückseite von Textseite 3]
Über Goethes Faust. II Teil
                                                                
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Überlieferung
Deutschland | Berlin | Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz | Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv | Nachlass Ferruccio Busoni | Mus.Nachl. F. Busoni B I, 1012 | olim: Mus.ep. F. Busoni 806a (Busoni-Nachl. B I) |

Nachweis Kalliope

Zustand
Der Brief ist gut erhalten.
Umfang
3 Blatt, 3 beschriebene Seiten
Hände/Stempel
  • Hand von Gerda Busoni, Briefabschrift in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift.
  • Hand des Archivars, der die Signaturen mit Bleistift eingetragen und eine Foliierung vorgenommen hat.
  • Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat
  • Bibliotheksstempel (rote Tinte)
  • Hand Gerda Busonis, die mit Bleistift den Adressatennamen und eine Notiz zum Briefinhalt eingetragen hat.
Bildquelle
Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz: 123456

Zusammenfassung
Busoni erläutert die Bedeutung von Goethes Faust II.
Incipit
Es ist nicht leicht zu präzisieren

Inhaltlich Verantwortliche
Christian Schaper Ullrich Scheideler
bearbeitet von
Stand
26. März 2023: zur Freigabe vorgeschlagen (Auszeichnungen überprüft, korrekturgelesen)
Stellung in diesem Briefwechsel
Vorausgehend Folgend
Benachbart in der Gesamtedition